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2 Literaturübersicht

2.3 Detomidin

2.3.3 Pharmakodynamische Wirkung

Die Applikation von Detomidin bedingt eine Vielzahl von zu beobachtenden Effekten.

Sedation und Analgesie: Detomidin verfügt über potente sedative und analgetische Eigenschaften (VAINIO, 1985). Sowohl Sedation als auch Analgesie sind beim Pferd dosisabhängig (LOWE u. HILFIGER, 1984; JÖCHLE u. HAMM, 1986). Die niedrigste angewendete Dosierung für die intravenöse Applikation liegt bei 5 µg/kg KM. LOWE und HILFIGER (1984) und GEISER (1990) empfehlen eine Dosis von 10 – 40 µg/kg KM, um eine ausreichende Sedation und Analgesie zu erreichen. Für eine tiefere Sedation und bessere Analgesie wird eine Dosierung von 40 bis 80 µg/kg KM empfohlen (Orion Pharma, 2003). 20 µg/kg KM ergaben in den Studien von HAMM u.

JÖCHLE (1986) eine sehr tiefe und zufriedenstellende Sedation in der ersten Stunde nach Applikation mit deutlicher Sedation bis 3 zu Stunden Dauer. Zwischen 5 und 20 µg/kg KM wird eine dosisabhängige Verstärkung der Sedation beobachtet; bei höheren Dosierungen steigt nur noch die Dauer der Sedation, nicht mehr die Tiefe (JÖCHLE u. HAMM, 1986; ENGLAND u. CLARKE, 1996). Nach der intravenösen

Applikation tritt die Wirkung zwischen 0,5 und 5 Minuten später ein (LOWE u.

HILFIGER, 1984; CLARKE u. TAYLOR, 1986; OHNESORGE, 1991). Maximale Effekte werden 15 Minuten nach der Applikation beobachtet (JÖCHLE u. HAMM, 1986). Nach der intravenösen Applikation von 20 µg Detomidin-Hydrochlorid/kg KM berichten CLARKE u. TAYLOR (1986) von einer tiefen Sedation über eine Dauer von 50 bis 60 Minuten, die Studien von HAMM u. JÖCHLE (1986) ergaben sogar eine deutliche Sedation mit einer Dauer von bis zu drei Stunden. Nach oraler Verabreichung von 60 µg Detomidin-Hydrochlorid/kg KM war nach 30 Minuten eine signifikante Tiefhaltung des Kopfes über eine Dauer von 45 Minuten zu beobachten (RAMSEY et al., 2002). Die Sedation äußert sich durch Hängenlassen des Kopfes, der Lippen und der Augenlider, verminderte Reaktion auf akustische und visuelle Reize sowie Ataxie (FEDDERN, 1986; SHORT et al., 1986, ALITALO, 1986;

OHNESORGE, 1991).

Die spontane Bewegungsaktivität geht nach der Applikation von Detomidin-Hydrochlorid für 4 bis 6 Stunden deutlich zurück (KAMERLING et al., 1988;

HARKINS et al., 1997). VIRTANEN et al. (1985) stellten fest, dass die sedative Potenz von Detomidin der von Clonidin sehr ähnlich ist. Im Vergleich zu den Wirkungen von Xylazin ist sowohl der Grad der Sedation als auch die Analgesie, bedingt durch eine höhere α2-Rezeptorselektivität, bei Detomidin ausgeprägter (HAMM et al., 1995), so dass 100 µg Detomidin/kg KM eine vergleichbare Wirkung wie 1200 µg Xylazin/kg KM haben (VAINIO, 1985) Trotz starker Sedationsanzeichen kann es, bedingt durch äußere Reize, leicht zu einem Durchbrechen der Sedation in Form plötzlicher Abwehrbewegungen kommen (ROHR et al., 1986; ALITALO, 1986).

Anschließend fallen die Tiere wieder in einen somnolenten Zustand.

