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2. Schrifttum

2.1. Epilepsie – eine neuronale Erkrankung bei Mensch und Tier

2.1.5. Medikamentelle Therapie

Überlieferungen zur Therapie der Epilepsie gibt es seit Jahrhunderten, da sie zu den ältesten beschriebenen Krankheiten gehört und in nahezu allen Kulturen – wenn auch unterschiedlich – beschrieben wurde. Wenngleich zu Beginn der Aufzeichnungen noch die magisch-mystischen Methoden eine bevorzugte Rolle spielten, wurden in der Frühen Neuzeit und dann vermehrt im 18. Jahrhundert pflanzliche Drogen verwendet (TAJERBASHI und FRIEDRICH 2007). Im 19. Jahrhundert, genauer gesagt 1912, wurde mit der Entwicklung des Phenobarbitals durch die Firma Bayer eines der bedeutendsten Antiepileptika auf den Markt gebracht (Anonym 1960). Bis zum heutigen Zeitpunkt wird die Verbesserung etablierter Präparate und die Entwicklung neuer Therapeutika angestrebt. Dabei stellt die Gesamtheit der Antiepileptika eine chemisch sehr inhomogene Gruppe dar, da es im ZNS mehrere Angriffspunkte für die verschiedenen Präparate gibt (BÖHME und LÜDDENS 2007). Man kann sie dementsprechend in drei große Hauptgruppen einteilen: 1. Verstärkung des inhibitorischen Potentials durch Unterstützung der γ-Aminobuttersäure (GABA); 2.

Reduktion der exzitatorischen Übertragung und der neuronalen Hyperexzitabilität und 3. Modulation der Durchlässigkeit der Membran für Kationen (Na+, Ca2+) an den entsprechenden Kanälen (PODELL 2006b). Im Gegensatz zur Humanmedizin ist die Anzahl der in der Veterinärmedizin anwendbaren Antikonvulsiva begrenzt. Als Gründe für diese erforderliche Selektion nennt (PODELL 1998) Toxizität für Tiere, schnelle Toleranzentwicklung, unvorteilhafte Pharmakokinetik und zu hohe Behandlungskosten. Ziel einer erfolgreichen antikonvulsiven Therapie ist die Reduktion der Frequenz und der Dauer der epileptischen Anfälle bei gleichzeitiger Vermeidung stärkerer Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von Präparaten. Deshalb sollte auch immer eine Monotherapie angestrebt werden (DEWEY 2006). Die Verminderung der Anfallshäufigkeit um ca. 50% stellt dabei schon eine erfolgreiche Therapie dar (MARSON et al. 1997). Dies muss bei der Beratung des Tierbesitzers nicht unerwähnt bleiben, da dieser in den meisten Fällen davon ausgeht, dass sein Tier nach Beginn einer medikamentellen Therapie anfallsfrei wird (DEWEY 2006).

Neben den neueren Präparaten, auf die im weiteren Verlauf noch näher eingegangen wird, stellt für (DEWEY 2006) das Phenobarbital (PB) noch immer das Mittel der Wahl dar. Als Monotherapeutikum kann es bei 60 bis 80% der behandelten Hunde erfolgreich eingesetzt werden. Der Wirkmechanismus beruht vornehmlich auf einer Verstärkung der GABA-Wirkung im Sinne eines verstärkten Cl--Einstroms (der dann die Membran weiter hyperpolarisiert), ferner reduziert PB den Ionenstrom durch die Ca2+-Kanäle und die Glutamat

