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Ordnungspolitische Grundlagen der Förderung

Vor dem Hintergrund der oben schon beschriebenen sehr umfassenden Zieldimensionen der Förderung der Gesundheitswirtschaft und dem damit verbundenen breiten Maßnahmespektrum lassen sich für die politische Entscheidungsebene lediglich unverbindliche ordnungspolitische Grund-sätze formulieren.

Hierzu zählt insbesondere die Maßgabe, dass Förderungsmaßnahmen die Wettbewerbskräfte der Unternehmen stärken sollen, anstatt sie in dauer-hafte Abhängigkeit von externer Unterstützung zu bringen („Subventions-tropf“).

Um konkrete ordnungspolitische Leitlinien für die Förderung der Gesund-heitswirtschaft zu formulieren, bedarf es eines differenzierteren Blicks auf markt- und branchenspezifische Eigenheiten dieses Wirtschaftsbereichs.

Der übergeordnete Förderansatz und die Auswahl der einzelnen Förder-maßnahmen sind auf diese Eigenheiten abzustimmen und können ent-sprechend sehr unterschiedlich ausfallen, da z. B. Märkte in unterschiedli-chem Ausmaß dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind oder sich Branchen in unterschiedlichen technologischen Entwicklungsstadien be-finden.

Für die Wirtschaftsförderung in der Gesundheitswirtschaft bietet sich eine erste grundlegende Differenzierung mit Blick auf die in Kapitel 2 unter-schiedenen Anbieterbereiche an: den medizinisch-pflegerischen Kernbe-reich einerseits und den Vorleistungs- und ZulieferbeKernbe-reich (Medizintech-nik, Pharmaindustrie, Biotechnologie) andererseits. Während die Anbieter des Kernbereichs auf der Grundlage national organisierter sozialer Siche-rungssysteme auf weitgehend abgeschotteten Märkten agieren, befinden sich die Unternehmen des Vorleistungs- und Zulieferbereichs überwie-gend in einem internationalen Wettbewerb.

Dieser internationale Wettbewerb und die Orientierung am globalen Markt erzeugen prinzipiell einen sehr starken Effizienzdruck auf die Unterneh-men des Vorleistungs- und Zulieferbereichs, die kontinuierlich über ihre Parameter Preis, Qualität und Innovation bemüht sein müssen, rentabel zu bleiben, um nicht zum Marktaustritt gezwungen zu werden. Im Hinblick auf das Ziel, das Wirtschaftswachstum zu fördern, besteht die primäre

Funktion des Staates in der Rolle des „Wettbewerbshüters“, das heißt, er geht gegen wettbewerbseinschränkendes Verhalten der Unternehmen vor und bemüht sich um einheitliche („faire“) Wettbewerbsregeln für alle Marktteilnehmer. Die Wettbewerbspolitik wird häufig jedoch nicht zur Wirt-schaftsförderung gezählt, weil sie idealerweise überregional organisiert ist.

Die Wirtschaftsförderung auf regionaler Ebene hat im Bereich der Vor-leistungs- und Zulieferunternehmen der Gesundheitswirtschaft praktisch keine Möglichkeiten, die (Wettbewerbs-)Bedingungen auf den relevanten Absatzmärkten zu beeinflussen. Ihr wesentlicher Ansatzpunkt sind daher die regionalen Märkte für Produktionsfaktoren (Faktormärkte) mit dem Ziel, die Attraktivität der (eher) immobilen Faktoren so zu erhöhen, dass sie in der Lage sind, mobileres Produktionskapital zu attrahieren bzw. reits vorhandenes Produktionskapital in der Region zu halten. Das be-deutet konkret z. B., das regionale Potenzial an qualifizierten Arbeitskräf-ten zu fördern. Gerade in Branchen mit höherwertiger Technologie und wissensintensiver Produktion ist die Verfügbarkeit qualifizierten Personals ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für die Rentabilität von Unternehmen und damit letztlich für die Entscheidung, an welchem Ort Wertschöpfung stattfindet.

Maßnahmen der Wirtschaftsförderung, die auf Unternehmen der Vor-leistungs- und Zulieferindustrie abzielen, beziehen sich somit idealerweise auf den regionalen Arbeitsmarkt und auf die regionale Bildungsinfrastruk-tur. Darüber hinaus eröffnen sich durch die zunehmende Arbeitsteilung und Spezialisierung von Unternehmen Förderungsmöglichkeiten im Be-reich des sog. „Clustermanagements“. Vorteile einer räumlichen Konzen-tration von Unternehmen, die mit ihrem jeweiligen Spezialisierungsprofil unterschiedliche Wertschöpfungsbereiche abdecken (z. B. Forschung, Finanzierung, Vermarktung) können durch Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung schneller und weitergehend erschlossen werden.

