• Keine Ergebnisse gefunden

Einfluss und Wirkung des Gestagens Delmadinonacetat auf den neuronalen GABA- und Glycin-Rezeptor

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Einfluss und Wirkung des Gestagens Delmadinonacetat auf den neuronalen GABA- und Glycin-Rezeptor"

Copied!
87
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)
(2)
(3)

Einfluss und Wirkung des Gestagens Delmadinonacetat auf den neuronalen GABA- und Glycin-Rezeptor

- eine in vitro Untersuchung mittels der Patch-Clamp-Technik an HEK-Zellen

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin -Doctor medicinae veterinariae-

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Katrin Anke Derks

Köln Hannover 2007

(4)

Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. med. vet. A. Tipold,

PD Dr. med. K. Krampfl

1. Gutachterin: Univ.-Prof. Dr. med. vet. A. Tipold 2. Gutachter: PD Dr. rer. nat. K.-H. Esser

Tag der mündlichen Prüfung: 12.11.2007

(5)

Meinen Eltern Gerda und Hans Derks

(6)
(7)

1. Einleitung………...9

2. Schrifttum………11

2.1. Epilepsie – eine neuronale Erkrankung bei Mensch und Tier………...11

2.1.1. Geschichtlicher Hintergrund der Epilepsie……….11

2.1.2. Epidemiologische Daten………..13

2.1.3. Formen und Klassifikation der Epilepsie bei Mensch und Hund………14

2.1.4. Pathogenese und Klinisches Erscheinungsbild beim Hund……….16

2.1.5. Medikamentelle Therapie………18

2.2. Neuronale Rezeptoren im ZNS………...22

2.2.1. Aufbau und Funktion des GABA-Rezeptors………...22

2.2.2. Aufbau und Funktion des Glycin-Rezeptors ………...23

2.3. Klassische und neuroaktive Steroide………...24

2.3.1. Chemischer Aufbau, Funktion und Wirkmechanismus………...24

2.3.2. Delmadinonacetat………....27

2.4. Die Patch-Clamp-Technik………..29

3. Material und Methoden.………31

3.1. Material………..31

3.1.1. Zelllinie………31

3.1.2. Verbrauchsmaterialien……….31

3.1.3. Geräte..………32

3.1.4. Verwendete Stoffe, Lösungen und Lösungsmittel………..33

3.2. Methoden………..35

3.2.1. Zellkultivierung..……….35

3.2.2. Transfektion……….35

3.2.3. Herstellung der Lösungen………37

3.2.4. Testlösungen und Versuchsabläufe……….37

3.2.5. Der Patch-Clamp-Messstand………...39

3.2.6. Datenerfassung und Auswertung……….43

4. Ergebnisse………44

4.1. Auswirkungen von Delmadinonacetat auf kinetische Funktionsparameter des α1ß2γ2GABAA-Rezeptors……….44

4.1.1. Relative Spitzenstromamplitude bei Co-Applikation von GABA und Delmadinonacetat………44

4.1.2. Relative Spitzenstromamplitude bei Co-Applikation von GABA und der Verdünnungsreihe ohne Delmadinonacetat………...46

4.1.3. Kinetik der Desensitisierung………...47

4.1.4. Kinetik der Deaktivierung und der AUC………...47

(8)

4.2.1. Relative Spitzenstromamplitude bei Co-Applikation von Glycin

und Delmadinonacetat..……….49

4.2.2. Kinetik der Deaktivierung und der AUC..………...52

5. Diskussion………54

5.1. Beurteilung der Ergebnisse am α1ß2γ2 GABAA -Rezeptor……….59

5.2. Beurteilung der Ergebnisse am α1 Glycin-Rezeptor………..60

5.3. Ausblick……….61

6. Zusammenfassung………...63

7. Summary………..65

8. Literaturverzeichnis………67

9. Anhang……….77

10. Danksagung………..85

(9)

Abb. Abbildung

AED Antiepileptic drug

ATP Adenosintriphosphat

AUC Area under the curve

Aqua dest. Aqua destillium

ºC Grad Celsius

cm2 Quadratzentimeter

CRH Corticotropin releasing Hormon

CT Computertomographie DHEA Dihydroepiandrosteron

DMEM Dulbecco’s-modified-Eagles-Medium DNS Desoxyribonucleinsäure

ED 50 effektive Dosis 50

FBS fetal bovine serum

GABA γ-Aminobuttersäure

GFP grünes Fluoreszensprotein

GlyR Glycin-Rezeptor

HEK 293 human embryonic kidney cells 293

inkl. inklusive

I.D. inner diameter

ILAE International League against Epilepsy

IU International Units

KBr Kaliumbromid kg Kilogramm KG Körpergewicht l Liter

mg Milligramm MHz Megahertz min Minuten ml Milliliter mm Millimeter mM Millimolar mosmol Milliosmol MΩ Megaohm

MRT Magnetresonanztomographie

n. Chr. nach Christus

NMDA N-methyl-D-Aspartat

o. ä. oder ähnliches

O.D. outer diameter

o. g. oben genannt

pA piko Ampere

PB Phenobarbital

PBS phosphate buffered saline

PNS Peripheres Nervensystem

SV2 Synaptisches Vesikelprotein 2

u. a. unter anderem

TM Transmembranprotein

t Halbwertszeit

(10)

v. Chr. vor Christus

vgl. vergleiche

WHO World Health Organisation

z. B. zum Beispiel

ZNS Zentrales Nervensystem

µF Mikrofarad µg Mikrogramm µM Mikromolar µs Mikrosekunden

% Prozent ø Durchmesser

(11)

1. Einleitung

Die Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, bei der es zu unkontrollierten elektrischen Entladungen der Nervenzellen des Gehirns kommt (JAGGY und HEYNOLD 1996) und die theoretisch bei allen Haustieren auftreten kann. Allerdings scheint der Hund am häufigsten betroffen zu sein. Zwischen 0,5% und 5,7% aller Hunde weltweit erleiden mindestens einmal in ihrem Leben einen Krampfanfall (CUNNINGHAM und FARNBACH 1988). Wird bei einem Patienten mit Krampfanfällen weder klinisch noch morphologisch eine Läsion nachgewiesen, spricht man von idiopathischer Epilepsie, dies ist bei 53% aller Hunde mit Epilepsie der Fall (JAGGY und BERNARDINI 1998). Die restlichen 47% leiden unter symptomatischen Krampfanfällen, die ätiologisch eine Stoffwechselstörung oder eine intrakranielle Erkrankung als Ursache haben (WYLLIE und LUDERS 1994). Nach genauer Diagnosestellung soll eine medikamentelle Langzeittherapie zum Ziel haben, dem Patienten und seinem Besitzer ein möglichst normales Leben zu ermöglichen. Dabei stellen Phenobarbital und Kaliumbromid die Mittel der Wahl dar. Bei ausbleibendem Therpieerfolg stehen mit Levetiracetam, Zonisamid und Felbamat noch weitere Antiepileptika zur Verfügung (DEWEY 2006). Nach mündlichen Überlieferungen wird, neben den eben genannten Wirkstoffen, in einigen Fällen von Kleintierpraktikern ein Hormonpräparat eingesetzt, das aus einem anderen Wirkungsspektrum kommt, Delmadinonacetat (Tardastex®, Pfizer Karlsruhe). Hauptindikationen sind die chemische Kastration des Rüden, Prostatahypertrophie und übersteigertes Sexualverhalten. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind keine Studien durchgeführt worden, die die Wirksamkeit von Delmadinon bei Epilepsiepatienten bestätigen. Lediglich eine Untersuchung von Brass und Horzinek aus dem Jahre 1971 befasst sich mit einem verwandten Gestagen, dem 1-Chlormadinonacetat. Anfallsfreiheit bzw. Reduktion der Anfallshäufigkeit wird dort bei über 60% der behandelten Tiere beobachtet. In dieser Studie wurde das Präparat in der vorgeschriebenen Dosierung mehrmals über einen Zeitraum von einigen Monaten verabreicht und dabei das (veränderte) Anfallsverhalten der Tiere dokumentiert. Es wurden dabei keine weitergehenden Untersuchungen durchgeführt, weder auf Rezeptorebene noch die Pharmakokinetik betreffend. Über die Effekte zentral modulierender Geschlechtshormone (Neurosteroide) existieren viele Studien. Die Wirkung von Gonadalhormonen im ZNS scheint abhängig zu sein von Serumspiegel, Metabolismus, endokrinem Status und Zyklusstand bei der Frau (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006). Diese Abhängigkeit gilt insbesondere für

(12)

das Östrogen, dem ein eher prokonvulsiver Einfluß zugesprochen wird, da es die neuronale Erregbarkeit fördert. Progesteron hingegen aktiviert den GABA-Rezeptor, der im ZNS eine inhibitorische Funktion innehat (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006). Bei Frauen kann nach Aussage der Autoren oft ein zyklusabhängiges Auftreten von epileptischen Anfällen beobachtet werden, wobei die Serumspiegel der o. g. Hormone entscheidend zu sein scheinen.

Eine andere Studie hat die Aussage, dass Progesteron einen modulierenden Effekt am GABA- Rezeptor ausübt, was zu einer Hyperpolarisation des Ruhepotentials der Nervenzelle führt und die Erregungsweiterleitung hemmt. Östrogen hingegen reguliert das Gleichgewicht zwischen exzitatorischem und inhibitorischem Input an Neuronen im Hippocampus (WOOLLEY und SCHWARTZKROIN 1998).

Bei dem hier untersuchten Delmadinon handelt es sich um ein synthetisches Gestagen, das eine ausgeprägte antiandrogene und eine mäßige progestagene Wirkung hat, d.h. es senkt in erster Linie den Testosteronspiegel. Ziel dieser Arbeit war es deshalb, herauszufinden, ob Delmadinon eine direkte zentrale Wirkung an den dortigen Rezeptoren hat. Dazu wurden elektrophysiologische Versuchsreihen am GABAA- und α1Glycin-Rezeptor durchgeführt.

Beide Rezeptoren gehören zur Gruppe der ligandenaktivierten Ionenkanälen, die als Transmembranproteine in die postsynaptische Membran von Neuronen eingebaut sind. Sie haben beide eine inhibitorische Funktion, d.h. ihre Aktivierung führt zu einer Verstärkung des Ruhepotentials der Zelle und zur Hemmung der Erregungsweiterleitung. Der GABA-Rezeptor besitzt Bindungsstellen für Barbiturate, Neurosteroide und Benzodiazepine (BARNARD et al.

1998, WEISS und HESS 2000), die u. a. bei der Therapie von Epilepsien eingesetzt werden.

