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Grundsätzlich gilt es, wie bei jeder Operation, auch bei einer Schilddrüsenoperation die Operationsziele zu erreichen. Hierzu zählt der Ausschluss von Malignität von Schilddrüsenknoten, das Entfernen von knotigem Gewebe bei der Struma multinodosa und mechanischen Einschränkungen, sowie die sichere und dauerhafte Beseitigung einer Hyperthyreose. Die Radikalität der Gewebsentfernung ist im We-sentlichen von der Risikoabwägung abhängig. Einerseits steht das Risiko der Persis-tenz und des Rezidivs, anderseits das Komplikationsrisiko. Zwar kann ein Funktions-verlust des Organs durch Hormonsubstitution ausgeglichen werden, sollte jedoch

2 Grundlagen 9 nicht außer Acht gelassen werden. Der Erhalt von normalem Schilddrüsengewebe in funktionell relevanten Mengen (ca. 2-3 g) unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung und Verminderung der Abhängigkeit von der Hormonsubstitution steht in Anbetracht der Risikoabwägung in der Diskussion [28].

Die Operationstechniken können nach ihrer Radikalität eingeteilt werden:

 Thyreoidektomie: beide Schilddrüsenlappen werden vollständig entfernt.

 Hemithyreoidektomie: vollständige Entfernung eines Schilddrüsenlappens.

 Subtotale Thyreoidektomie: Entfernung großer Teile von Schilddrüsengewebe.

Ein Restvolumen von 5-8 g verbleibt.

 Fast-totale Thyreoidektomie: Entfernung großer Teile von Schilddrüsengewe-be. Es verbleibt ein Restvolumen von < 5 g (nach Largiadèr)

 Weniger als Subtotal: Das Restvolumen beträgt > 8 g.

Diese Einteilung deckt sich weitgehend mit der Einteilung der Operationstechniken in der aktuell gültigen AWMF-Leitlinie „Operative Therapie benigner Schilddrüsener-krankungen“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie - Chi-rurgische Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie aus dem Jahr 2010. Ein Unterschied ergibt sich nur für die Definition der fast-totalen Thyreoidektomie, welche nach den Leitlinien aus 2010 mit < 2 g angegeben wird. Da sich die vorliegende Untersuchung aber auf die Zeit von 2001 –2010 bezieht, wurde bei der Angabe einer „fast-totalen Thyreoidektomie“ eine Schilddüsengröße von < 5 g angenommen, was entsprechend der Definition von Largiadèr [29] dem in Operationsberichten üblichen Sprachge-brauch dieser Jahre entsprach. Patienten, bei denen eine Operation nach Harley-Dunnhill mit einseitiger Hemithyreoidektomie und kontralateralem Schilddrüsenrest von bis zu 4 g durchgeführt wurde, fallen ebenfalls in diese Gruppe.

Des Weiteren können die Operationsverfahren in konventionell und mikroinvasiv differenziert werden:

 Konventionelles Verfahren: Die Eröffnung erfolgt durch den Kocher- Kragen-schnitt, als symmetrische Inzision zwei Querfinger oberhalb des Jugulums von 4-8 cm Länge. Nach Durchtrennung des Platysmas in der Inzisionslinie, wird die gerade Halsmuskulatur unter Schonung der oberflächlichen Venen gespal-ten.

 Mikroinvasives Verfahren: Die minimalinvasive Schilddrüsenoperation ist ein endoskopisches Verfahren. Der Zugang gelingt über einen verkleinerten, ca.

2 cm langen transcervikalen Schnitt im Jugulum. Eine neuere Entwicklung ist der transaxilläre bimamilläre Zugang [28, 30].

2 Grundlagen 10 2.6 Postoperative Komplikationen

Zu den postoperativen Komplikationen der Schilddrüsenchirurgie zählen im Wesent-lichen:

 Postoperative Nachblutung

 Recurrensparese bei einer Läsion des N. laryngeus-recurrens, die bei einsei-tiger Schädigung zu Heiserkeit, bei beidseieinsei-tiger Verletzung zu schweren Atemstörungen führt.

 Hypocalcämie als Folge eines Hypoparathyreoidismus bei Entfernen oder Schädigung der Nebenschilddrüsen. Dadurch können unter anderem Teta-nien, Parästhesien, Pfötchenstellung, Stimmritzenkrampf und EKG-Veränderungen auftreten.