vermittelte Exzitation (DEWEY 2006, PODELL 2006b). Die Halbwertszeit t1/2 von PB wird zwischen 40 und 90 Stunden angegeben, ein „steady state“ Level wird nach ca. 10 bis 15 Tagen erreicht (PODELL 1998). Beim Hund werden für eine Erhaltungsdosis 2mal täglich 1,5 bis 5 mg / kg Körpergewicht (KG) angegeben. (RAVIS et al. 1989) geben in ihrer Studie als Initialdosis 2,5 mg / kg KG 2mal täglich an. Als häufig genannte Nebenwirkungen treten – speziell in den ersten Wochen der Behandlung – vermehrt Sedation, Polyurie / Polydipsie, Polyphagie mit Gewichtszunahme und Ataxie auf. Wichtig ist dabei die regelmäßige Kontrolle des Serumspiegels, vor allem bei Dosierungsänderungen (DEWEY 2006). Ein so genanntes Add-On Präparat ist das Kaliumbromid (KBr), da es bei zusätzlicher Verabreichung zu PB bei vielen Hunden eine Anfallsreduktion um 50% erzielen kann. Der antiepileptische Effekt kommt wahrscheinlich zustande durch ein kompetitives Verhalten gegenüber Chloridionen; das Bromion ist imstande die Chloridkanäle zu passieren und das Neuron zu hyperpolarisieren (PODELL und FENNER 1993). Laut diesen Autoren beträgt die t1/2 von KBr beim Hund 24 Tage, nach Dewey (2006) sollten als Erhaltungsdosis 35 mg / kg Körpergewicht, verteilt auf zwei Gaben täglich, verabreicht werden. Die Nebenwirkungen sind ähnlich wie bei PB, zusätzlich kann es, gerade in Kombination mit PB, bei Hunden zur Entstehung einer Pankreatitis kommen (DEWEY 2006). Eine weitere Präparategruppe, die ebenfalls zu den „älteren“ Antikonvulsiva gezählt werden kann, stellen die Benzodiazepine dar, mit ihren Vertretern Diazepam, Clonazepam, Clorazepate, Midazolam und Lorazepam.

Sie greifen am inhibitorischen Teil der neuronalen Synapse an, indem sie die GABA-Wirkung verstärken. Vom Einsatz als orale Dauertherapeutika ist mit Ausnahme des Clorazepats bei den anderen Präparaten laut (DEWEY 2006) abzuraten, da die Halbwertszeit generell sehr kurz ist. Clorazepat besitzt eine t1/2 von 3 bis 6 Stunden, außerdem ist häufig eine schnelle Toleranzentwicklung zu beobachten. Nach Meinung des Autors ist die Hauptindikation für dieses Medikament die Kurzzeitbehandlung von Clustern (Gruppen von Anfällen) bei Hunden. Die anderen, oben genannten Wirkstoffe kommen für eine orale Anwendung kaum in Frage, eher für eine intravenöse Applikation beim Status epilepticus oder bei Cluster-Anfällen (DEWEY 2006).

Als neue Antiepileptika für Hunde bezeichnet (DEWEY 2007) Gabapentin, Felbamat, Levetiracetam und Zonisamid. Gabapentin wird, entgegen anfänglichen Annahmen, weder zu GABA metabolisiert noch bindet es am GABA-Rezeptor. Man vermutet eher einen Angriffspunkt an bestimmten Untereinheiten des L-Calciumkanals, wodurch sowohl die synaptische Freisetzung von Neurotransmittern verhindert wird, als auch eine Reduktion des postsynaptischen Calciumeinstroms erfolgt (SILLS 2006). Außerdem ist es, im Gegensatz

zum endogenen GABA in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren (DANNHARDT und KIEFER 2007). In einer älteren Studie werden für eine Bioverfügbarkeit von 80% beim Hund Dosierungen von 80 mg / kg KG angegeben (RADULOVIC et al. 1995). Die üblicherweise verabreichte Dosis beträgt 10 mg / kg KG alle 6–8 Stunden. Typische Nebenwirkungen sind leichte Sedation und Ataxie der Hintergliedmaßen (DEWEY 2007).