Beim Glycin-Rezeptor sind potenzierende Effekte für Propofol und andere Inhalationsanästhetika wie z.B. Isofluran, Sevofluran und Ethanol beschrieben, wobei der genaue Wirkungsmechanismus und die Bindungsstellen noch nicht komplett bekannt sind (BETZ und LAUBE 2006). Mit Hilfe der hier angewandten Patch-Clamp-Technik kann in vitro die Kinetik synaptischer Übertragunsvorgänge am GABAA- und Glycin-Rezeptor simuliert werden, um eine mögliche Bindung und Wirkung von Delmadinon an diesen Rezeptoren zu untersuchen und gegebenenfalls eine Dosis-Wirkungs-Beziehung herzustellen.

(13)

2. Schrifttum

2.1. Epilepsie – eine neuronale Erkrankung bei Mensch und Tier

2.1.1. Geschichtlicher Hintergrund der Epilepsie

Schon lange vor Beginn der christlichen Zeitrechnung hatte der Mensch die Epilepsie als Erkrankung erkannt und beschrieben. Im Verlauf archäologischer Ausgrabungen in der Südtürkei wurden Wandtafeln aus dem 5.–6. Jahrhundert vor Christus mit Texten zum Auftreten von Krampfanfällen entdeckt (KINNIER WILSON und REYNOLDS 1990). In diesen geschichtlichen Dokumenten wurde die Epilepsie als eine Besessenheit durch den Geist eines Verstorbenen oder sogar durch einen Dämonen beschrieben. Als der erste wirklich wissenschaftliche Text (die Epilepsie betreffend) kann der „Corpus Hippocraticum“

angesehen werden, der von Hippokrates (460–370 v. Chr.) und seinen Schülern und Nachfolgern verfasst wurde. In einem Teil des ca. sechzig Kapitel umfassenden Werkes wird über die „heilige Krankheit“ folgendes geschrieben:

„Mit der so genannten heiligen Krankheit verhält es sich folgendermaßen: um nichts halte ich sie für göttlicher als die anderen Krankheiten… Wenn sie aber wegen ihrer wunderbaren Art für göttlich gehalten wird, so wird es, wenn es danach ginge, viele heilige Krankheiten geben… So scheinen mir z. B. einerseits die Quotidian-, Tertian- und Quartanfieber nicht weniger heilig zu sein und von einem Gott zu stammen als diese Krankheit.“ Übersetzt man die hippokratische Beschreibung eines epileptischen Anfalls, so lautet sie wie folgt: „Der Kranke verliert die Sprache und wird gewürgt. Schaum fließt aus seinem Mund, er beißt die Zähne aufeinander, die Hände krampfen sich zusammen, die Augen verdrehen sich, und die Kranken sind nicht bei Besinnung. Bei manchen geht auch Kot ab. Diese Erscheinungen treten bald auf der linken Seite auf, bald auf der rechten, bisweilen auf beiden zugleich.“

(GRENSEMANN 1968).

Nach der Zeit des Hippokrates sind Schriften aus dem 1. und 2. Jahrhundert. n. Chr.

überliefert, die von zwei griechischen Ärzten verfasst wurden, die sich beide mit der Symptomatik und Behandlung der Epilepsie beschäftigten: Aretaeus teilt die Epilepsien bereits in solche ein, die im Kopf beginnen und von dort aus nachteiligen Einfluss auf andere Teile des Körpers nehmen, und in solche, wo „der Sturm in den Nerven beginnt, die entfernter

(14)

vom Kopf liegen…“ Galen aus Pergamon hingegen nimmt in seinen medizinischen Werken drei verschiedene Auslösemechanismen an. Nach seiner Auffassung kann die Krankheit im Gehirn selbst (durch „Idiopathie“) entstehen, oder sie zieht sich von der Magenmündung bis zum Gehirn hoch. Die dritte, von ihm seltener beobachtete Variante ist die, dass die Erkrankung von einem anderen Körperteil als dem Kopf ihren Anfang nimmt und von dort aber auf diesen übergreift. Als Therapiemöglichkeit erwähnt Galen – ähnlich wie Aretaeus –, dass ein Festbinden eines Beines oberhalb des „primär erkrankten Teiles“ die Entstehung beziehungsweise die weitere Ausbreitung eines Anfalls verhindern kann. Auf das größtenteils naturalistische Denken der alten Griechen folgte im Mittelalter ein Rückschritt auf dem Weg der Erforschung und Aufklärung der Epilepsie. Der in der Schweiz geborene und danach im deutschsprachigen Raum als Wanderarzt und Gelehrter tätige Theophrast von Hohenheim war neben rationalem auch von mystischem Denken geprägt. Er beschreibt in seinen Büchern die Epilepsie als die „fallende Krankheit“ bzw. auch als die „fallenden Siechtage“. Der auch unter dem Namen Paracelsus bekannte Arzt nennt als Ursachen eines Krankheitsausbruchs eine Schwäche des Spermas oder auch eine falsche Ernährung, durch die es zu einem „Aufwallen der Dämpfe“ kommt. Um eine weitere Ausbreitung der Epilepsie zu verhindern, therapiert er seine Patienten mit Opium, Kampher und einem von Alchimisten erfundenen „Arcanum vitrioli“. Laut Stille (1994) handelt es sich hierbei jedoch lediglich um verdünnte Schwefelsäure, der keine antiepileptische Wirkung innewohnt. Gut 300 Jahre nach Paracelsus macht im 18. Jahrhundert auf dem Gebiet der Epileptologie erneut ein Schweizer Arzt von sich Reden; sein Name ist Samuel-Auguste-André-David Tissot (1728–1797). Insbesondere mit seiner Publikation „Traité de l’epilepsie“ aus dem Jahre 1770 legt er aufgrund sorgfältiger eigener Beobachtungen ein Fundament für die moderne Epilepsie-Forschung. In diesem Werk schildert er nahezu vollständig alle heute bekannten Formen von epileptischen Anfällen, die er in große und kleine Anfälle einteilt. Anders als seine Vorgänger empfiehlt er zur Behandlung neben individueller diätetischer und hygienischer Maßnahmen die Verabreichung von Baldrian. Ungeachtet seiner vielfältigen anderen Aussagen und Beobachtungen wusste Tissot bereits, dass ein epileptischer Anfall den Weg für das Auftreten weiterer Anfälle bahnt:

„…wenn ein, auf die Nerven gewirkter Reiz stark genug gewesen ist, um in dem Gehirne Zuckungen zu erzeugen, dieser erste Anfall alsdenn das Gehirn in eine Anlage versetzt, dass es in der Folge leicht wieder in jenen Zustand verfallen kann.“ Zu Beginn des 19.

Jahrhunderts waren es vorwiegend französische Ärzte, die das Wissen über diese Erkrankung vorantrieben und erweiterten. Hervorzuheben ist hierbei eine Abhandlung von

(15)

L. J. F. Delasiauve aus dem Jahr 1854. Er klassifiziert die Epilepsien unter ätiologischen Gesichtspunkten in einer Form, die in ihren Grundzügen auch heute noch gültig ist:

idiopathische, symptomatische und sympathische Erscheinungsformen. Im Zeitraum von 1857 bis 1860 entdeckt eine englische Forschergruppe, bestehend aus den Ärzten Locock, Radcliff und Wilks, die antiepileptische Eigenschaft des Broms, womit nun ein wirksames Therapeutikum zur Verfügung steht (LOCOCK 1857, FRIEDLANDER 1986). Ebenfalls im 19. Jahrhundert wurde von Chaveau (1865) über epileptische Anfälle bei Tieren berichtet (JOEST 1902). Joest ging davon aus, dass ansteckende Krankheiten wie die Staupe- Enzephalitis bei Hunden Krämpfe auslösen können. Obwohl auch bei Rindern, Schweinen und Pferden epileptische Anfälle beobachtet wurden, schienen schon damals speziell junge Hunde am häufigsten an Epilepsie zu leiden. Im Jahre 1870 wurde dann von Fritsch und Hitzig wissenschaftlich bewiesen, dass das Gehirn Ausgangpunkt der epileptischen Ausfälle ist. Des Weiteren konnten die Autoren zeigen, dass sich durch elektrische Stimulation des Cerebrums Anfälle bei Hunden auslösen lassen (IPPISCH 1987). Auch Ferrier (1843–1928) experimentierte mit Hunden und zeigte mit seinen Untersuchungen, dass fokale Anfälle mit lokalen Läsionen im Gehirn korrelieren und dass bei generalisierten Anfällen der gesamte Cortex betroffen ist (JANZ 1969, IPPISCH 1987). Einen weiteren großen Schritt in der Diagnostik epileptologischer Veränderungen tat im Jahr 1929 Hans Berger, der die Elektroenzephalographie in die Klinik einführte (BERGER 1931). Nun konnten die verschiedenen Formen von Anfällen mit Hilfe von EEG-Kurven dargestellt werden.

Weiterhin wurden so z. B. von Lennox und Gestaut neue epileptische Syndrome beschrieben (GASTAUT et al. 1966). Nicht mehr wegzudenken aus der heutigen klinischen Diagnostik sind die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT), die in den siebziger bzw. achtziger Jahren entwickelt wurden. Seitdem können selbst kleinste Hirnaffektionen, die potentielle Auslöser von Krämpfen sein können, sichtbar gemacht werden (KARBOWSKI 1997).

2.1.2. Epidemiologische Daten

Bei der Darstellung von epidemiologischen Daten in der Literatur, die die Verbreitung der Epilepsie beschreiben, divergieren die Ergebnisse der Studien oft deutlich. Grund dafür sind die zahlreichen Untersuchungen, die diesbezüglich gemacht wurden und dabei insbesondere die unterschiedlichen Ansatzpunkte der einzelnen Autoren (GRANIERI et al. 1983). So

(16)

bewerten manche Arbeitsgruppen bereits Personen mit einem epileptischen Anfall als epilepsiekrank (JUUL-JENSEN und FOLDSPANG 1983, COWAN et al. 1989), während andere Autoren erst Patienten in ihre Studien mit einbeziehen, die mindestens zwei Krampfanfälle gezeigt haben. Einigkeit besteht aber bei der Tatsache, dass Epilepsie die am häufigsten vorkommende neurologische Erkrankung sowohl beim Menschen als auch beim Tier ist (OLIVER 1978, JANZ 1979, SCHWARZ-PORSCHE 1984, LÖSCHER et al. 1985).