Dies trifft insbesondere auf innovative, junge Branchen zu. Der BioRegio-Wettbewerb in den 90er Jahren wird überwiegend als gelungenes Beispiel dafür angesehen, die Potenziale einer clusterbezogenen regionalen Wirt-schaftsförderung zu erschließen.

Das Beispiel der Biotechnologie verdeutlicht schließlich, dass sich regio-nale Wirtschaftsförderung neben dem Arbeitsmarkt und dem Bildungsbe-reich unter bestimmten Voraussetzungen auch auf die Finanzierung un-ternehmerischer Aktivitäten beziehen kann. Die ordnungspolitische Grundlage einer solchen Förderung ist die Annahme, dass der marktliche Wettbewerb allein keine ausreichende Finanzierung von Grundlagenfor-schung in vergleichsweise „jungen“ Technologiebereichen wie der Bio-technologie hervorbringen kann. Ansatzpunkte für eine Förderung neuer Technologien, auch und gerade auf regionaler Ebene, ist die Finanzierung von Grundlagenforschung im Rahmen der öffentlichen Bildungs- und For-schungsinfrastruktur, aber auch die (rechtlichen) Voraussetzungen des

Technologietransfers in den Marktbereich, zu denen die Bereitstellung von Risikokapital gezählt werden kann.

Unter der Bedingung einer weitgehenden Abschottung vom internationa-len Wettbewerb sind für eine Wirtschaftsförderung des medizinisch-pflegerischen Kernbereichs andere ordnungspolitische Grundlagen heran-zuziehen. Während im Vorleistungs- und Zulieferbereich Tatbestände des Marktversagens nur in spezifischen Bereichen von Bedeutung für die För-deransätze sind (Bsp. Risikokapital), ist der Marktwettbewerb im Bereich der Kernleistungen weitgehend außer Kraft gesetzt und findet lediglich in stark regulierter Form statt („managed competition“). Dies lässt sich teil-weise mit Marktversagen begründen (z. B. hinsichtlich von Vorhaltekapa-zitäten in der stationären medizinischen Versorgung), teilweise mit be-stimmten sozial- und gesundheitspolitischen Zielen (z. B. in Bezug auf den Krankenversicherungsschutz in der Bevölkerung).

Es ist erklärtes Ziel der Gesundheitspolitik in Deutschland, die Vorausset-zungen für mehr Wettbewerb im Gesundheitsbereich zu schaffen. Bereits vor Jahren wurde die freie Kassenwahl für die Versicherten eingeführt;

heute wird versucht, mehr Vertragswettbewerb zwischen Krankenversi-cherern und Leistungserbringern zu organisieren. Diese Aktivitäten dienen letztlich der Förderung der Gesundheitswirtschaft mit Blick auf das Wachstumsziel. Allerdings finden sie überwiegend auf überregionaler E-bene statt. Für die regionale Wirtschaftsförderung hingegen hat die weit-gehende Marktabschottung im Kernbereich der medizinisch-pflegerischen Leistungen im Wesentlichen zwei Konsequenzen:

• Erstens fällt ein intensiver, globaler Wettbewerb in seiner Funktion als Erzeuger von Effizienzdruck und Wirtschaftswachstum weitgehend aus. Damit wird die Effizienz von Produktion bzw. Gesundheitsversor-gung zu einem stärker unmittelbaren Ziel der Förderung der Gesund-heitswirtschaft. Eine Beschränkung auf die klassische, überwiegend reaktive Wettbewerbspolitik (Kartellrecht, Missbrauchskontrolle) ist un-zureichend. Voraussetzungen für eine effiziente Produktion, die auf funktionsfähigen Märkten durch Wettbewerbsdruck erfüllt werden, wie z. B. Managementkompetenz, erfordern unter diesen Bedingungen zu-sätzliche marktexterne Impulse. Eine Politik der Förderung der Ge-sundheitswirtschaft sollte daher zum Ziel haben, solche Impulse her-vorzubringen, z. B. im Rahmen der Bildungsinfrastruktur.

• Zweitens hat die Förderpolitik die sozial- und gesundheitspolitischen Ziele, die der starken Marktregulierung zugrunde liegen, zu beachten.

Dies betrifft insbesondere die Nachfrageseite bzw. die Versicherten-und Patientenpräferenzen, z. B. im Hinblick auf den Zugang zu medizi-nischen Leistungsangeboten. Sie müssen expliziter Bestandteil der Förderpolitik sein; ihnen kann nicht ausschließlich mittelbar über eine Erhöhung der anbieterseitigen Wettbewerbsintensität entsprochen

werden, weil sich die Präferenzen der Leistungsempfänger nur einge-schränkt offenbaren.

13.2 Mögliche Ziele und Maßnahmen zur Gestaltung der