Die analgetische Wirksamkeit von Detomidin ist in verschiedenen Studien bewiesen worden. Trotz der Verwendung unterschiedlicher Schmerzmodelle stimmen die Ergebnisse der Untersuchungen im wesentlichen überein. VAINIO (1985) überprüfte die Reaktion auf Nadelstiche an den Gliedmaßen, JÖCHLE und HAMM (1986), ermittelten die Schmerzschwelle mittels Stromapplikation über Hautelektroden und CHAMBERS et al. (1990) arbeiteten mit einem druckgasbetriebenen Zylinder, der am

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Bein von Pferden montiert wurde. Die analgetische Wirkung von Detomidin war 5 bis 15 Minuten nach der Applikation voll ausgeprägt (ALITALO u. VAINIO, 1982). Die Dauer der Analgesie richtete sich nach der Dosierung, hält jedoch kürzer an als die Sedation (VAINIO, 1985). Bei 20 µg/kg KM waren die Gliedmaßen mit etwa 15 bis 60 Minuten am Längsten von der analgetischen Wirkung betroffen (JÖCHLE und HAMM, 1986). LOWE u. HILFIGER (1984) bescheinigten Detomidin eine dosisabhängige, analgetische Wirksamkeit bei viszeralen Schmerzen. Sie stellten mittels ins Zaekum implantierten, luftgefüllten Gummiballons eine analgetische Wirkung von Detomidin fest, die annähernd gleichzeitig mit der Sedierung einsetzte, aber früher wieder abklang. CLARKE u. TAYLOR (1986) ermittelten hingegen bei Dosierungen von 10-20 µg Detomidin-Hydrochlorid/kg KM keine signifikante Analgesie.

Laut SCHATZMANN (1995) kann es ein Problem darstellen, die Analgesie von der Sedation zu unterscheiden. Durch eine Sedation wird die Spontanaktivität und die Reaktion auf äußere Reize gesenkt, so dass fraglich ist, ob die Tiere bei schmerzhaften Manipulationen tatsächlich eine verlangsamte Schmerzleitung oder nur eine verlangsamte Reaktion auf den Schmerz zeigen. Die Studien von HAMM et al. (1995) hingegen weisen keinen Zusammenhang zwischen Sedation und Analgesie nach.

Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System: Nach der Applikation von Detomidin-Hydrochlorid führt die Stimulation peripherer postsynaptischer α-Adrenozeptoren zu einer vaskulären Vasokonstriktion. Dies bedingt einen initialen Blutdruckanstieg, mit einem Maximum eine Minute nach Applikation (CLARKE u.

TAYLOR, 1986; SHORT et al., 1986). Die Stimulation zentraler α-Rezeptoren im Bereich des Nucleus tractus solitarii führt jedoch zu einer Senkung des Sympathikotonus (Überwiegen des Vagotonus) und Hypotension (GASTHUYS et al., 1990; ENGLAND u. CLARKE, 1996; LÖSCHER, 2002). Der resultierende Blutdruck ist also eine Mischung aus peripheren und zentralen Effekten (RUSKOAHA, 1986).

Die Herzfrequenz fällt kurz nach der Applikation von Detomidin-Hydrochlorid deutlich ab (VAINIO, 1985; SHORT et al., 1986). Bei einer Dosis von 20 µg/kg KM ist diese Herzfrequenzabnahme bereits innerhalb der ersten 5 Minuten (SHORT et al., 1986;

BENSON u. THURMON, 1990) und über einen Zeitraum von 70 Minuten (FEDDERN, 1986) beziehungsweise 120 Minuten (SRAZAN et al., 1989) zu beobachten. Diese ist bedingt durch einen Baroceptorreflex, ausgelöst durch den transienten Hypertonus nach Detomidingabe, die zentrale Dämpfung des Sympathikotonus und die Verstärkung der vagalen Reflexe (KAMERLING et al., 1988).

Zusätzlich werden im Elektrokardiogramm Arrhythmien ab der ersten Minute p. a. für die Dauer von ein bis drei Stunden registriert (CLARKE et al., 1986; FEDDERN, 1986; DAUNT et al., 1991). Dabei handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um Atrioventrikularblöcke (AV-Blöcke) 2. Grades, seltener um sinuatriale Leitungs-störungen (CLARK u. TAYLOR, 1986; FEDDERN, 1986; JÖCHLE, 1986). Im Vergleich zu Xylazin ist bei der Anwendung von Detomidin eher mit dem Auftreten kardialer Reizleitungsstörungen in Form von AV- und Sinusblöcken zu rechnen (DYSON et al., 1987).