Speziell Hunde scheinen dabei sehr häufig betroffen zu sein (CROFT 1965, CUNNINGHAM 1971). Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die Inzidenzrate für Epilepsie beim Menschen zwischen 30 und 50 / 100.000 und die Prävalenzrate beim Hund zwischen 500 und 1.000 / 1000.000 variiert, wobei man eine altersspezifische Gewichtung feststellen kann (JANZ 1979, GRANIERI et al. 1983, LÖSCHER et al. 1985, HAERER et al. 1986, KERÄNEN und RIEKKINGEN 1988, SRENK et al. 1994). (HAUSER und KURLAND 1975) beschreiben die höchsten Inzidenzrate in den ersten Lebensjahren eines Menschen, die dann bis zum 20. Lebensjahr abnimmt, um anschließend erneut zuzunehmen. In Bezug auf eine eventuell vorhandene Geschlechtsdisposition haben (HAERER et al. 1986) gezeigt, dass bei der idiopathischen Epilepsie keine Geschlechtsbevorzugung zu erkennen ist, während das männliche Geschlecht bei der symptomatischen Epilepsie stärker vertreten ist. Bei der Unterscheidung zwischen partiellen und fokalen Anfällen überwiegen die partiellen Epilepsien mit 62% (generalisierte Epilepsien 38%) (GASTAUT et al. 1966). Aus therapeutischer Sicht betrachtet, beträgt die Prävalenz medikamentös schwer einstellbarer Epilepsien 80 / 100.000 (KERÄNEN und RIEKKINGEN 1988). Nicht erkannt und deshalb auch unbehandelt bleibt eine epileptische Erkrankung bei weniger als 10% der Bevölkerung (HAERER et al. 1986).

2.1.3. Formen und Klassifikation der Epilepsie bei Mensch und Hund

In der Humanmedizin ist die International League Against Epilepsy (ILAE) hauptverantwortlich tätig, um dem dynamischen Erforschungsprozess der Epilepsie Rechnung zu tragen und neue Erkenntnisse bei der Klassifikation dieser Erkrankung in ihre Berichte zu integrieren. Dadurch wird eine standardisierte Vorgehensweise bei der Diagnosefindung und die Verwendung einer international einheitlichen Taxonomie angestrebt. Nach den in den Jahren 1981 und 1989 veröffentlichten Berichten wurde im Jahr 2001 ein weiterer

(17)

Kommissions-Report verfasst (ENGEL 2001). In diesem Artikel schlägt der Autor ein neues Diagnostikschema vor, bestehend aus fünf Achsen bzw. Teilen. Diese sind im Einzelnen:

1. Iktale Ausprägung: die vier Komponenten Prodromalphase, Aura, Iktus und postiktale Phase sollen hier möglichst genau mit standardisierten Begrifflichkeiten beschrieben werden.

2. Anfallstyp: grob unterschieden werden der selbst-limitierende und der kontinuierliche Anfallstyp. Bei ersterem wird zwischen generalisierten und fokalen Anfällen unterschieden, beim kontinuierlichen Typ werden die Unterpunkte generalisierter und fokaler Status epilepticus genannt. Zu jedem Unterpunkt wird noch eine genauere Klassifikation vorgenommen.

3. Syndrom: vor dem Hintergrund, dass hier nicht immer eine Diagnose gestellt werden kann, gibt es eine Einteilung in Gruppen wie z.B. idiopathische fokale, familiäre fokale, symptomatische fokale Epilepsie, Reflex-Epilepsie, epileptische Encephalopathien u. a. Auch in diesem Teil werden zu jeder Gruppe noch tiefergehende spezifische Syndrome genannt.

4. Ätiologie: soweit eine Ätiologie bekannt ist, wird sie hier spezifiziert. Sie kann u. a. aus einer spezifischen Erkrankung entstehen (Lafora disease, Alzheimer), aus einem genetischen Defekt (Trisomie 12p, Wolf-Hirschhorn-Syndrom) oder einer pathologischen Veränderung (Astrozytom) hervorgegangen sein. Nach Aussage des Autors ist diese Einteilung jedoch nur vorläufig, noch nicht vollständig und müsste aus diesem Grund noch erweitert werden.

5. Beeinträchtigung, Schädigung: diese letzte Achse wird als optionale Angabe verstanden, da sie sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Kommissions-Reports noch in Ausarbeitung befand. Die World Health Organisation (WHO) würde diese Ausarbeitung nach Aussage des Autors übernehmen, zur Anwendung in der Epilepsie müssten allerdings Modifikationen vorgenommen werden. Die Tiermedizin versucht sich, laut (PODELL 2006a), ebenfalls an diesem Schema zu orientieren. Schwierigkeiten ergeben sich seiner Meinung nach allerdings durch die Tatsache, dass man sich als Tierarzt erstens zum großen Teil auf die Aussagen der Besitzer verlassen muss und zweitens nicht immer das komplette neurodiagnostische Programm durchführen kann (sei es aus technischer oder finanzieller Beschränkung der Möglichkeiten). Die Differentialdiagnosen zu epileptischen Anfällen lassen sich ätiologisch in vier große Hauptklassen einteilen: idiopathisch, symptomatisch, wahrscheinlich symptomatisch (kryptogen) und metabolisch (oder reaktiv) (PODELL 2006a). Auch (CHANDLER 2006a) beschreibt die humane Epilepsie als eine heterogene Gruppe von klinischen Symptomen mit unterschiedlichen Ätiologien, von denen viele noch nicht komplett nachvollziehbar sind. Als Beispiele nennt die Autorin in diesem Artikel entwicklungsabhängige Anomalien des cerebralen Cortex, erbliche Epilepsien aufgrund von

(18)

Mutationen an Ionenkanälen und epileptische Krampfanfälle nach Gehirnverletzungen durch Traumen o. ä. Sie vermutet eine weitgehende Übereinstimmung der auslösenden Faktoren der Epilepsie bei Mensch und Hund, wobei im tiermedizinischen Bereich noch gelegentlich Unklarheit besteht, was die Entstehung von epileptischen Anfällen betrifft.

2.1.4. Pathogenese und klinisches Erscheinungsbild beim Hund

Da die Epilepsie ein sehr heterogenes Krankheitsbild besitzt, muss ihre Pathogenese als multifaktoriell bezeichnet werden. Ätiologisch unterscheidet (PODELL 2006a) vier Hauptkategorien: Idiopathisch, symptomatisch, vermutlich symptomatisch (vormals kryptogen) und reaktiv. Von idiopathischer Epilepsie spricht man, wenn weder durch die Allgemeinuntersuchung, noch durch die neurologische Untersuchung und weiterführende Tests (z.B. Blutuntersuchung, d.h. rotes und weißes Blutbild, Blutchemie inkl. Glukose, Elektrolyte, Leberenzyme, Gallensäuren, bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT, MRT) eine Ursache für die Krampfanfälle gefunden werden konnte (CUNNINGHAM 1971, JAGGY und STEFFEN 1995b, JAGGY und STEFFEN 1995c). Eine genetische Disposition wird vermutet. Im Gegensatz dazu ist die symptomatische Epilepsie das Resultat einer identifizierbaren Läsion im Gehirn (PODELL et al. 1995, JAGGY und STEFFEN 1995b, JAGGY und STEFFEN 1995c, JAGGY und HEYNOLD 1996). Als vermutlich symptomatisch werden Krampfanfälle bezeichnet, bei denen eine Läsion im zentralen Nervensystem (ZNS) vermutet wird, jedoch mit den zur Verfügung stehenden diagnostischen Ressourcen nicht identifiziert werden konnte. Als reaktive Epilepsien bezeichnet man solche, die eine metabolische Entgleisung als Ursache haben. Da das Gehirn nach entsprechender Behandlung wieder zu uneingeschränkter Funktion zurückfindet, wird diese Form nicht als Ätiologie der Epilepsie im eigentlichen Sinne klassifiziert (PODELL 2006a). Als pathogenetische Hauptursache wird eine Imbalance zwischen exzitatorischer und inhibitorischer Impulsweiterleitung verantwortlich gemacht (FENNER und HASS 1989).

Durch eine Verschiebung des Gleichgewichts zugunsten des exzitatorischen Teils der Neuronen kommt es zu überschießenden Entladungen im Gehirn und infolgedessen zu epileptischen Anfällen. Dem widerspricht die Aussage von (CHANDLER 2006b): in ihrem Artikel spricht sie von einer zu starken Vereinfachung der epileptischen Pathogenese, wenn man ausschließlich von einer Verminderung der inhibitorischen und einer Verstärkung der exzitatorischen Teile des Gehirns ausgeht. In Tiermodellen zur Epilepsieerforschung soll auch

(19)

eine Verstärkung der Inhibition beobachtet worden sein. Ähnliche Beobachtungen wurden in der Gehirnregion des Hippocampus gemacht, dort wurden in verschiedenen Tiermodellen für humane Epilepsie sowohl verminderte als auch erhöhte inhibitorische Potentiale gemessen (HAAS et al. 1996). Diese divergierenden Aussagen könnten mit dem generellen Aufbau der einzelnen Studien, der Lokalisation der untersuchten Hirnregionen und unterschiedlichen Messmethoden zusammenhängen. Das klinische Erscheinungsbild eines epileptischen Anfalls beim Hund ist abhängig von der Ausprägung und Lokalisation im ZNS, betrachtet man ausschließlich die intrakraniellen Ursachen. Partielle Epilepsie beschränkt sich auf eine Lokalisation im Gehirn, je nach Fokus kommt es zu motorischen Symptomen (Kaukrämpfe, Kopfschütteln, tonische oder klonische Krämpfe einer Gliedmaße, Kreislaufen, imaginäres Fliegenschnappen) oder psychischen Erscheinungen (Bellen und Heulen, unvermittelte Aggression). Einfach partielle Anfälle verlaufen ohne Bewusstseinstrübung, bei komplex partiellen Krämpfen können die Beeinträchtigungen so massiv sein, dass sie mit einem Bewusstseinsverlust einhergehen. Die anfänglich partiellen Ausfälle können sich zu einem generalisierten Anfall ausbreiten, was beim Hund relativ häufig der Fall ist (VANDEVELDE und JAGGY 2000). Generalisierte Anfälle wurden bis vor kurzem noch als die häufigste Epilepsieform beim Hund beschrieben (SCHWARTZ-PORSCHE 1994, PODELL et al.

1995). Studien von verschiedenen Autoren kommen aber zu dem Ergebnis, dass viele generalisierte Anfälle einen partiellen Beginn haben, der aber oft (von den Besitzern) nicht als solcher registriert wird (JAGGY und HEYNOLD 1996, JAGGY und BERNARDINI 1998, BERENDT und GRAM 1999, LICHT et al. 2002). Man kann bei Mensch und Tier klassischerweise vier Stadien unterscheiden, wobei in der Humanmedizin diese Einteilung aufgrund der Berichte von betroffenen Patienten besser erfolgen kann als in der Veterinärmedizin. In der Prodromalphase (Stunden oder Tage vor dem eigentlichen Anfall) treten hauptsächlich Verhaltensänderungen auf; sie wird gefolgt von der Aura, der Phase kurz vor dem Krampf, die charakterisiert ist durch sensorische und psychosensorische Symptome.

