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Die primäre Zielsetzung von Phase II-Studien besteht darin, ein neues Behandlungskonzept auf dessen mögliche gesteigerte Wirksamkeit gegenüber einer etablierten Standardtherapie hin zu untersuchen und damit dessen Relevanz für eine Phase III-Testung zu überprüfen. Zwar waren historische Vergleiche zur Bewertung neuer Therapiekonzepte in der klinisch-neuroonkologischen Forschung bis vor wenigen Jahren noch gängige Praxis, doch bergen diese Vergleiche immer ein gewisses Verzerrungspotential, da unbekannte, unkontrollierbare Einflussfaktoren - wie z.B. Veränderungen der Diagnosestandards und nicht erfasste oder bekannte prognostische Faktoren – die Gegenüberstellung zweier Studienkollektive verfälschen und klinisch relevante Ergebnisse verbergen können.

Dieser Tatsache konnte auch die in der vorliegenden Studie angestrengte Ausrichtung der Ein- bzw. Ausschlusskriterien an der EORTC26981/NCIC-CE.3-Studie zur Schaffung vergleichbarer EORTC26981/NCIC-CE.3-Studienkollektive nicht ausreichend genug vorbeugen, da dies nur durch Randomisierung erreicht werden kann. Es ist daher essentiell, neue Therapieansätze in randomisierten Phase II-Studien zu testen und dadurch den Einfluss von nicht kontrollierbaren Störeinflüssen, das heißt die unterschiedliche Ausprägung prognostisch relevanter Faktoren, zu reduzieren (Hudec M, 2008). Da durch Randomisierung allein jedoch eine Ausbalancierung hinsichtlich eines bestimmten prognostischen Faktors nicht garantiert ist, kann man zur sicheren Kontrolle bekannter prognostischer Faktoren zusätzlich zur Randomisierung eine Stratifizierung (Schichtbildung) durchführen, also eine Randomisierung innerhalb der einzelnen Schichten (Hudec M, 2008). Selbst wenn es mit Hilfe einer Randomisierung nicht gelingen sollte, statistisch signifikante Ergebnisse zu erzielen, so liegt der Vorteil dieser Methode darin, dass klinisch relevante Fortschritte leichter zu detektieren sind als unter den potentiell verzerrenden Effekten unkontrollierbarer Einflussfaktoren. Diese Tatsache könnte im vorliegenden Studienprotokoll ebenfalls von Bedeutung gewesen sein.

4.4.2 Unzureichende Wirksamkeit der Kombinationstherapie aus PEG- liposomalem Doxorubicin und Temozolomid

Weshalb der Einsatz klassischer Chemotherapeutika in der Erst- oder Rezidivtherapie von Glioblastom-Patienten selbst in Form von Substanz-Kombinationen mit differierenden Wirkmechanismen wie dem vorliegenden Prüfregime nicht erfolgreicher ist, bleibt noch immer weitgehend ungeklärt.

Eine weiterhin dominierende Problematik für die Applikation von Zytostatika stellt die häufige Ausbildung von Resistenzen dar. Wie bereits für Temozolomid erläutert, spielt die Intaktheit des DNS „mismatch-repair“-Systems eine zentralle Rolle für das Ansprechen auf eine zytostatische Therapie mit Alkylanzien (Fink D et al., 1998;

Friedman HS et al., 1998; Gerson SL, 2002; Newlands ES et al., 1997). Im Falle von Temozolomid reicht ein Defekt dieses Reparatursystems aus, um durch die konsekutive Resistenzbildung einen deutlichen Unterschied im klinischen Ansprechen auf das Chemotherapeutikum hervor zu rufen (D’Atri S et al., 1997;

Friedman HS et al., 1997; Liu L et al., 1996).

In geringerem, aber dennoch detektierbarem Ausmaß wurde diese Tatsache auch in präklinischen Experimenten zum Einsatz von Doxorubicin beobachtet, wonach ein

Funktionsverlust des DNS „mismatch-repair“-Systems mit einer niedriggradigen Resistenzbildung gegenüber Doxorubicin einherging (Drummond JT et al., 1996).

