• Keine Ergebnisse gefunden

2.2 Versorgung von Absetzferkeln mit Rohprotein

2.2.1 Proteinbedarf und Proteinbewertung Bedarf der Tiere

Die Versorgung von Absetzferkeln mit hochwertigem Protein stellt eine Herausforderung für die Tierernährung sowohl aus ernährungsphysiologischer als auch aus ökonomischer Sicht dar. Dabei spielt die Umstellung der Proteinversorgung, d. h. der Übergang von der Ernährung mit hochwertigem Milchprotein aus der Sauenmilch auf die Versorgung mit kostengünstigen, überwiegend pflanzlichen Proteinen eine besondere Rolle, da die Tiere während der Säugezeit auf die enzymatische Hydrolyse von hochwertigem Milchprotein eingestellt sind und eine noch wenig entwickelte Verdauungskapazität für pflanzliche Proteine aufweisen. Ferner bedingen ein relativ höherer Proteinansatz während der Ferkelaufzucht als in der Mast (KIRCHGESSNER et al. 1984) sowie Veränderungen der Gewebeproportionen und der Aminosäurengehalte der Ganzkörper der Tiere im Verlauf der Aufzucht (< 20 kg Körpermasse) einen speziellen Bedarf (Tab. 1) von Absetzferkeln (OSLAGE und SCHULZ 1977). Dabei gerät die Forderung nach der Hochwertigkeit der Proteinquellen (Magermilchpulver, Fischmehl, Kartoffel- und Kleberproteine) in Konflikt mit den ökonomischen Rahmenbedingungen der heutigen Tierproduktion (BERK 2002).

Nach Untersuchungen von SCHULZ und BERK (nicht veröffentlicht, persönliche Mitteilung) beträgt der Rohproteinanteil im Ansatz von Absetzferkeln ca. 170 g/kg Körpermasse. Zu berücksichtigen bleibt die Beeinflussung des Aminosäurenmusters im Ansatz sowohl durch die Proteinqualität als auch durch die Proteinquantität (KIRCHGESSNER et al. 1984), sofern das genetisch bedingte Ansatzvermögen noch nicht ausgeschöpft ist (SUSENBETH 2002).

Dieser Sachverhalt wird durch eine veränderte Gewebeproportion bei einem hohen Ansatzniveau erklärt (STAUDACHER et al. 1984) sowie mit unterschiedlichen Anteilen des Erhaltungs- und Leistungsbedarfs (SUSENBETH 2002) in Abhängigkeit vom Alter der Tiere.

Der Rohproteinanteil sowie die Aminosäurenzusammensetzung des Körpers bilden somit die Grundlage für die Ableitung des Bedarfs (Tab. 1) von Absetzferkeln.

Darüber hinaus weisen SEVE und AUMAÎTRE (1975) auf die Notwendigkeit der Versorgung von Absetzferkeln mit hochwertigem Protein, d.h. vor allem Magermilchpulver, aber auch ersatzweise Fischmehl oder Kartoffeleinweiß, hin. Eine Ernährung ausschließlich auf der Basis von pflanzlichen Proteinen (v. a. Extraktionsschrote) ist immer mit einem deutlichen Einbruch der Stickstoffverdaulichkeit verbunden (AUMAÎTRE 1983). Vielmehr steigt die Verdaulichkeit des Stickstoffs von Absetzferkeln erst langsam von 79 % auf 89 % (von der 3. bis zur 9. Lebenswoche) an. Der Autor macht dafür die verzögerte Entwicklung der Chymotrypsin- und Trypsinaktivitäten in der Bauchspeicheldrüse verantwortlich, die ihrerseits u. a. durch die Futterzusammensetzung zu beeinflussen ist.

Andererseits muss sich die Futterrezeptur an diesen physiologischen Gegebenheiten orientieren (AUMAÎTRE 1983). Hinzu kommt ein Abfall der Enzymaktivitäten in der Bauchspeicheldrüse (Amylase, Lipase, Chymotrypsin) unmittelbar nach dem Absetzen auf unter 40 % ihrer ursprünglichen Aktivität. Erst eine Woche später erreichen die Enzymaktivitäten wieder ihr Ausgangsniveau.

