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Räumliche Bedingungen

5.2 Bestandesnutzung

5.2.2 Räumliche Bedingungen

Um Dokumente auch benutzen zu können, braucht es angepasste Räumlichkeiten und Angebote. Huser (2012) definiert die Anforderungen für ein am Benutzer orientiertes Archiv im Allgemeinen und für den Lesesaal im Besonderen:

„Da ist zum einen die handfeste Grundeinrichtung, über deren Elemente es kaum grössere Diskussionen geben dürfte, die aber oftmals aus finanziellen Gründen oder mangels Priorität fehlt. Dazu gehören ein gut zugängliches Archivgebäude, helle Arbeits- und Aufenthaltsräume, Sauberkeit, gepflegte und zweckdienliche Ausstattung, freundliche Atmosphäre, Garderobe / Schliessfächer, Körbchen / durchsichtige Taschen für eigenes Arbeitsmaterial beziehungsweise Leihmaterial, eine minimale Verpflegungsmöglichkeit (Getränke- und Verpflegungsautomat). [...]

Ebenfalls zeitgemäss und wünschbar für die materielle Grundausstattung des Archivpublikums wäre nebst der Bereitstellung von einem oder mehreren Internetzugängen auch die Einrichtung von WLAN in den Lesesälen, damit ein kombiniertes Arbeiten mit den Dokumenten vor Ort und der Internetrecherche am eigenen PC möglich wären“ (S. 198–199).

Bei dieser Aufzählung sind vor allem drei Aspekte hervorzuheben, die für sehbehinderte und blinde Benutzer zwingend notwendig sind: die hellen Arbeitsräume, der Stromanschluss beim Arbeitsplatz und ein verfügbares WLAN. Bezüglich der

Beleuchtung empfiehlt der SZB bewegliche Leuchten mit einer Lichtstärkenregelung (Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen, 2013, S. 2).

Gilhaus und Worm (2017) raten zu mindestens zwei gut erreichbaren Steckdosen für den Anschluss elektronischer Hilfsmittel wie elektronische Lupen, Bildschirmlesegerät und ähnlichem (S. 8). Das WLAN ist wichtig, damit der Laptop des Nutzers auf die digitalen Findmittel oder auf Hilfsprogramme, die online funktionieren, zugreifen kann.

Für all diese Geräte braucht es Platz. Deshalb sollte eine genügend grosse Arbeitsfläche vorhanden sein, auf der es neben den Dokumenten und dem Laptop auch noch Platz für die Ablage zusätzlicher Hilfsmittel gibt.

In zwei Publikationen, die sich mit der Einrichtung einer barrierefreien Bibliothek befassen, gehen die Autorinnen noch weiter. Sie fordern, dass nicht die Benutzer ihre eigenen Geräte mitbringen, sondern dass entsprechende Hilfsmittel vor Ort vorhanden sind. Schrammel (2007, S. 56) erwähnt diesbezüglich Lupen, Bildschirmlesegeräte, Buchscanner, Lesegerät mit OCR-Software und Braillezeile9. Nielsen & Irval (2015) gehen noch weiter:

„There should be technical aides like magnifying glasses and different kinds of players and tape recorders. […] If the library offers computers for its users then at least one of them should be adapted with screen reader software, synthetic speech, magnification and, if possible, a braille keyboard“ (S. 5).

Für Bibliotheken mag die Situation unter Umständen anders sein. Sie haben meist wesentlich höhere Benutzerzahlen, so dass sich solche Anschaffungen auch lohnen.