Bei dem Präparat Felbamat handelt es sich um ein Dicarbamat, welches die N-methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptor vermittelte neuronale Exzitation blockiert, die GABA vermittelte Inhibition potenziert und als dritten Wirkmechanismus spannungsabhängige Natrium- und Calcium-Kanäle inhibiert (RHO et al. 1994, DANNHARDT und KIEFER 2007).

Nebenwirkungen werden nur selten beobachtet, ein großer Vorteil dieses Präparats ist die Tatsache, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Medikamenten keine Sedation verursacht (PODELL 1998). Allerdings wird in manchen Fällen vom Auftreten einer Leberfunktionsstörung berichtet. Alle Tiere dieser Studie erhielten Felbamat als Add-On Therapie zu PB, so dass letztgenanntes Präparat eventuell die Ursache der Lebererkrankung darstellt (DAYRELL-HART et al. 1996). Da auch bei Felbamat die t1/2 üblicherweise bei 5 bis 6 Stunden liegt, wird die Verabreichung von 15 mg / kg KG alle 8 Stunden empfohlen.

(ADUSUMALLI et al. 1992) empfehlen in ihrer Studie eine Menge von 20 mg / kg KG 3mal täglich. Bezüglich der regelmäßigen Kontrolle des Serumspiegels gibt es verschiedene Meinungen: (PODELL 2006b) empfiehlt ein komplettes Blutbild inklusive Blutchemie einen Monat nach Beginn der Therapie und dann in einem 3-Monats-Rhythmus aufgrund von selten auftretenden Panzytopenien und Leberschäden. Im Gegensatz dazu kontrolliert (DEWEY 2006) den Serumspiegel wegen der großen therapeutischen Breite und der kostenintensiven Durchführung der Felbamat-Assays nicht routinemäßig, eine Ausnahme bildet allerdings die Kombinationstherapie mit PB.

Ein relativ neu entwickeltes Antiepileptikum stellt das Levetiracetam dar, das als Pyrrolidonderivat keine strukturelle Verwandtschaft mit den bekannten Präparaten zeigt (STEFAN und FEUERSTEIN 2007). Weiterhin besitzt es einen präsynaptischen Wirkmechanismus. Lynch und Mitarbeiter fanden heraus, dass die Bindungsstelle ein synaptisches Vesikelprotein (SV2) darstellt (LYNCH et al. 2004). Vorteile einer Therapie mit Levetiracetam liegen in der 100%-igen Bioverfügbarkeit, den verschwindend geringen Nebeneffekten, der guten Toleranz, der geringen Proteinbindung und des geringen Metabolismus (PATSALOS 2000, DEWEY 2006). Letztgenannter Autor erzielte nach seiner Aussage hervorragende Resultate bei Anwendung als Add-On Präparat. Im Gegensatz dazu

beschreiben Volk und Mitarbeiter nach 4–8 Monaten eine Erhöhung der Anfallsfrequenz (sog.

„Honeymoon-Effekt“) (VOLK et al. 2007). In dieser Studie wurde mit Dosierungen von 10 mg / kg KG 2mal täglich, bei anhaltender Therapieresistenz mit 20 mg / kg KG 2mal täglich gearbeitet. (DEWEY 2006) empfiehlt dagegen eine Initialdosis von 20 mg / kg KG 3mal täglich, bei (ISOHERRANEN et al. 2001) werden 10–20 mg / kg KG alle 10–12 Stunden angegeben.