Tab. 1: Rohproteingehalte (g/kg Körpermasse) und Aminosäurengehalte (g/100 g Rohproteinansatz) von Ferkeln und der Bedarf an Rohprotein im Mischfutter (%) sowie an Aminosäuren (g/Tag) von Ferkeln unterschiedlichen Gewichts (NRC 2001)

Bedarf 2) Parameter

Körpermassen-zusammensetzung 1) 3 – 5 5 – 10 10 – 20

Rohprotein 170 26,0 23,7 20,9

Lysin 6,50- 6,70 3,80 6,70 11,5

Methionin 2,00- 2,20 1,00 1,80 3,00

Met./ Cys. 3,90- 4,10 2,20 3,80 6,50

Threonin 3,50- 3,80 2,50 4,30 7,40

Tryptophan 1,10- 1,20 0,70 1,20 2,10

1) abgeleitet aus Ganzkörperanalysen von Tieren zwischen 4 und 11 kg Körpermasse nach STRUNZ (1965), OSLAGE und SCHULZ (1977); KIRCHGESSNER, STAUDACHER und STEINHART (1984) und SCHULZ (nicht veröffentlicht, persönliche Mitteilung)

2) nach NRC (2001) für Absetzferkel im nachfolgend angegebenen Körpermassenbereich (in kg)

Für Tiere mit Körpermassen über 20 kg bleibt die Zusammensetzung des Proteinansatzes bei optimaler Versorgung konstant, so dass der Leistungsbedarf für den Körpermasseansatz der Tiere im Wesentlichen vom Alter (Gewicht) abhängt (MOSENTHIN 1999). Daraus ergibt sich eine optimale Zusammensetzung des Proteins im Mischfuttermittel, die als Idealprotein (NRC 2001) bezeichnet wird und dem relativen Verhältnis der essentiellen Aminosäuren im Vergleich zum Lysin als Referenzaminosäure entspricht (Tab. 2).

Diese Aminosäuren-zusammensetzung im Mischfutter stellt die Vorraussetzung für eine maximale Verwertung der essentiellen Aminosäuren und des Proteins dar (SUSENBETH 2002) und orientiert sich hauptsächlich am Aminosäurenmuster des Gesamtkörperproteins (Tab. 2). Auf Grund der ungünstigeren, intermediären Verwertung der schwefelhaltigen Aminosäuren, Threonin und Tryptophan sind diese im Ideal Protein etwas höher enthalten als im Gesamtkörperprotein (DE LANGE 1990).

Die Anpassung der Versorgung an den Gesamtbedarf der Tiere an Rohprotein und Aminosäuren in Abhängigkeit von z.B. Alter und Wachstumsintensität erfolgt über die Einstellung der absoluten Gehalte des Idealen Proteins (optimale Relation zwischen den essentiellen Aminosäuren). Ziel dieses Konzeptes ist eine exakt dem Bedarf angepasste Versorgung mit Aminosäuren, um einerseits eine Unterversorgung, verbunden mit Leistungseinbußen, und andererseits übermäßige (unnötige) N-Ausscheidungen über die Exkremente zu vermindern.

Tab. 2: Aminosäurenzusammensetzung des Körperproteins von Schweinen (20 kg Körpermasse) im Vergleich zum Ideal Protein

Ideales Protein

Von besonderer Bedeutung für die Eiweißsynthese im Stoffwechsel der Tiere sind die essentiellen Aminosäuren Lysin, Methionin und Cystin (schwefelhaltig) sowie Threonin und Tryptophan (vollständige Zufuhr über das Futter). Dabei wird die am stärksten im Minimum befindliche sowie für den Proteinansatz wichtigste Aminosäure als sog. erstlimitierende Aminosäure (Lysin) bezeichnet (SUSENBETH 2002). Das Liebigsche Fass verdeutlicht die Verwertungsmöglichkeit der einzelnen Aminosäuren in Abhängigkeit von der relativen Aminosäurenzusammensetzung: bei Verlängerung der kürzesten Lamelle wird das Fassungsvermögen bis zur zweitniedrigsten Lamelle erweitert. Auf die Bedeutung des Lysingehaltes für den Proteinansatz weisen auch LANGER und FULLER (1996) sowie SUSENBETH et al. (1999) hin. Dabei besteht bis zum Erreichen eines Sättigungswertes (Plateau) eine lineare Beziehung zwischen dem Lysingehalt und dem Proteinansatz (Dosis-Wirkungsprinzip). Dieser Zusammenhang besteht ebenfalls für die Aminosäuren Threonin, Methionin und Cystin sowie für Tryptophan, wobei allerdings die partiellen Verwertungen der einzelnen Aminosäuren zu berücksichtigen sind (HEGER et al. 2002).

