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2. Schrifttum

2.4. Die Patch-Clamp-Technik

Die Patch-Clamp-Technik wurde von den beiden deutschen Wissenschaftlern Erwin Neher und Bert Sakmann 1976 entwickelt, 1991 erhielten sie dafür den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Der Begriff Patch-Clamp kommt aus dem Englischen, wobei „Patch“ soviel wie

„Fleck“ bedeutet und „Clamp“ ins Deutsche mit „Klemme“ übersetzt wird. Sie hatten damit eine Methode entwickelt, mit der sich an lebenden Zellen der Strom durch einzelne Ionenkanäle messen lässt. Im Laufe der Jahre konnten so bedeutende Erkenntnisse über die Eigenschaften und Funktion von Ionenkanälen gesammelt werden; bis heute stellt die Patch-Clamp-Technik eine der wichtigsten Arbeitsmethoden in der Neurophysiologie dar. Das generelle Prinzip besteht darin, einen Teil der Zellmembran elektrisch zu isolieren, indem eine Glaspipette ähnlich einer Käseglocke auf die Zellmembran aufgesetzt wird. So werden aus dem starken Hintergrundrauschen, dass von vielen unterschiedlichen Kanälen und Ionentransportern auf der gesamten Zelloberfläche ausgelöst wird, die wenigen, von der Pipette eingeschlossenen Kanäle elektrisch isoliert und können so detaillierter dargestellt werden. Nach ihren ersten Messungen an Acetylcholinrezeptoren, die sie an Froschmuskelfasern durchführten, konnten die beiden Forscher vor allem die Herstellung und den Gebrauch der Patchpipetten verbessern und weiterentwickeln, so dass durch eine deutliche Erhöhung des Abdichtungswiderstandes im Gigaohmbereich das biologische Rauschen des Präparates fast vollständig ausgeschaltet war. Die Etablierung dieses sog.

Gigaseals (seal, engl. = Abdichtung) bildet den Ausgangspunkt zur weiteren Manipulation an der Zellmembran, ohne das die Verbindung zwischen Glaswand und Membran abreißt. Eine physikalische Erklärung für dieses Phänomen, das durch das Anlegen eines Unterdrucks an die auf der Zellmembran aufliegende Pipette zustande kommt, gibt es bis heute jedoch nicht.

Abb. 5 Patchkonfigurationen:

a) Cell-attached, b) Whole-Cell, c) Inside-out, d) Outside-Out. Erläuterungen im Text

Die möglichen Konfigurationen, die man nach Erreichen des Gigaseals anstreben kann, sind in Abb. 5 dargestellt. Die Cell-attached-Konfiguration liegt bei Annährung der Pipette bis an die Zellmembran vor und bleibt auch beim Gigaseal weiter bestehen. Sichtbar wird dies dadurch, dass sich der Pipettenwiderstand um einige Megaohm erhöht. Dann wird, wie bereits beschrieben, der Gigaseal erzeugt, und durch einen kurzen Saugpuls lässt sich das Membranstück unter der Pipette durchbrechen. Durch die so erzeugte Whole-Cell-Konfiguration ist ein Zugang zum Zytoplasma hergestellt und man kann so die Ströme durch die gesamte Zellmembran ableiten. Durch Zurückziehen der Pipette in der Whole-Cell-Konfiguration kann man einen kleinen Teil aus der Zellmembran herausreißen und durch unterschiedliche Manipulationen erreichen, dass entweder die äußere Zellmembran nach außen zeigt (Outside-Out) oder die innere Zellmembran nach außen gerichtet ist (Inside-Out).

