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Die Wassertemperatur bestimmt bei wechselwarmen Tieren über die Zeit bis zum Auftreten und die Schwere des Verlaufs von Virusinfektionen durch Beeinflussung der Virusvermehrung und des humoralen und zellulären Immunsystems des betroffenen Organismus (BLY u. CLEM 1992).

Die Wassertemperatur vermochte den Krankheitsverlauf stärker zu beeinflussen als die Viruskonzentration im Wasser (GILAD et al. 2003). Experimentell erwiesen sich Karpfen bereits für geringe Viruskonzentrationen (1,2 KID50/ml) als hochempfänglich. Koi wurden mit 1,2 KID50/ml bzw. 12 KID50/ml über das Bad infiziert und bei 13, 18, 23 und 28°C gehalten. Bei 28°C starben bei beiden Dosierungen 17 von 20 Fischen, die durchschnittliche Zeit von der Infektion bis zum Tod betrug neun bzw. sieben Tage. Bei 23°C starben 39 von 41 Fischen innerhalb von neun Tagen nach der Infektion, ohne dass ein Unterschied zwischen den verschiedenen Dosierungen erkennbar war. Bei 18°C starben 17 von 19 Koi bzw. 20 von 21 Koi innerhalb von 23 bzw. 18 Tagen. Fische, die bei 13°C gehalten wurden, zeigten keine Krankheitssymptome. Jeweils fünf von sechs Koi, die nach der Infektion über 30 Tage bei 13°C gehalten wurden, starben bei einer Anhebung der Wassertemperatur auf 23°C innerhalb von zwölf bzw. sieben Tagen. Koi, die nach der Infektion zwei Monate bei 13°C gehalten wurden, starben nach einer Anhebung der Wassertemperatur auf 23°C nicht. Es bestand bei den Fischen, die bei 23°C gehalten wurden, und den Fischen, deren Haltungstemperatur nach 30 Tagen bei 13°C auf 23°C angehoben wurde, kein signifikanter Unterschied in der Zeit von der Infektion bis zum Tod. Die Untersuchung offenbarte, dass eine im Frühjahr oder Sommer durch das KHV hervorgerufene Mortalität eine Aktivierung einer Virusinfektion darstellen kann, die bei Temperaturen anging, bei denen sich das Virus nicht vermehren konnte, und deshalb klinisch nicht zu Tage trat (GILAD et al. 2003).

Eine Infektion über das Bad, bei der bereits am ersten Tag p.i. virale DNA in Niere und Blut gefunden wurde, schien effektiver zu sein als die durch Kohabitation. Die Menge an Virus-DNA in der Niere stieg ab dem dritten und im Blut ab dem fünften Tag an. Die Niere schien das Organ zu sein, in dem sich das Virus am effektivsten vermehrte. KHV-DNA wurde regelmäßig in Kieme, Gastrointestinaltrakt und Leber experimentell infizierter Fische gefunden. Im Gegensatz dazu konnte im zentralen Nervensystem dieser Fische nicht

regelmäßig virale DNA nachgewiesen werden (PIKARSKY et al. 2004). Deshalb vermuteten die Autoren, dass virale DNA hier nur in geringer Menge vorlag. Einige Herpesviren rufen während der Primärinfektion keine pathologischen Veränderungen im Nervengewebe hervor, können aber eine latente Infektion in Neuronen etablieren. Bisher ist unklar, ob dieses auch bei dem KHV zutrifft (GRAY et al. 2002).

Es ist bisher ungeklärt, ob das Virus durch Kieme oder Darm in den Körper eintritt (HEDRICK et al. 2000, PERELBERG et al. 2003). PIKARSKY et al. (2004) vermuteten, dass das Virus über die Kieme in den Körper gelangt und hier bei der Vermehrung zu einer Schleimhautschädigung und Nekrose führt, was sich in einer zunehmenden Morbidität des betroffenen Fisches äußert. Das Virus könnte dann von der Kieme ins Wasser freigegeben sowie über den Blutstrom in Leukozyten zur Niere transportiert werden.

