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2.3 Emotionelle Erste Hilfe (EEH)

2.3.2 Praktische Umsetzung der EEH

Der Einsatz der EEH lässt sich in folgende drei Bereiche unterteilen: Bindungsförderung, Kri-senintervention und Eltern-Baby-Therapie (siehe Abbildung 1). Diese werden im Folgenden näher erläutert.

Abbildung 1

Die Säulen der Emotionellen Ersten Hilfe (Harms, 2016, S. 172)

Bindungsförderung

In diesem Bereich geht es um Prävention bezüglich Schwierigkeiten in der Eltern-Kind-Bezie-hung, wobei die Eltern über gute Ressourcen verfügen und auf den Umgang mit dem Kind in

Stresssituationen und Belastungsmomenten vorbereitet werden sollen. Im Vordergrund steht das Erlernen von Methoden der Selbstanbindung, wodurch die Fähigkeit, starke Emotionen und Stresszustände zu regulieren, verbessert werden soll. Die Eltern üben sich ebenso in Selbst-wahrnehmung und Achtsamkeit gegenüber den Signalen ihres Körpers. Dieses Angebot können werdende Eltern bereits während der Schwangerschaft in Anspruch nehmen. Hier hat sich auch die Vorbereitung auf einen Kaiserschnitt als hilfreich erwiesen (Harms, 2016).

Einer Geburt per Kaiserschnitt kommt in der EEH eine besondere Bedeutung zu. Im folgenden Abschnitt wird auf psychische Anforderungen durch einen Kaiserschnitt aus Sicht von Vertre-tern und Vertreterinnen der EEH eingegangen und ein möglicher Interventionsansatz darge-stellt. Harms (2016) geht davon aus, dass ein Kaiserschnitt gewisse Herausforderungen und Belastungen sowohl für die Mutter als auch das Kind mit sich bringt. Häufig reagiert das Baby mit Stress auf den plötzlichen Umgebungswechsel und den Kontaktabbruch zur Mutter und dieser Stressreflex kann auch später in Alltagssituationen ausgelöst werden. Ebenso würden Kräfte, auf die der Organismus des Babys eingestellt ist, um während der natürlichen Geburt darauf zurückzugreifen, bei einem Kaiserschnitt nicht abgerufen werden. Aus diesem Grund kann als eine mögliche Intervention eine hypothetisch geburtssimulierende Massage für das Kaiserschnitt-Baby eingesetzt werden. Diese Massage können Eltern unmittelbar nach der Ge-burt unter Anleitung ausführen (Harms, 2016).

Deyringer (2008) hält ebenso fest, dass bei einem Kaiserschnitt natürlich vorgesehene Mecha-nismen/ Fähigkeiten sowohl bei Mutter als auch Kind nicht mobilisiert werden und es dadurch in Folge zu Anspannung bei der Mutter und zu Unruhe beim Baby kommen kann. Auch werden die verminderte Hormonausschüttung, die Bindungsbereitschaft bewirken sollte, und einge-schränktes oder verspätetes Bonding als negative Auswirkungen angeführt. Es kann zu Enttäu-schung der Mutter kommen, dass die Geburt anders verlaufen ist oder zu Reaktionen nach trau-matischen Erfahrungen. Hierbei wird von der Autorin speziell betont, dass es einen bedeuten-den Unterschied sowohl für das Kind als auch für die Mutter macht, ob der Kaiserschnitt ge-plant war und deshalb keine Wehen vorhanden waren oder ob die Entscheidung für einen serschnitt während der Geburt gefallen ist. So besteht für die Mutter bei einem geplanten Kai-serschnitt die Möglichkeit, sich darauf einzustellen, für das Baby ist die Anpassung aber meist schwieriger, als nach vorhandenen Wehen (Deyringer, 2008). So geht ein Wunschkaiserschnitt auch laut Lagercrantz (2019) häufig mit Anpassungsproblemen des Kindes einher. Deyringer (2008) stellt dar, dass bei einem ungeplanten Kaiserschnitt hingegen der Geburtszeitpunkt vom Kind mitbestimmt wird und es zumindest teilweise zu einem Einsatz von Kräften und zu einer

hormonellen Veränderung kommt. Einige Wochen nach der Kaiserschnittgeburt kommt es häu-fig zu Unruhe und die Kinder wirken ungeduldig (Deyringer, 2008). Auch Bensel (2003) stellt häufigeres Schreien von Kaiserschnittkindern nach belastenden Geburten für den Zeitraum von 3 - 5 Wochen nach der Geburt fest.