In der vorliegenden Arbeit wurde ausschließlich mit der Whole-Cell-Konfiguration gearbeitet, die, wie erwähnt eine Ganzzellmessung darstellt und als Mittelung vieler simultan aktiver Ionenkanäle angesehen werden kann. Durch die Tatsache, dass die Pipette Verbindung mit dem Intrazellularraum hat, kommt es zum Stoffaustausch zwischen der Pipettenlösung und dem Zytoplasma. Dabei hängt die Geschwindigkeit des Stoffaustausches vom Volumen der Zelle und vom Durchmesser der Pipettenspitze ab. Ein Vorteil dessen ist die für den Wissenschaftler bessere Kontrollierbarkeit des intrazellulären Milieus und die Möglichkeit des Einbringens z.B. von Farbstoffen in die Zelle (bei Gewebeschnitten zur späteren histologischen Untersuchung). Ein Nachteil von Whole-Cell-Messungen ist die Gefahr, dass das Zytoplasma seine natürliche Zusammensetzung verändert und so Substanzen verloren gehen, die für die Funktion der Kanäle von Bedeutung sind. Dies kann u. a. zu Erscheinungen wie dem Run-down führen, der die fortschreitende Inaktivierung von Ionenkanälen während einer Messung beschreibt (siehe auch Diskussion) (NEHER und SAKMANN 1976, HAMILL et al. 1981, SAKMANN 1992, NUMBERGER und DRAGHUN 1996).

Weitere Details zur Technik und zum generellen Aufbau eines Patch-Clamp-Standes sind im Kapitel „Material und Methoden“ zu finden.

3.1. Material

3.1.1. Zelllinie

HEK 293-Zellen (TSA3P6) (Ulm, Deutschland)

3.1.2. Verbrauchsmaterialien

Zellkulturflaschen (75 cm²), steril

(Sarstedt AG & Co. Nümbrecht, Deutschland)

24-Well-Zellkulturplatten, steril

(Greiner Labortechnik GmbH Frickenhausen, Deutschland)

Pipetten (5 ml, 10 ml, 25 ml)

(Greiner Labortechnik GmbH Frickenhausen, Deutschland)

Pipetten (10 µl, 20 µl, 100 µl, 200 µl, 1000 µl)

(Greiner Labortechnik GmbH Frickenhausen, Deutschland)

Kunststofftubes (10 ml, 50 ml)

(Greiner Labortechnik GmbH Frickenhausen, Deutschland)

Kunststofftubes (1,5 ml)

(Biozym Hessisch Oldendorf, Deutschland)

Deckgläschen (ø 12 mm), 4 Stunden Hitze-sterilisiert bei 180 C (Marienfeld Braunschweig, Deutschland)

Elektroporations-Küvetten (ø 4 mm)

(peqLab Biotechnologie GmbH Erlangen, Deutschland)

Glaskapillaren Borosilikat (1,5 mm O.D. x 1,17 mm I.D.) (Harvard Apparatus Edenbridge, Kent, Großbritannien)

Einmalspritzen steril, Injekt Luer solo (2 ml, 10 ml, 20 ml) (Braun, Melsungen, Deutschland)

Selbst hergestellte Lösungen:

Die hier benutzte Extrazellulärlösung, die Intrazellulär-Pipettenlösung, das PBS (phosphate buffered saline) und der Elektroporationspuffer wurden selbst aus den Grundsubstanzen hergestellt. Die Herstellung wird unter 3.2. im Detail beschrieben. Alle Grundsubstanzen wurden bei Sigma Aldrich, Deutschland bezogen.

3.1.3. Geräte

Sterilbank (Microflow Biohazard) (Nunc, Wiesbaden, Deutschland)

Zentrifuge (Megafuge 2.0 R)

(Heraeus Instruments GmbH Hanau, Deutschland)

Brutschrank

(Heraeus Instruments GmbH Hanau, Deutschland)

Elektroporator Easyject Optima (Equibio, Deutschland)

Pipettenpuller DMZ-Universalpuller

(Zeitz Instrumente GmbH München, Deutschland) Mikroskop (Axioskop)

(Carl Zeiss Mikroskope Göttingen, Deutschland)

Oszilloskop HM 1007, Analog-Digital 100 MHz (Hameg, Deutschland)

