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1 Partizipation

1.4 Partizipation – Einflussfaktoren und Erkenntnisse

Im Zuge ihrer Forschungsarbeit, konnten Wright (et al. 2008: 752f) folgende Faktoren herausarbeiten, die auf die Realisierung von Partizipation Einfluss nehmen:

Haltung, d. h. es geht um einen Perspektivenwechsel: ein Projekt wird nicht mehr für, sondern mit einer „Zielgruppe“ ausgeführt, wobei Konkurrenz zwischen Einrichtungen eine Zusammenarbeit konterkarieren kann.

Ressourcen bzw. Aufwand: Neben Zeit sind auch Personal- und Sachmittel für den Aufbau einer Zusammenarbeit erforderlich, wodurch partizipative Zusammenarbeit kurzfristig teurer kommen kann. Gleichzeitig mit der Frage nach der Finanzierung erhebt sich die Frage der Abhängigkeit von den „GönnerInnen“, neben Geldern der Pharmaindustrie werden auch staatliche Gelder als problematisch („als potentiell korrumpierend“) betrachtet (vgl. Geißler 2004: 339).

Pflege der Zusammenarbeit, d. h. Zusammenarbeit muss aufgebaut und gepflegt werden. Somit kann Partizipation auch als Entwicklungsprozess aufgefasst werden.

Weiters wird gegenseitige Transparenz als Voraussetzung für gelungene Zusammenarbeit erachtet.

Interessen und Einigkeit in den eigenen „Reihen“: Gemeinsame Interessen werden als Fundament der Zusammenarbeit gesehen, wobei Schwierigkeiten bei der Inerfahrungbringung der Zielgruppeninteressen konstatiert werden.

Fachlichkeit: Hierunter fallen u. a. klare Ziele und Standpunkte zu relevanten Themen.

Förderlich wirkt zudem ein gemeinsames Verständnis von Partizipation (als Entwicklungs-prozess). Vorteile einer konkretisierten, gemeinsamen Auffassung von Partizipation liegen in der Möglichkeit zur Überprüfung der Zusammenarbeit sowie des Standes der gewünschten Partizipation, welches die Transparenz und Handhabbarkeit für die Beteiligten fördert (vgl.

Wright et al. 2008: 754).

Als hinderlich können sich Tradition und Struktur des Gesundheitssystems erweisen (vgl.

Zakus/Lysack 1998: 8 mit Verweis auf Scientific Publication no 473; Nichter 1986; Foster 1987; Justice J Politics 1986). Es finden sich Anzeichen, wonach die in vielen Gremien herrschende Verschwiegenheitspflicht, welche auch als gewünschte Intransparenz verstanden werden kann, eine Hürde für die Rückkopplung der PatientInnenvertretung an die Basis darstellt (Kranich 2005). Zudem gibt es empirische Hinweise, dass Institutionalisierung ein Hemmnis darstellt, da Laien zwar bereit sind, beratend zu fungieren, aber kein Interesse an einer lang anhaltenden, entscheidenden Rolle hätten (Parkum 1980; Godbout 1981;

Lomas/Veenstra 1995 zit. n. White 2000: 471). Somit erweist sich Apathie als prinzipielle Hürde (ebd.).

Als weitere Barrieren können die professionelle Dominanz, d. h. Ungleichheiten im Wissen zwischen Laien und ExpertInnen (vgl. Krause 1977; Freidson 1970a; 1970b; Starr 1982 zit. n.

Charles/DeMaio 1993: 887) sowie Unterschiede im Organisationsgrad gesehen werden (vgl.

Charles/DeMaio 1993: 888). Partizipation kann auch als Bedrohung etablierter Machtstrukturen aufgefasst werden (Zakus/Lysack 1998: 8 mit Verweis auf Vouri 1986;

Werner 1988; Collins 1989; Collins/Green 1994).

Die Strategiegruppe Partizipation (2004b: 3ff) präsentiert Stolpersteine, welche für die Beteiligung hinderlich sein können und unterscheidet zwischen den Grenzen der Methode (nicht alle Beteiligungsmethoden eignen sich für ein Problem) und den Rahmenbedingungen.

„Demnach stoßen Beteiligungsprozesse an ihre Grenzen, …

wenn sich (potenziell) Betroffene und Interessiertenicht beteiligen wenn politischer Wille und Unterstützung fehlen

wenn es keinen Handlungs- und Gestaltungsspielraum gibt

wenn gesetzlich geregelte Standards und Grenzwerte (z. B. soziale oder ökologische) missachtet werden

wenn es nicht gelingt, soziale „Schieflagen“ zu vermeiden bzw. auszugleichen

wenn eine dauerhafte Pattsituation gegeben ist“ (Strategiegruppe Partizipation 2004b:

3ff).

