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Problematik der begrifflichen Voraussetzungen für die Behandlung der formalen Relationen

Im Dokument Slavistische Linguistik 1993 (Seite 142-145)

Also: Akzentschema c

5. Problematik der begrifflichen Voraussetzungen für die Behandlung der formalen Relationen

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5. Problematik der begrifflichen Voraussetzungen für die Behandlung der formalen Relationen

W ir haben schon gesehen, wo im STM der ‘Ort* der formalen Relationen zu

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suchen ist: beim Übergang von der oberflächensyntaklischen zur tiefenmorpho- _ • ♦ logischen Repräsenialionsebene. Dieser Übergang wird durch sog. Operatoron bewerkstelligt, von denen jeder aus mehreren Regeln besteht. Bei IOM DIN sind diese Regeln formal wie folgi beschaffen: Im linken Regclteil werden die für die Kongruenz relevanten Eigenschaften der ־head'-Wortform angegeben, rechts davon die entsprechenden Eigenschaften der ‘ abhängigen’ Wortform und schließlich noch die Bedingungen, unter denen die fragliche Regel angewendet wird.

Bei dieser Art der Modellierung der formalen Relationen scheint es nicht un- bedingt erforderlich zu sein, verschiedene Typen formaler Relationen zu unter- scheiden. Wichtig ist, daß die Operatoron das ‘ richtige’ Ergebnis hervorbrin- gen. Tatsächlich hat sich I.A. MEL’ČUK bis vor kurzem offenbar kaum oder gar nicht um die deflatorische Bestimmung und Abgrenzung solcher Re- laiionstypen bemüht. Auch bei L.L. IOM DIN, der immerhin eine *Theorie der syntaktischen Kongruenz” (199(), 5) entwerfen w ill, finden wir keine Defini- tion der Intension dieses zentralen Begriffes. Was IOMDIN bietet, ist eine ־ re- kursive ־ Beschreibung dessen, was der Autor als Extension des Kongruenzbe- griffs (im Russischen) ansieht. Gemäß einer von ihm akzeptierten, aber nicht begründeten Voraussetzung gehören zur Extension dieses Begriffes im Russi- sehen auch bestimmte Wortformverbindungen, deren Glieder hinsichtlich der fraglichen grammatischen Kategorie(n) nicht koinzidieren; vgl. ein Beispiel wie russ. три светлые комнаты ‘drei helle Zimmer’ , wo sich светлые ( ‘ hell’

Nom./Akk. PI.) und комнаты (‘Zimmer’ Gen. Sg.) hinsichtlich der Kasus- und der Numerusbedcutung unterscheiden, zwischen ihnen aber dennoch Kon- gruenz vorliegen soll. Die technischen Details dieser Lösung brauchen uns hier um so weniger zu interessieren, als es modellintem nicht unbedingt erforderlich ist, bei der Definition der Kongruenz von der Koinzidenzforderung abzugehen.

Das erweist ein Vergleich zwischen lOMDINs Vorgehen und dem von V.Z.

SANNIKOV. Letzterer bewegt sich gleichfalls im Rahmen des STM, für ihn ist aber Kongruenz gleich Koinzidenz. In Fällen wie три светлые комнаты, wo zwischen светлые und комнаты keine Koinzidenz der Kasus- und der Nu- meruskategorie und folglich auch keine Kongruenz vorliegt, spricht SAN- NIKOV von “ syntmorphologischen Altemationen” , die dem Zuständigkeitsbe- reich der “ Syntmorphologie” zuzurechnen seien, eines “ autonomen Bereichs der Syntax, zu dessen Aufgaben die Umformung der morphologischen Charakte- ristika von Lexemen in Abhängigkeit von syntaktischen Bedingungen fä llt”

(SANNIKOV 1981, 291).