GILAD et al. (2004) untersuchten die Menge an KHV-DNA bei virusexponierten Koi bei einer Haltung bei 13, 18, 23 und 28°C in Kieme, Niere, Milz, Leber, Gehirn, Darm und Hautschleim. Virale DNA wurde bei allen Temperaturen nachgewiesen. Bei 13°C traten, anders als bei den anderen Temperaturen, keine Mortalitäten auf. Die Zahl der KHV-Genomkopien wuchs mit dem Fortschreiten der Infektion und war bei höherer Haltungstemperatur größer. Der Nachweis viraler DNA in vielen Geweben bereits einen Tag p. i. offenbarte eine schnelle systemische Verbreitung im Organismus. Die höchsten DNA-Konzentrationen wurden in Kieme, Niere und Milz bei 23°C mit 108 bis 109 Genomäquivalenten pro 106 Wirtszellen gemessen. Auf dem Gipfel der Infektion lagen bei 18, 23 und 28°C 107 bis 109 Genomkopien pro 106 Wirtszellen vor. Große Mengen wurden auch in Hautschleim, Leber, Darm und Gehirn detektiert. Eine sequentielle Gewebeverteilung konnte nicht erkannt werden.

Ein bereits einen Tag p.i. erfolgender Nachweis großer Mengen KHV-DNA im Schleim ließ GILAD et al. (2004) vermuten, dass die Haut neben der Kieme in die frühe virale Pathogenese aktiv involviert ist. Eine Virusvermehrung in diesem Gewebe könnte die Hypersekretion von Hautschleim in frühen Infektionsstadien und die sandpapierartige Hauttextur zu späteren Zeitpunkten (BRETZINGER et al. 1999, HEDRICK et al. 2000, PERELBERG et al. 2003) erklären (GILAD et al. 2004). Die Autoren hielten es für möglich, dass von der Haut infektiöses Virus in das Wasser abgegeben wird. Die Rolle der Haut bei

Herpesvirusinfektionen ist bei vielen Tieren inklusive der Fische bekannt (HEDRICK u.

SANO 1989). Eine initiale und auch persistierende Beeinträchtigung von Haut und Kieme konnte bei mit dem IcHV-1 infizierten Welsen, bei an Karpfenpocken leidenden Karpfen und bei an HVA erkrankten Aalen beobachtet werden (WISE et al. 1985, NUSBAUM u.

GRIZZLE 1987, SANO et al. 1993b, BAEK u. BOYLE 1996, KOBAYASHI u. MIYAZAKI 1997, LEE et al. 1999, GRAY et al. 1999b). GILAD et al. (2004) vermuteten, dass ein Verlust osmoregulatorischer Funktionen von Kieme, Darm und Niere zu den Mortalitäten beiträgt.

62 Tage p. i. trugen Koi noch geringe Mengen viraler Genomäquivalente in Kieme, Niere und Gehirn. Auch GOODWIN konnte mittels PCR bei 17% der Individuen einer Gruppe von vor vier Monaten infizierten Karpfen noch KHV-DNA nachweisen, während acht Monate p.i. bei keinem der infizierten Fische der KHV-Nachweis gelang (siehe HAENEN u. HEDRICK 2006).

Bei Gabelwelsen, die eine Infektion mit dem CCV überlebt hatten, konnte virale DNA vier Monate p.i. in Blut, Gehirn, Darm, Niere, Leber und peripheren Blutleukozyten nachgewiesen werden (SANO et al. 1993, GRAY et al. 1999b).

Bei Karpfen, die eine Infektion mit dem CyHV-1, dem die Karpfenpocken auslösenden Virus, überlebt hatten, konnte virale DNA 35 Wochen p.i. in Haut, Kieme, Gehirn, Kopf- und Spinalnerven, Oesophagus, Leber und Niere detektiert werden.

Durch den Nachweis der geringen Zahl an Genomkopien, die am 62. Tag p.i. nachgewiesen wurde, vermuteten GILAD et al. (2004), dass die Virusvermehrung eingestellt oder stark reduziert wurde. Der Nachweis viraler DNA in symptomlosen Fischen reicht nicht für den Beweis einer latenten oder persistierenden Infektion. Hierfür wird der Nachweis einer Übertragung des Viruses auf naive Fische oder einer stressinduzierten Virusreaktivierung benötigt (GILAD et al. 2004).

