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2.7 Quantitative Proteinanalytik

Neben der Identifizierung lässt sich die MS auch zur Quantifizierung von Proteinproben nutzen. Ein MS-basierter Quantifizierungsansatz, der seit einiger Zeit bevorzugt genutzt wird, ist die markierungsfreie Quantifizierung[92]. Hierbei werden Proteine in unterschiedlichen MS-Messungen relativ zu einander quantifiziert. Die Quantifizierung kann unter anderem über die Signalintensitäten in den extrahierten Ionenchromatogrammen erfolgen. Ein anderer markierungsfreier Quantifizierungsansatz ist das Zählen der MS/MS-Spektren, die sich einem Protein zuordnen lassen. Der Grundgedanke dabei ist, dass die Ionen der Peptide eines abundanten Proteins häufiger fragmentiert werden als die Ionen eines weniger abundanten Proteins. Vorteile der markierungsfreien Quantifizierung sind insbesondere die Zeit- und Kostenersparnis in der Probenvorbereitung, da kein zusätzlicher Arbeitsschritt für die Markierung der Proteine oder Peptide mit einem meist kostspieligen Reagenz notwendig ist. Andererseits ist beim markierungsfreien Ansatz kein Multiplexing, d. h. das simultane Analysieren von mehreren Proben in einer Messung, möglich. Folglich muss jede Probe separat gemessen werden. In diesem Zusammenhang ergibt sich auch der größte Nachteil der markierungsfreien Quantifizierung. Da die Proben erst in der Datenauswertung verglichen werden und vorher völlig separat sind, stellt jeder Arbeitsschritt, von der Probennahme bis zur massenspektrometrischen Analyse, eine potentielle Fehlerquelle dar. Gerade bei der Ionisierung kann es z. B. durch Sprayfluktuationen oder einer unterschiedlichen Ionisierbarkeit infolge von unterschiedlichen Probenzusammensetzungen zu sehr großen

geringere Genauigkeit als Quantifizierungsansätze, die auf einer Markierung basieren. Daher müssen für verlässliche Quantifizierungsergebnisse in der Regel relativ große Probensätze analysiert werden, die dann computergestützt über Big Data Verfahren ausgewertet werden[93]. In Abbildung 7 ist der typische Arbeitsablauf für diverse Quantifizierungsstrategien mit dem jeweiligen Zeitpunkt der Vereinigung der verschiedenen Proben dargestellt.

Abb. 7: Typische Arbeitsabläufe für MS-basierte Quantifizierungsstrategien. Bei markierungsfreien Ansätzen gibt es keine Probenvereinigung, der Vergleich erfolgt erst bei der Datenanalyse. Bei chemischen Markierungsstrategien erfolgt die Vereinigung auf Protein- oder Peptidebene, die Proben werden zusammen aufgetrennt und analysiert. Beim metabolischen Markieren kann die Vereinigung bereits auf Zellebene passieren (Abbildung modifiziert nach [92]).

Bei den Quantifizierungsansätzen, die auf einer Markierung basieren, kann die relative Quantifizierung in einer Messung erfolgen. Dies wird ermöglicht, indem mithilfe der Markierung ein Massenunterschied (engl. mass shift) in den Proteinen der unterschiedlichen Proben generiert wird. Dadurch ergeben sich für die Proteine bzw. Peptide der unterschiedlichen Proben jeweils unterschiedliche Signale im Massenspektrum. Über diese Signale kann anschließend die Quantifizierung erfolgen. Die Herausforderung hierbei ist, dass

sich die zur Generierung des Massenunterschieds differenziell markierten Proteine und Peptide in ihren physikochemischen Eigenschaften, wie dem Trenn- oder Ionisierungsverhalten, möglichst nicht unterscheiden sollten. Aus diesem Grund wird der Massenunterschied vorrangig mithilfe von Isotopenmarkierungen generiert.