Unterstützend für einen bevorstehenden Kaiserschnitt könnte eine Vorbereitung durch positive Imaginationen in Verbindung mit stärkendem Körperkontakt wirken. Nach dem Kaiserschnitt gibt es die Möglichkeit einer partnerschaftlichen Schmetterlingsmassage, welche zum Wieder-erlagen eines ganzheitlichen Körpergefühls, einer Verbesserung des Empfindens und zu einer stärkeren Verbindung zwischen dem Paar führen soll. Diese stärkende Intervention dient auch der Vorbereitung der Babymassage. Das Baby kann nach einem Kaiserschnitt mit einer spezi-ellen Art der Babymassage durch die Eltern unterstützt werden (Deyringer, 2008).

Der empirische Teil dieser Arbeit bezieht sich auf die beiden folgenden Säulen der EEH, die Krisenintervention/Beratung und die Eltern-Baby-Therapie.

Krisenintervention

Wie bereits erwähnt, geht die EEH aus der Arbeit mit exzessiv schreienden Babys hervor und demnach stellt die Krisenintervention das häufigste Einsatzgebiet der EEH dar. Während Bin-dungsförderung präventiv eingesetzt werden kann, befinden sich Eltern, die im Rahmen der Krisenintervention Unterstützung in den Angeboten der EEH suchen, in einer Krise. Das Baby zeigt Symptome einer frühen Interaktionsstörung, Bindungsstörung oder Regulationsstörung, für die keine organische Ursache gefunden werden kann. Weisen die Eltern eine gute Fähigkeit zu Empathie und Resonanz auf, kann schnell eine Verbesserung der Situation erzielt werden.

Auch belastende Vorerfahrungen der Eltern, fehlende soziale Ressourcen und das Vorhanden-sein unverarbeiteter Traumareaktionen, aktiviert durch das Weinen des Babys, wirken sich auf den Verlauf aus (Harms, 2016).

Laut Harms (Harms, 2016) verläuft die praktische Arbeit im Rahmen der Krisenintervention in sieben Schritten:

1. Problemdefinition: der Auftrag wird besprochen.

2. Stressexploration: Hier wird in Erfahrung gebracht, wie Eltern auf Stresssituationen mit dem Kind (z.B. Schreien) mit Verhalten (z.B. Schaukeln des Kindes), Affekt (z.B. Ver-zweiflung) und Körper (z.B. Engegefühl) reagieren.

3. Selbstanbindung: damit wieder Bindungsbereitschaft der Eltern besteht, soll durch At-mung, Visualisierung und Körperberührung Kontakt zum eigenen Körper hergestellt werden.

4. Prozessphase: ist Selbstanbindung der Eltern gegeben, sind sie entspannt und dadurch kann sich auch das Kind entspannen oder aber das Kind geht in ein Ausdrucksschreien, durch welches die Eltern begleitet werden. In der anschließenden Zeit der Ruhe stellt sich bei den Eltern ein Gefühl der Verbundenheit/Zuneigung anstelle von Verzweiflung ein.

5. Exploration des neuen Bindungserlebens: den Eltern wird bewusst, was sich in Bezug auf die Bindung zu ihrem Kind verändert hat.

6. Intimität: eine Zeit von tiefer Verbundenheit zwischen Eltern und Kind stellt sich ein, die nicht gestört werden soll.

7. Entwicklung von Handlungsstrategien für den Alltag: das während der Sitzung Erprobte wird auch in Alltagssituationen umgesetzt.

Eltern-Baby-Therapie

In diesem Bereich der EEH steht die Begleitung von Auswirkungen unverarbeiteter Belastungs-störungen im Vordergrund. Diese können sich unter anderem aus einer traumatischen und schwierig verlaufenden Geburt ergeben. Ist im Rahmen der EEH eine Bindungsstärkung gelun-gen, können schmerzhafte und angstbesetzte Erfahrungen im Rahmen der Eltern-Baby-Thera-pie verarbeitet und gelöst werden. Sitzungen finden immer gemeinsam mit den Eltern und ih-rem Kind statt. Eltern sollen gestärkt werden, auch in schwierigen Momenten in Kontakt mit ihrem Kind zu bleiben (Harms, 2016).

Während Bindungsförderung auch z.B. von Hebammen nach entsprechender Ausbildung gut durchgeführt werden kann, ist speziell im Bereich der Eltern-Baby-Therapie eine umfassende psychotherapeutische Ausbildung Voraussetzung (Harms, 2016). Die Ansätze der EEH lassen sich laut dem Autor auch gut mit anderen Verfahren der Eltern-Baby-Therapie kombinieren.