Von Koiproduzenten wird eine Exposition von Karpfen mit dem KHV bei nicht permissiven Temperaturen (geringer als 16°C oder höher als 28°C) genutzt, um eine Immunität gegen das Virus zu induzieren (RONEN et al. 2003). Es wird vermutet, dass die bei den hohen nicht-permissiven Temperaturen exponierten Fische eine spezifische Immunität erwerben, die vor einer Belastungsinfektion schützt (RONEN et al. 2003). Andere Autoren (NEUKIRCH

2003b) befürchteten, dass durch dieses Vorgehen latent infizierte Virusträger geschaffen werden, die das Virus an naive Karpfen weitergeben können.

ST-HILAIRE et al. (2005) untersuchten, ob das KHV latente Infektionen etablieren kann.

Bisher war nur wenig über eine mögliche Latenz des KHV bekannt (GRAY et al. 2002, WALSTER 2003). Sie beobachteten eine mehrere Monate p.i. auftretende Virusreaktivierung.

Die Fische schieden bei Temperaturen oberhalb von 20°C infektiöses Virus aus und übertrugen das KHV auf naive Karpfen. Damit wiesen sie nach, dass dem KHV exponierte Karpfen persistierende Infektionen etablieren können. Diese Ergebnisse veranlaßten ST-HILAIRE et al. (2005), von einer Exposition naiver Karpfen mit dem Virus zur Erzeugung natürlich immuner Fische abzuraten, wenn diese Fische abgegeben und mit naiven Fischen zusammengehalten werden werden sollen. Dennoch werden weitere, tiefergreifende Studien zur Latenz des KHV benötigt (HEDRICK et al. 2006).

Die Latenz des equinen Herpesvirus-1 (EHV-1), des bovinen Herpesvirus-1 (BHV-1) sowie humaner Herpesviren wurde bereits gründlicher untersucht.

Das EHV-1 ruft aus einer lytischen Infektion der Endothelzellen der Blutkapillaren eine nekrotisierende Vaskulitis und Thrombose hervor. Aborte, Paresen und neonatale Fohlenverluste resultieren. Der Ursprung der Infektion scheint reaktiviertes EHV-1 aus latent infizierten Leukozyten zu sein. Die primäre EHV-1-Vermehrung im oberen Respirationstrakt und den lokalen Lymphknoten bewirkt eine leukozytenassoziierte Virämie. Darauf findet eine weitere Vermehrung auch in den Endothelzellen der Blutkapillaren des Zentralnervensystems und des trächtigen Uterus statt (PATEL u. HELDENS 2005). Sowohl vom eqinen Herpesvirus-1 als auch -4, dem Verursacher von respiratorischen Erkrankungen, ist bekannt, dass eine Latenz im Lymph- und Nervengewebe etabliert wird (WELSH et al. 1992, GIBSON et al. 1992, EDINGTON et al. 1994, SLATER et al. 1994). Das EHV-1 konnte bei infizierten SPF- und konventionellen Pferden durch Immunsuppression reaktiviert werden. Infektiöses Virus konnte bei mit Kortikosteroiden behandelten konventionellen Pferden immer in Leukozyten und nur gelegentlich im Nasensekret nachgewiesen werden (EDINGTON et al.

1985). Bei mit Kortikosteroiden oder Zyklophosphamiden behandelten SPF-Pferden wurden beachtliche Virusmengen im Nasensekret gefunden, ohne dass es zur Virämie kam oder

Krankheitsanzeichen auftraten (SLATER et al. 1994). Eine spontane Virusausscheidung kann nach Krankheit, Kastration, Geburt oder einem Umstellen auftreten (BURROWS et al. 1984).

Das BHV-1 etabliert nach der initialen Replikation im Schleimhautepithel eine lebenslange, von T-Lymphozyten kontrollierte (SIMMONS et al. 1992) Latenz in den sensorischen Neuronen des Trigeminalganglions und den Pharyngealtonsillen (JONES et al. 2006). In periodischen Schüben, häufig nach natürlichem oder kortikosteroidinduzierten Stress, reaktiviert das BHV-1 und infektiöses Virus wird ausgeschieden (SHEFFY u. DAVIES 1972, ROCK et al. 1992). Das BHV-1 verursacht wie das KHV eine Immunsuppression, in deren Folge es zu bakteriellen Sekundärinfektionen kommt. Beim BHV-1 korreliert diese erhöhte Anfälligkeit gegenüber Sekundärinfektionen mit einer reduzierten zellvermittelten Immunität (CARTER et al. 1989).