Patch-Clamp-Verstärker Axopatch 200 B Integrating Patch Clamp (Axon Instruments Union City, CA, USA)

Pipettenarm / Vorverstärker

(Axon Instruments, CV 203 BU Headstage, CA, USA)

Pipettus-Akku

(Hirschmann Laborgeräte, Eberstadt, Deutschland)

Mikromanipulator (Narishige, Japan)

AD-Wandler Digi Data 1200 Series Interface (Axon Instruments Union City, CA, USA)

Fluoreszensmikroskop

(Zeiss Instrumente GmbH München, Deutschland)

Analysewaage

(Sartorius Analytic AC 210P)

Wärmemagnet Ikamag Rct

(Janke und Kunkel Labortechnik, Staufen, Deutschland)

3.1.4. Verwendete Stoffe, Lösungen und Lösungsmittel Delmadinonacetat

(Farmabios, Gropello Cairoli, Italien)

Progesteron

(Sigma Aldrich Chemie GmbH Taufkirchen, Deutschland)

GABA (γ-Aminobuttersäure)

(Sigma Aldrich Chemie GmbH Taufkirchen, Deutschland)

Glyzin

(Sigma Aldrich Chemie GmbH Taufkirchen, Deutschland)

DMSO (Dimethylsulfoxid)

(Fluka Chemika Taufkirchen, Deutschland) Chloroform (Trichlormethan), zur Analyse (Merck, Darmstadt, Deutschland)

3.2. Methoden

3.2.1. Zellkultivierung

Die Kultivierung von HEK (human embryonic kidney) 293-Zellen erfolgt in einem Begasungsbrutschrank bei 37°C und 5% CO2. Dort befinden sie sich in 75 cm2 Zellkulturflaschen mit Dulbecco’s-modified-Eagle’s-Medium (DMEM), dem 10% fetales bovines Serum (FBS), 100 IU / ml Penicillin und 100 µg / ml Streptomycin zugesetzt wird.

Alle zwei Tage erfolgt der Mediumwechsel parallel mit der Entnahme neuer Zellen für die Transfektion. Nach dem Absaugen des Mediums, Spülen der Zellen mit sterilem PBS und Lösen des Zellrasens mit 2 ml einer 0,25% Trypsin in PBS-Lösung werden die Zellen mit 3 ml frischem Zellkultur-Medium resuspendiert. Anschließend werden 0,5 ml dieser Suspension mit 15 ml frischem Medium in eine neue sterile Kulturflasche übertragen, der Rest der Lösung steht für die unten beschriebene Transfektion zur Verfügung. Wenn die Zellen nicht zum Transfizieren verwendet werden, müssen sie regelmäßig gesplittet werden, um ihre Qualität zu erhalten. So stellt eine 70%ige Zellkulturkonfluenz den günstigsten Zeitpunkt zum Splitten bzw. Transfizieren dar. Beim Splitten verfährt man zum Ablösen der Zellen wie oben beschrieben. Im Unterschied zur Transfektion wird die Suspension dann komplett auf zwei neue Zellkulturflaschen aufgeteilt und jede mit 15 ml Medium aufgefüllt.

Die anschließende Bebrütung sollte mindestens 24 Stunden betragen, um ein ausreichend großes Zellpellet für die spätere Transfektion zu erhalten.

