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3. Theoretischer Bezugsrahmen

3.2 Faktoren für das Lernen während dem Musikstudium nach ICF

3.2.4 Personbezogene Faktoren

3.2.2.10 Freizeit, Erholung und Gemeinschaft

Es gehören dazu Handlungen und Aufgaben für die Beteiligung am sozialen Leben in der Schule, der Freizeit und der Familie (Hofer, 2008, S. 61). Bei Spiel und Sport gilt es zu beachten:

- Der Zugang zu Raum und Objekten ist erschwert.

- Spiele sind gewöhnlich visuell angelegt.

- Das Teilhaben am Planen und Durchführen konstruktiver (Bewegungs-) Spiele erfordert Zeit, Mo-tivation, Ausdauer, Selbst- und Sozialkompetenz.

- Ein Sich-Anpassen der beteiligten Personen ist meistens notwendig.

- Dies gilt auch für „spielerisch“ angelegte Lernsettings oder musikalische Aufführungen und Dar-bietungen.

- Gelegenheiten und Ermutigungen entscheiden massgeblich über die sportliche Ertüchtigung (ebd.).

Der Aufbau und die Pflege eines Beziehungsnetzes sind für blinde Menschen erschwert. Gerade beim Musikstudium, um sich zu informieren, sich gegenseitig kennen oder gar „verbinden“ zu können kann aber „networking“ von Wichtigkeit sein. Auch im Anschluss an das Studium zur Förderung der Karriere oder um sich Vorteile zu verschaffen, kann ein gutes Netzwerk gewinnbringend sein.

Ein weiterer Aspekt des Musikstudiums ist die aesthetische Bildung. Diese kann in den Bereichen der Mode, Architektur, Kunst etc. nur beschränkt oder nicht stattfinden. Musik vermittelt diese Inhalte auditiv:

Formen, Bewegungen, Strukturen, Klangfarben, Spannung und Harmonie (Huwyler, 2010).

3.2.3 Umweltfaktoren

Die Kontextfaktoren, gegliedert in die Umweltfaktoren und die Personbezogenen Faktoren, umfassen die Gegebenheiten des gesamten Lebenshintergrundes einer Person. Die Umweltfaktoren als Faktoren der materiellen, sozialen und einstellungsbezogenen Umwelt liegen ausserhalb des Individuums. In der Schweiz gibt es keine speziellen Ausbildungslehrgänge für blinde Musikstudierende. Dies wäre aufgrund der niedrigen Anzahl Auszubildender gar nicht realisierbar. Ein Studium gemeinsam mit Sehenden weist entscheidende Vorteile auf, wie zum Beispiel das „natürliche Umfeld“ für die Musikausübung, welches den Vergleich mit sehenden Mitstudierenden ermöglicht. Doch die Hochschule ist somit ein prägender Umweltfaktor. Die genauere Betrachtung und Erfassung dieses Bereichs gliedert sich in die Kategorien Hilfsmittel, Umwelt, Einstellung und Haltung der Umwelt sowie Unterrichtsgestaltung.

3.2.3.1 Hilfsmittel

Staupendahl (1998) erwähnt als Hilfsmittel neben den verschiedenen Punktnotenschriften die Punkt-schriftmaschine, die Punktschrifttafel, den Streifenschreiber (um Notizen im Unterricht zu machen), Kas-setten (als Tonträger), elektronische Lesegeräte, und als EDV-Anwendung Braillemusik, zur Übertragung von Schwarzschriftnoten in Punktnotenschrift. Seither waren und sind die Fortschritte im technischen Be-reich enorm, das Angebot an Geräten, Hilfsmitteln und Programmen riesig, ständig wechselnd und kaum mehr überschaubar. Nutzende sowie ihre Umwelt scheinen oft überfordert.

3.2.3.2 Umwelt

Die spezifische Ausgestaltung von Medien und Räumen gilt in der Literatur für den Lernprozess blinder Lernender als einer der wichtigen fördernden oder hemmenden Kontextfaktoren (Hofer, 2008). Es handelt sich dabei um die (konstanten) räumlichen Voraussetzungen der Institution (Schulareal und Schulräume), deren Struktur, Anordnung, Gefahrenquellen, Kennzeichnung und wahrnehmbare Ausgestaltung (bei Sehrest auch visueller Art und Beleuchtungssituation). Sich dauernd verändernde Situationen sind für die

sehgeschädigten Lernenden eine so grosse Herausforderung, dass oft wenig oder keine Ressourcen für das eigentliche Lernthema bleiben.

3.2.3.3 Einstellung und Haltung der Umwelt

Die positive Einstellung und die aktiv unterstützende Haltung der Umwelt haben entscheidenden Einfluss auf die Möglichkeiten der Aktivität und Teilhabe (Hofer, 2008, S. 63) Die Umwelt eines Studierenden um-fasst viele Personen. Es ist von Interesse mehr zu erfahren, welches die zentralen Schlüsselpositionen im System der Musikstudierenden sind oder sein können.