Innerhalb der auf Isotopenmarkierung basierenden Quantifizierungsansätze wurden diverse Methoden für das Einbringen der Isotopen in den Analyten entwickelt. Ein Ansatz ist das metabolische Markieren. Bei SILAC (engl. stable isotope labelling by amino acids in cell culture) werden die Isotopen bereits bei der Kultivierung der Probe eingeführt[94]. Dies wird erreicht, indem Zellkulturen mithilfe von Nährmedien mit isotopenangereicherten Aminosäuren kultiviert werden. Als Referenz werden Zellen kultiviert, denen Aminosäuren mit natürlicher Isotopenzusammensetzung zugesetzt werden. Durch Kombination von passenden isotopenangereicherten Aminosäuren und Proteasen lassen sich so Peptide mit einem definierten Massenunterschied generieren, welcher zur Quantifizierung genutzt werden kann. Beispielsweise führt die Kombination von [13C6]-Lysin mit der Protease Lys-C zu Peptiden mit einem Massenunterschied von jeweils 6 Da. Vorteile von SILAC sind einerseits die frühzeitige Kombination der Proben, welche direkt im Anschluss an die Gewinnung der Zellen erfolgen kann. Andererseits ist kein zusätzlicher Markierungsschritt in der Probenvorbereitung notwendig. Beide Punkte führen zu einer deutlich geringeren Fehleranfälligkeit infolge der Probenvorbereitung[95]. Problematisch sind insbesondere der hohe Zeit- und Kostenaufwand zur Kultivierung isotopenangereicherter Zellen. Darüber hinaus ist die Methode fast ausschließlich für Zellkulturen nutzbar und besitzt folglich eine sehr begrenzte Anwendbarkeit. Es gab zwar in den letzten Jahren auch erste Anwendungen auf höhere Organismen, wie z. B. SILAC-Pflanze[96], SILAC-Fliege[97] oder auch SILAC-Maus[98], allerdings ist dies sogar mit einem noch größeren Kosten- und Zeitaufwand verbunden.

Neben der metabolischen Markierung lassen sich die Isotopen auch auf chemischem Wege in Proteine einführen, indem ein isotopenangereichertes Markierungsreagenz verwendet wird.

Gängige chemische Markierungsstrategien sind beispielsweise ICAT (engl. isotope-coded affinity tag)[99] und iTRAQ (engl. isobaric tags for absolute and relative quantification)[100]. Bei ICAT, welches das erste kommerziell erhältliche Isotopenmarkierungsreagenz für die relative massenspektrometrische Quantifizierung war, wird das Reagenz, welches sowohl die Isotopen als auch eine Biotingruppe enthält, über eine Iodacetamid- oder eine

Acrylamidfunktionalität kovalent an Cysteinreste gebunden. Eine Besonderheit bei iTRAQ, welches an Aminfunktionen im Protein bindet, ist, dass die verschiedenen isotopenangereicherten Reagenzien isobar zueinander sind. Erst infolge der Fragmentierung im MS/MS-Experiment wird eine Massendifferenz generiert, welche für die Quantifizierung genutzt werden kann.

Eine weitere chemische Isotopenmarkierungsstrategie ist ICPL (engl. isotope-coded protein label)[101]. Das ICPL-Reagenz basiert auf Nikotinsäure-N-hydroxysuccinimid (NHS)-estern, welche ebenfalls an die Aminfunktionen im Protein binden. Zur Generierung des Massenunterschieds werden die Kohlenstoff- oder Wasserstoffatome der Nikotinsäure durch

13C bzw. Deuterium ersetzt. Je nachdem, ob nur die Kohlenstoffatome, nur die Wasserstoffatome oder beide isotopenangereichert sind, ergeben sich vier verschiedene Massen für das Markierungsreagenz. Dementsprechend kann die Methode für Quadruplexquantifizierungen genutzt werden. Gegenüber der sehr ähnlichen ICAT-Strategie konnten diverse Vorteile beobachtet werden[95]. Trotz der ICPL-Markierung bleiben viele physikochemische Eigenschaften der Proteine erhalten. Darüber hinaus verbessert die Nikotinsäuremarkierung die Ionisierbarkeit der Peptide.

Neben der Isotopenmarkierung kann die Massendifferenz für die Quantifizierung auch durch Verwendung unterschiedlicher Elemente in den Markierungsreagenzien generiert werden.