3.2.2. Transfektion

Bei der hier angewendeten Methode der Transfektion wird die Zellmembran durch Stromstöße durchlässig gemacht, um fremde Desoxyribonucleinsäure (DNS) in die HEK-Zellen einschleusen zu können (Elektroporation). Im Rahmen dieser Studie wurde die DNS von γ-Aminobuttersäure (GABA)A- und α1Glycin-Rezeptoren in die Zellen eingebracht und die Rezeptoren auf den Zellen exprimiert, die anschließend in Patch-Clamp Experimenten untersucht werden sollen. Die komplette Transfektion wird unter sterilen Bedingungen an einer Werkbank wie folgt durchgeführt:

Von einer Zellkulturflasche mit HEK-Zellen wird das Medium abpipettiert und 3 ml Phosphate buffered Saline (PBS) in die Kulturflasche gegeben, um die Zellen durch leichtes Schwenken zu waschen. Der Überstand wird verworfen und 2 ml Trypsin in die Flasche pipettiert, um die Zellen vom Boden abzulösen. Nun werden 3 ml Kulturmedium hinzugegeben, um die enzymatische Wirkung des Trypsins zu neutralisieren. Nach gründlicher Durchmischung werden 0,5 ml dieser Suspension mit neuem Nährmedium in eine neue Kulturflasche gegeben um – wie oben bereits beschrieben – die Zellen nach weiterer Inkubation und Vermehrung im Brutschrank erneut zu verwenden. Der Rest der Suspension wird in ein 50 ml Röhrchen pipettiert und bei 1000 U / min für 5 min. bei 15°C zentrifugiert.

Parallel zur Zentrifugation wird eine 24-Well-Platte mit Deckgläschen (ø 12 mm) bestückt und ca. 1,5 ml Zellkulturmedium in die Wells vorgelegt. Nach der Zentrifugation wird der Überstand verworfen, das Zellpellet in Elektroporationspuffer (400 bis 2000 µl, in Abhängigkeit von der Größe des Zellpellets) aufgenommen und mit diesem gründlich durch mehrmaliges Auf- und Abpipettieren resuspendiert. Pro 400 µl Elektroporationspuffer werden 10 µl einer 1 M Magnesiumsulfatlösung zur Verbesserung der Transfektionsbedingungen hinzugefügt. Im nächsten Arbeitsschritt werden 400 µl der Zellsuspension in ein Eppendorfgefäß pipettiert, in das die entsprechende Menge Plasmid-DNS des α1ß2γ2 GABAA -bzw. des α1 Glycin-Rezeptors und 5 µl Plasmid-DNS des grünen Fluoreszensproteins (GFP, zur fluoreszensoptischen Identifizierung transfizierter Zellen) vorgelegt wurde (die Plasmid-DNS liegt dazu in einer Konzentration von 1 μg / μl in H2O gelöst vor). Für den GABA-Rezeptor werden 5 µl der α1, 5 µlder ß2 und 10 µl der γ2 DNS benötigt, für die Expression des Glycin -Rezeptor 5 µl der α1-DNS vorgelegt. Nach guter Durchmischung wird die Lösung in eine Elektroporationsküvette gegeben und diese in das Elektroporationsgerät gestellt. Die Elektroporation der HEK-Zellen wird bei 250 V, 335 Ohm und 750 µF durchgeführt. Durch das angelegte elektrische Feld wird die Zellmembran kurzfristig für die Rezeptor- bzw. die GFP-DNS permeabel. Nach Beendigung der Transfektion werden jeweils ca. 20 µl der Zellsuspension auf die Deckgläschen in die bereits vorbereitete 24-Well-Platte pipettiert.

Die transfizierten Zellen werden nun im Brutschrank bei 37ºC und 5% CO2 für 24 Stunden inkubiert, nach Ablauf dieser Zeit können die Zellen für Patch-Clamp-Experimente verwendet werden.

3.2.3. Herstellung der Lösungen

Die Extrazellulärlösung bzw. Hintergrundlösung umspült im Patch-Clamp-Messstand die Zellen, deshalb entspricht sie in ihrer Zusammensetzung dem extrazellulären Milieu.

