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Die Phase der Willensbildung über den Vollzug des Testaments (1982 bis 1985)

2 Die Entwicklung der Anna-Magull-Stiftung und ihres Stiftungsvermögens

2.2 Die Phase der Willensbildung über den Vollzug des Testaments (1982 bis 1985)

Die Handelslehrerausbildung in Oldenburg ist als Studiengang dem damali-gen Fachbereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaften (FB 4) zugeordnet.

Sein Fachbereichsrat stimmt auf der Sitzung vom 22.09.1982 der vorgese-henen Erbschaftsübernahme zu. Gleichzeitig formuliert er mögliche Förder-ziele der zu errichtenden Stiftung:

– Kostenzuschüsse für die Beschaffung wissenschaftlicher Literatur;

– Unterstützung bei der Durchführung wissenschaftlicher Arbeiten durch Erstattung von Material-, Reise- und Auswertungskosten;

– Förderung einer vertieften wissenschaftlichen Ausbildung durch die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Durchführung besonderer Ausbil-dungsmaßnahmen seitens der Universität;

– Unterstützung von Einzelmaßnahmen zur Gewinnung oder Vertiefung be-rufsbezogener Kenntnisse – insbesondere für Reisen zu wissenschaftli-chen Veranstaltungen (z.B. Tagungen), für Exkursionen sowie für vorü-bergehende Aufenthalte an in- und ausländischen wissenschaftlichen Institutionen.

Der Justitiar der Universität Oldenburg wird beauftragt, einen ersten Sat-zungsentwurf für die Stiftung auszuarbeiten.

Ein von der Universität Oldenburg beauftragter Rechtsanwalt stellt mit Schreiben vom 15.10.1982 beim Amtsgericht Hameln den Antrag auf Aus-stellung eines Erbscheins. In seiner Antwort schlägt das Amtsgericht Hameln vor, mit dem Ausstellen eines solchen Erbscheins noch bis zum 23.11.1982 – also bis zum Ablauf der von der Stiftungsgeberin testamenta-risch verfügten Frist von zehn Jahren – zu warten, da erst ab diesem Zeit-punkt ein Erbschein ohne jegliche Beschränkungen erteilt werden könne.

Die Universität erklärt sich mit diesem Vorschlag einverstanden.

Am 2. November 1982 legt die Universität Oldenburg der Bezirksregierung Weser-Ems den in der Sitzung des Fachbereichsrats Wirtschafts- und Rechtswissenschaften vom 22.09.1982 formulierten ersten Entwurf für Stiftungsgeschäft und -satzung vor. Nach diesem Entwurf soll sich der Vor-stand der Stiftung aus folgenden sieben Personen zusammensetzen:

1. dem Präsidenten der Universität Oldenburg, 2. dem Kanzler der Universität Oldenburg,

3. dem Dekan des Fachbereichs Wirtschafts- und Rechtswissenschaften (FB 4),

4. dem Leiter der Berufsbildenden Schulen I (Handelslehranstalten) in Oldenburg,

5. einem Professor der Wirtschaftspädagogik,

6. einer Persönlichkeit der öffentlichen Wirtschaft (vorzugsweise aus dem Bankbereich),

7. einem Berufsschullehrer, der von den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden des FB 4 gewählt werden soll.

Der Dekan des FB 4 schlägt vor4, die Bezeichnung des Studienganges

„Lehramt an berufsbildenden Schulen“ durch „Wirtschaftspädagogik“ zu ersetzen. Dadurch solle einer Änderung der Stiftungssatzung für den Fall vorgebeugt werden, dass an der Universität Oldenburg ein angestrebter Diplomstudiengang Wirtschaftspädagogik eingerichtet würde.

Am 19.11.1982 sendet die Universität Oldenburg dem Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst als Genehmigungsbehörde den Ent-wurf für Stiftungsgeschäft und -satzung zu. Einen Tag später erhält auch das Oldenburger Finanzamt diesen Entwurf zwecks Anerkennung der Gemein-nützigkeit der Stiftung. Das Wissenschaftsministerium5 nimmt folgende Änderungen in dem Satzungsentwurf vor:

– Der Begriff „Sparguthaben“ soll allgemeiner gefasst werden, um die Anlage des Stiftungskapitals flexibler gestalten zu können.

– In die Satzung ist die von Frau Magull testamentarisch verfügte Grab-pflege aufzunehmen.

4 Schreiben vom 05.11.1982.

5 Schreiben vom 26.05.1983.

– Gem. § 104, Abs. 1 Nr. 4 LHO ist ein Prüfungsrecht des Niedersächsi-schen Landesrechnungshofes zu statuieren.

– Der Vorstand soll aus Gründen der Vereinfachung auf fünf Personen reduziert werden.

Mit den geforderten Änderungen sendet die Universität am 15.08.1983 den Satzungsentwurf erneut an das Wissenschaftsministerium. Einen Tag später ersucht sie den Niedersächsischen Landesrechnungshof um die Wahrneh-mung des vom Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst ge-forderten Prüfungsrechts.