Das Varizella-Zoster-Virus bildet nach der Primärinfektion eine Latenz in Ganglien aus. Eine Virusreaktivierung tritt vornehmlich bei älteren Menschen, Organtransplantatempfängern, Krebs- und AIDS-Patienten bei Absinken der zellvermittelten Immunität auf. Bei Untersuchungen an Astronauten wurde beobachtet, dass es während einer Raumfahrt zu einer subklinischen Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus kam (MEHTA et al. 2004). Ähnlich verhielt es sich mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV). Bei Astronauten stieg während und unmittelbar nach Weltraumfahrten die Zahl der Genomkopien im Speichel und EBV-spezifischer Antikörper im Blut (PIERSON et al. 2005).

Weitere Beweise für eine durch psychischen Stress hervorgerufene Virusreaktivierung lieferten GLASER et al. (1999). Sie untersuchten an einer Militärakademie den Einfluß von Trainingsstress während einem Basistraining für Kadetten und von dem finalen Prüfungsstress auf die Reaktivierung des EBV, Herpes-simplex-Virus-1 (HSV-1) und des humanen Herpesvirus-6 (HHV-6), dem Erreger des Dreitagefiebers. Weder beim HSV-1 noch beim HHV-6 konnte eine Virusreaktivierung durch das Training oder den Prüfungsstress nachgewiesen werden. Beim EBV kam es nicht durch das Training, aber den Prüfungsstress zu einer Virusreaktivierung.

Das HSV-1 kann während der frühen Kindheit eine latente Infektion in sensorischen Neuronen etablieren, die als Virusreservoir für rekurrierende Infektionen dient. Rekurriende Herpesvirusinfektionen resultieren häufiger aus einer Reaktivierung des latenten Virus als aus

exogenen Reinfektionen. Nach einer Primärinfektion der Haut oder Schleimhaut tritt das HSV-1 in sensorische Neurone ein und gelang durch retrograden axonalen Transport zu den neuronalen Zellen des sensorischen Ganglions. Das Virus vermehrt sich in den sensorischen Neuronen und etabliert eine latente Infektion. Eine Virusreaktivierung kann zu einem anterograden Transport und einer Freisetzung von infektiösen Virionen in die Gewebe, die durch diese Neuronen innerviert werden, führen. Gelegentlich kommt es aber auch zu einem Transport zum zentralen Nervensystem, der zu einer lethalen Enzephalitis führen kann (KHANNA et al. 2004).

Hyperthermie-Stress kann bei latent mit dem HSV-1 infizierten Mäusen eine Virusreaktivierung induzieren und die Freisetzung von Kortikosteronen durch die Nebennieren durch Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Axe stimulieren. Wurden vor der Belastung der latent infizierten Mäuse Cyanoketone, Glukokortikoid-Synthesehemmer, verabreicht, wurde der stressinduzierte Anstieg von Kortikosteronen dosisabhängig blockiert. Die Hemmung der Kortikosteronsynthese korrelierte mit reduzierter Reaktivierung des HSV-1 (NOISAKRAN et al. 1998). In Primärzellkulturen von Trigeminalganglienzellen von latent mit HSV-1 infizierten Mäusen konnte innerhalb von 120 Stunden nach Hitzestress in 75% der Kulturüberstände infektiöses Virus nachgewiesen werden. Das HSV-1-Antigen erschien zuerst in den Neuronen, was anzeigte, dass die Neurone die Quelle der Reaktivierung waren. Die Verabreichung von Dexamethason konnte ebenfalls dosisabhängig eine Virusreaktivierung in der Zellkultur induzieren und bei der Verabreichung vor der Belastung mit dem Hitzestress konnte es die stressinduzierte Reaktivierung beschleunigen (HALFORD et al. 1996).