Außerdem wurde beschrieben, dass Doxorubicin die Expression von Transportproteinen der ABC-Familie (Membranproteine mit ATP-bindender Kassette) induziert, wovon dem multidrug resistance protein 1 (MDR-1) (Twentyman PR, 1992) und dem multiple resistance protein (MRP) (Cole SP, Deeley RG, 1998) große Bedeutung in der Entwicklung zellulärer Resistenz gegenüber Chemotherapeutika zukommt (Bredel M, Zentner J, 2002). Was den Methylierungszustand des MGMT-Promotors betrifft, so konnte dieser als unabhängiger prädiktiver Faktor für Glioblastom-Patienten validiert werden (Hegi ME et al., 2005). Von den Fortschritten der aktuellen Standardtherapie profitieren demnach fast ausschließlich Patienten mit methyliertem Promotor, da dadurch ein wichtiger Resistenzmechanismus gegenüber alkylierenden Substanzen beeinflusst wird. Allerdings kann die Methylierung der MGMT-Promotorregion auch mit einer gesteigerten Mutationsrate und malignen Transformation des Tumors einher gehen (Esteller M, Herman JG, 2004; Gerson SL, 2002). Wenn zudem noch andere Gene, wie z.B. Tumorsuppressorgene, von der Methylierung betroffen sind, kann dies zu einer erhöhten Aggressivität des Glioblastoms führen, obwohl der Tumor aufgrund seines methylierten MGMT-Promotorstatus an und für sich als prognostisch günstiger eingestuft wird (Parkinson JF et al., 2008).

Tumorstammzellen repräsentieren einen weiteren Faktor, der wahrscheinlich in hochgradigem Maße zur Limitierung herkömmlicher Glioblastom-Therapien beiträgt.

Während die Strahlenresistenz von Stammzellen auf eine spezifische Aktivierung von DNS-Reparaturmechanismen zurück zu führen ist (Bao S et al., 2006), beruht die Chemoresistenz sowohl auf einer Überexpression von MGMT, einer Hochregulierung von „multidrug“-Resistenz-Genen als auch einer Hemmung der Apoptose (Liu G et al., 2006; Salmaggi A et al., 2006; Dean M et al., 2005). Dadurch erklärt sich, warum Tumorstammzellen in malignen Gliomen trotz ihres kleinen Anteils an der Gesamt-Zellzahl eine entscheidende Rolle für die Entstehung und Aufrechterhaltung dieser Tumoren haben (Dirks PB, 2008; Vescovi AL et al., 2008).

Aktuellen Studien zufolge scheinen Tumorstammzellen maligner Gliome VEGF zu produzieren und die Angiogenese im Mikromilieu des jeweiligen Tumors zu fördern (Bao S et al., 2006). Außerdem wird vermutet, dass Tumorstammzellen maligner Gliome eine Art „vaskuläre Nische“ benötigen, um sich optimal entwickeln zu können (Calabrese C et al., 2007). Diese Beobachtungen sind einerseits eine Erklärung dafür, dass klassische Therapien wie Radiatio und Chemotherapien nur kurzfristig und ungenügend wirken, andererseits stellen sie in Aussicht, dass antiangiogenetische Behandlungsansätze zukünftig mehr Effizienz und Erfolg in der Therapie von Glioblastom-Patienten zeigen könnten als dies mit den bisherigen Standardtherapien der Fall war.

4.4.3 Schlussfolgerung

Dem Kombinationsregime des vorliegenden Studienprotokolls misslang es durch die Hinzunahme von PEG-liposomalem Doxorubicin – einer in präklinischen und klinischen Versuchsreihen vielversprechenden Substanz – eine statistisch signifikante und klinisch bedeutsame Verbesserung der Behandlungsergebnisse für Glioblastom-Patienten zu erreichen. So eröffnete sich weder im Hinblick auf die prognostisch sehr schlecht gestellte Subgruppe von Patienten mit unmethyliertem MGMT-Promotor eine Verbesserung von Therapieoptionen noch konnten im Falle von Patienten mit methyliertem MGMT-Promotor - nach ersten erfreulichen

Ergebnissen zum Ansprechen auf Temozolomid (Stupp R et al., 2005) - weitere Fortschritte in der Bekämpfung von Resistenzmechanismen und anderen Behandlungslimitierungen erzielt werden. Das Nebenwirkungs- und Toxizitätsprofil ist zwar insgesamt als akzeptabel einzustufen, doch verursacht PEG-liposomales Doxorubicin zu einem nicht unmaßgeblichen Grad unerwünschte mucokutane Auswirkungen und führt in Kombination mit Temozolomid zu einer Steigerung von insbesondere myelosuppressiven und infektiösen Komplikationen, welche für die Patienten mit einem erhöhten Risiko verbunden sind.

Deshalb ist PEG-liposomales Doxorubicin als Erweiterung des konventionellen Standardregimes aus Strahlentherapie und Temozolomid eindeutig nicht zu empfehlen.