In der Folgezeit entbrennt zwischen Oldenburg und Hannover ein Streit um die Stifterrolle. Die Universität bezeichnet sich in ihrem Satzungsentwurf als Stifter. Das Ministerium verweigert deswegen die Genehmigung6. Als Grund hierfür wird die rechtlich nicht einwandfrei geklärte Frage angege-ben, ob das Land Niedersachsen oder die Universität Oldenburg als Stifter anzusehen seien. Das Ministerium vertritt die Auffassung, das Land Nieder-sachsen sei mit Wirkung vom 23.11.1982 als Ersatzerbe des Magull’schen Vermögens eingesetzt und damit laut Testament verpflichtet, eine geeignete Hochschule auszusuchen, um die Stiftung zu errichten. Folglich sei das Land Niedersachsen als Stifter zu bezeichnen.

Im Gegensatz dazu vertritt die Universität Oldenburg die Auffassung, dass das Stiftungsgesetz für diesen Fall lediglich die Aufgaben von Stiftungsbe-hörde und -aufsicht regele, aber nicht festlege, wer als Stifter zu fungieren habe. Hinzu komme, dass bei Errichtung der Stiftung durch das Land Nie-dersachsen Stifter und Aufsichtsbehörde identisch seien, wodurch letztere nicht mehr in ausreichendem Maße ihre Kontrollfunktion wahrnehmen könne. Außerdem würde die Universität als Körperschaft des öffentlichen Rechts und Einrichtung des Landes Niedersachsen ohnehin im Namen des Landes handeln. Folglich sei sie berechtigt, den Nachlass Anna Magulls als Landesvermögen zu verwalten. Daher bestehe der testamentarisch verfügte Auftrag an den Ersatzerben (Land Niedersachsen) darin, eine geeignete Behörde (Hochschule) als Stifter einzusetzen. Würde dagegen das Land Niedersachsen die Stiftung errichten, so würde vom Testament der Stif-tungsgeberin abgewichen.

6 Schreiben vom 05.01.1984.

Aus Gründen juristischer Überprüfungsverfahren, aber vermutlich auch aus atmosphärischen Verstimmungen entstehen jetzt längere Kommunikations-pausen. Nach gut vier Monaten7 erneuert die Universität gegenüber dem Ministerium ihren Anspruch, dass sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Selbstverwaltungsangelegenheiten eine eigene Rechtspersönlich-keit besitze und somit selbst die Stiftung errichten könne. Sie kritisiert, dass das bisherige Verhalten des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst nicht förderlich für zukünftige Privatinitiativen von potentiellen Stiftern zuguns-ten der Wissenschaft sei.

Daraufhin stellt das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst8 ganz lapidar fest, dass nach seiner Auffassung die Errichtung einer Stiftung gem. §§ 74, 75 NHG nicht zum Aufgabenbereich einer Hochschule gehöre und lässt ein halbes Jahr verstreichen, ehe es mit Schreiben vom 07.01.1985 der Universität mitteilt, dass es die Anna-Magull-Stiftung als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Oldenburg zu er-richten gedenkt, Stifter sei das Land Niedersachsen, vertreten durch den Minister für Wissenschaft und Kunst.

Der beigefügte Satzungsentwurf stimmt im Wesentlichen mit den vom FB 4 auf seiner Sitzung vom 22.09.1982 formulierten Förderzielen überein. Der Vorstand der neu errichteten Stiftung soll jedoch nur aus drei Personen be-stehen, nämlich aus dem Präsidenten der Universität Oldenburg, dem Dekan des Fachbereichs 4 und einem von der Industrie- und Handelskammer Oldenburg und der Universitätsgesellschaft Oldenburg gemeinsam benann-ten Mitglied.

Die Universität Oldenburg9 stimmt dem Entwurf des Ministeriums zu, schlägt aber anstelle des Dekans einen Professor für Berufs- und Wirt-schaftspädagogik als Vorstandsmitglied der Stiftung vor. Dieser solle von dem für den Studiengang Wirtschaftspädagogik zuständigen Fachbereich gewählt werden. Die Amtszeit dieses Mitglieds solle – ebenso wie die des von der Industrie- und Handelskammer sowie der Universitätsgesellschaft

7 Schreiben vom 17.05.1984.

8 Schreiben vom 02.07.1984.

9 Schreiben vom 14.03.1985.

zu benennenden Vorstandsmitglieds – jeweils vier Jahre betragen, wobei eine Wiederwahl zulässig sei.

Diese Änderung wird vom Ministerium akzeptiert. Es errichtet die Stiftung mit Bekanntmachung vom 19.08.1985 und veröffentlicht die Stiftungs-urkunde und Satzung der Anna-Magull-Stiftung im Niedersächsischen Mit-teilungsblatt Nr. 36/1985, S. 814. (vgl. Anhang, 5.4). Mit Schreiben vom 03.10.1985 fordert das Ministerium für Wissenschaft und Kunst den sich noch zu konstituierenden Vorstand der nunmehr rechtsfähigen Stiftung auf, zum geplanten Verkauf des Magullschen Hauses in Hameln Stellung zu nehmen.

2.3 Die Vollzugsphase der Stiftung am Beispiel der