Der Anfall als solches wird als Ictus gekennzeichnet und kann Sekunden bis Minuten andauern. In der letzten, sog. postictalen Phase, ist bei Hunden manchmal noch Tage nach einem generalisierten Anfall ein verändertes Verhalten zu beobachten, was sich in vermehrtem Schlafbedürfnis, ungezielter Aggressivität oder auch Blindheit und Ataxie äußern kann (SCHWARZ-PORSCHE 1984, JAGGY und STEFFEN 1995a, VANDEVELDE und JAGGY 2000). Wiederholt sich ein generalisierter Anfall in kurzen Zeitabständen mehrmals, ohne dass der Patient in Erholungsphasen das Bewusstsein wieder erlangt, so spricht man von einem Status epilepticus (VANDEVELDE und JAGGY 2000).

(20)

2.1.5. Medikamentelle Therapie

Überlieferungen zur Therapie der Epilepsie gibt es seit Jahrhunderten, da sie zu den ältesten beschriebenen Krankheiten gehört und in nahezu allen Kulturen – wenn auch unterschiedlich – beschrieben wurde. Wenngleich zu Beginn der Aufzeichnungen noch die magisch- mystischen Methoden eine bevorzugte Rolle spielten, wurden in der Frühen Neuzeit und dann vermehrt im 18. Jahrhundert pflanzliche Drogen verwendet (TAJERBASHI und FRIEDRICH 2007). Im 19. Jahrhundert, genauer gesagt 1912, wurde mit der Entwicklung des Phenobarbitals durch die Firma Bayer eines der bedeutendsten Antiepileptika auf den Markt gebracht (Anonym 1960). Bis zum heutigen Zeitpunkt wird die Verbesserung etablierter Präparate und die Entwicklung neuer Therapeutika angestrebt. Dabei stellt die Gesamtheit der Antiepileptika eine chemisch sehr inhomogene Gruppe dar, da es im ZNS mehrere Angriffspunkte für die verschiedenen Präparate gibt (BÖHME und LÜDDENS 2007). Man kann sie dementsprechend in drei große Hauptgruppen einteilen: 1. Verstärkung des inhibitorischen Potentials durch Unterstützung der γ-Aminobuttersäure (GABA); 2.

Reduktion der exzitatorischen Übertragung und der neuronalen Hyperexzitabilität und 3. Modulation der Durchlässigkeit der Membran für Kationen (Na+, Ca2+) an den entsprechenden Kanälen (PODELL 2006b). Im Gegensatz zur Humanmedizin ist die Anzahl der in der Veterinärmedizin anwendbaren Antikonvulsiva begrenzt. Als Gründe für diese erforderliche Selektion nennt (PODELL 1998) Toxizität für Tiere, schnelle Toleranzentwicklung, unvorteilhafte Pharmakokinetik und zu hohe Behandlungskosten. Ziel einer erfolgreichen antikonvulsiven Therapie ist die Reduktion der Frequenz und der Dauer der epileptischen Anfälle bei gleichzeitiger Vermeidung stärkerer Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von Präparaten. Deshalb sollte auch immer eine Monotherapie angestrebt werden (DEWEY 2006). Die Verminderung der Anfallshäufigkeit um ca. 50% stellt dabei schon eine erfolgreiche Therapie dar (MARSON et al. 1997). Dies muss bei der Beratung des Tierbesitzers nicht unerwähnt bleiben, da dieser in den meisten Fällen davon ausgeht, dass sein Tier nach Beginn einer medikamentellen Therapie anfallsfrei wird (DEWEY 2006).

Neben den neueren Präparaten, auf die im weiteren Verlauf noch näher eingegangen wird, stellt für (DEWEY 2006) das Phenobarbital (PB) noch immer das Mittel der Wahl dar. Als Monotherapeutikum kann es bei 60 bis 80% der behandelten Hunde erfolgreich eingesetzt werden. Der Wirkmechanismus beruht vornehmlich auf einer Verstärkung der GABA- Wirkung im Sinne eines verstärkten Cl--Einstroms (der dann die Membran weiter hyperpolarisiert), ferner reduziert PB den Ionenstrom durch die Ca2+-Kanäle und die Glutamat

(21)

vermittelte Exzitation (DEWEY 2006, PODELL 2006b). Die Halbwertszeit t1/2 von PB wird zwischen 40 und 90 Stunden angegeben, ein „steady state“ Level wird nach ca. 10 bis 15 Tagen erreicht (PODELL 1998). Beim Hund werden für eine Erhaltungsdosis 2mal täglich 1,5 bis 5 mg / kg Körpergewicht (KG) angegeben. (RAVIS et al. 1989) geben in ihrer Studie als Initialdosis 2,5 mg / kg KG 2mal täglich an. Als häufig genannte Nebenwirkungen treten – speziell in den ersten Wochen der Behandlung – vermehrt Sedation, Polyurie / Polydipsie, Polyphagie mit Gewichtszunahme und Ataxie auf. Wichtig ist dabei die regelmäßige Kontrolle des Serumspiegels, vor allem bei Dosierungsänderungen (DEWEY 2006). Ein so genanntes Add-On Präparat ist das Kaliumbromid (KBr), da es bei zusätzlicher Verabreichung zu PB bei vielen Hunden eine Anfallsreduktion um 50% erzielen kann. Der antiepileptische Effekt kommt wahrscheinlich zustande durch ein kompetitives Verhalten gegenüber Chloridionen; das Bromion ist imstande die Chloridkanäle zu passieren und das Neuron zu hyperpolarisieren (PODELL und FENNER 1993). Laut diesen Autoren beträgt die t1/2 von KBr beim Hund 24 Tage, nach Dewey (2006) sollten als Erhaltungsdosis 35 mg / kg Körpergewicht, verteilt auf zwei Gaben täglich, verabreicht werden. Die Nebenwirkungen sind ähnlich wie bei PB, zusätzlich kann es, gerade in Kombination mit PB, bei Hunden zur Entstehung einer Pankreatitis kommen (DEWEY 2006). Eine weitere Präparategruppe, die ebenfalls zu den „älteren“ Antikonvulsiva gezählt werden kann, stellen die Benzodiazepine dar, mit ihren Vertretern Diazepam, Clonazepam, Clorazepate, Midazolam und Lorazepam.

Sie greifen am inhibitorischen Teil der neuronalen Synapse an, indem sie die GABA-Wirkung verstärken. Vom Einsatz als orale Dauertherapeutika ist mit Ausnahme des Clorazepats bei den anderen Präparaten laut (DEWEY 2006) abzuraten, da die Halbwertszeit generell sehr kurz ist. Clorazepat besitzt eine t1/2 von 3 bis 6 Stunden, außerdem ist häufig eine schnelle Toleranzentwicklung zu beobachten. Nach Meinung des Autors ist die Hauptindikation für dieses Medikament die Kurzzeitbehandlung von Clustern (Gruppen von Anfällen) bei Hunden. Die anderen, oben genannten Wirkstoffe kommen für eine orale Anwendung kaum in Frage, eher für eine intravenöse Applikation beim Status epilepticus oder bei Cluster- Anfällen (DEWEY 2006).

Als neue Antiepileptika für Hunde bezeichnet (DEWEY 2007) Gabapentin, Felbamat, Levetiracetam und Zonisamid. Gabapentin wird, entgegen anfänglichen Annahmen, weder zu GABA metabolisiert noch bindet es am GABA-Rezeptor. Man vermutet eher einen Angriffspunkt an bestimmten Untereinheiten des L-Calciumkanals, wodurch sowohl die synaptische Freisetzung von Neurotransmittern verhindert wird, als auch eine Reduktion des postsynaptischen Calciumeinstroms erfolgt (SILLS 2006). Außerdem ist es, im Gegensatz

(22)

zum endogenen GABA in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren (DANNHARDT und KIEFER 2007). In einer älteren Studie werden für eine Bioverfügbarkeit von 80% beim Hund Dosierungen von 80 mg / kg KG angegeben (RADULOVIC et al. 1995). Die üblicherweise verabreichte Dosis beträgt 10 mg / kg KG alle 6–8 Stunden. Typische Nebenwirkungen sind leichte Sedation und Ataxie der Hintergliedmaßen (DEWEY 2007).

Bei dem Präparat Felbamat handelt es sich um ein Dicarbamat, welches die N-methyl-D- Aspartat (NMDA)-Rezeptor vermittelte neuronale Exzitation blockiert, die GABA vermittelte Inhibition potenziert und als dritten Wirkmechanismus spannungsabhängige Natrium- und Calcium-Kanäle inhibiert (RHO et al. 1994, DANNHARDT und KIEFER 2007).

Nebenwirkungen werden nur selten beobachtet, ein großer Vorteil dieses Präparats ist die Tatsache, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Medikamenten keine Sedation verursacht (PODELL 1998). Allerdings wird in manchen Fällen vom Auftreten einer Leberfunktionsstörung berichtet. Alle Tiere dieser Studie erhielten Felbamat als Add-On Therapie zu PB, so dass letztgenanntes Präparat eventuell die Ursache der Lebererkrankung darstellt (DAYRELL-HART et al. 1996). Da auch bei Felbamat die t1/2 üblicherweise bei 5 bis 6 Stunden liegt, wird die Verabreichung von 15 mg / kg KG alle 8 Stunden empfohlen.

(ADUSUMALLI et al. 1992) empfehlen in ihrer Studie eine Menge von 20 mg / kg KG 3mal täglich. Bezüglich der regelmäßigen Kontrolle des Serumspiegels gibt es verschiedene Meinungen: (PODELL 2006b) empfiehlt ein komplettes Blutbild inklusive Blutchemie einen Monat nach Beginn der Therapie und dann in einem 3-Monats-Rhythmus aufgrund von selten auftretenden Panzytopenien und Leberschäden. Im Gegensatz dazu kontrolliert (DEWEY 2006) den Serumspiegel wegen der großen therapeutischen Breite und der kostenintensiven Durchführung der Felbamat-Assays nicht routinemäßig, eine Ausnahme bildet allerdings die Kombinationstherapie mit PB.

Ein relativ neu entwickeltes Antiepileptikum stellt das Levetiracetam dar, das als Pyrrolidonderivat keine strukturelle Verwandtschaft mit den bekannten Präparaten zeigt (STEFAN und FEUERSTEIN 2007). Weiterhin besitzt es einen präsynaptischen Wirkmechanismus. Lynch und Mitarbeiter fanden heraus, dass die Bindungsstelle ein synaptisches Vesikelprotein (SV2) darstellt (LYNCH et al. 2004). Vorteile einer Therapie mit Levetiracetam liegen in der 100%-igen Bioverfügbarkeit, den verschwindend geringen Nebeneffekten, der guten Toleranz, der geringen Proteinbindung und des geringen Metabolismus (PATSALOS 2000, DEWEY 2006). Letztgenannter Autor erzielte nach seiner Aussage hervorragende Resultate bei Anwendung als Add-On Präparat. Im Gegensatz dazu

(23)

beschreiben Volk und Mitarbeiter nach 4–8 Monaten eine Erhöhung der Anfallsfrequenz (sog.