2.7 Postoperative Medikation

Thyroxin: Die Operation an der Schilddrüse kann, je nach Menge des entfernten Schilddrüsengewebes, eine Hypothyreose zur Folge haben, die eine Thyroxinsubstitution unerlässlich macht.

Calcium und Vitamin D-Präparate: Kommt es bei einer Schilddrüsenoperation zur Entfernung oder Verletzung der Nebenschilddrüsen mit darauffolgender Hypocalcämie durch Hypoparathyreoidismus, ist eine Substitution durch die Gabe von Calciumpräparaten meist in Kombination mit Vitamin D-Präparaten indiziert. Bei der Wahl des Vitamin D-Präparates ist die alleinige Gabe von Vitamin D (z. B.

Decristol® oder Vigantol®) möglich, welches aber z. B. aufgrund einer sehr langen Halbwertszeit schwer steuerbar ist. Alternativ ist die Gabe von 1α-hydroxyliertem Vitamin D3 (z. B. Bondiol®), 1,25-Dihdroxycolecalciferol (Rocaltrol®) oder dem Vita-min D-Analogon Dihydrotachysterol (A.T.10®), die eine günstigere Pharmakokinetik haben, möglich. Im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen kommt aus traditionel-len Gründen bei schweren postoperativen Hypocalcämien fast ausschließlich eine Behandlung mit A.T.10® in Kombination mit Calcium-Gaben zum Einsatz.

3 Methoden 11

3 Methoden

3.1 Patientenkollektiv

Die vorliegende Arbeit erfasst die Daten aller Patienten, die sich im Zeitraum von 2001 bis 2010 am Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier einer Schilddrü-senoperation unterzogen haben. Mittels der Operationsberichte und Krankenakten wurden die für die Studie relevant erscheinenden Daten retrospektiv ermittelt. Es wurden ausschließlich Patienten mit zu Grunde liegender benigner Schilddrüsener-krankung berücksichtigt. Operationen an malignen SchilddrüsenerSchilddrüsener-krankungen wur-den demnach nicht in die Studie mit einbezogen. Insgesamt wurwur-den die Daten von 1996 Patienten ausgewertet. Da die Erhebung in Trier durchgeführt wurde, ist bzgl.

einer eventuell erforderlichen Beurteilung durch eine Ethikkommission örtlich die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz zuständig. Nach deren Auskunft ist ein Votum der Ethikommission der Landesärztekammer nur für Untersuchungen erforderlich, bei denen Interventionen bei Patienten (Untersuchungen, Therapien, Befragung) erfolgten oder die prospektiv durchgeführt werden. Ein Votum ist nicht erforderlich bei der anonymisierten, retrospektiven Auswertung ohnehin vorhandener Daten oder Messwerte, z. B. zur Qualitätskontrolle von Untersuchungs- oder Behandlungsme-thoden, wie im Fall der vorliegenden Untersuchung.

3.2 Datenverarbeitung und Statistik

Die ermittelten Daten wurden in Microsoft Office Excel 2007® aufgeführt. Ein Teil der statistischen Auswertung konnte ebenfalls mit Microsoft Office Excel 2007® bewältigt werden. Die weitere statistische Analyse wurde mit dem Programm SAS 9.2® durch-geführt. Die graphische Darstellung erfolgte ebenfalls mit dem Programm Microsoft Office Excel.

Bei den zu analysierenden Daten handelte es sich ausschließlich um zwei- oder multifaktorielle nominale Klassenvariabeln – z. B. Geschlecht, Diagnose, Operations-verfahren, Recurrensparese (ja/nein) etc. Die einzige kontinuierliche Messgröße, der Calciumwert, ist ebenfalls einer nominalen Klassenvariable (latente vs. manifeste Hypocalcämie) zugeordnet worden.

Die gewählten Auswertungsverfahren orientieren sich demnach vorwiegend an der deskriptiven und non-parametrischen Statistik. Neben der rein deskriptiven Häufig-keits- und Tabellenanalyse wird insbesondere der Chi-Quadrat-Test und des Weite-ren der exakte Test nach Fisher eingesetzt, um Zusammenhänge oder Unterschiede bei zweifaktoriellen Kontingenztafeln auf ihre Signifikanz zu testen. Dies betrifft z. B.

3 Methoden 12 zahlreiche Kreuztabellen zur Prüfung von Häufigkeitsunterschieden im Auftreten von postoperativen Komplikationen zwischen den einzelnen Operationsverfahren. Bei allen Signifikanz-Testungen wurde ein Signifikanzniveau von a = 5% bzw. p ≤ 0,05 festgelegt.