Während sich IOMDIN, wie gezeigt, nur mit einem Typ formaler Relationen, der Kongruenz, beschäftigt, hat LA. M E L’ ČUK in jüngster Zeit eine Klassifika- tion sämtlicher Typen solcher Relationen entwickelt. Ausgangspunkt dieser Typologie ist der Begriff der morphologischen Dependenz. Von der morpho- logischen Dependenz einer Wortform w !von einer anderen Wortform W2 bc- züglich einer flexivischen Kategorie C ! spricht M E L ’ ČUK dann, wenn ein Grammem g! von C! “ ausgewählt wird in Abhängigkeit von irgendeiner Eigen- schaft der Wortform W2” (1993, 20), des “ Kontrolleurs” . Relevant für die Wahl können sowohl morphologische wie auch syntaktische und semantische Eigen- schäften von W2 sein. Als Typen der morphologischen Dependenz unterscheidet M E L ’ČUK Kongruenz, Rektion und Kongrucntheit (“ к о н гр уэн тн о сть” ), von denen e rs te re der wichtigste Typ ist und die in der genannten Reihenfolge be- stimmt werden. Wäre es nicht erforderlich, die Kongrucntheit als Typ formaler Relationen zu postulieren, könnte man die Rektion negativ definieren, als Nichtkongruenz (vgl. 1993, 45). Zu den morphologischen Eigenschaften von W2, die für die Grammcmauswahl von C! bei w! relevant sein können, rechnet M E L’ ČUK die flexivischen Charakteristika von w2 (Beispiel: die Kasus- und die Numeruskategorie von Substantiven) und solche lexikalischen, d.h. W ö rter-

buchbezogcncn w2־ Mcrkmale, die als “ Syntaktik” bezeichnet werden. Die Syn- taktik ist eine Komponente von sprachlichen Zeichen, insbesondere von Wort- formen. Bei dieser Komponente handelt cs sich um diejenige Kombinierbarkeit des Zeichens, die weder semantisch, noch formal, d.h. durch flexivische Cha- rakteristika bestimmt ist. Die Syntaktik ist, allgemein, eine Menge von “ Merk- malen” , die logisch grammatischen Kategorien entsprechen. Beispiele sind das Genus der Substantive und das Rektionsmodell der Verben.

Von entscheidender Bedeutung für die angestrcbie begriffliche Unterscheidung von Kongruenz und Rektion ist noch der Hilfsbegriff der “ verknüpften fiexivi- sehen Kategorie” (“ сопряженная словоизменительная категория” ). Dies ist Anlaß genug, um diesen Begriff aufmerksam zu analysieren.

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In einer gegebenen Sprache heißl eine syntaktische flexivische Kategorie C !

“ verknüpft” m it einer flexivischen (nicht notwendigerweise syntaktischen) Kategorie C2bei Erfüllung folgender Bedingung: Wenn eine Wortform w !t de- ren Kategorie C ! ist, syntaktisch von W2 abhängt, wobei C2die Kategorie von W2 ist, dann wird das C!-Grammem in Abhängigkeit von dem jeweiligen C2־

Grammem ausgewählt. Weniger formal gesprochen: C! ist mit C2 (nicht umgc- kehrt) verknüpft, wenn Ci zu dem Zwecke existiert, um C2“ widerzuspiegcln” , so daß die Ci-Grammcme diejenigen von C2 “ verdoppeln” . Beispiele sind die Kasus- und die Numeruskategorie der russischen Adjektive.

Die Einführung einer Kategorie C i als mit C2 verknüpft setzt voraus, daß bei syntaktischer Abhängigkeit der Wortform w! von W2 die genannte Bedingung erfüllt ist. Wenn w ! nicht von W2 syntaktisch abhängig ist, brauchen die C !־

Grammeme nicht diejenigen von C2 zu “ verdoppeln” . Vgl. einen Satz wie russ.

Сестра казалась усталой ‘ die Schwester schien ermüdet’ , wo уст алой (‘ermüdet’ Inslr. Sg.) und сестра (‘ Schwester’ Nom. Sg.) nicht direkt syn- taktisch miteinander verknüpft sind und verschiedene Kasusgrammcme aufwei- sen.