Zonisamid ist ein Benzisoxazolderivat mit Sulfonamid-Seitenkette und seit 2006 in Deutschland beim Menschen zur Add-On Therapie zugelassen. Seine Wirkung entfaltet es durch Blockade von spannungsabhängigen Natrium- und Calciumkanälen vom T-Typ, wobei die neuronale Entladung unterbrochen werden kann. Allerdings ist der Wirkmechanismus nicht vollständig geklärt, diskutiert wird außerdem eine modulierende Wirkung der GABAergen Inhibition (DANNHARDT und KIEFER 2007). (DEWEY 2006) hat dieses Präparat bereits bei einer großen Zahl Hunden angewendet und bezeichnet es als effektives Einzeltherapeutikum mit wenigen bis keinen Nebeneffekten. Der Autor empfiehlt dabei eine Dosierung von 5 mg / kg KG 2mal täglich. Wird es allerdings als Add-On Präparat verwendet, sollte die Menge auf 10 mg/kg KG 2mal täglich verdoppelt werden. Auch in einer älteren Studie (LEPPIK 1994) empfiehlt der Autor 2mal täglich die Gabe von 5–10 mg / kg KG. Die Tatsache, dass Zonisamid nur 2mal am Tag verabreicht werden muss, stellt für viele Besitzer im Vergleich zu den meisten anderen neuen Antiepileptika einen deutlichen Vorteil dar, vor allem weil es zwischenzeitlich als kostengünstiges Generikum erhältlich ist (DEWEY 2007). Auch hier wurde das Auftreten einer Toleranz beschrieben

(VON KLOPMANN et al. 2007). Andere neue Antiepileptika werden nicht für die Anwendung bei Hund und Katze empfohlen (DEWEY 2006). In einem aktuellen Abstract wird von der Weiterentwicklung der „neuen“ Antiepileptika Gabapentin und Levetiracetam berichtet. Ein Nachfolger des Gabapentins ist Pregabalin, welches eine höhere Affinität für die α2ß-Untereinheit des spannungsabhängigen Calcium-Kanals besitzt. Als verbesserte Wirkstoffe des Levetiracetams werden Brivaracetam und Seletracetam bezeichnet, denen ebenfalls bessere Bindungseigenschaften am SV2A-Membranprotein zugeschrieben werden.

Da diese Präparate noch in klinischen Versuchsreihen getestet werden, ist die Pharmakokinetik noch nicht komplett entschlüsselt (DEWEY 2007).

2.2. Neuronale Rezeptoren in ZNS

2.2.1. Aufbau und Funktion des GABA-Rezeptors

Durch Decarboxilierung entsteht in den GABAergen Axonendungen aus der Aminosäure Glutamat γ-Aminobuttersäure (GABA), die im ZNS den wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitter darstellt. Man geht davon aus, das GABA an ungefähr 30% aller Synapsen im Gehirn binden kann (FREY 2000, TREIMAN 2001).

Abb. 1 Chemische Formel

γ-Aminobuttersäure (GABA)(http://www.wikipedia.org)

Nachdem GABA aus präsynaptischen Vesikeln in den synaptischen Spalt abgegeben wird, kann es an der postsynaptischen Membran am ligandenaktivierten GABA-Rezeptor binden.

Man unterscheidet den ionotropen GABAA- und GABAC- und den metabotropen GABAB -Rezeptor. Aktivierung des GABAA-Rezeptors führt zum Öffnen eines Anionenkanals, der die Durchlässigkeit für Cl--Ionen ins Zellinnere steigert und so durch eine Hyperpolarisation das Ruhepotential der Zelle noch verstärkt bzw. einer Depolarisation entgegen wirkt.

Einzelbausteine dieses ionotropen Rezeptorkomplexes sind verschiedene Untereinheiten, durch deren Kombination vielfältige Isotypen möglich sind (α 1–6, ß 1–3, γ 1–3, δ, ε, θ, π, ρ 1–3). Allerdings ist die Mehrheit der Rezeptoren im ZNS aus zwei α-, zwei ß- und einer γ-Untereinheit aufgebaut. Der Grundbauplan dieses Heteropentamers ist bei allen Isotypen gleich, an einen großen extrazellulären Bereich lagern sich vier Transmembranproteine (TM) an, von denen die TM2 aller Untereinheiten die Kanalpore bilden (BÖHME und LÜDDENS 2007). Neben der Bindungsstelle für GABA besitzt der GABAA-Rezeptor noch weitere Bindungsstellen für Barbiturate, Benzodiazepine, Picrotoxin und Neurosteroide (TREIMAN 2001). Die Wirksamkeit und die Wirkung der entsprechenden Substanz ist dabei abhängig von der Untereinheitenkombination in dem Rezeptorenkomplex, d.h. die Vermittlung der verschiedenen Effekte wird durch die Rezeptorsubtypen bestimmt (BÖHME und LÜDDENS 2007). Im Gegensatz zum GABAA-Rezeptor ist der GABAB-Rezeptor sowohl an inhibitorischen als auch an exzitatorischen Axonendigungen zu finden. Seine Aktivierung