3.3 Eingabeparameter

Im Folgenden werden die in die Datenbank aufgenommenen Eingabeparameter im Einzelnen aufgelistet.

3.3.1 Präoperative Daten 3.3.1.1 Allgemeine Daten

 Aufnahmenummer

 Geburtsdatum des Patienten

 Geschlecht des Patienten

 Operationsdatum

3.3.1.2 Diagnosen

Folgende benigne Erkrankungen wurden im Einzelnen erfasst.

 Euthyreote Struma diffusa

 Isolierter kalter Knoten

 Isoliertes autonomes Adenom

 Struma multinodosa ohne Autonomie

 Struma mit diffuser oder multifokaler Autonomie

 Schilddrüsen-Zysten

 Morbus Basedow

 Thyreoiditis (außer M.Basedow)

 Sonstige Krankheiten

Zur weiteren Auswertung sind die wichtigsten Grunderkrankungen in drei Diagnose-gruppen zusammengefasst worden:

 Bilaterale Knotenstruma mit oder ohne diffuser oder multifokaler Autonomie

 Unilaterale Knotenstruma: Isolierter kalter Knoten oder autonomes Adenom

 Morbus Basedow

3 Methoden 13 3.3.2 Intraoperative Daten

3.3.2.1 Operationstechnik

Die Daten wurden verschiedenen Operationstechniken zugeordnet

 Totale Thyreoidektomie

 Fast-totale Thyreoidektomie (Restvolumen < 5 g) nach Largiadèr

 Subtotale Thyreoidektomie (Restvolumen 5-8 g)

 Weniger als subtotale Thyreoidektomie ( Restvolumen > 8 g)

 Hemithyreoidektomie

Weiterhin wurde vermerkt ob der Eingriff konventionell oder mikroinvasiv durchge-führt wurde.

3.3.2.2 Ausbildungsstand des Operateurs

Es wurde unterschieden, ob es sich bei dem jeweiligen Operateur um einen Assis-tenzarzt, Facharzt, Oberarzt oder Chefarzt handelte.

 Assistenzarzt

 Facharzt (ohne oberärztliche Leitungsfunktion)

 Oberarzt

 Chefarzt

3.3.3 Postoperative Daten 3.3.3.1 Komplikationen

Als Komplikationen wurden postoperative Nachblutung, Recurrensparese und posto-perative Hypocalcämie festgelegt. Auch Rezidivoperationen wurden als Komplikation eingestuft.

 Postoperative Nachblutung

 Recurrensparese: Aus dem Operationsbericht wurde lediglich das Vorhan-densein einer Recurrensparese entnommen. Es wurde weder ermittelt, ob sich die Recurrensparese uni- oder bilateral ausprägte, noch ihre Permanenz.

 Postoperative Hypocalcämie: In die Datenbank wurden die postoperativ ge-messenen Calciumwerte und, sofern vorhanden, die Calciumwerte bei Entlas-sung aufgenommen.

latente Hypocalcämie = Calciumwerte zwischen 2,0 und 2,2 mmol/l manifeste Hypocalcämie = Calciumwerte kleiner 2, 0 mmol/l

3 Methoden 14

 Rezidivoperation 3.3.3.2 Medikation

Es wurde weiterhin ermittelt, ob der Patient postoperativ ein Calcium-, Thyroxin- oder Vitamin-D-Präparat (AT 10) erhielt.

 Thyroxin 0/50/75/100/125/150/175/200

 Calcium ja/nein

 AT 10 ja/nein

4 Resultate 15

4 Resultate

4.1 Allgemeine Epidemiologie

4.1.1 Diagnosen

Die häufigste Indikation für eine Schilddrüsenoperation stellt die Struma multinodosa ohne Autonomie mit 60,7% (n = 1211) dar. Bei einer Struma mit diffuser oder multifo-kaler Autonomie wurde in 15,2% (n = 304) eine Operation durchgeführt, dicht gefolgt von dem isolierten kalten Knoten, der in 14,5% (n = 289) der Fälle die Diagnose zur Operation zeigt.

Sehr selten hat man sich für die Operation bei einer euthyreoten Struma (0,1%; n = 2), einer Thyreoiditis (0,3%, n = 5) sowie Schilddrüsen-Zysten (0,7%; n = 13) entschieden

Tabelle 3 und Abbildung 1 zeigen eine Übersicht der Operationsindikationen aller benignen Schilddrüsenoperationen, die vom 01.01.2001 bis zum 30.12.2010 am Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen durchgeführt wurden. Unter „sonstige Krankheiten“ sind die Patienten zusammengefasst, die aufgrund einer Trachealst e-nose oder C-Zell-Hyperplasie operiert wurden.