An die Definition des Begriffs der “ verknüpften flcxivischcn Kategorie” knüp- fen sich einige Fragen: (a) Warum muß C2 eine flexivische Kategorie sein? - Diese Bedingung läuft darauf hinaus, daß das Genus von Adjektiven nicht als mit dem Genus von Substantiven verknüpfte Kategorie cingestufi werden kann.

Was ist cs aber dann? ־ (b) Es gibt Fälle, in denen w! von W2 syntaktisch ab-hängt, das Ci-Grammem von w! aber nicht (nur) in Abhängigkeit von dem je- weiligen C2 -Grammem von W2 ausgewählt wird, obwohl unter bestimmten an- deren Umständen eben dies der Fall ist oder zumindest der Fall zu sein scheint.

Ein russisches Beispiel bieten Konstruktionen des Typs три красивых города

‘ drei wunderschöne Städte’ (три ‘ drei’ Nom./Akk., красивых ‘ wunder- schön’ Gen. Pl., города ‘ Stadt’ Gen. Sg.). Hier hängen nach MEL'ČUK (1985, 59ff.; 142) sowohl das Numerale wie auch das attributivische Adjektiv syntak- tisch von dem Substantiv ab. Das Numerusgrammem des Adjektivs wird aber nicht “ obligatorisch in Abhängigkeit” (1993, 29) von dem Numerusgrammem des Substantivs ausgewählt; vgl. ш есть красивых городов ‘ sechs wunder- schöne Städte’ (шесть ‘ sechs’ Nom./Akk., городов ‘ Stadt’ Gen. Pl.), wo das Substantiv in Abhängigkeit von dem Numerale statt im Singular im Plural steht, ohne daß dies Auswirkungen auf die Wahl des Numerusgrammems des Adjektivs hätte. Für die Bestimmung des Numerusgrammems eines attributi- visch gebrauchten Adjektivs ist es im Russischen wesentlich, ob zu dem ent- sprechenden Syntagma ein Numerale gehört oder nicht und, falls ja, welcher Klasse das Numerale angehört. ־ Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Status

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-der Numeruskategorie russischer Adjektive als ״verknüpfter” Kategorie durch- aus fraglich ist.

Ähnliches gilt für die Kasuskategorie der russischen Adjektive. Nach MEL’ČUK (1993, 29) ist diese Kategorie “ verknüpft” m it der Kasuskategorie von Substantiven; denn “ wenn ein Adjektiv syntaktisch von einem Substantiv ab- hängt, dann hängt sein KasusII nur von dem Kasuslgrammem dieses Substan- tivs ab” . Es ist im Russischen aber durchaus nicht immer der Fall, daß die Auswahl des Kasusgrammems eines attributivisch gebrauchten, d.h. syntaktisch von einem Substantiv abhängigen Adjektivs “ nur” durch das Kasusgrammem des Substantivs geregelt würde; vgl. две новые книги ‘ zwei neue Bücher* (две

‘ zwei’ Nom./Akk. fern., новые ‘ neu’ Nom./Akk. Pl., книги ‘ Buch’ Gen.

Sg.), wo das Adjektiv im Nominativ steht, das Substantiv hingegen im Geni- tiv. Für die Kasuswahl beim Adjektiv bzw. für die Möglichkeit der Kasusva- riation ־ vgl. die ebenfalls zulässige Variante две новы х (новы х ‘ neu’ Gen.

Pl.) книги - sind hier andere Faktoren als der Substantivkasus entscheidend, nämlich das Vorhandensein des Numerale und dessen Position ־ vgl. als einzige Möglichkeit эт и новые две книги *diese zwei neuen Bücher’ (эти ״dieser’

Nom./Akk. Pl.). Da es also, wie gezeigt, nicht immer “ nur” der Substantiv- kasus ist, der über die Auswahl des Kasusgrammems bei einem von dem Sub- stantiv syntaktisch abhängigen Adjektiv entscheidet, ist auch der Status der Kasuskategoric der Adjektive im Russischen als “ verknüpfter” Kategorie in Frage gestellt, wenn man sich an MEL’ČUKs eigenen Kriterien orientiert.

Im Dokument Slavistische Linguistik 1993 (Seite 142-145)