Im Gegensatz dazu imitiert die Pipettenlösung das intrazelluläre Milieu. Beide haben einen pH-Wert von 7,4 und eine Osmolarität von 285 mosmol. Ihre genaue Ionenkonzentration ist im Folgenden angegeben:

Extrazellulärlösung (Angaben in mM):

162 NaCl; 5,3 KCl; 0,6 Na2HPO4; 0,22 KH2PO4; 15 HEPES; 5,6 α-D-Glucose; 2 CaCl2

Pipettenlösung (Angaben in mM):

140 KCl; 2 MgCl2; 11 EGTA; 10 HEPES; 10 Glucose

Nach dem Abwiegen der einzelnen Substanzen werden diese in destilliertem Wasser gelöst.

Anschließend wird der oben genannte pH-Wert durch Zugabe von Natriumhydroxidlösung (NaOH) bei der Extrazellulärlösung bzw. Kaliumhydroxidlösung (KOH) bei der Kapillarenlösung exakt eingestellt. Beide Lösungen werden bei ca. 8ºC gekühlt aufbewahrt und können so über mehrere Tage verwendet werden. Der im Kapitel Transfektion beschriebene Elektroporationspuffer setzt sich zusammen aus 50 mM K2HPO4, 20 mM K-Azetat und 1l Aqua dest. Der pH-Wert liegt bei 7,35 und wird mit Essigsäure eingestellt.

Dieser Puffer wird steril filtriert und autoklaviert. Ebenfalls zur Transfektion wird PBS (phosphate buffered saline) verwendet, um die Zellen in der Kulturflasche zu reinigen. Es werden 10 Einheiten einer PBS-Stammlösung mit 1,3 M NaCl, 70 mM Na2HPO4, 30 mM NaH2PO4 in entionisiertem Wasser angesetzt und autoklaviert. Weiterhin wird zum Ablösen der HEK-Zellen vom Boden der Kulturflaschen Trypsin verwendet, welches im Verhältnis 1:10 mit PBS verdünnt wird.

3.2.4. Testlösungen und Versuchsabläufe

Als eine der Testlösungen wird Delmadinonacetat verwendet. Von dieser sehr lipophilen, pulverförmigen Substanz werden zunächst 0,024 g mit der Analysewaage abgewogen und in insgesamt 1 ml Chloroform und Dimethylsulfoxid (DMSO) gelöst. Durch Überführen in

99 ml der Extrazellulärlösung wird eine 60 µM Ausgangslösung hergestellt, die gleichzeitig in der Verdünnungsreihe die letzte Verdünnungsstufe darstellt. Ausgehend von dieser Konzentration werden nun Verdünnungsstufen von 30 µM, 10 µM, 3 µM und 1 µM Delmadinon hergestellt. Als Verdünnungsmittel dient eine 3 µM GABA-Lösung bzw. eine 10 µM Glycin-Lösung (jeweils angesetzt in der Extrazellulärlösung) für die Experimente am jeweiligen Rezeptor. Durch das Vermischen von Delmadinon und GABA respektive Glycin kann in den Versuchen so die Co-Applikation an den Ionenkanälen untersucht werden.

GABA und Glycin stehen ebenfalls in Pulverform zur Verfügung, werden jeweils zuerst als 1 mM Lösung angesetzt und anschließend zu den oben genannten Konzentrationen mit Extrazellulärlösung verdünnt. Als vierte Testlösung wird Progesteron verwendet, welches – wie Delmadinon – eine lipophile Substanz ist und sich schlecht in wässrigen Lösungen löst.

Aus diesem Grund muss es ebenfalls erst in 1 ml DMSO gelöst werden, um es anschließend in die Extrazellularlösung überführen zu können. Hierbei wird von einer 1 M Ausgangslösung eine Testlösung mit einer Konzentration von 100 µM hergestellt.

