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5 Beteiligungspraxis in einem ausgewählten Gremium

5.1 Die Gesundheitsplattform in einem ausgewählten Bundesland

Der Gesundheitsfonds übernahm im Zuge der Gesundheitsreform 2005 die Aufgaben des Landeskrankenanstaltenfonds und die Gesundheitsplattform löste die bisher bestehende Landeskommission ab. Die ursprüngliche Intention der Einrichtung der Landesgesund-heitsplattformen bestand darin, die Doppelgleisigkeit der Systeme (zwischen intra- und extramuraler Bereich) zu reduzieren. Aus diesem Grund gibt es im Wesentlichen drei Aufgabenbereiche der Gesundheitsplattform: den intramuralen Bereich (Krankenhäuser), den extramuralen Bereich (niedergelassener Bereich) sowie den Kooperationsbereich dieser beiden (Reformpool).

Der Reformpool (=Kooperationsbereich) bezieht sich auf die Förderung gemeinsam vereinbarter Strukturveränderungen oder Projekte, die Leistungsverschiebungen zwischen dem intra- und extramuralen Bereich auf Landesebene zur Folge haben, nach dem Grundsatz

„Geld folgt Leistung“ (Amler et al. 2006: 395). Zu den Zielen dieser Reformpool-Projekte zählt die Erhöhung der Effizienz und Effektivität des Gesundheitswesens (Bundes-gesundheitsagentur 2008: 2).

Die Befragten schreiben der Gesundheitsplattform vor allem dem intramuralen Bereich (Interview 5) und dem Kooperationsbereich (Interview 7, 8) Bedeutung zu. Die Aufgaben der Plattform sind gesetzlich geregelt und betreffen aus Sicht der Befragten (Interview 4, 5, 6) vorrangig Beschlüsse über Finanzierungsangelegenheiten (z. B. Zustimmung von Investitionsvorhaben der Krankenanstaltenträger und Investitionszuschüsse).

Mitglieder und SitzungsteilnehmerInnen

Die entsendungsberechtigten Stellen sind gesetzlich festgelegt. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, VertreterInnen weiterer Institutionen mit beratender Stimme, für eine Funktionsperiode oder im Bedarfsfall, ExpertInnen in einer Sitzung hinzuzuziehen. Die ordentlichen Mitglieder setzen sich aus je drei VertreterInnen des Landes und des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger29 und je einem Mitglied des Bundesministeriums für Gesundheit, des Gemeinde- und österreichischen Städtebundes, der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft, der Interessensgemeinschaft der geistlichen Krankenanstalten, der Ärztekammer sowie dem Patientenanwalt des Landes zusammen. Den Vorsitz hat ein/e VertreterIn des Landes, den stellvertretenden Vorsitz nimmt (zum Befragungszeitpunkt) ein/e VertreterIn der Sozialversicherung wahr. Jede entsendungsberechtigte Stelle kann ein oder mehrere Ersatzmitglieder benennen. Seit

Inkrafttreten des Gesundheitsfondsgesetzes, fungiert der Selbsthilfedachverband als Ersatzmitglied für die Patientenanwaltschaft.

Des Weiteren besteht die Gesundheitsplattform aus einem Mitglied ohne Stimmrecht sowie vier beratenden Mitgliedern. An den Sitzungen der Gesundheitsplattform nimmt weiters die Geschäftsstelle des Fonds teil, welche operative Aufgaben wahrnimmt. Unter anderem ist sie für die Sitzungsvorbereitung zuständig. Insgesamt nehmen etwa fünfundzwanzig Personen an den Sitzungen teil (Interview 5).

Sitzungen und Sitzungsteilnahme des Dachverbandes

Sitzungen der Gesundheitsplattform finden mindestens zweimal jährlich statt. Zwischen 2006 und 2009 wurden zehn Sitzungen abgehalten. Die Dauer der Sitzungen beträgt nach Einschätzung der Befragten (Interview 5-7) zwischen eineinhalb und vier Stunden.