Da mit zunehmender Körpermasse (Alter) allerdings der Erhaltungsbedarf (gemessen am Gesamtbedarf) an Aminosäuren ansteigt und zur Deckung des Erhaltungsbedarfs höhere Anteile an schwefelhaltigen Aminosäuren sowie an Threonin und Tryptophan als für den Leistungsbedarf erforderlich sind (FULLER et al. 1989), erhöhen sich in der Konsequenz die relativen Anteile der genannten Aminosäuren in der Mischung für schwerere (ältere) Tiere.

Den relativ höheren Bedarf an schwefelhaltigen Aminosäuren sowie an Threonin und Tryptophan im Erhaltungsstoffwechsel begründet MOSENTHIN (1999) mit höheren endogenen Verlusten sowie mit einer ungünstigeren Verdaulichkeit und Verwertung dieser Aminosäuren. Während BOISEN (1997) auf Grund des geringen Anteils (1- 3%) des Erhaltungsbedarfs am Gesamtbedarf (COLE 1996) für wachsende Schweine mit einem hohen genetisch fixierten Proteinansatz eine altersabhängige Differenzierung des Idealproteins als nicht notwendig betrachtet, kommen BAKER und CHUNG (1992) zu dem Entschluss, die Aminosäurenzusammensetzung des Idealproteins dem steigenden Erhaltungsbedarf der Tiere anzupassen.

Proteinbewertung

Zur weiteren Verbesserung der Aminosäurenversorgung der Tiere schlägt MOSENTHIN (1999) eine Erweiterung des Konzeptes durch die Berücksichtigung der ilealen Verdaulichkeit der einzelnen Aminosäuren vor. Dadurch würde die Bewertung des Futterproteins nicht wie bislang auf der Stufe von Bruttogehalten erfolgen, sondern auf der Stufe der tatsächlich am Dünndarm verfügbaren Aminosäurengehalte. So können Mischfutter besser kalkuliert werden und Prognosen für den Ansatz sicherer getroffen werden (RADEMACHER et al. 2000). Den Stellenwert der Beurteilung auf der Grundlage der präzäkalen Verdaulichkeit verdeutlichen MOSENTHIN et al. (1997). Durch die katabolen Prozesse im Dickdarm liegen allgemein die Werte für die Gesamtverdaulichkeit über denen der präzäkalen Verdaulichkeit und führen in der Konsequenz zu einer Überbewertung des Futterproteins.

SUSENBETH (2002) geht bei der Proteinbewertung einen Schritt weiter und verweist auf eine Berücksichtigung der endogenen N-Verluste. Der Autor differenziert bei dieser Stickstofffraktion zwischen den unspezifischen endogenen Verlusten, die nicht vom Futtermittel, wohl von der Fütterungsintensität beeinflusst werden, und den spezifischen endogenen Verlusten, die von bestimmten Eigenschaften des Futtermittels (z. B. antinutritive Inhaltsstoffe, Rohfaser) abhängen. Im Gegensatz zur scheinbaren präzäkalen Verdaulichkeit (s. o.) berücksichtigt die „standardisierte präzakale Verdaulichkeit“ die Fraktion der endogenen Verluste, so dass eine noch präzisere Bewertung des Proteins möglich wird.

Allerdings weisen JANSMAN et al. (2002) auf die Problematik der Erfassung und der Bewertung von endogenen Verlusten hin, da z.B. Verwertungsverluste der einzelnen Aminosäuren nicht berücksichtigt werden. Deshalb zieht SUSENBETH (2002) das „Slope-Ratio-Modell“ zur Ermittlung der Bioverfügbarkeit von Aminosäuren vor. In diesem mathematischen Ansatz kann an Hand der Steigung der Regressionsgraden, die sich aus der Leistungssteigerung (N-Ansatz) durch die Aminosäurenaufnahme (Menge und Herkunft) ergibt, die Verfügbarkeit der jeweiligen Aminosäure ermittelt werden. Dieses Modell besitzt auf Grund seiner hohen Genauigkeit und des damit verbundenen Aufwandes jedoch Referenzcharakter, beschreibt allerdings die Dosis-Wirkungsbeziehung eines Nährstoffes und der Leistung (in diesem Fall N-Ansatz) sehr genau.