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2.2 Alternativen zu Antibiotika

Aufgrund der zunehmenden Resistenzen gegen klassische Antibiotika wurden einige alternative Ansätze entwickelt, wie pathogene Bakterien künftig bekämpft werden könnten.

Einen guten Überblick über die verschiedenen Ansätze bietet der Artikel von ALLEN et al. von 2014[10]. Als ein Lösungsvorschlag wird hier das Impfen genannt, da Impfungen sehr spezifisch sind und in der Regel guten Schutz sowohl gegen Bakterien als auch gegen Viren bieten. Da für einen effektiven Schutz jedoch möglichst die gesamte Population geimpft werden müsste, wäre ein vollständiger Ersatz der Antibiotika mit Impfstoffen auch aufgrund der Vielzahl an Pathogenen sehr kostspielig. Außerdem gibt es viele Pathogene, für die kein Impfstoff bekannt ist. Ein anderer Ansatz ist der Einsatz von probiotischen Kulturen, um so entweder das Immunsystem zu stärken oder das Pathogen zu verdrängen und eine Besiedlung zu verhindern[11].

Eine weitere Alternative zu klassischen Antibiotika ist der Einsatz von Bacteriocinen. Diese von Bakterien sekretierten Peptide und Proteine mit antibiotischer Wirkung schützen eine Kultur vor der Besiedlung durch andere Stämme ähnlicher Bakterienarten. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 99 % aller Bakterien mindestens ein Bacteriocin produzieren.

Obschon Bacteriocine im Vergleich zu klassischen Antibiotika eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit haben, Resistenzen auszulösen, konnten in in vitro-Langzeitexperimenten bereits Resistenzen beobachtet werden[12]. Neben Bacteriocinen könnten auch Endolysine als

Antibiotika eingesetzt werden[13]. Diese Hydrolasen werden von Bakteriophagen hergestellt um mit hoher Spezifizität die Peptidoglycanschicht von Bakterien aufzulösen. Dadurch beschränkt sich die Anwendung jedoch auf gram-positive Pathogene.

Über den Einsatz von Lysinen hinaus wird auch über den direkten Einsatz von Bakteriophagen als Antibiotikum nachgedacht. Bereits 1917 wurden erste Experimente zum erfolgreichen Einsatz von Phagen gegen pathogene Bakterien durchgeführt[14]. Mit dem Aufkommen von Penicillin und anderer Antibiotika wurde die therapeutische Phagenforschung jedoch weitgehend verdrängt. Bakteriophagen besitzen eine sehr große Wirtsspezifizität, was einen Einsatz als Breitbandantibiotikum sehr schwierig macht. Andererseits wird dadurch die natürliche bakterielle Flora weniger gestört und Resistenzbildungen sind deutlich unwahrscheinlicher als bei klassischen Antibiotika. Darüber hinaus könnten Phagen bereits resistent gewordene Pathogene durch Mutation ihrerseits erneut angreifen[5]. Die hohen Mutationsraten könnten sich jedoch auch als problematisch für eine stabile Anwendung erweisen[14].

Die letzte Gruppe an potentiellen Antibiotikaalternativen sind prädatorische Bakterien (engl.

predatory bacteria). Diese gram-negativen Bakterien jagen andere Bakterien, wobei sie das Zytoplasma ihres Wirtes zersetzen und für den eigenen Stoffwechsel und die eigene Reproduktion verwenden. Prädatorische Bakterien konnten erstmals 1962 aus einer Bodenprobe isoliert werden[15]. Aufgrund seiner Form und seiner Lebensweise gaben STOLP

et al. dem neuentdeckten Bakterium den Namen Bdellovibrio bacteriovorus. Mit der Zeit konnten immer mehr prädatorische Bakterien aus diversen Lebensräumen isoliert werden.

So konnten prädatorische Bakterien in fast allen Lebensräumen gefunden werden, sei es in – sowohl süßwasser- als auch salzwasserhaltigen – Gewässern[16, 17] oder im Darm von Mensch[18] und Tier[19]. Abgesehen von dem 1972 isoliertem Cyanobakterium Vampirovibrio chlorellavorus[20], welches Grünalgen der Gattung Chlorella jagt, jagen sämtliche bisher identifizierten prädatorischen Bakterien ausschließlich gram-negative Bakterien[21]. Jedoch konnte 2014 von IEBBA et al. erstmals beobachtet werden, dass ein Stamm von B. bacteriovorus sich durch das gram-positive Bakterium S. aureus vermehren konnte[22]. Darüber hinaus konnten auch die extrazellulären Proteasen von B. bacteriovorus dazu genutzt werden, Biofilme vom gram-positiven S. aureus zu zersetzen[23]. Ursprünglich wurden sämtliche isolierten prädatorischen Bakterien der Spezies B. bacteriovorus zugeordnet. Mit

der Weiterentwicklung der genetischen Analysenmethoden konnten weitere prädatorische Spezies zugeordnet werden, die durch konvergente Evolution entstanden sind[24]. In Abbildung 2 ist ein aktueller phylogenetischer Stammbaum für eine Auswahl der bisher identifizierten prädatorischen Bakterien dargestellt[21].

Abb. 2: Auf 16S ribosomale Ribonukleinsäure (rRNA) basierender phylogenetischer Stammbaum von verschiedenen Spezies prädatorischer Bakterien. Darüber hinaus wurden die Spezies bezüglich ihres Lebensraums, ihrer Lebensweise und ihrer genetischen Kenngrößen verglichen. GC beschreibt den Gehalt an Guanin und Cytosin und CDS den Anteil der codierenden DNA[21].