führt zu einer Verminderung des Calcium-Einstroms und einer Erhöhung der Kalium-Leitfähigkeit (TREIMAN 2001). Während der GABAA-Rezeptor postsynaptisch lokalisiert ist, kann der GABAB-Rezeptor auch an der präsynaptischen Membran exprimiert sein.

Außerdem gehört der GABAB-Rezeptor zu den G-Protein gekoppelten Rezeptoren, d.h. durch die G-Protein-Aktivierung ist eine Verstärkung und schnellere Feinregulation des neuronalen Signals auf zellulärer Ebene möglich (FREY 2000).

Abb. 2 Schematischer Aufbau des GABAA-Rezeptors mit den

Bindungsstellen für die verschiedenen Moleküle

(http://homepage/psy.utexas.edu/hom epage/Class/Psy301/Salinas/sec2/Bra in/37.Gif)

2.2.2. Aufbau und Funktion des Glycin-Rezeptors

Der Glycin-Rezeptor (GlyR) zählt ebenfalls zur Gruppe der ligandenaktivierten Ionenkanäle.

Zu dieser Gruppe gehören neben dem GABAA- auch nicotinerge Acetylcholin- und Serotonin-Rezeptoren. Der GlyR ist ein wichtiger Vermittler für die synaptische Inhibition (UNWIN 1989, BETZ 1990). Der hauptsächlich im Hirnstamm und im Rückenmark, aber auch in der Retina vorkommende Rezeptor formt, eingelagert in die Zellmembran, ein Pentamer wie der GABA-Rezeptor. Diese Anordung wird gebildet aus drei ligandenbindenden α-Untereinheiten und zwei strukturellen ß-Untereinheiten, die jeweils vier Transmembransegmente besitzen (GRENNINGLOH et al. 1987, LANGOSCH et al. 1990).

Während von der ß-Untereinheit nur diese eine bekannt ist, existieren von der α-Untereinheit vier Isoformen: α1 bis α4 (BETZ et al. 1991). Nachdem die Bindung des Agonisten Glycin am GlyR erfolgt ist, öffnet sich eine integrale Kanalpore, die für Chloridionen selektiv permeabel ist. Dieser Einstrom verschiebt das Transmembranpotential zu einem

Chlorid-Gleichgewicht. Neben Strychnin, das eine hohe Bindungsaffinität zum GlyR besitzt, ist auch eine allosterische Modulation des Rezeptors für Zink (LAUBE et al. 1995) und volatile Anästhetika und Alkohole (DOWNIE et al. 1996, MIHIC et al. 1997) bewiesen. Des Weiteren wurde die Bindung von Neurosteroiden beschrieben, wobei die Ergebnisse in verschiedenen Studien in unterschiedliche Richtung gehen, was den Effekt der Steroide betrifft. So berichten (WU et al. 1990, WU et al. 1997) von einer antagonistischen Wirkung von Progesteron am Glycin-Rezeptor, wohingegen am GABAA-Rezeptor eine deutliche Potenzierung der agonistischen Wirkung von GABA zu beobachten war. In einer noch nicht veröffentlichten Studie aus dem Labor der Autorin wurde Progesteron in Patch-Clamp Experimenten in Co-Applikation mit Glycin eine potenzierende Wirkung zugesprochen (Krampfl, persönliche Mitteilung, 2007). Ein anderes Neurosteroid, Androsteron, hatte allerdings keinen potenzierenden Effekt.

