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2.3 Bdellovibrio bacteriovorus

Da in dieser Arbeit mit B. bacteriovorus gearbeitet wurde, soll diese Spezies im Folgenden noch näher vorgestellt werden. Innerhalb der BALOs ist B. bacteriovorus die am besten untersuchte Spezies. B. bacteriovorus besitzt einen zweiphasigen Lebenszyklus. Das vollständige Genom des HD100 Stamms von B. bacteriovorus konnte 2004 von RENDULIC et al.

entschlüsselt werden[49]. In Abbildung 3 ist der Lebenszyklus von B. bacteriovorus dargestellt.

Zu Beginn des Lebenszyklus befindet sich B. bacteriovorus in der Angriffsphase (AP, engl.

attack phase) aktiv auf der Suche nach potentiellen Wirten (Vgl. Abb. 4 A). Mit seinem einzelnen Flagellum bewegt es sich dabei mit der höchsten bekannten Geschwindigkeit aller gram-negativen Bakterien. Es ist noch nicht abschließend geklärt, wie B. bacteriovorus potentielle Wirte findet, während es sich durch das Medium bewegt. Allerdings wird vermutet, dass dies statistisch durch zufällige Zusammenstöße geschieht, welche durch hydrodynamische Effekte verstärkt werden[50]. Stößt B. bacteriovorus mit einem potentiellen Wirt zusammen, haftet es sich an die äußere Membran des Wirts. Auch hier ist noch nicht genau geklärt, wie B. bacteriovorus erkennt, ob die Zelle als Wirt geeignet ist. Es konnte beispielsweise beobachtet werden, dass B. bacteriovorus die Membran der Wirtzelle wieder verlässt, wenn der Wirt bereits durch eine andere B. bacteriovorus Zelle belegt ist. Es wird allerdings vermutet, dass der Initiator der Penetration eine Komponente der Wirtsmembran ist[51].

Abb. 3: Lebenszyklus von B. bacteriovorus. In der Angriffsphase bewegt sich B. bacteriovorus auf der Suche nach potentiellen Wirten. Trifft es auf einen Wirt, dringt es in den periplasmatischen Raum des Wirts ein und initiiert die Wachstumsphase. B. bacteriovorus nutzt das Zytoplasma des Wirts für das eigene Wachstum. Anschließend teilt sich B. bacteriovorus in mehrere neue Zellen, welche den Wirt verlassen und sich ihrerseits neue Wirte suchen. Die Zeitangaben basieren auf Untersuchungen zum Lebenszyklus von B. bacteriovorus HD100 mit E. coli S17-1 als Wirt[52].

Erachtet B. bacteriovorus die Wirtszelle als geeignet, dringt es in den periplasmatischen Raum des Wirts ein. Während dieses Prozesses verliert B. bacteriovorus sein Flagellum. Das Eindringen in die Wirtszelle erfolgt vorrangig mithilfe von Typ IV Pili (Vgl. Abb. 4 A und B), daher sind die assoziierten Gene vor der Penetration hochreguliert[53]. Nach der Penetration wechselt B. bacteriovorus in die Wachstumsphase (GP, engl. growth phase). Mithilfe von Glycanasen hydrolysiert B. bacteriovorus anschließend die Peptidoglycanschicht des Wirts, wodurch die Wirtszelle – nun Bdelloplast genannt – eine sphärische Form annimmt (Vgl.

Abb. 4 C). Hierauf initiiert B. bacteriovorus die Replikation der Desoxyribonukleinsäure (DNA) und die Biopolymersynthese, wobei es das Zytoplasma des Wirts als Substrat verwendet.

Basierend auf den genetischen Daten konnte ein horizontaler Gentransfer vom Wirt zu B. bacteriovorus ausgeschlossen werden. Darüber hinaus konnte auch kein Transfer von Lipopolysacchariden[51] und Membranproteinen[54] beobachtet werden, wodurch eine

Übernahme von intakten Wirtsbiopolymeren eher ausgeschlossen werden kann. Infolge der Biosynthese wächst die B. bacteriovorus Zelle zu einem Filament. Sobald das Zytoplasma des Wirts aufgebraucht ist, spaltet sich das Filament in mehrere neue B. bacteriovorus Zellen. Die Anzahl der neugebildeten Zellen hängt von der Größe des Wirts ab. Die neugebildeten Zellen zersetzen Teile der äußeren Membran des Wirts und verlassen mithilfe von neugebildeten Flagellen den Wirt. Anschließend wechseln sie erneut in die AP, wobei die leere Hülle des Wirts zurückbleibt (Vgl. Abb. 4 D).