Damit ist jedoch das Risiko verbunden, dass sich die physikochemischen Eigenschaften der differenziell markierten Proteine unterscheiden. Aus diesem Grund werden für die Markierung mit unterschiedlichen Elementen häufig Chelatkomplexe verwendet. Eine Quantifizierungsstrategie, die darauf basiert ist MeCAT (engl. metal-coded affinity tag).

MeCAT wurde 2007 durch die Arbeitsgruppe um LINSCHEID vorgestellt[102]. Beim MeCAT-Reagenz handelt sich um einen bifunktionellen Chelatkomplex, welcher kovalent an Proteine und Peptide bindet. Als Chelatligand wurde aufgrund der hohen Komplexstabilität DOTA (1,4,7,10-Tetraazacyclododecan-1,4,7,10-tetraessigsäure) gewählt. Je nach gewählter Funktionalität kann das MeCAT-Reagenz an diverse funktionelle Gruppen des Proteins binden[102-104], wobei sich insbesondere das Markieren der Thiolfunktionen in Cysteinresten durchgesetzt hat. Das ursprüngliche MeCAT-Reagenz hatte zur Bindung an den Cysteinresten eine Maleinimidfunktionalität (MeCAT-Mal, Vgl. Abb. 8). Jedoch kam es infolge der Markierung zur Bildung von Diastereomeren, welche durch HPLC getrennt werden können.

Aus diesem Grund wurde im Jahr 2011 von SCHWARZ et al. ein MeCAT-Reagenz mit Iodacetamidfunktionalität (MeCAT-IA, Vgl. Abb. 8) vorgestellt[105], bei dem die Bindung an die Thiolfunktion nicht mehr zur Bildung eines chiralen Zentrums und damit zur Bildung von Diastereomeren führt.

Abb. 8: Strukturformeln der MeCAT-Reagenzien mit Maleinimidfunktionalität (links) und mit Iodacetamidfunktionalität (rechts). Die Additionsreaktion an die Doppelbindung des Maleinimids während der Markierung führt zur Bildung von Diastereomeren (Abb. nach [102,

105]).

Als komplexiertes Metall werden bei MeCAT bevorzugt Lanthanoide eingesetzt. Diese bilden mit DOTA einen sehr stabilen Komplex, was eine Dissoziation oder einen Metallaustausch sehr unwahrscheinlich macht[106]. Darüber hinaus unterscheiden sich die verschiedenen DOTA-Lanthanoidkomplexe eher geringfügig in ihren physikochemischen Eigenschaften. So koeluieren die mit verschiedenen Metallen markierten Proteine und Peptide weiterhin bei chromatografischen Trennungen. Dass viele der Lanthanoide monoisotopisch sind, ist ebenfalls für die Quantifizierung von Vorteil. Ein weiterer Vorteil von Elementmarkierungen und im Speziellen von Lanthanoidmarkierungen ist, dass diese auch mittels ICP-MS quantifiziert werden können. Die Vorteile der Lanthanoide sind hier unter anderem die geringe biologische Abundanz der Lanthanoide und, infolge der großen Masse, nur geringe Interferenzen im ICP-MS. Da bei ICP-MS die Elementsignale direkt gemessen werden, ist hier mit MeCAT auch mit wenig Aufwand eine absolute Quantifizierung umsetzbar, wobei die externe Kalibrierung mithilfe von Salzstandards erfolgen kann[107]. Darüber hinaus ist MeCAT auch mit der LA-ICP-MS kombinierbar. MeCAT-markierte Proteine, die mittels SDS-PAGE getrennt wurden, können mittels LA-ICP-MS direkt im getrockneten Polyacrylamidgel analysiert werden[81]. So konnten beispielsweise die Proteine eines humanen Zelllysats mittels LA-ICP-MS ortsaufgelöst in zweidimensionalen Polyacrylamidgelen quantifiziert werden[108].

Gerade diese Möglichkeiten machen Die MeCAT-Strategie interessant für eine Quantifizierung von komplexen biologischen Proteinproben.