Glycin, auch als α-Aminoessigsäure bezeichnet, stellt wie GABA eine essentielle Aminosäure dar. Agonisten am GlyR sind außerdem die Aminosäuren ß-Alanin und Taurin.

2.3. Klassische und neuroaktive Steroide

2.3.1. Chemischer Aufbau, Funktion und Wirkmechanismus

Steroide und Neurosteroide werden aus Cholesterol, der Grundform für diese Hormone, synthetisiert. Während die klassischen Steroide in Geweben wie der Nebenniere, den Gonaden oder der Plazenta produziert werden, sind Neurosteroide Hormone, die im ZNS oder peripheren Nervensystem (PNS) entstehen. Dieses Konzept der de novo Synthese im Nervengewebe wurde in den 80er Jahren von einer Forschergruppe um Baulieu postuliert. Sie fanden heraus, dass Steroide wie Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Pregnenolon im Nervensystem in höheren Konzentrationen vorlagen als im Plasma (BAULIEU 1998).

Abb. 3 Strukturformel Glycin

(http://www.wikipedia.

org)

Außerdem waren diese Stoffe auch lange Zeit nach Gonadektomie oder Adrenalektomie im ZNS zu finden (CORPECHOT et al. 1981, CORPECHOT et al. 1983). Den Beweis für die stattfindende Synthese lieferten einige Forscherteams, u.a. (COMPAGNONE und MELLON 2000), indem sie Enzyme im Nervengewebe nachwiesen, die auch in den klassischen o.g.

steroidalen Geweben die Hormonsynthese katalysieren. Zu den klassischen Steroidhormonen zählen neben den Gluko- und Mineralokortikoiden auch Androgene, Estrogene und Progesteron, die ihre Effekte über spezifische intrazelluläre Rezeptoren ausüben. Dagegen kann die Gruppe der Neurosteroide in zwei große Kategorien eingeteilt werden: die Cytochrom P450-Gruppe und die Nicht-Cytochrom P450-Gruppe. Das bedeutet, dass bei einem Teil der Hormone die Synthese aus Cholesterol von dem Oxidationsenzym Cytochrom P450 katalysiert wird (MELLON und GRIFFIN 2002). Neurosteroide sind im Gegensatz zu den klassischen Hormonen in der Lage, über eine längerfristige Wirkung die Expression spezifischer Gene zu modulieren (z. B. für Vasopressin und Corticotropin Releasing Hormon, CRH). Neben diesen als „genomische Effekte“ beschriebenen Wirkmechanismen können die Steroide aber auch an ligandengesteuerten Rezeptoren eine modulierende Funktion ausüben, speziell am GABAA-Rezeptor. Bei positiver Modulation (z.B. Progesteron) wird die GABAerge Wirkung verstärkt, indem die Hormone die Frequenz und Dauer der Chloridionenkanal-Öffnung verlängern, negative Modulatoren wie DHEAS und Pregnenolonsulfat hemmen dagegen den GABA-Rezeptor fast vollständig. Mittlerweile wurden auch andere Ionenkanäle wie z. B. der exzitatorische NMDA-Rezeptor als steroidsensitiv kategorisiert (MEHTA und TICKU 1999, WEISS und HESS 2000). Die klinischen Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich damit durch die modulatorischen Fähigkeiten an zentralen Rezeptoren für Erkrankungen wie Epilepsie, aber auch eine Anwendung als Anxiolytika, Sedativa oder Anästhetika ist denkbar. Da es sich aber teilweise um geschlechtsspezifisch unterschiedlich wirksame Hormone handelt, muss bei allen Indikationen mit einer unterschiedlichen Ansprechbarkeit der Geschlechter gerechnet werden (WEISS und HESS 2000). Die Wirkung von neuroaktiven Steroidhormonen wurde, Bezug nehmend auf die Frau, u. a. von (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006) ausführlich beschrieben. In ihrem Artikel machen die Autoren deutlich, dass sich sowohl aus klinischen, humanmedizinischen Beobachtungen als auch aus Tierversuchen die Tatsache erhärtet hat, dass Gonadenhormone einen starken Einfluss auf die neuronale Erregbarkeit, Krämpfe und Epilepsie haben. Dabei werden besonders Progesteron und Östrogen als modulierende Hormone hervorgehoben. Dass diese ursprünglich in den Gonaden synthetisierten Stoffe unter besonderen Umständen auch im Gehirn aus Cholesterol gebildet werden können, wurde