Ob das ordentliche Mitglied oder ein Ersatzmitglied teilnimmt, wird abgesehen vom erkankungsbedingten Ausfall eines Mitgliedes, den geführten Interviews zufolge, pragmatisch in Abhängigkeit der zeitlichen Ressourcen oder der Sitzungsinhalte entschieden. Eine Sitzungsteilnahme des Ersatzmitgliedes in Anwesenheit des ordentlichen Mitgliedes wird als möglich erachtet, erfolgt in der Regel jedoch nicht. Wie oft der Dachverband insgesamt an Sitzungen der Gesundheitsplattform teilgenommen hat, wurde von den Befragten uneinheitlich30 angegeben. Belegt ist eine stimmberechtigte Teilnahme des ausgewählten Dachverbandes.

Der Weg zur Beschlussfassung

Über je mehr Mitglieder die Plattform verfügt, desto höher wird der Klärungsbedarf im Vorfeld der Sitzungen eingeschätzt (Interview 4). Die Sitzungen werden im Vorfeld von der Geschäftsstelle des Landesgesundheitsfonds und einem Präsidium (bestehend aus Vorsitzendem/Vorsitzender der Gesundheitsplattform, dessen StellvertreterIn, dem/der LeiterIn der Geschäftsstelle des Landesgesundheitsfonds und dem/der von der Gebietskrankenkassa gestellten VertreterIn in der Geschäftsstelle) vorbereitet. Es besteht weiters die Möglichkeit zur Entscheidungsvorbereitung, Fachausschlüsse einzurichten.

Fallweise (z. B. im Zuge von Reformpoolprojekten) werden auch Arbeitsgruppen eingerichtet (Interview 4, 5).

Der/Die Vorsitzende der Plattform hat die Tagesordnung zu erstellen, welche die Gegenstände der Beratungen und Beschlussfassungen enthält sowie die Zuteilung zu den drei

30 In Abhängigkeit von den Interviewpersonen wurde von keiner bis zwei Teilnahmen des Dachverbandes

Bereichen (Kooperationsbereich, extramuraler und intramuraler Bereich). Die Tagesordnung strukturiert zugleich den Sitzungsablauf. Die für die Sitzung benötigten Unterlagen (u. a.

Tagesordnung) müssen spätestens zwei Wochen vor der Sitzung den Mitgliedern und Ersatzmitgliedern zugestellt werden.

Im Vorfeld der Sitzung erfolgen informelle Gespräche (Interview 4-8) zur Entwicklung bzw.

Aushandlung einer gemeinsamen Sichtweise (Akzeptanzmanagement, Meinungs-bildungsarbeit, Überzeugungsarbeit). Die Akzeptanz einer Entscheidung ist in Hinblick auf deren Umsetzung entscheidend. Zudem wird es als zweckmäßig erachtet, dass getroffene Entscheidungen auch nach außen mitgetragen werden (Interview 4, 5). Entsprechend wird versucht, alle einzubinden, Kompromissbereitschaft bzw. Einsicht zu wecken und einen möglichst breiten Konsens zu finden.

In den Sitzungen erfolgt in unterschiedlichem Ausmaß Diskussion über die Beschlussanträge und gegebenenfalls Änderungen in diesen. Als Folge der informellen Einigung im Vorfeld, werden in der Regel alle Tagesordnungspunkte (mit überwiegender Mehrheit) in den Sitzungen offiziell beschlossen und nur in seltenen Fällen wird ein Beschluss vertagt. Formal ist die Gesundheitsplattform beschlussfähig nach ordnungsgemäßer Einladung, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Für einen gültigen Beschluss ist eine einfache Stimmenmehrheit erforderlich, wobei eine Enthaltung als Ablehnung gilt. Im Falle von Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des/der Vorsitzenden. Davon abweichende Beschlussfassungsregeln gelten, bei Angelegenheiten des Kooperationsbereiches, bei Angelegenheiten, die in die alleinige Zuständigkeit des Landes bzw. der Sozialversicherung fallen sowie bei Beschlüssen, die gegen Beschlüsse der Bundesgesundheitsagentur verstoßen.

Neben den Beschlussfassungen in der Sitzung, besteht die Möglichkeit des Umlauf-beschlusses, wonach der Beschlussantrag an die Mitglieder gesandt wird und diese binnen vierzehn Tagen ihre Zustimmung oder Ablehnung zurückmelden müssen. In diesem Fall werden Nichtäußerungen als Zustimmung gewertet. Die Möglichkeit des Umlaufbeschlusses wird eher selten wahrgenommen (Interview 6). Anwendung findet sie beispielsweise beim Beschluss über den Tätigkeitsbericht des Gesundheitsfonds.