„Honeymoon-Effekt“) (VOLK et al. 2007). In dieser Studie wurde mit Dosierungen von 10 mg / kg KG 2mal täglich, bei anhaltender Therapieresistenz mit 20 mg / kg KG 2mal täglich gearbeitet. (DEWEY 2006) empfiehlt dagegen eine Initialdosis von 20 mg / kg KG 3mal täglich, bei (ISOHERRANEN et al. 2001) werden 10–20 mg / kg KG alle 10–12 Stunden angegeben.

Zonisamid ist ein Benzisoxazolderivat mit Sulfonamid-Seitenkette und seit 2006 in Deutschland beim Menschen zur Add-On Therapie zugelassen. Seine Wirkung entfaltet es durch Blockade von spannungsabhängigen Natrium- und Calciumkanälen vom T-Typ, wobei die neuronale Entladung unterbrochen werden kann. Allerdings ist der Wirkmechanismus nicht vollständig geklärt, diskutiert wird außerdem eine modulierende Wirkung der GABAergen Inhibition (DANNHARDT und KIEFER 2007). (DEWEY 2006) hat dieses Präparat bereits bei einer großen Zahl Hunden angewendet und bezeichnet es als effektives Einzeltherapeutikum mit wenigen bis keinen Nebeneffekten. Der Autor empfiehlt dabei eine Dosierung von 5 mg / kg KG 2mal täglich. Wird es allerdings als Add-On Präparat verwendet, sollte die Menge auf 10 mg/kg KG 2mal täglich verdoppelt werden. Auch in einer älteren Studie (LEPPIK 1994) empfiehlt der Autor 2mal täglich die Gabe von 5–10 mg / kg KG. Die Tatsache, dass Zonisamid nur 2mal am Tag verabreicht werden muss, stellt für viele Besitzer im Vergleich zu den meisten anderen neuen Antiepileptika einen deutlichen Vorteil dar, vor allem weil es zwischenzeitlich als kostengünstiges Generikum erhältlich ist (DEWEY 2007). Auch hier wurde das Auftreten einer Toleranz beschrieben

(VON KLOPMANN et al. 2007). Andere neue Antiepileptika werden nicht für die Anwendung bei Hund und Katze empfohlen (DEWEY 2006). In einem aktuellen Abstract wird von der Weiterentwicklung der „neuen“ Antiepileptika Gabapentin und Levetiracetam berichtet. Ein Nachfolger des Gabapentins ist Pregabalin, welches eine höhere Affinität für die α2ß-Untereinheit des spannungsabhängigen Calcium-Kanals besitzt. Als verbesserte Wirkstoffe des Levetiracetams werden Brivaracetam und Seletracetam bezeichnet, denen ebenfalls bessere Bindungseigenschaften am SV2A-Membranprotein zugeschrieben werden.

Da diese Präparate noch in klinischen Versuchsreihen getestet werden, ist die Pharmakokinetik noch nicht komplett entschlüsselt (DEWEY 2007).

(24)

2.2. Neuronale Rezeptoren in ZNS

2.2.1. Aufbau und Funktion des GABA-Rezeptors

Durch Decarboxilierung entsteht in den GABAergen Axonendungen aus der Aminosäure Glutamat γ-Aminobuttersäure (GABA), die im ZNS den wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitter darstellt. Man geht davon aus, das GABA an ungefähr 30% aller Synapsen im Gehirn binden kann (FREY 2000, TREIMAN 2001).

Abb. 1 Chemische Formel

γ-Aminobuttersäure (GABA)(http://www.wikipedia.org)

Nachdem GABA aus präsynaptischen Vesikeln in den synaptischen Spalt abgegeben wird, kann es an der postsynaptischen Membran am ligandenaktivierten GABA-Rezeptor binden.

Man unterscheidet den ionotropen GABAA- und GABAC- und den metabotropen GABAB- Rezeptor. Aktivierung des GABAA-Rezeptors führt zum Öffnen eines Anionenkanals, der die Durchlässigkeit für Cl--Ionen ins Zellinnere steigert und so durch eine Hyperpolarisation das Ruhepotential der Zelle noch verstärkt bzw. einer Depolarisation entgegen wirkt.

Einzelbausteine dieses ionotropen Rezeptorkomplexes sind verschiedene Untereinheiten, durch deren Kombination vielfältige Isotypen möglich sind (α 1–6, ß 1–3, γ 1–3, δ, ε, θ, π, ρ 1–3). Allerdings ist die Mehrheit der Rezeptoren im ZNS aus zwei α-, zwei ß- und einer γ-Untereinheit aufgebaut. Der Grundbauplan dieses Heteropentamers ist bei allen Isotypen gleich, an einen großen extrazellulären Bereich lagern sich vier Transmembranproteine (TM) an, von denen die TM2 aller Untereinheiten die Kanalpore bilden (BÖHME und LÜDDENS 2007). Neben der Bindungsstelle für GABA besitzt der GABAA-Rezeptor noch weitere Bindungsstellen für Barbiturate, Benzodiazepine, Picrotoxin und Neurosteroide (TREIMAN 2001). Die Wirksamkeit und die Wirkung der entsprechenden Substanz ist dabei abhängig von der Untereinheitenkombination in dem Rezeptorenkomplex, d.h. die Vermittlung der verschiedenen Effekte wird durch die Rezeptorsubtypen bestimmt (BÖHME und LÜDDENS 2007). Im Gegensatz zum GABAA-Rezeptor ist der GABAB-Rezeptor sowohl an inhibitorischen als auch an exzitatorischen Axonendigungen zu finden. Seine Aktivierung

(25)

führt zu einer Verminderung des Calcium-Einstroms und einer Erhöhung der Kalium- Leitfähigkeit (TREIMAN 2001). Während der GABAA-Rezeptor postsynaptisch lokalisiert ist, kann der GABAB-Rezeptor auch an der präsynaptischen Membran exprimiert sein.

Außerdem gehört der GABAB-Rezeptor zu den G-Protein gekoppelten Rezeptoren, d.h. durch die G-Protein-Aktivierung ist eine Verstärkung und schnellere Feinregulation des neuronalen Signals auf zellulärer Ebene möglich (FREY 2000).

Abb. 2 Schematischer Aufbau des GABAA-Rezeptors mit den

Bindungsstellen für die verschiedenen Moleküle

(http://homepage/psy.utexas.edu/hom epage/Class/Psy301/Salinas/sec2/Bra in/37.Gif)

2.2.2. Aufbau und Funktion des Glycin-Rezeptors

Der Glycin-Rezeptor (GlyR) zählt ebenfalls zur Gruppe der ligandenaktivierten Ionenkanäle.

Zu dieser Gruppe gehören neben dem GABAA- auch nicotinerge Acetylcholin- und Serotonin-Rezeptoren. Der GlyR ist ein wichtiger Vermittler für die synaptische Inhibition (UNWIN 1989, BETZ 1990). Der hauptsächlich im Hirnstamm und im Rückenmark, aber auch in der Retina vorkommende Rezeptor formt, eingelagert in die Zellmembran, ein Pentamer wie der GABA-Rezeptor. Diese Anordung wird gebildet aus drei ligandenbindenden α-Untereinheiten und zwei strukturellen ß-Untereinheiten, die jeweils vier Transmembransegmente besitzen (GRENNINGLOH et al. 1987, LANGOSCH et al. 1990).

Während von der ß-Untereinheit nur diese eine bekannt ist, existieren von der α-Untereinheit vier Isoformen: α1 bis α4 (BETZ et al. 1991). Nachdem die Bindung des Agonisten Glycin am GlyR erfolgt ist, öffnet sich eine integrale Kanalpore, die für Chloridionen selektiv permeabel ist. Dieser Chlorid-Einstrom verschiebt das Transmembranpotential zu einem Chlorid-

(26)

Gleichgewicht. Neben Strychnin, das eine hohe Bindungsaffinität zum GlyR besitzt, ist auch eine allosterische Modulation des Rezeptors für Zink (LAUBE et al. 1995) und volatile Anästhetika und Alkohole (DOWNIE et al. 1996, MIHIC et al. 1997) bewiesen. Des Weiteren wurde die Bindung von Neurosteroiden beschrieben, wobei die Ergebnisse in verschiedenen Studien in unterschiedliche Richtung gehen, was den Effekt der Steroide betrifft. So berichten (WU et al. 1990, WU et al. 1997) von einer antagonistischen Wirkung von Progesteron am Glycin-Rezeptor, wohingegen am GABAA-Rezeptor eine deutliche Potenzierung der agonistischen Wirkung von GABA zu beobachten war. In einer noch nicht veröffentlichten Studie aus dem Labor der Autorin wurde Progesteron in Patch-Clamp Experimenten in Co- Applikation mit Glycin eine potenzierende Wirkung zugesprochen (Krampfl, persönliche Mitteilung, 2007). Ein anderes Neurosteroid, Androsteron, hatte allerdings keinen potenzierenden Effekt.

Glycin, auch als α-Aminoessigsäure bezeichnet, stellt wie GABA eine essentielle Aminosäure dar. Agonisten am GlyR sind außerdem die Aminosäuren ß-Alanin und Taurin.

2.3. Klassische und neuroaktive Steroide

2.3.1. Chemischer Aufbau, Funktion und Wirkmechanismus

Steroide und Neurosteroide werden aus Cholesterol, der Grundform für diese Hormone, synthetisiert. Während die klassischen Steroide in Geweben wie der Nebenniere, den Gonaden oder der Plazenta produziert werden, sind Neurosteroide Hormone, die im ZNS oder peripheren Nervensystem (PNS) entstehen. Dieses Konzept der de novo Synthese im Nervengewebe wurde in den 80er Jahren von einer Forschergruppe um Baulieu postuliert. Sie fanden heraus, dass Steroide wie Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Pregnenolon im Nervensystem in höheren Konzentrationen vorlagen als im Plasma (BAULIEU 1998).