Die Stolpersteine ergeben sich u. a. bei mangelnder Vorbereitung und unklarem Gegenstand des Beteiligungsprozesses, bei unklarem Umgang mit den Ergebnissen, wenn Information fehlt oder unverständlich vermittelt ist, wenn die Zusammenarbeit gestört/belastet ist sowie wenn geweckte Erwartungen nicht erfüllt werden (Strategiegruppe Partizipation 2004b: 6ff).

Die Strategiegruppe führt auch Gründe an, wann eine Beteiligung missbraucht wird, diese werden nachfolgend wiedergegeben (Strategiegruppe Partizipation 2004b: 10):

„gemeinsam erarbeitete Lösungen von einer einzelnen Person oder einer Gruppe öffentlich als deren Erfolg verkauft werden,

andere Ergebnisse als die gemeinsam erarbeiteten Lösungen dargestellt werden, - das Ergebnis des Prozesses nur selektiv und unvollständig dargestellt wird,

die erreichten Ergebnisse anders als vereinbart verwertet werden,

sie nur auf Zeitgewinn ausgerichtet sind, um eine für eine Gruppe möglicherweise ungünstige Entscheidung möglichst lange hinauszuzögern,

sie als „Beschäftigungstherapie“ für Gruppen mit wenig Ressourcen eingesetzt werden, um diese dann umso effektiver aus dem „Rennen“ zu werfen“.

Erfahrungen aus ausgewählten Ländern

Auch wenn die (direkte) Beteiligung von PatientInnen und BürgerInnen im Gesundheits-system in England, den Niederlanden und Deutschland weiter entwickelt ist, ist die dortige Umsetzung nicht problemlos:

Als Probleme der direkten Laienbeteiligungen in England können fehlende Bestimmungen (für Auswahl, Information und Unterstützung) für die beteiligten Laien gesehen werden (vgl.

Forster/Nowak 2006: 511). Zudem wird von Seiten der beteiligten Laien Kritik an mangelnder Transparenz und Rückmeldung sowie Überforderung und ExpertInnendominanz geübt (Forster/Nowak 2006: 511 mit Verweis auf z. B. Quennell 2001).

In den Niederlanden führten Bovenkamp (et al. 2009) eine qualitative Studie durch, welche u. a. ergab, dass die meisten Organisationen nach noch mehr Partizipationsmöglichkeiten verlangen, sich aber gleichzeitig Überforderung einstellt, da sie so oft angefragt werden, dass nicht allen Nachfragen nachgekommen werden kann, nicht zu letzt, weil es Schwierigkeiten gibt, Freiwillige hierfür zu finden, wodurch der Großteil der Arbeit von wenigen aktiven Mitgliedern wahrgenommen wird (vgl. Bovenkamp et al. 2009: 78). Abhilfe bzw. eine Bewältigungsstrategie bietet das Setzen von Prioritäten (Bovenkamp et al. 2009: 79). Viele Organisationen betonen die Notwendigkeit zusammenzuarbeiten, um ihre Position zu stärken und um alle gegebenen Partizipationsmöglichkeiten zu bewältigen (Bovenkamp et al. 2009:

79). Allerdings stehen die Gruppen auch vor der Gefahr, den eigenen Kurs durch die Mitarbeit an vorgegebenen Themen zu verlieren (Bovenkamp et al. 2009: 80).

Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass durch die Einbeziehung von PatientInnen-vertreterInnen als neue Gruppe, die etablierten Diskussionsrituale durchbrochen wurden und die PatientInnenorganisationen Kompetenzzuwächse erfuhren (vgl. Etgeton 2007: 227). Als (anfängliche) Probleme erwiesen sich allerdings die Auswahl und Legitimation der geeigneten PatientInnenorganisationen (vgl. Etgeton 2009: 108). So wurden bereits im Vorfeld der Gesundheitsreform Kriterien diskutiert und formuliert, die die Legitimation der PatientInnenorganisationen auf Bundesebene in Hinblick auf Mandat, Sachkunde, Unabhängigkeit und Transparenzanforderungen konkretisierten (vgl. Etgeton 2009: 108). Als größtes Problem erwies sich die Ressourcenfrage, da Beteiligung meist ehrenamtlich und in der Freizeit erfolgt und keine zusätzlichen Ressourcen für die Beteiligung vorgesehen sind (vgl. Etgeton 2007: 227; Etgeton 2009: 110). Durch die Beteiligung verlieren die beteiligten VertreterInnen auch teilweise ihre Unschuld, welches gemindert wird, indem sie über kein Stimmrecht verfügen und daher „nicht für die letztendlichen Entscheidungen haftbar gemacht werden können“ (Etgeton 2007: 228). Dennoch spricht sich Etgeton (2009: 100) dafür aus, PatientInnenvertreterInnen künftig bei Verfahrensfragen ein Stimmrecht zukommen zulassen und sieht dies als konsequente Weiterentwicklung.