Tabelle 3: Absolute und relative Anzahl der Operations-Indikationen

Diagnose Anzahl

Patienten Relative Anzahl (%)

Struma multinodosa ohne Autonomie 1211 60.7

Struma mit diffuser oder multifokaler Autonomie 304 15.2

Isolierter kalter Knoten 289 14.5

Morbus Basedow 124 6.2

Isoliertes autonomes Adenom 44 2.2

Schilddrüsen-Zysten 13 0.7

Thyreoiditis (außer M. Basedow) 5 0.3

Sonstige Krankheiten 4 0.2

Euthyreote Struma diffusa 2 0.1

4 Resultate 17 4.1.2 Altersverteilung

Das mittlere Lebensalter bei einer Schilddrüsenoperation betrug 52,2 Jahre. Der jüngste Patient wurde im Alter von 4,2 Jahren, der Älteste mit 86,5 Jahren operiert.

Abbildung 3 zeigt die relative Verteilung des Lebensalters der Patienten bei Operati-on.

Abbildung 3: Lebensalter der Patienten bei Operation

Differenziert nach Diagnose und angewandter Operationstechnik fanden sich die in der nachfolgenden Tabelle 4 und Tabelle 5 aufgeführten mittleren Lebensalter. So-wohl bezüglich der zur Operation führenden Diagnosen als auch bezüglich der an-gewandten Operationstechnik gibt es keine signifikanten Unterschiede des mittleren Lebensalters (vgl. Abbildung 4 und Abbildung 5)

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 0

2.5 5.0 7.5 10.0 12.5 15.0

Relative Verteilung [%]

Lebensalter der Patienten bei Operation [Jahre]

4 Resultate 29

Tabelle 7: Nachblutungsraten (%) nach Wahl der Operationstechnik

Operationstechnik Absolute Anzahl Relative Anzahl

konventionelle Thyreoidektomie 15 2,2%

weniger als subtotale Thyreoidektomie 1 2,2%

fast-totale Thyreoidektomie 9 1,9%

mikroinvasive Thyreoidektomie 3 1,5%

subtotale Thyreoidektomie 3 0,9%

Hemithyreoidektomie 2 0,8%

Summe 33 1,7%

In der 6. und 7. Lebensdekade gab es signifikant mehr Nachblutungen als in der 3.-5.

Lebenddekade. Die Nachblutungsrate steigt somit mit zunehmendem Alter an (vgl.

Tabelle 8 und Abbildung 16)

Tabelle 8: Nachblutungsraten (%) nach Altersdekade (n.s.= nicht signifikant)

Altersdekade Absolute Anzahl Relative Anzahl (%) Signifikanz (p<0,05)

30-39 2 0,7 Vs. 60-69; 70-79

40-49 4 0,8 Vs. 60-69; 70-79

50-59 7 1,3 Vs. 60-69; 70-79

60-69 13 3,3 n.s.

70-79 7 3,9 n.s.

Summe 33 n.s.

4 Resultate 33

Abbildung 19: Anteil (%) einer postoperativen Hypocalcämie im 10-Jahres-Verlauf

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass man unabhängig von der zugrunde liegenden Schilddrüsenerkrankung und Operationsmethode bei fast jedem zweiten Patienten perioperativ einen grenzwertig niedrigen Calcium-Wert findet. Eine klinisch relevante Hypocalcämie unter 2,0 mmol/l lässt sich in den ersten Tagen nach der Operation besonders bei Patienten nachweisen, die aufgrund einer bilateralen Knotenstruma oder eines Morbus Basedow konventionell oder mikroinvasiv total oder fast-total thyreoidektomiert wurden.

4.4.3 Recurrensparese

Eine postoperative Recurrensparese tritt insgesamt in 6,4% (n = 128) der Fälle auf.

Diese Rate entspricht den passageren Recurrenspareseraten einiger Vergleichsstu-dien [31, 32, 33].

Im Vergleich zu den totalen, fast-totalen und Hemithyreoidektomien ist die Recurrenspareserate bei subtotaler Operationstechnik signifikant geringer (vgl. Ta-belle 11). Die Grunderkrankungen unterscheiden sich bezüglich des Auftretens einer perioperativen Recurrensparese nicht.