Zur Durchführung der Zellversuche werden sämtliche Testsubstanzen nacheinander in das zweikammerige Applikationssystem im Patch-Clamp-Messstand eingespült. Um am Anfang jeder Messreihe die korrekte Position der Zelle im Messstrahl zu verifizieren und eine maximale Stromantwort zu erhalten, wird zuerst die Applikation einer sättigenden GABA-bzw. Glycin-Konzentration (1 mM) als Kontrollmessung durchgeführt, gefolgt von einer Messung mit 3 µM GABA respektive 10µM Glycin. Die Kontrolllösung wird außerdem alternierend mit den Delmadinon-Testlösungen appliziert. Da die Testlösungen nacheinander in den gleichen Zylinder des Applikationssystems überführt werden, wird ein zweiminütiges Intervall zwischen den Einzelmessungen eingehalten. So kann man erstens wieder die vollständige Desensitisierung der Kanäle erreichen und. zweitens das Vorhandensein von Resten der vorhergegangenen Testlösung ausschließen. Aus letztgenanntem Grund werden die Agonisten GABA und Glycin in ihrer Ausgangskonzentration zuerst untersucht (3 µM bzw. 10 µM). Dann testet man die Testlösungen in aufsteigender Konzentration (das heißt, ausgehend von der 1 µM Delmadinonlösung bis zur 60 µM Konzentration jeweils in Co-Applikation mit 3 µM GABA bzw. 10 µM Glycin).

3.2.5. Der Patch-Clamp-Messstand

Die Versuchsapparatur ist auf einem schwingungsgedämpften Tisch aufgebaut, der dazu dient, Bewegungen zwischen Patchpipette und Präparat durch Erschütterungen und Schwingungen aus der Umgebung zu verhindern. Zusätzlich ist er von einem Metall-Käfig umgeben (Faraday’scher Käfig), der elektrische Störungen vermeiden und so das Signal-Rausch-Verhältnis optimieren soll. Auf dem Tisch steht ein aufrechtes Mikroskop mit einem 40-fach-vergrößernden Wasserimmersionsobjektiv, in den Objekttisch eingelassen ist eine Kammer mit Glasboden, die mit Extrazellulärlösung gefüllt wird. In diese Kammer wird ein Glasplättchen mit transfizierten Zellen platziert. Die Kammer besitzt einen jeweils regelbaren Zu- und Abfluss, wodurch ein kontinuierlicher Austausch der Badlösung gewährleistet wird.

Zu- und Abfluss sind am Anfang bzw. Ende eines an der Wand der Kammer befestigten Glasröhrchens positioniert, welches die eigentliche Messkammer darstellt. In eine Aussparung im mittleren Teil des Röhrchens wird sowohl die Applikationspipette als auch die Patchpipette positioniert, um eine Messung durchzuführen.

Abb 6. Objekttisch des Mikroskops mit eingelassener Kammer, an der rechten Seite ist die Messkammer hervorgehoben ( ). Von der unteren Ecke ragt die am Piezoantrieb befestigte Applikationspipette in die Messkammer hinein, von links oben kommend taucht die Patchpipette in die Extrazellulärlösung ein. In der linken unteren Ecke der Kammer ist die Referenzelektrode zu erkennen.

Vor jedem Experiment wird eine neue Patchpipette in den auf dem Messtisch befestigten Pipettenhalter / Vorverstärker eingesetzt und darin fixiert. Die Patchpipette kann zusätzlich zum Grobtrieb, der sich an dem Pipettenhalter befindet, mit dem Mikromanipulator bewegt werden. Dieser hydraulische Antrieb mit einer Bewegungsgenauigkeit von 1 µm ist gut zugänglich seitlich am Messtand befestigt, um Schwingungen bei der Bedienung zu vermeiden. Die Patchpipetten bestehen aus Borosilicatglas und werden mit Hilfe eines automatischen Pipettenziehgerätes (DMZ-Universal-Puller) hergestellt, der die Pipetten hitzepoliert und ihnen eine spezielle Spitzenform verleiht. Von dem Durchmesser der Öffnung und der Länge der Spitze ist der Pipettenwiderstand abhängig, der bei den hier durchgeführten Experimenten zwischen 5 und 12 MΩ liegt. Vor dem Einsetzen der Pipette in den Pipettenhalter wird diese mit künstlicher Intrazellulärlösung gefüllt. Beim Einsetzen der Pipette muss sie über eine Silber / Silberchloridelektrode gestülpt werden, über die – zusammen mit einer zweiten Silber / Silberchloridelektrode, die in die Badlösung eintaucht – eine Spannung an die Zelle angelegt bzw. der Stromfluss über die untersuchte Zellmembran gemessen werden kann. Über einer seitlichen Öffnung am Pipettenhalter ist ein dünner Kunststoffschlauch luftdicht befestigt, dessen Ende mit einer 50 ml Spritze verbunden ist.