3.2.3.4 Unterrichtsgestaltung

In den Bereichen der Bildungsinhalte und des methodisch didaktischen Vorgehens brauchen blinde und hochgradig sehbehinderte Musikstudierende besondere Anpassungen. Bei den Bildungsinhalten sind dies zusätzliche Inhalte, welche bei zielgleichem Unterricht (bei Zielgleichheit auf der Ebene der Studien-inhalte und -pläne) systematisch nebenbei erworben werden müssen (Beyer, 2008, S. 89). Dazu gehören zum Beispiel Inhalte, welche nicht per Nachahmung „en passant“ gelernt werden können, wie Lebens-praktische Fertigkeiten, Orientierung und Mobilität sowie Sozialkompetenz. Aber auch die Nutzung blin-denspezifischer Medien, die für den Unterricht notwendig sind, wie Arbeits-, Ordnungs- und Strukturie-rungstechniken, Schriftsysteme (Notenschriften), Strategien und Techniken der blindenspezifischen PC-Nutzung und der Gebrauch technischer Hilfsmittel.

Von besonderer Bedeutung der methodisch-didaktischen Prinzipien sind für die sehgeschädigten Musik-studierenden diejenigen der Selbsttätigkeit, der Anschaulichkeit und Begriffsbildung, der Individualisie-rung, der Strukturierung der Lerninhalte und der Lernumgebung, der Wahrnehmungsförderung sowie des Einsatzes von Sprache (Beyer, 2008, S. 91). Es gibt hervorragende Literatur zur Didaktik des Unterrichts mit blinden Lernenden. Theoretische Grundlage dieser Arbeit bilden die Aussagen von Hofer (2008, S.

145): Eine sehgeschädigtenspezifische Didaktik ist notwendiger Bestandteil einer Schule der Vielfalt. Ho-fer nennt sie eine „logische Ergänzung … allgemein-didaktischer Konzeptionen“, wobei „das Allgemeine der Didaktik dem Besonderen eine gute Basis böte“ (ebd.). Es soll bei der Erhebung zudem die folgende Hypothese überprüft werden:

Blindenspezifische Techniken wie Lebenspraktische Fertigkeiten, Orientierung und Mobilität, Braille oder Low-Vision-Training werden selbstverantwortlich vom Studierenden erworben bzw. vorausgesetzt.

3.2.4 Personbezogene Faktoren

Zu den Personbezogenen Faktoren gehören Eigenschaften, wie Alter, Geschlecht, Ausbildung, Lebens-stil, Motivation. Diese persönlichen inneren Faktoren wirken prägend als förderliche oder hemmende Komponenten der Kontextfaktoren. Sie werden in der Schlussversion der ICF nicht klassifiziert (Hofer, 2008, S. 36). Als wichtige Komponente beeinflussen die Personbezogenen Faktoren im Zusammenspiel mit den Komponenten der Funktionsfähigkeit und Behinderung und den Umweltfaktoren die Aktivität und Teilhabe eines Menschen. In dieser Arbeit werden deshalb einzelne Faktoren situationsbezogen erfasst und ausgewertet.

3.2.4.1 Soziale Kompetenz

Hudelmayer (zit. nach Staupendahl, 1998) nennt mögliche Symptome im emotional-sozialen Bereich blinder Kinder, wie

- Berührungs-, Bewegungs- und Raumängste - Isolations- und Minderwertigkeitsgefühle - Egozentrizität

- Rückzug auf sich selbst

- Unrealistische Selbsteinschätzung - Ängste vor anderen Personen - Übertriebene Mutterbindung

- Unkenntnis über andere Kinder und über das eigene Blindsein - Restriktion von Explorationslust, Interessen- und Leistungsmotivation

Im Rahmen der Integration sehgeschädigter Lernender in einen Studiengang mit sehenden Musikstudie-renden ist die Soziale Kompetenz als Schlüsselkompetenz eine für die Interaktion und Partizipation not-wendige Fertigkeit. Bereits in Kapitel 3.2.2.9 wurde auf deren Wichtigkeit hingewiesen. Folgende Berei-che können im Erwachsenenalter Schwierigkeiten bereiten: die soziale Abhängigkeit, Hemmungen, Kon-taktscheue, Stress in gemischten sozialen Situationen und vielschichtige, zwischenmenschliche Verhal-tensprobleme (Hudelmayer, 1996). Es stellt sich daraus die Frage, ob diese zentralen Kompetenzen als Faktoren (Ressource oder Defizit) für das Musikstudium ebenso relevant sind.

3.2.4.2 Ausbildung

Grundsätzlich gilt für die blinden und hochgradig sehbehinderten Studierenden Zielgleichheit auf der Ebene der Bildungsinhalte. Das bedeutet, dass alle Lernenden eine den Anforderungen der Musikfach-hochschule entsprechende Grundausbildung zusätzlich zur Begabung und dem Können im musikali-schen Bereich mitbringen müssen. Hier stellt sich die Frage, was in der Realität bzw. bei der Umsetzung im Unterricht unter „Zielgleichheit“ verstanden wird.