Abb. 3 Strukturformel Glycin

(http://www.wikipedia.

org)

(27)

Außerdem waren diese Stoffe auch lange Zeit nach Gonadektomie oder Adrenalektomie im ZNS zu finden (CORPECHOT et al. 1981, CORPECHOT et al. 1983). Den Beweis für die stattfindende Synthese lieferten einige Forscherteams, u.a. (COMPAGNONE und MELLON 2000), indem sie Enzyme im Nervengewebe nachwiesen, die auch in den klassischen o.g.

steroidalen Geweben die Hormonsynthese katalysieren. Zu den klassischen Steroidhormonen zählen neben den Gluko- und Mineralokortikoiden auch Androgene, Estrogene und Progesteron, die ihre Effekte über spezifische intrazelluläre Rezeptoren ausüben. Dagegen kann die Gruppe der Neurosteroide in zwei große Kategorien eingeteilt werden: die Cytochrom P450-Gruppe und die Nicht-Cytochrom P450-Gruppe. Das bedeutet, dass bei einem Teil der Hormone die Synthese aus Cholesterol von dem Oxidationsenzym Cytochrom P450 katalysiert wird (MELLON und GRIFFIN 2002). Neurosteroide sind im Gegensatz zu den klassischen Hormonen in der Lage, über eine längerfristige Wirkung die Expression spezifischer Gene zu modulieren (z. B. für Vasopressin und Corticotropin Releasing Hormon, CRH). Neben diesen als „genomische Effekte“ beschriebenen Wirkmechanismen können die Steroide aber auch an ligandengesteuerten Rezeptoren eine modulierende Funktion ausüben, speziell am GABAA-Rezeptor. Bei positiver Modulation (z.B. Progesteron) wird die GABAerge Wirkung verstärkt, indem die Hormone die Frequenz und Dauer der Chloridionenkanal-Öffnung verlängern, negative Modulatoren wie DHEAS und Pregnenolonsulfat hemmen dagegen den GABA-Rezeptor fast vollständig. Mittlerweile wurden auch andere Ionenkanäle wie z. B. der exzitatorische NMDA-Rezeptor als steroidsensitiv kategorisiert (MEHTA und TICKU 1999, WEISS und HESS 2000). Die klinischen Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich damit durch die modulatorischen Fähigkeiten an zentralen Rezeptoren für Erkrankungen wie Epilepsie, aber auch eine Anwendung als Anxiolytika, Sedativa oder Anästhetika ist denkbar. Da es sich aber teilweise um geschlechtsspezifisch unterschiedlich wirksame Hormone handelt, muss bei allen Indikationen mit einer unterschiedlichen Ansprechbarkeit der Geschlechter gerechnet werden (WEISS und HESS 2000). Die Wirkung von neuroaktiven Steroidhormonen wurde, Bezug nehmend auf die Frau, u. a. von (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006) ausführlich beschrieben. In ihrem Artikel machen die Autoren deutlich, dass sich sowohl aus klinischen, humanmedizinischen Beobachtungen als auch aus Tierversuchen die Tatsache erhärtet hat, dass Gonadenhormone einen starken Einfluss auf die neuronale Erregbarkeit, Krämpfe und Epilepsie haben. Dabei werden besonders Progesteron und Östrogen als modulierende Hormone hervorgehoben. Dass diese ursprünglich in den Gonaden synthetisierten Stoffe unter besonderen Umständen auch im Gehirn aus Cholesterol gebildet werden können, wurde

(28)

bereits beschrieben (BEYENBURG et al. 2001). Während Progesteron die Wirkung von GABA-Rezeptoren verstärkt und so Konvulsionen entgegenwirken kann, ist der neuronale Einfluss von Östrogen noch nicht bis in alle Einzelheiten geklärt. Als gesichert gilt jedoch die Tatsache, dass sich beide Hormone, abhängig von ihrer relativen Konzentration, gegenseitig beeinflussen. So ist zum Beispiel die Progesteron-Sensitivität abhängig von einer vorangegangenen Östrogen-Exposition, da von ihr eine Progesteron-Rezeptor Synthese induziert wird (PARSONS et al. 1982, SCHARFMAN und MACLUSKY 2006). Andere Studien wiederum bescheinigen Progesteron eine antagonisierende Wirkung auf Östrogen induzierte Effekte (CLARK et al. 1977, FEDER und MARRONE 1977, OKULICZ et al.

1981). Um wieder auf den Zusammenhang mit neuronalen Erkrankungen zurückzukommen, soll die Ursache der sog. „Catamenial Epilepsy“ näher beleuchtet werden. Diese Bezeichnung stammt von dem griechischen Wort catamenia, was epileptische Anfälle bezeichnet, die während der Menstruation auftreten. Inzwischen wird dieser Begriff benutzt, um eine Epilepsieform zu beschreiben, bei der Veränderung in Anfallsfrequenz, -schwere oder -typ in hormonellen Schwankungen während des gesamten Zyklus begründet sind (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006). Diese Autoren sind der Ansicht, dass kein direkter linearer Zusammenhang besteht zwischen hohen Östrogenspiegeln und erhöhter Anfallsfrequenz und hohen Progesteronspiegeln und reduzierter Anfallshäufigkeit, da auch in anderen Studien keine direkte signifikante Korrelation festgestellt werden konnte (BÄCKSTROM 1976).

Vielmehr scheint die Beziehung von Östrogen und Progesteron zusammengenommen, also der Quotient von beiden, einen signifikanten Zusammenhang mit dem Anfallsmuster von sieben in der Studie untersuchten Frauen zu haben (hoher E:P-Quotient, vermehrte Anfälle ) (BÄCKSTROM 1976). Diese Tatsache trifft nur auf den Zeitpunkt der Ovulation zu.

Abschließende Aussage bei (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006) ist, dass in Bezug auf den Einfluss von Östrogenen auf die Ausprägung von epileptischen Anfällen noch viele Studien nötig sind, um die Zusammenhänge noch tiefer gehender zu klären, da zu viele Effekte dieser Hormone zu existieren scheinen. Im Gegensatz dazu scheint es ziemlich klar zu sein, dass Progesteron einen antikonvulsiven Effekt ausübt (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006).

(29)

Abb. 4 Syntheseweg der Steroide (von: http://de.wikipedia.org/wiki/Steroidhormone)

2.3.2. Delmadinonacetat

Delmadinonacetat ist der Wirkstoff in einem veterinärmedizinischen Präparat, das vornehmlich bei Hunden bzw. Rüden eingesetzt wird. Das Medikament mit dem Namen Tardastrex® wird von der Firma Pfizer vertrieben und ist ausschließlich als Injektionslösung zur intramuskulären und subkutanen Anwendung erhältlich. Die vom Hersteller angegebenen Anwendungsgebiete sind Prostatahypertrophie, kleine Adenome der Perianaldrüsen, sexuelle Hyperaktivität und eine androgen-abhängige Angriffslust, wenn eine Kastration nicht erwünscht ist. Als Gegenanzeigen sind Diabetes mellitus, schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Mammatumoren und Langzeittherapie mit Glukokortikosteroiden angegeben. Zu den bekannten Nebenwirkungen zählen Appetitsteigerung, vorübergehende Polydipsie und Polyurie, gesteigerte Anhänglichkeit und ungewöhnlich ruhiges Verhalten.

Über die pharmakodynamischen Eigenschaften des Präparates schreibt der Hersteller folgendes: „Delmadinonacetat ist ein synthetisches langwirksames Progesteronderivat mit progestagener, antiandrogener und schwacher glukokortikoider Wirkung. Es blockiert Androgenrezeptoren, hemmt die 5α-Reduktase und vermindert durch die Hemmung der

(30)

Gonadotropinausschüttung die Bildung von Testosteron. Delmadinonacetat vermindert die Insulinempfindlichkeit.“ Zu den pharmakokinetischen Eigenschaften steht in den Fachinformationen: „Delmadinonacetat wir in der Leber reduziert, hydroxiliert, deacetyliert und glucoronidiert und mit der Galle und im Urin ausgeschieden.“ (Herstellerinformationen Pfizer).

In den Gebrauchsinformationen, die dem Präparat in der Verpackung beiliegen, steht zusätzlich zu den oben bereits angegebenen Anwendungsgebieten als „weitere empfehlenswerte allgemeine Indikationen nach bisherigen Erfahrungen:“... Angriffslust und extreme Nervosität…“ (Gebrauchsinformation Tardastrex®, Pfizer). Nach Information der Autorin der vorliegenden Arbeit gibt es bislang nur einen veröffentlichten Artikel, der sich mit einem dem Delmadinon verwandten Stoff und der Fragestellung der Wirksamkeit bei Epilepsie bzw. epileptiformen Anfällen beschäftigt. Es handelt sich um eine Anfang der 1970er Jahre durchgeführte Studie, in der 89 Hunde (davon 70 Rüden und 19 Hündinnen), die vorberichtlich mit Krämpfen (hauptsächlich Grand-mal Anfälle) an der Tierärztlichen Hochschule Hannover vorgestellt wurden, als Probanden dienten. Alle Tiere bekamen initial eine intramuskuläre Injektion mit 1 mg / kg KG Chlormadinonacetat, die in vierwöchigen Intervallen wiederholt wurde. Nach Ablauf von mindestens 6 Monaten wurden die Tiere erneut vorgestellt und eine eventuelle Veränderung der Anfallshäufigkeit registriert. Die Ergebnisse dieser Untersuchung stellten sich folgendermaßen dar: 31 Hunde waren komplett anfallsfrei, weitere 27 zeigten eine deutliche Reduktion der Krampfanfälle, 12 Tiere wurden mit zusätzlicher Primidontherapie anfallsfrei und bei 18 Probanden war keine Verbesserung zu beobachten. Die Autoren bewerten ihre Ergebnisse als durchaus positiv, vor allem weil viele Patienten bereits erfolglos vorbehandelt wurden und empfehlen dieses Steroidpräparat durchaus zur Therapie von epileptischen Anfällen (BRASS und HORZINEK 1971).

Da sich bei der Literaturrecherche keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass noch weitere Studien zu dieser Fragestellung durchgeführt wurden, ist anzunehmen, dass sich der Einsatz von Delmadinonacetat bei Epilepsie durch überweisende Tierärzte auf diese Untersuchung und die Erfahrungen bzw. mündlichen Überlieferungen stützen. Genau hier liegt der Ansatzpunkt der vorliegenden Arbeit, das Ergebnis der oben beschriebenen Studie mit den heute zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden (Patch-Clamp) zu untersuchen und ein verwandtes Präparat, Delmadinon, an den Rezeptoren zu testen, an die auch Progesteron binden kann und einen Effekt zeigt.