Durch Herausziehen des Spritzenkolbens kann so ein Unterdruck in der Patchpipette erzeugt werden.

Abb. 7. Darstellung eines Pipettenarms.

Erläuterungen in Abbildung und Text. (Numberger und Draguhn, Patch-Clamp Technik, 1996)

Zum „Anpatchen“ einer Zelle geht man folgendermaßen vor: ein Objektgläschen mit HEK-Zellen wird in der Mitte der Kammer platziert und mit dem Wasserimmersionsobjektiv eine geeignete Zelle aufgesucht. Mit Hilfe des Mikromanipulators wird die Patchpipette nun langsam unter Sichtkontrolle an die Zellmembran herangeführt bis sie diese berührt (On-Cell-Konfiguration). Nun wird wie oben beschrieben mit der 50 ml-Spritze ein Unterdruck erzeugt bis an der Zellmembran ein Widerstand im Gigaohm-Bereich entsteht (Cell-attached-Konfiguration). Durch weitere Manipulation an der Unterdruckeinrichtung, dem Mikromanipulator und / oder der Applikation kurzer Stromstöße mit dem Verstärker können verschiedene Messkonfigurationen (Whole-Cell-, Outside-Out- und Inside-Out-Konfiguration) erzeugt werden.

Abb 8. Vereinfachte Darstellung verschiedener Patch-Konfigurationen. Nach Kontakt der Patchpipette mit der Zellmembran und nachfolgendem Anlegen eines Unterdrucks kommt es zum Einreißen des von der Pipettenöffnung eingeschlossenen Membranflecks und so zu einer Verbindung zwischen dem intrazellulären Raum der Zelle und dem Inneren der Patchpipette. Durch vorsichtiges Ablösen der sich in der „Whole-Cell“-Konfiguration befindlichen Zelle vom Deckgläschen kann diese direkt für Messungen verwendet werden. (Verändert nach Hamill et al., 1981)

Nach Etablierung der in diesem Fall erforderlichen Whole-Cell-Konfiguration wird die Zelle, an der Patchpipette fixiert, vorsichtig vom Objektgläschen abgelöst. Dann wird der

Pipettenarm durch die Kammer zum Applikationssystem gefahren und die Zelle in der Messkammer neben dem Messstrahl platziert. Dieses Flüssigkeitsfilament wird aus einer Applikationskapillare parallel zum Fluss der Badlösung abgegeben, wobei die Öffnung in Richtung des Abflusses weist. Die Kapillare ist mit zwei zylindrischen Kammern verbunden, in die die Testlösungen eingefüllt werden. Dabei wird eine Kammer ausschließlich mit der als Kontrolle dienenden 1 mM GABA- bzw. Glycin-Lösung befüllt. Die andere enthält die verschiedenen Testlösungen. Der Wechsel der in die Messkammer einzuspülenden Lösungen wird manuell durch einen Hebel gesteuert; die Flüssigkeiten werden mit Druckluft aus den Kammern getrieben. Durch die Anpassung der Druckluft an den Zulauf der Badlösung kann ein laminar strömendes Flüssigkeitsfilament erzeugt werden. Um das Filament sichtbar zu machen und die Strömung beurteilen zu können, wird die 1 mM Agonisten-Kontrolllösung durch den Lebensmittelfarbstoff Brillantgrün (E142) sichtbar gemacht. Weiterhin ist die Applikationskapillare mit einem Piezo-Kristall-Antrieb verbunden, wodurch sie beim Anlegen einer Spannung zur Seite bewegt wird. Auf diese Weise taucht die Zelle, die wie oben angegeben direkt neben dem Filament positioniert wird, für eine definierte Zeit in die jeweils eingespülte Lösung ein. Dieses System wird als Ultra-schnelle-Applikation bezeichnet, da der Lösungsaustausch in < 100 μs durchgeführt werden kann und somit für die Aktivierung der untersuchten ligandenaktivierten Ionenkanäle nicht limitierend ist. Bei den hier durchgeführten Versuchen lag die Applikations-Pulsdauer bei 2 Sekunden, um sicherzustellen, dass eine Equilibrierung in Anwesenheit der niedrigen Agonistenkonzentrationen stattfindet, die zum Nachweis einer möglichen potenzierenden Wirkung der Testsubstanz eingesetzt wurden.

