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Im Bibliotheksbereich beschäftigt man sich schon seit längerem mit dem Thema der Öffnung für Menschen mit Behinderung. Anlässlich der 71. Generalkonferenz der International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) 2005 in Oslo wurde eine Checkliste herausgegeben, die helfen soll, behinderten Menschen den Zugang zu Bibliotheken zu ermöglichen (Nielsen & Irval, 2005). Die Zugänglichkeit von Bibliotheken für behinderte Menschen wurde in der Folge immer wieder mit Studien überprüft. 2007 verfasste Schrammel ihre Diplomarbeit mit dem Titel „Barrierefreie Bibliotheken. Kriterien für barrierefreie Öffentliche Bibliotheken“, es wurde die Situation in den USA von Bonnici, Maatta, Brodsky und Steele (2015) analysiert oder Bolt (2018)

berichtet über ein direkt von der IFLA initiiertes Projekt. In einigen wissenschaftlichen Artikeln wurde die Situation an Universitätsbibliotheken im Besonderen thematisiert (Onsinyo, 2018; Schroeder, 2018). Vincent (2018) setzte den Fokus breiter und untersuchte den Zugang zu englischen Bibliotheken nicht nur für behinderte, sondern auch für sozial benachteiligte oder für ältere Menschen, für religiöse Minderheiten usw.

Einen spezifischen Blick auf die Situation von sehbehinderten und blinden Menschen in Bibliotheken setzte Marlin (2014) für die USA, Rayini (2017) für die weltweite Situation und für Indien im Speziellen sowie Majinge und Mutula (2018) für Universitätsbibliotheken. Brazier (2007) und Anis (2015) betrachteten die besondere Situation der Sehbehindertenbibliotheken. Weil der Zugang zu Bibliotheken für sehbehinderte und blinde Menschen stark mit der Verfügbarkeit von Literatur in angepasster Technologie zusammenhängt, gab es zahlreiche Projekte, welche sich mit der Umwandlung von gedruckten Texten in adäquate Formen befassten. Bereits 1991 berichteten Barth, Kortus, Nolte-Fischer und Visse über einen Modellversuch zur Verbesserung der Literaturversorgung von Studierenden. 1994 entstanden in Schweden erste Protoypen der DAISY-Hörbücher (DAISY Consortium, 2020). Seit der Jahrtausendwende ist diese Form von navigierbaren Multimedia-Publikationen internationaler Standard. Frauchiger (2016) untersuchte in ihrer Bachelorarbeit die Anforderungen an barrierefreie E-Books, auch mit einem Blick auf DAISY.

Zwei Arbeiten beleuchteten die Anforderungen an die Institution wie auch an den Arbeitsplatz, wenn behinderte Menschen als Mitarbeiter angestellt werden. Waddington (2004) zeigte die Situation für ein Archiv, Isler (2015) für eine Bibliothek. Bei beiden Arbeiten werden verschiedene Behinderungsformen betrachtet. Ein Fokus auf sehbehinderte oder blinde Mitarbeiter wurde bis jetzt jedoch nicht gelegt.

Wenn sehbehinderte und blinde Menschen Zugang zu einem Archiv erhalten sollen, dann kann das in eine übergeordnete Frage münden: Wie soll ein Archiv generell zugänglich sein? Mit der Art und Weise der Benutzbarkeit und Zugänglichkeit setzten sich die Archivare immer wieder auseinander. 1999 flossen die Vorstellungen in der Schweiz in den Kodex ethischer Grundsätze für Archivare ein (Verein Schweizerischer Archivarinnen und Archivare, 1999). Auch in anderen Ländern setzten sich die Archivarenverbände für die Einführung solcher Standards ein, wie 2008 der National Council on Archives in Grossbritannien mit dem Fokus auf die Zugänglichkeit. Der International Council on Archives ICA befasste sich ebenfalls damit und gab 2012 die Principles of Access to Archives heraus. Ein erwähnenswerter Artikel über Schweizer Archive verfasste Huser (2012) unter dem Titel „Möglichkeiten und Grenzen öffentlicher Archive im Bereich Benutzung und Vermittlung“.

Die Möglichkeiten von Zugänglichkeit veränderten sich mit der Entwicklung der digitalen Gesellschaft. Das Bedürfnis nach einem digitalen Zugang zum Archiv und seinen Beständen wurde bei den Kunden grösser und regte die Verantwortlichen in den Archiven an, sich damit auseinanderzusetzen. Bereits 2012 nahm der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare (2013) den Wunsch auf und liess anlässlich des 82. Deutschen Archivtags die Referenten und Teilnehmer über Zukunftskonzepte für Archive nachdenken. Zwei Jahre später doppelte der Verband nach und setzte für den 84. Deutschen Archivtag das Thema „Neue Wege ins Archiv – Nutzer, Nutzen, Nutzung“ (Verband deutscher Archivarinnen und Archivare, 2016). Dort ging es unter anderem um die Archivnutzung im Internet und die damit zusammenhängende Digitalisierung der Bestände. Die Idee des virtuellen Lesesaals kam auf, eine Form, mit der Archivbenutzer Zugang zu digitalen Archivbeständen erhalten. Darauf reagierte der Verein der Schweizerischen Archivarinnen und Archivare und stellte 2015 seinen Mitgliedern einen Anforderungskatalog für den virtuellen Lesesaal zur Verfügung (Arnold, Baumgartner, Gubler, Lang, Kansy & Kwasnitza, 2015). Mit der Kombination von analogem und virtuellem Lesesaal befassten sich Lüpold, Huser und Mahler (2017).

Ein virtueller Lesesaal ist für sehbehinderte und blinde Menschen von grossem Gewinn.

Sie können auf die digitalen Archivbestände zugreifen und sie mit ihren Hilfsmitteln benutzen. Allerdings ist dies nur möglich, wenn der Zugang zu diesem virtuellen Lesesaal auch barrierefrei, also mit Sehbehindertentechnologie benutzbar ist. 2009 wurden deshalb internationale Richtlinien definiert, die einen barrierefreien Zugang zu Webinhalten ermöglichen (W3C, 2009). Arnold (2011) befasste sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem barrierefreien Webdesign und Billingham (2014) zeigte auf, wie Universitätsbibliotheken ihre Websites barrierefrei machen können. 2016 prüfte die Stiftung Zugang für Alle mit einer gross angelegten Studie die Zugänglichkeit bedeutender Schweizer Internetangebote, darunter Websites des Bundes, von Kantons- und Stadtverwaltungen.

Es gibt also eine beträchtliche Anzahl Arbeiten, die beigezogen werden können, wenn man sich mit der Zugänglichkeit von Archiven für blinde und sehbehinderte Menschen befassen möchte. Direkt mit dem Thema setzten sich aber nur wenige auseinander.

Gefunden wurden nur drei Arbeiten, die sich mit der Thematik auseinandersetzten.

Kepley (1983) publizierte in der Zeitschrift American Archivist erstaunlicherweise bereits 1983 einen Text über die Zugänglichkeit von Archiven und nahm auch Bezug auf blinde Nutzer. Etwas umfassender widmete sich Whiteside 2002 den sehbehinderten und blinden Archivnutzern und schliesslich behandelten Gilhaus und Worm (2017) das

Thema ebenfalls. Sie steckten den Rahmen aber wieder etwas breiter ab und bezogen noch die Inklusion, das Mitwirken von behinderten Menschen beispielsweise bei Veranstaltungen, mit ein.