Auswirkungen auf die Atmung: Über die Veränderung der Atemfrequenz nach der Applikation von Detomidin-Hydrochlorid wird in der Literatur kontrovers diskutiert.

SHORT et al. (1986) und WAGNER et al. (1991) stellten einen Abfall der Atemfrequenz innerhalb einiger Sekunden fest. Dieser dauerte einige Minuten an, bevor wieder die Ruhewerte erreicht wurden. In anderen Studien (REITMEYER et al., 1986; DAUNT et al., 1993) wurde keine signifikante Veränderung der Atemfrequenz gemessen. VAINIO (1985) und JÖCHLE (1986) berichteten über einen kurzen initialen Abfall der Atemfrequenz, gefolgt von einem geringgradigen Anstieg über die Ruhewerte hinaus. Beide Autoren beschrieben allerdings starke Schwankungen der Atemfrequenz während der Messungen. Nach einer einmaligen intravenösen Applikation von 20 µg Detomidin-Hydrochlorid/kg KM stellte FEDDERN (1986) einen signifikanten Anstieg der Atemfrequenz über eine Dauer von 10

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Minuten fest. In den folgenden 70 Minuten erfolgte eine graduelle Anpassung zurück auf das Ruheniveau.

Nach der Applikation von Detomidin-Hydrochlorid sinkt der Sauerstoffpartialdruck (pO2) ab, während der Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) geringgradig ansteigt (ROHR et al., 1986; REITMEYER et al., 1986). FEDDERN (1986) und SHORT et al. (1986) berichteten nach der intravenösen Injektion von 20 µg/kg KM über einen nicht signifikanten Abfall des pO2 in einem Zeitraum von 15 Minuten p. a. Gleichzeitig steigt der pCO2 über 45 Minuten p. a. an (FEDDERN, 1986). In einer weiteren Studie wurden keine signifikanten Veränderungen des pO2, allerdings ein Anstieg des pCO2

beobachtet (DAUNT et al., 1991). Weiterhin berichtete FEDDERN (1986) über das Auftreten von in- und expiratorischen Geräuschen während der ersten Stunde nach der Detomidinapplikation. Ein inspiratorisches Atemgeräusch kann durch eine Entspannung des Larynx bei sedierten, mit gesenktem Kopf stehenden Pferden auftreten (REITEMEYER et al., 1986).

Auswirkungen auf die Körpertemperatur: VIRTANEN und MACDONALD (1985) und VIRTANEN (1986) zeigten in Versuchen mit Ratten eine Detomidin-induzierte Hypothermie, während FEDDERN (1986) bei Pferden keine signifikanten Veränderungen feststellen konnte. Dosen von 20 und 40 µg Detomidin-Hydrochlorid/kg KM führen zu einer Hyperthermie 45 Minuten p. a. (KAMERLING et al., 1988).

Andere Wirkungen: Als weitere Wirkungen von Detomidin wird über das Auftreten von reversiblen Penisvorfällen (ALITALO, 1986; JÖCHLE, 1986; DYSON et al., 1987;

HAMM et al., 1995) und verstärktem Schwitzen der Tiere (CLARKE u. TAYLOR, 1986; JÖCHLE, 1986; JÖCHLE u. HAMM, 1986; SHORT et al., 1986) berichtet.

Detomidin führte in der Mehrzahl der Studien zu einem diuretischen Effekt (FEDDERN, 1986; JÖCHLE, 1986; JÖCHLE u. HAMM, 1986; LOWE u. HILFIGER,

1986; SHORT, 1992). SHORT et al. (1986) beschrieb beim Pferd eine deutlich verstärkte Diurese ab etwa 60 Minuten nach der Applikation von Detomidin-Hydrochlorid. Diskutiert wird eine Verringerung von zirkulierendem Antidiuretischen Hormon, was zu einer vermehrten Harnproduktion führt (ENGLAND et al., 1992). Die Harndichte sinkt signifikant mit Beginn der verstärkten Diurese ab (GASTHUYS et al., 1987). CLARKE und TAYLOR (1986) hingegen konnten keine erhöhte Harnproduktion feststellen.