Abb.9. Vereinfachte Darstellung der schnellen Applikationstechnik (von oben). Das Lösungsfilament ist grau, die Testlösung rot dargestellt. Die beiden rechten Fotos zeigen die Position der Pipettenspitze (Pfeil) zum Lösungsfilament vor (oben) und während (unten) der Applikation.

(Schlesinger, Dissertation MH Hannover, 2003)

3.2.6. Datenerfassung und Auswertung

Zur Erfassung der Daten wird ein Patch-Clamp-Messverstärker verwendet, zusätzlich spezielle Software zur Aufzeichnung und späteren Bearbeitung der Stromkurven. Mit der

„pClamp6“-Software von Axon Instruments kann je nach Fragestellung ein individuelles Programm für Pulsfrequenz und Pulsdauer erstellt werden. Bei der Auswertung der Stromkurven werden zuerst von jeder Messung mindestens zwei Einzelexperimente, die bei gleicher Konzentration gemessen wurden, gemittelt. So kann man anschließend die Stromkurven der Testlösungen mit denen der Kontrolllösung hinsichtlich der relativen Spitzenstromamplitude Pmax und der relativen „area under the curve“ (AUC) vergleichen.

Ferner wird von ausgewählten Messungen der Kurvenabschnitt der Deaktivierung genauer untersucht und beinhaltet die Bestimmung der Zeitkonstante τ. Die einzelnen Parameter werden nach dem Test auf Vorliegen einer Normalverteilung (Shaipiro Wilk-Test) mit dem Studenten T-Test oder dem Wilcoxon Rangsummen-Test auf signifikante Unterschiede (p <

0,05) untersucht. Die statistische Auswertung erfolgt mittels der Programme SPSS (SPSS Inc.

Chicago, USA) und Origin 7.5 für Windows (OriginLab Corporation, Northhampton, USA).

Die graphischen Darstellungen werden mit CorelDraw 11.0 (Corel Corporation, Ottawa, Canada) erstellt.

4. Ergebnisse

4.1.Auswirkungen von Delmadinonacetat auf kinetische Funktionsparameter des α1ß2γ2 GABAA-Rezeptors

4.1.1. Relative Spitzenstromamplitude bei Co-Applikation von GABA und Delmadinonacetat

Bei der zuerst durchgeführten alleinigen Applikation von 3 µM GABA lag die relative Spitzenstromamplitude Pmax bei 0,20 pA (± 0,03 pA; n = 15). Die Co-Applikation mit Delmadinon ergab bei einer Konzentration von 3 µM GABA und 1 µM Delmadinon einen

Bei der zuerst durchgeführten alleinigen Applikation von 3 µM GABA lag die relative Spitzenstromamplitude Pmax bei 0,20 pA (± 0,03 pA; n = 15). Die Co-Applikation mit Delmadinon ergab bei einer Konzentration von 3 µM GABA und 1 µM Delmadinon einen