(31)

2.4. Die Patch-Clamp-Technik

Die Patch-Clamp-Technik wurde von den beiden deutschen Wissenschaftlern Erwin Neher und Bert Sakmann 1976 entwickelt, 1991 erhielten sie dafür den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Der Begriff Patch-Clamp kommt aus dem Englischen, wobei „Patch“ soviel wie

„Fleck“ bedeutet und „Clamp“ ins Deutsche mit „Klemme“ übersetzt wird. Sie hatten damit eine Methode entwickelt, mit der sich an lebenden Zellen der Strom durch einzelne Ionenkanäle messen lässt. Im Laufe der Jahre konnten so bedeutende Erkenntnisse über die Eigenschaften und Funktion von Ionenkanälen gesammelt werden; bis heute stellt die Patch- Clamp-Technik eine der wichtigsten Arbeitsmethoden in der Neurophysiologie dar. Das generelle Prinzip besteht darin, einen Teil der Zellmembran elektrisch zu isolieren, indem eine Glaspipette ähnlich einer Käseglocke auf die Zellmembran aufgesetzt wird. So werden aus dem starken Hintergrundrauschen, dass von vielen unterschiedlichen Kanälen und Ionentransportern auf der gesamten Zelloberfläche ausgelöst wird, die wenigen, von der Pipette eingeschlossenen Kanäle elektrisch isoliert und können so detaillierter dargestellt werden. Nach ihren ersten Messungen an Acetylcholinrezeptoren, die sie an Froschmuskelfasern durchführten, konnten die beiden Forscher vor allem die Herstellung und den Gebrauch der Patchpipetten verbessern und weiterentwickeln, so dass durch eine deutliche Erhöhung des Abdichtungswiderstandes im Gigaohmbereich das biologische Rauschen des Präparates fast vollständig ausgeschaltet war. Die Etablierung dieses sog.

Gigaseals (seal, engl. = Abdichtung) bildet den Ausgangspunkt zur weiteren Manipulation an der Zellmembran, ohne das die Verbindung zwischen Glaswand und Membran abreißt. Eine physikalische Erklärung für dieses Phänomen, das durch das Anlegen eines Unterdrucks an die auf der Zellmembran aufliegende Pipette zustande kommt, gibt es bis heute jedoch nicht.

Abb. 5 Patchkonfigurationen:

a) Cell-attached, b) Whole-Cell, c) Inside-out, d) Outside-Out. Erläuterungen im Text

(32)

Die möglichen Konfigurationen, die man nach Erreichen des Gigaseals anstreben kann, sind in Abb. 5 dargestellt. Die Cell-attached-Konfiguration liegt bei Annährung der Pipette bis an die Zellmembran vor und bleibt auch beim Gigaseal weiter bestehen. Sichtbar wird dies dadurch, dass sich der Pipettenwiderstand um einige Megaohm erhöht. Dann wird, wie bereits beschrieben, der Gigaseal erzeugt, und durch einen kurzen Saugpuls lässt sich das Membranstück unter der Pipette durchbrechen. Durch die so erzeugte Whole-Cell- Konfiguration ist ein Zugang zum Zytoplasma hergestellt und man kann so die Ströme durch die gesamte Zellmembran ableiten. Durch Zurückziehen der Pipette in der Whole-Cell- Konfiguration kann man einen kleinen Teil aus der Zellmembran herausreißen und durch unterschiedliche Manipulationen erreichen, dass entweder die äußere Zellmembran nach außen zeigt (Outside-Out) oder die innere Zellmembran nach außen gerichtet ist (Inside-Out).

In der vorliegenden Arbeit wurde ausschließlich mit der Whole-Cell-Konfiguration gearbeitet, die, wie erwähnt eine Ganzzellmessung darstellt und als Mittelung vieler simultan aktiver Ionenkanäle angesehen werden kann. Durch die Tatsache, dass die Pipette Verbindung mit dem Intrazellularraum hat, kommt es zum Stoffaustausch zwischen der Pipettenlösung und dem Zytoplasma. Dabei hängt die Geschwindigkeit des Stoffaustausches vom Volumen der Zelle und vom Durchmesser der Pipettenspitze ab. Ein Vorteil dessen ist die für den Wissenschaftler bessere Kontrollierbarkeit des intrazellulären Milieus und die Möglichkeit des Einbringens z.B. von Farbstoffen in die Zelle (bei Gewebeschnitten zur späteren histologischen Untersuchung). Ein Nachteil von Whole-Cell-Messungen ist die Gefahr, dass das Zytoplasma seine natürliche Zusammensetzung verändert und so Substanzen verloren gehen, die für die Funktion der Kanäle von Bedeutung sind. Dies kann u. a. zu Erscheinungen wie dem Run-down führen, der die fortschreitende Inaktivierung von Ionenkanälen während einer Messung beschreibt (siehe auch Diskussion) (NEHER und SAKMANN 1976, HAMILL et al. 1981, SAKMANN 1992, NUMBERGER und DRAGHUN 1996).

Weitere Details zur Patch-Clamp-Technik und zum generellen Aufbau eines Patch-Clamp- Standes sind im Kapitel „Material und Methoden“ zu finden.

(33)

3.1. Material

3.1.1. Zelllinie

HEK 293-Zellen (TSA3P6) (Ulm, Deutschland)

3.1.2. Verbrauchsmaterialien

Zellkulturflaschen (75 cm²), steril

(Sarstedt AG & Co. Nümbrecht, Deutschland)

24-Well-Zellkulturplatten, steril

(Greiner Labortechnik GmbH Frickenhausen, Deutschland)

Pipetten (5 ml, 10 ml, 25 ml)

(Greiner Labortechnik GmbH Frickenhausen, Deutschland)

Pipetten (10 µl, 20 µl, 100 µl, 200 µl, 1000 µl)

(Greiner Labortechnik GmbH Frickenhausen, Deutschland)

Kunststofftubes (10 ml, 50 ml)

(Greiner Labortechnik GmbH Frickenhausen, Deutschland)

Kunststofftubes (1,5 ml)

(Biozym Hessisch Oldendorf, Deutschland)

Deckgläschen (ø 12 mm), 4 Stunden Hitze-sterilisiert bei 180 C (Marienfeld Braunschweig, Deutschland)

Elektroporations-Küvetten (ø 4 mm)

(peqLab Biotechnologie GmbH Erlangen, Deutschland)

(34)

Glaskapillaren Borosilikat (1,5 mm O.D. x 1,17 mm I.D.) (Harvard Apparatus Edenbridge, Kent, Großbritannien)

Einmalspritzen steril, Injekt Luer solo (2 ml, 10 ml, 20 ml) (Braun, Melsungen, Deutschland)

Selbst hergestellte Lösungen:

Die hier benutzte Extrazellulärlösung, die Intrazellulär-Pipettenlösung, das PBS (phosphate buffered saline) und der Elektroporationspuffer wurden selbst aus den Grundsubstanzen hergestellt. Die Herstellung wird unter 3.2. im Detail beschrieben. Alle Grundsubstanzen wurden bei Sigma Aldrich, Deutschland bezogen.

3.1.3. Geräte

Sterilbank (Microflow Biohazard) (Nunc, Wiesbaden, Deutschland)

Zentrifuge (Megafuge 2.0 R)

(Heraeus Instruments GmbH Hanau, Deutschland)

Brutschrank

(Heraeus Instruments GmbH Hanau, Deutschland)

Elektroporator Easyject Optima (Equibio, Deutschland)

Pipettenpuller DMZ-Universalpuller

(Zeitz Instrumente GmbH München, Deutschland) Mikroskop (Axioskop)

(Carl Zeiss Mikroskope Göttingen, Deutschland)

(35)

Oszilloskop HM 1007, Analog-Digital 100 MHz (Hameg, Deutschland)

Patch-Clamp-Verstärker Axopatch 200 B Integrating Patch Clamp (Axon Instruments Union City, CA, USA)

Pipettenarm / Vorverstärker

(Axon Instruments, CV 203 BU Headstage, CA, USA)

Pipettus-Akku

(Hirschmann Laborgeräte, Eberstadt, Deutschland)

Mikromanipulator (Narishige, Japan)

AD-Wandler Digi Data 1200 Series Interface (Axon Instruments Union City, CA, USA)

Fluoreszensmikroskop

(Zeiss Instrumente GmbH München, Deutschland)

Analysewaage

(Sartorius Analytic AC 210P)

Wärmemagnet Ikamag Rct

(Janke und Kunkel Labortechnik, Staufen, Deutschland)

3.1.4. Verwendete Stoffe, Lösungen und Lösungsmittel Delmadinonacetat

(Farmabios, Gropello Cairoli, Italien)

(36)

Progesteron

(Sigma Aldrich Chemie GmbH Taufkirchen, Deutschland)

GABA (γ-Aminobuttersäure)

(Sigma Aldrich Chemie GmbH Taufkirchen, Deutschland)

Glyzin

(Sigma Aldrich Chemie GmbH Taufkirchen, Deutschland)

DMSO (Dimethylsulfoxid)

(Fluka Chemika Taufkirchen, Deutschland) Chloroform (Trichlormethan), zur Analyse (Merck, Darmstadt, Deutschland)

(37)

3.2. Methoden

3.2.1. Zellkultivierung

Die Kultivierung von HEK (human embryonic kidney) 293-Zellen erfolgt in einem Begasungsbrutschrank bei 37°C und 5% CO2. Dort befinden sie sich in 75 cm2 Zellkulturflaschen mit Dulbecco’s-modified-Eagle’s-Medium (DMEM), dem 10% fetales bovines Serum (FBS), 100 IU / ml Penicillin und 100 µg / ml Streptomycin zugesetzt wird.

Alle zwei Tage erfolgt der Mediumwechsel parallel mit der Entnahme neuer Zellen für die Transfektion. Nach dem Absaugen des Mediums, Spülen der Zellen mit sterilem PBS und Lösen des Zellrasens mit 2 ml einer 0,25% Trypsin in PBS-Lösung werden die Zellen mit 3 ml frischem Zellkultur-Medium resuspendiert. Anschließend werden 0,5 ml dieser Suspension mit 15 ml frischem Medium in eine neue sterile Kulturflasche übertragen, der Rest der Lösung steht für die unten beschriebene Transfektion zur Verfügung. Wenn die Zellen nicht zum Transfizieren verwendet werden, müssen sie regelmäßig gesplittet werden, um ihre Qualität zu erhalten. So stellt eine 70%ige Zellkulturkonfluenz den günstigsten Zeitpunkt zum Splitten bzw. Transfizieren dar. Beim Splitten verfährt man zum Ablösen der Zellen wie oben beschrieben. Im Unterschied zur Transfektion wird die Suspension dann komplett auf zwei neue Zellkulturflaschen aufgeteilt und jede mit 15 ml Medium aufgefüllt.

Die anschließende Bebrütung sollte mindestens 24 Stunden betragen, um ein ausreichend großes Zellpellet für die spätere Transfektion zu erhalten.