Es ist zwar sicher begrüssenswert, wenn auch Archive solche Geräte haben. Aber im Allgemeinen greifen diese Anschaffungen in Archiven zu weit. Hiltebrand (2020) weist in diesem Zusammenhang auf die unterschiedliche Haltung in Europa und den USA hin. In Europa sei es die Pflicht der Betroffenen, dafür zu sorgen, dass sie entsprechend ausgerüstet sind, um eine Dienstleistung nutzen zu können. In den USA ist es Sache des Dienstleisters. In der Schweiz wurde diese Diskussion auf politischer Ebene noch nicht geführt. Im Schulbereich ist sie aber angelaufen. Eine politische Regulierung sei schwierig, da sie je nach Bereich auf Gemeinde-, Kantons- oder Bundesebene vorgenommen werden müsse. Eine Mitarbeiterin der Schweizerischen Fachstelle für Sehbehinderte im beruflichen Umfeld (SIBU) in Basel ist der Meinung, dass es für ein Archiv wenig sinnvoll ist, teure Geräte anzuschaffen. Hilfsmittel sind

9 Bei der Braille-Zeile wird der Text auf dem Computer über den Screenreader auf einer Art Leiste ausgegeben. Dabei werden die Wörter mit fühlbaren Stiften in Brailleschrift zeilenweise und fortlaufend dargestellt.

sehr aufgaben- und personenbezogen. Es gibt von allen Hilfsmitteln verschiedene Produkte. Das eine nützt der einen Person, ein anderes einer anderen. Deshalb ist es fast unmöglich, ein spezielles Produkt auszuwählen, das für viele passend ist. Jede sehbehinderte oder blinde Person weiss, was sie braucht. Am besten ist es, wenn sich das Archivpersonal danach erkundigt. Die blinde Testperson weist auch darauf hin, dass solche Geräte sehr individuell auf die Sehbehinderung passend eingestellt werden müssen. Da das recht aufwändig ist, ist es einfacher, wenn sehbehinderte und blinde Benutzer ihre eigenen auf sie abgestimmten Geräte mitnehmen. Die Anschaffung von zwei Hilfsmitteln lohnt sich jedoch auch für Archive: Lupen in verschiedenen Stärken (mit integriertem Licht) und zusätzliche, starke Lampen.

Wenn ein Archiv beschliesst, zumindest einen lokalen Computer – auf dem sich beispielsweise die Findmittel des Archivs oder online-Zugänge für andere Datenbanken befinden – für sehbehinderte und blinde Benutzer zugänglich zu machen, dann braucht der Computer verschiedene Einrichtungen. Rayini (2017, S. 6) findet zu Recht, dass man nicht auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden eingehen kann. Er schlägt deshalb vor, lediglich fünf Softwareprogramme zu installieren (JAWS, Window-Eyes, ZoomText, Dragon Naturally Speaking und Text Aloud). Es ist jedoch zu beachten, dass Lizenzen von Hilfsmitteln meist personengebunden und nicht an Institutionen abgegeben werden. Die Schweizerische Fachstelle für Sehbehinderte im beruflichen Umfeld (2019) rät deshalb, dass die Betroffenen selber am besten zwei Programme erwerben und macht noch einige Ergänzungen zur Einrichtung der Computer: Für sehbehinderte Personen muss der Bildschirm bezüglich des Kontrasts, der Helligkeit und der Auflösung konfigurierbar sein; der Mauszeiger muss vergrössert und in einer anderen Farbe gewählt werden können und es muss ein Vergrösserungsprogramm (z.B. Lunar oder Zoomtext) installiert sein. Für blinde Personen muss ein Screenreader (z.B. Supernova oder JAWS) installiert sein. Damit können sie die gängigen Programme und den Internetzugang bedienen.

Vor allem für stark sehbehinderte und blinde Benutzer ist es wichtig, dass ein Raum zur Verfügung steht, in dem gesprochen werden kann, wie man bei den Testbesuchen im Wirtschaftsarchiv und im Sozialarchiv gesehen und auch erhalten hat. Das ist vor allem dann notwendig, wenn sie das Archiv mit einer Begleitperson besuchen. Screenreader können sie über Kopfhörer hören. Doch wenn einzelne Dokumente in den Dossiers gesucht oder Textpassagen vorgelesen werden müssen, erfordert das eine Kommunikation zwischen den beiden, was in Lesesälen mit mehreren Benutzern störend sein kann. Wünschenswert ist auch, wenn solche separaten Räume im Voraus reservierbar sind.

5.2.3 Dokumentnutzung