Abb. 4: Elektronenmikroskopische Aufnahmen von verschiedenen Stadien des Lebenszyklus.

A: Transmissionselektronenmikroskopische (TEM) Aufnahme von AP Zellen. Im eingekreisten Bereich sind Pili erkennbar (Abbildung nach [55]). B: Rasterelektronenmikroskopische (REM) Aufnahme der Penetration von E. coli durch B. bacteriovorus. C: REM Aufnahme des Bdelloplasten. D: TEM Aufnahme der leeren Hülle des Wirts nach Verlassen der neugebildeten AP Zellen (Abbildung B, C und D nach [56]).

Basierend auf den genetischen Daten konnten für B. bacteriovorus HD100 sechs σ-Faktoren vorhergesagt werden. σ-Faktoren sind Proteine, die an die RNA-Polymerase binden, um die Transkription zu initiieren. Bakterien besitzen in der Regel mehrere σ-Faktoren, die mit unterschiedlichen Promotoregionen der DNA wechselwirken können. Auf diese Weise sind Bakterien in der Lage, ihre Transkription an Umwelteinflüsse anzupassen. Für E. coli sind sieben σ-Faktoren bekannt (σ70, σ54, σ38, σ32, σ28, σ24 und σFecl)[57]. Von den sechs σ-Faktoren von B. bacteriovorus weisen zwei (Bd0242, Bd3314) zu σ70, einer (Bd0843) zu σ54, einer (Bd3318) zu σ28 und zwei (Bd0881, Bd0743) zu σ24 Homologien auf[58]. Die hier verwendete Nomenklatur mit Bd und einer Zahl (z. B. Bd0242) beschreibt den zum Protein gehörenden

Genlokus, d. h. wo sich das Gen, welches das Protein codiert, auf dem Chromosom befindet.

2013 konnte von KARUNKER et al. nachgewiesen werden, dass die meisten Gene entweder ausschließlich in AP oder in GP exprimiert werden[59]. Das σ28 Homolog Bd3318 konnte als AP-spezifischer σ-Faktor identifiziert werden, welches an 140 AP-exklusive Promotoren bindet.

Darüber hinaus wurde beobachtet, dass während der AP große Mengen von nichtcodierender RNA exprimiert werden, welche einen c-di-GMP (engl. cyclic diguanylate monophosphate) Riboswitch enthalten. Daraus wurde geschlossen, dass c-di-GMP vermutlich wichtig für den schnellen Wechsel zwischen AP und GP ist. Die Wichtigkeit von c-di-GMP konnte ebenfalls durch die Gruppe um SOCKETT bestätigt werden, welche einerseits genetische Experimente mit den potentiell mit c-di-GMP interagierenden Proteinen durchführten[60] und anderseits die für die c-di-GMP Synthese relevanten Gene untersuchten[61]. Durch Ausschalten der jeweiligen Gene konnte nachgewiesen werden, dass c-di-GMP essentiell für zahlreiche Prozesse in B. bacteriovorus ist. Neben der Prädation umfasst dies auch die gleitende Fortbewegung (engl. gliding motility) und den Übergang zwischen einer zwingend prädatorischen (PD, engl. dependent) und einer nicht-prädatorischen (PI, engl. prey-independent) Lebensweise. Obwohl B. bacteriovorus eine obligatorisch prädatorische Lebensweise hat, lassen sich in Nährmedien mit hoher Zelldichte PI Mutanten isolieren[62]. Die Grundlagenforschung zu B. bacteriovorus hat sich bisher fast ausschließlich auf Analysen der genetischen Expression, d. h. auf Analysen des Genoms und des Transkriptoms, gestützt.

Für eine Aufklärung der Mechanismen, die B. bacteriovorus seine einzigartige Lebensweise ermöglichen, sind jedoch auch Analysen des Proteoms notwendig. Das Proteom spiegelt auf dynamische Art und Weise sowohl das Genom als auch Umwelteinflüsse wider[63]. So sind es meist Proteine, die bei den verschiedenen Prozessen in einer Zelle eine zentrale Rolle spielen.

2008 wurde von DORI-BACHASH et al. erstmals eine qualitative Analyse der Proteine eines PI Stammes durchgeführt[64]. Es konnten 21 % der vorhergesagten Proteine identifiziert werden, wobei der Fokus insbesondere auf Proteine mit variierender Genexpression lag. Davon abgesehen wurde bisher noch keine umfangreiche Proteinanalyse von PD Zellen durchgeführt, geschweige denn eine quantitative Analyse von unterschiedlichen Stadien des Lebenszyklus. Um diese Aufgabe zu bewältigen, werden diverse Techniken und Methoden benötigt, die im Folgenden vorgestellt werden sollen.