bereits beschrieben (BEYENBURG et al. 2001). Während Progesteron die Wirkung von GABA-Rezeptoren verstärkt und so Konvulsionen entgegenwirken kann, ist der neuronale Einfluss von Östrogen noch nicht bis in alle Einzelheiten geklärt. Als gesichert gilt jedoch die Tatsache, dass sich beide Hormone, abhängig von ihrer relativen Konzentration, gegenseitig beeinflussen. So ist zum Beispiel die Progesteron-Sensitivität abhängig von einer vorangegangenen Östrogen-Exposition, da von ihr eine Progesteron-Rezeptor Synthese induziert wird (PARSONS et al. 1982, SCHARFMAN und MACLUSKY 2006). Andere Studien wiederum bescheinigen Progesteron eine antagonisierende Wirkung auf Östrogen induzierte Effekte (CLARK et al. 1977, FEDER und MARRONE 1977, OKULICZ et al.

1981). Um wieder auf den Zusammenhang mit neuronalen Erkrankungen zurückzukommen, soll die Ursache der sog. „Catamenial Epilepsy“ näher beleuchtet werden. Diese Bezeichnung stammt von dem griechischen Wort catamenia, was epileptische Anfälle bezeichnet, die während der Menstruation auftreten. Inzwischen wird dieser Begriff benutzt, um eine Epilepsieform zu beschreiben, bei der Veränderung in Anfallsfrequenz, -schwere oder -typ in hormonellen Schwankungen während des gesamten Zyklus begründet sind (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006). Diese Autoren sind der Ansicht, dass kein direkter linearer Zusammenhang besteht zwischen hohen Östrogenspiegeln und erhöhter Anfallsfrequenz und hohen Progesteronspiegeln und reduzierter Anfallshäufigkeit, da auch in anderen Studien keine direkte signifikante Korrelation festgestellt werden konnte (BÄCKSTROM 1976).

Vielmehr scheint die Beziehung von Östrogen und Progesteron zusammengenommen, also der Quotient von beiden, einen signifikanten Zusammenhang mit dem Anfallsmuster von sieben in der Studie untersuchten Frauen zu haben (hoher E:P-Quotient, vermehrte Anfälle ) (BÄCKSTROM 1976). Diese Tatsache trifft nur auf den Zeitpunkt der Ovulation zu.

Abschließende Aussage bei (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006) ist, dass in Bezug auf den Einfluss von Östrogenen auf die Ausprägung von epileptischen Anfällen noch viele Studien nötig sind, um die Zusammenhänge noch tiefer gehender zu klären, da zu viele Effekte dieser Hormone zu existieren scheinen. Im Gegensatz dazu scheint es ziemlich klar zu sein, dass Progesteron einen antikonvulsiven Effekt ausübt (SCHARFMAN und MACLUSKY 2006).