3.2.2. Transfektion

Bei der hier angewendeten Methode der Transfektion wird die Zellmembran durch Stromstöße durchlässig gemacht, um fremde Desoxyribonucleinsäure (DNS) in die HEK- Zellen einschleusen zu können (Elektroporation). Im Rahmen dieser Studie wurde die DNS von γ-Aminobuttersäure (GABA)A- und α1Glycin-Rezeptoren in die Zellen eingebracht und die Rezeptoren auf den Zellen exprimiert, die anschließend in Patch-Clamp Experimenten untersucht werden sollen. Die komplette Transfektion wird unter sterilen Bedingungen an einer Werkbank wie folgt durchgeführt:

(38)

Von einer Zellkulturflasche mit HEK-Zellen wird das Medium abpipettiert und 3 ml Phosphate buffered Saline (PBS) in die Kulturflasche gegeben, um die Zellen durch leichtes Schwenken zu waschen. Der Überstand wird verworfen und 2 ml Trypsin in die Flasche pipettiert, um die Zellen vom Boden abzulösen. Nun werden 3 ml Kulturmedium hinzugegeben, um die enzymatische Wirkung des Trypsins zu neutralisieren. Nach gründlicher Durchmischung werden 0,5 ml dieser Suspension mit neuem Nährmedium in eine neue Kulturflasche gegeben um – wie oben bereits beschrieben – die Zellen nach weiterer Inkubation und Vermehrung im Brutschrank erneut zu verwenden. Der Rest der Suspension wird in ein 50 ml Röhrchen pipettiert und bei 1000 U / min für 5 min. bei 15°C zentrifugiert.

Parallel zur Zentrifugation wird eine 24-Well-Platte mit Deckgläschen (ø 12 mm) bestückt und ca. 1,5 ml Zellkulturmedium in die Wells vorgelegt. Nach der Zentrifugation wird der Überstand verworfen, das Zellpellet in Elektroporationspuffer (400 bis 2000 µl, in Abhängigkeit von der Größe des Zellpellets) aufgenommen und mit diesem gründlich durch mehrmaliges Auf- und Abpipettieren resuspendiert. Pro 400 µl Elektroporationspuffer werden 10 µl einer 1 M Magnesiumsulfatlösung zur Verbesserung der Transfektionsbedingungen hinzugefügt. Im nächsten Arbeitsschritt werden 400 µl der Zellsuspension in ein Eppendorfgefäß pipettiert, in das die entsprechende Menge Plasmid-DNS des α1ß2γ2 GABAA- bzw. des α1 Glycin-Rezeptors und 5 µl Plasmid-DNS des grünen Fluoreszensproteins (GFP, zur fluoreszensoptischen Identifizierung transfizierter Zellen) vorgelegt wurde (die Plasmid- DNS liegt dazu in einer Konzentration von 1 μg / μl in H2O gelöst vor). Für den GABA- Rezeptor werden 5 µl der α1, 5 µlder ß2 und 10 µl der γ2 DNS benötigt, für die Expression des Glycin -Rezeptor 5 µl der α1-DNS vorgelegt. Nach guter Durchmischung wird die Lösung in eine Elektroporationsküvette gegeben und diese in das Elektroporationsgerät gestellt. Die Elektroporation der HEK-Zellen wird bei 250 V, 335 Ohm und 750 µF durchgeführt. Durch das angelegte elektrische Feld wird die Zellmembran kurzfristig für die Rezeptor- bzw. die GFP-DNS permeabel. Nach Beendigung der Transfektion werden jeweils ca. 20 µl der Zellsuspension auf die Deckgläschen in die bereits vorbereitete 24-Well-Platte pipettiert.

Die transfizierten Zellen werden nun im Brutschrank bei 37ºC und 5% CO2 für 24 Stunden inkubiert, nach Ablauf dieser Zeit können die Zellen für Patch-Clamp-Experimente verwendet werden.

(39)

3.2.3. Herstellung der Lösungen

Die Extrazellulärlösung bzw. Hintergrundlösung umspült im Patch-Clamp-Messstand die Zellen, deshalb entspricht sie in ihrer Zusammensetzung dem extrazellulären Milieu.

Im Gegensatz dazu imitiert die Pipettenlösung das intrazelluläre Milieu. Beide haben einen pH-Wert von 7,4 und eine Osmolarität von 285 mosmol. Ihre genaue Ionenkonzentration ist im Folgenden angegeben:

Extrazellulärlösung (Angaben in mM):

162 NaCl; 5,3 KCl; 0,6 Na2HPO4; 0,22 KH2PO4; 15 HEPES; 5,6 α-D-Glucose; 2 CaCl2

Pipettenlösung (Angaben in mM):

140 KCl; 2 MgCl2; 11 EGTA; 10 HEPES; 10 Glucose

Nach dem Abwiegen der einzelnen Substanzen werden diese in destilliertem Wasser gelöst.

Anschließend wird der oben genannte pH-Wert durch Zugabe von Natriumhydroxidlösung (NaOH) bei der Extrazellulärlösung bzw. Kaliumhydroxidlösung (KOH) bei der Kapillarenlösung exakt eingestellt. Beide Lösungen werden bei ca. 8ºC gekühlt aufbewahrt und können so über mehrere Tage verwendet werden. Der im Kapitel Transfektion beschriebene Elektroporationspuffer setzt sich zusammen aus 50 mM K2HPO4, 20 mM K- Azetat und 1l Aqua dest. Der pH-Wert liegt bei 7,35 und wird mit Essigsäure eingestellt.

Dieser Puffer wird steril filtriert und autoklaviert. Ebenfalls zur Transfektion wird PBS (phosphate buffered saline) verwendet, um die Zellen in der Kulturflasche zu reinigen. Es werden 10 Einheiten einer PBS-Stammlösung mit 1,3 M NaCl, 70 mM Na2HPO4, 30 mM NaH2PO4 in entionisiertem Wasser angesetzt und autoklaviert. Weiterhin wird zum Ablösen der HEK-Zellen vom Boden der Kulturflaschen Trypsin verwendet, welches im Verhältnis 1:10 mit PBS verdünnt wird.

3.2.4. Testlösungen und Versuchsabläufe

Als eine der Testlösungen wird Delmadinonacetat verwendet. Von dieser sehr lipophilen, pulverförmigen Substanz werden zunächst 0,024 g mit der Analysewaage abgewogen und in insgesamt 1 ml Chloroform und Dimethylsulfoxid (DMSO) gelöst. Durch Überführen in

(40)

99 ml der Extrazellulärlösung wird eine 60 µM Ausgangslösung hergestellt, die gleichzeitig in der Verdünnungsreihe die letzte Verdünnungsstufe darstellt. Ausgehend von dieser Konzentration werden nun Verdünnungsstufen von 30 µM, 10 µM, 3 µM und 1 µM Delmadinon hergestellt. Als Verdünnungsmittel dient eine 3 µM GABA-Lösung bzw. eine 10 µM Glycin-Lösung (jeweils angesetzt in der Extrazellulärlösung) für die Experimente am jeweiligen Rezeptor. Durch das Vermischen von Delmadinon und GABA respektive Glycin kann in den Versuchen so die Co-Applikation an den Ionenkanälen untersucht werden.

GABA und Glycin stehen ebenfalls in Pulverform zur Verfügung, werden jeweils zuerst als 1 mM Lösung angesetzt und anschließend zu den oben genannten Konzentrationen mit Extrazellulärlösung verdünnt. Als vierte Testlösung wird Progesteron verwendet, welches – wie Delmadinon – eine lipophile Substanz ist und sich schlecht in wässrigen Lösungen löst.

Aus diesem Grund muss es ebenfalls erst in 1 ml DMSO gelöst werden, um es anschließend in die Extrazellularlösung überführen zu können. Hierbei wird von einer 1 M Ausgangslösung eine Testlösung mit einer Konzentration von 100 µM hergestellt.

Zur Durchführung der Zellversuche werden sämtliche Testsubstanzen nacheinander in das zweikammerige Applikationssystem im Patch-Clamp-Messstand eingespült. Um am Anfang jeder Messreihe die korrekte Position der Zelle im Messstrahl zu verifizieren und eine maximale Stromantwort zu erhalten, wird zuerst die Applikation einer sättigenden GABA- bzw. Glycin-Konzentration (1 mM) als Kontrollmessung durchgeführt, gefolgt von einer Messung mit 3 µM GABA respektive 10µM Glycin. Die Kontrolllösung wird außerdem alternierend mit den Delmadinon-Testlösungen appliziert. Da die Testlösungen nacheinander in den gleichen Zylinder des Applikationssystems überführt werden, wird ein zweiminütiges Intervall zwischen den Einzelmessungen eingehalten. So kann man erstens wieder die vollständige Desensitisierung der Kanäle erreichen und. zweitens das Vorhandensein von Resten der vorhergegangenen Testlösung ausschließen. Aus letztgenanntem Grund werden die Agonisten GABA und Glycin in ihrer Ausgangskonzentration zuerst untersucht (3 µM bzw. 10 µM). Dann testet man die Testlösungen in aufsteigender Konzentration (das heißt, ausgehend von der 1 µM Delmadinonlösung bis zur 60 µM Konzentration jeweils in Co- Applikation mit 3 µM GABA bzw. 10 µM Glycin).

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Transport von nativen, Alexa®488-markiertem TeNT in SC-Neuronen, aber auch gleichzeitig die Dichtigkeit des eingesetzten Kammer-Kultursystems kann bei der

Es fällt auf, dass es eventuell zwei Mikrotubulischichten gibt (Pfeile). Das könnte bedeuten, dass eine von der Wirtszelle stammt und die andere vom Parasiten induziert wäre.

1) Die an den L5 MC mittels Puff-Applikation von GABA und Muscimol induzierten auswärtsgerichteten Ströme sind durch GABA A -Rezeptoren vermittelt. 2) Die durch

Die Hypoxie selbst hatte nur nach 2, 4 und 72 Stunden eine Expressionserhöhung zur Folge, was sich auch in Kombination mit IL-1β und/oder IGF1 zusätzlich bemerkbar

Neurone, die nach 24-stündiger Hypoxie für 48 Stunden unter Normoxie auf 33,5 °C gekühlt wurden, zeigten eine signifikant erhöhte Expression von RBM3- mRNA im Vergleich

In der vorgestellten Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Sekretion von IL-6, IL-1β und IL-23 durch MoLC nach der kombinierten Stimulation des TLR2, 4 und 9

Beim Vergleich von Poly-L-Lysin und Polyethylenimin zeigte sich nach einmaliger Transfektion von MMR61-Fibroblasten bei mannosyliertem Poly-L-Lysin ein schneller Abfall

PC12-Zellen wurden 24 h nach Transfektion auf Laminin-1 (LN1), Laminin-5-reicher Matrix (LN5-reich) mit 100 ng/ml NGF stimuliert und für weitere 48 h inkubiert.. Anschließend wurden