Die Proteobakterien unter den prädatorischen Bakterien (Genera Bdellovibrio, Bacteriovorax und Micavibrio) werden zur Vereinfachung meist unter dem Begriff BALOs (engl. Bdellovibrio-and-like organisms) zusammengefasst[25]. Einer der großen Vorteile von BALOs gegenüber Bakteriophagen neben den geringeren Mutationsraten ist, dass diese in der Lage sind, Biofilme zu zerstören[26]. Durch die relativ große Geschwindigkeit, mit der BALOs ihren Wirt töten, ist es für den Wirt schwierig, eine genetische Antwort zur Abwehr des Angreifers und damit Resistenzen zu entwickeln[27]. Es konnte für E. coli zu Beginn der Attacke durch B. bacteriovorus zwar eine transkriptomische Antwort beobachtet werden, jedoch enthielt diese Antwort fast ausschließlich stressinduzierte Gene und keine spezifischen Abwehrmechanismen[28]. In Langzeitexperimenten wurde 2009 für Pseudomonas fluorescens erstmals beobachtet, wie sich bei einem Wirt Resistenzen gegen B. bacteriovorus ausbilden[29]. BALOs bieten jedoch wie Phagen das Potential, dass sie resistent gewordene Wirte durch Evolution ihrerseits erneut angreifen können. So konnte im Langzeitexperiment beobachtet werden, dass ein Teil der resistent gewordenen P. fluorescens Zellen durch Koevolution weiterhin von B. bacteriovorus gejagt werden konnte.

In den letzten Jahren gab es zahlreiche Untersuchungen bezüglich der potentiellen Anwendung von BALOs als Antibiotika. Um eine eventuelle Pathogenität von BALOs auf eukaryotische Organismen zu überprüfen, wurden BALOs in mehreren in-vivo Experimenten auf Tiermodelle (unter anderem Maus[30], Ratte[31-33] und Kaninchen[34]) und in in-vitro Experimenten auf menschliche Zelllinien[35, 36] angewendet. Abgesehen von einer temporären leichten Entzündungsreaktion konnten keine negativen Effekte beobachtet werden. Bei intravenöser Anwendung konnten BALOs innerhalb weniger Tagen nicht mehr nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnten bei Anwendung auf infizierte Tiere positive Effekte beobachtet werden. Beispielsweise führte 2011 die erstmalige orale Anwendung von B. bacteriovorus auf mit Salmonella enterica infizierte Hühner zu verringerten Pathogenzahlen und weniger Symptomen[37]. Die respiratorische Applikation auf mit Klebsiella pneumoniae infizierte Ratten führte zu einer Reduktion der Pathogenlast in den Lungen von drei Größenordnungen[31]. Neben der Wirkung auf den Organismus wurde neuerdings insbesondere das pathogene Beutespektrum von BALOs untersucht. In in-vitro Studien konnten zahlreiche Pathogene als Beute von BALOs identifiziert werden. Zu diesen gehören beispielsweise die okularen Pathogene Pseudomonas aeruginosa und Serratia marscecens[38] oder auch das Parodontitispathogen Aggregatibacter actinomycetem-comitans[39]. Zusammen mit der Fähigkeit von BALOs, Biofilme zu zersetzen, könnte dies für eine künftige Anwendung im Mundraum sprechen. Darüber hinaus wurde insbesondere der Effekt von BALOs auf MDR-Pathogene untersucht. Bereits in mehreren in-vitro Studien, bei denen BALOs auf MDR- und auf XDR-Pathogene angewendet wurde, konnte kein negativer Einfluss durch die Antibiotikaresistenz festgestellt werden[40-42], weder bezüglich der Fähigkeit, die Pathogene zu jagen noch bezüglich der Fähigkeit, Biofilme der Pathogene aufzulösen.

Jedoch wurden in Experimenten auch einige Schwierigkeiten identifiziert, die einen erfolgreichen Einsatz als Antibiotika behindern könnten. Bereits in in-vitro Experiment konnte beobachtet werden, dass die Jagdeffizienz von BALOs in komplexeren Proben, wie z. B.

menschlichem Speichel, deutlich abnahm[43, 44]. Darüber hinaus konnte ein inhibierender Effekt von Indol auf die Prädation festgestellt werden, was eine intestinale Anwendung einschränken könnte[45]. Auch hohe Osmolalitäten können inhibierend auf BALOs wirken.

Obwohl BALOs nicht anfällig gegenüber dem Komplementsystem im Blutplasma sind, kann

die Prädation dennoch durch Serumalbumin vollständig inhibiert werden, indem die BALOs ummantelt werden[46]. Diese beiden Effekte machen eine intravenöse Anwendung von BALOs schwierig. Vermutlich aus diesen Gründen konnte 2017 bei einer intravenösen Applikation von BALOs auf mit K. pneumoniae infizierten Ratten kein Effekt festgestellt werden[32].

Über die medizinische Anwendung hinaus konnten noch weitere potentielle Anwendungsgebiete für BALOs gefunden werden, wie beispielsweise in der Abwasseraufbereitung[47]. Auch über eine industrielle Anwendung, wie in der Gewinnung von Bioprodukten, wird mittlerweile nachgedacht. So konnte 2016 mithilfe von B. bacteriovorus, bei dem die Polyhydroxyalkanoatdepolymerase ausgeschaltet war, Polyhydroxyalkanoat aus Pseudomonas putida und Cupriavidus necator gewonnen werden[48].