Abb. 4 Syntheseweg der Steroide (von: http://de.wikipedia.org/wiki/Steroidhormone)

2.3.2. Delmadinonacetat

Delmadinonacetat ist der Wirkstoff in einem veterinärmedizinischen Präparat, das vornehmlich bei Hunden bzw. Rüden eingesetzt wird. Das Medikament mit dem Namen Tardastrex® wird von der Firma Pfizer vertrieben und ist ausschließlich als Injektionslösung zur intramuskulären und subkutanen Anwendung erhältlich. Die vom Hersteller angegebenen Anwendungsgebiete sind Prostatahypertrophie, kleine Adenome der Perianaldrüsen, sexuelle Hyperaktivität und eine androgen-abhängige Angriffslust, wenn eine Kastration nicht erwünscht ist. Als Gegenanzeigen sind Diabetes mellitus, schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Mammatumoren und Langzeittherapie mit Glukokortikosteroiden angegeben. Zu den bekannten Nebenwirkungen zählen Appetitsteigerung, vorübergehende Polydipsie und Polyurie, gesteigerte Anhänglichkeit und ungewöhnlich ruhiges Verhalten.

Über die pharmakodynamischen Eigenschaften des Präparates schreibt der Hersteller folgendes: „Delmadinonacetat ist ein synthetisches langwirksames Progesteronderivat mit progestagener, antiandrogener und schwacher glukokortikoider Wirkung. Es blockiert Androgenrezeptoren, hemmt die 5α-Reduktase und vermindert durch die Hemmung der

Gonadotropinausschüttung die Bildung von Testosteron. Delmadinonacetat vermindert die Insulinempfindlichkeit.“ Zu den pharmakokinetischen Eigenschaften steht in den Fachinformationen: „Delmadinonacetat wir in der Leber reduziert, hydroxiliert, deacetyliert und glucoronidiert und mit der Galle und im Urin ausgeschieden.“ (Herstellerinformationen Pfizer).

In den Gebrauchsinformationen, die dem Präparat in der Verpackung beiliegen, steht zusätzlich zu den oben bereits angegebenen Anwendungsgebieten als „weitere empfehlenswerte allgemeine Indikationen nach bisherigen Erfahrungen:“... Angriffslust und extreme Nervosität…“ (Gebrauchsinformation Tardastrex®, Pfizer). Nach Information der Autorin der vorliegenden Arbeit gibt es bislang nur einen veröffentlichten Artikel, der sich mit einem dem Delmadinon verwandten Stoff und der Fragestellung der Wirksamkeit bei Epilepsie bzw. epileptiformen Anfällen beschäftigt. Es handelt sich um eine Anfang der 1970er Jahre durchgeführte Studie, in der 89 Hunde (davon 70 Rüden und 19 Hündinnen), die vorberichtlich mit Krämpfen (hauptsächlich Grand-mal Anfälle) an der Tierärztlichen Hochschule Hannover vorgestellt wurden, als Probanden dienten. Alle Tiere bekamen initial eine intramuskuläre Injektion mit 1 mg / kg KG Chlormadinonacetat, die in vierwöchigen

In den Gebrauchsinformationen, die dem Präparat in der Verpackung beiliegen, steht zusätzlich zu den oben bereits angegebenen Anwendungsgebieten als „weitere empfehlenswerte allgemeine Indikationen nach bisherigen Erfahrungen:“... Angriffslust und extreme Nervosität…“ (Gebrauchsinformation Tardastrex®, Pfizer). Nach Information der Autorin der vorliegenden Arbeit gibt es bislang nur einen veröffentlichten Artikel, der sich mit einem dem Delmadinon verwandten Stoff und der Fragestellung der Wirksamkeit bei Epilepsie bzw. epileptiformen Anfällen beschäftigt. Es handelt sich um eine Anfang der 1970er Jahre durchgeführte Studie, in der 89 Hunde (davon 70 Rüden und 19 Hündinnen), die vorberichtlich mit Krämpfen (hauptsächlich Grand-mal Anfälle) an der Tierärztlichen Hochschule Hannover vorgestellt wurden, als Probanden dienten. Alle Tiere bekamen initial eine intramuskuläre Injektion mit 1 mg / kg KG Chlormadinonacetat, die in vierwöchigen