15,0%

26,3%

21,9%

27,1%

25,2%

21,5%

20,6%

18,2%

15,6%

14,7%

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Hypocalcämierate

4 Resultate 34

Tabelle 11: Recurrensparese am 1.-3- postoperativen Tag (%) (n.s.: nicht signifikant)

Recurrens-pareserate

Statistische Signifikanz

(p < 0,05)

Grunderkran- kung

[A] Bilateral Knotenstruma 6,9% n.s.

[B] Unilateral Knotenstruma 4,5% n.s.

[C] Morbus Basedow 6,5% n.s.

Art der Thyreoidektomie

[1] konventionell total 7,2% n.s.

[2] mikroinvasiv total 6,5% n.s.

[3] fast-total (Rest < 5 g) 8,0% n.s.

[4] subtotal (Rest 5-8 g) 2,9% vs. 1,2,3,5

[5] Hemi- 6,7% n.s.

[6] < subtotal (Rest> 8 g) 4,4% n.s.

In den letzten Jahren ist die postoperative Recurrenspareserate stetig gesunken (vgl.

Abbildung 20). Es fällt eine Parallelität zur abfallenden Rate der postoperativen Hypocalcämie auf (vgl. Abbildung 19).

Abbildung 20: Anteil (%) postoperative Recurrensparesen im 10-Jahres-Verlauf 3,2%

3,9%

5,9%

10,2%

7,8%

7,7%

6,5%

7,0%

6,0%

5,1%

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Recurrensparase

4 Resultate 38

Tabelle 12: postoperative Thyroxindosis (µg/Tag), Übersicht

Thyroxindosis [μg] Absolute Anzahl Relative Anzahl [%]

0 485 24.4

50 153 7.7

75 77 3.9

90 (Tropfen) 1 0.1

100 1215 61.0

125 41 2.1

150 15 0.8

175 1 0.1

200 4 0.2

Im 10-Jahres-Verlauf zeigt sich eine deutliche Zunahme der Notwendigkeit zu einer postoperativen Thyroxinsubstitution. Die Anzahl der mit Thyroxin behandelten Pati-enten ist von 53,5% im Jahr 2001 auf 92,7% im Jahr 2010 angestiegen und hat sich somit fast verdoppelt. Auch die mittlere Thyroxintagesdosis hat in den letzten zehn Jahren einen kontinuierlichen Anstieg erfahren (vgl. Abbildung 25 und Abbildung 26).

4 Resultate 40 Es liegt die Vermutung nahe, dass eine postoperativ substitutionspflichtige Hypothy-reose mit der Menge des operativ entfernten Schilddrüsengewebes zunimmt. Je weniger funktionsfähiges Drüsengewebe erhalten bleibt, desto schlechter kann der Körper den Bedarf an T3 und T4 ausgleichen.

Dieser Zusammenhang wird auch von der vorliegenden Studie bestätigt. Je radikaler die Operationstechnik, desto mehr Patienten erhielten eine postoperative Thyroxinmedikation und desto höher war die mittlere Thyroxintagesdosis. So wurden nach konventionellen Thyreoidektomien 90,3% (n = 606) Patienten und nach mikro-invasiven Thyreoidektomien 93,0% (n = 187) mit einer mittleren Dosis von > 90 μg Thyroxin/Tag therapiert. Bei subtotalen Thyreoidektomien hingegen erhielten nur 59,1% (n = 201) der Patienten im Mittel 53,4 μg Thyroxin/Tag (vgl. Tabelle 13).

In gleicher Weise verhält es sich mit der Thyroxinsubstitution in Zusammenhang mit der zugrundeliegenden Erkrankung. So erhielten Patienten mit Morbus Basedow oder bilateraler Knotenstruma, Erkrankungen die mehr und mehr radikal operiert werden, häufiger einer postoperative Thyroxinmedikation mit einer höheren mittleren Thyroxintagesdosis als Patienten, die an einer unilateralen Knotenstruma operiert wurden (vgl. Tabelle 14).

Tabelle 13: Thyroxinsubstitution differenziert nach Operationstechnik

Operationstechnik Absolute

Anzahl Relative Anzahl

Mittlere Thyroxindosis

[μg/Tag]

Konventionelle Thyreoidektomie 606 90,3% 92

mikroinvasive Thyreoidektomie 187 93,0% 95

Fast-totale Thyreoidektomie 319 67,3% 65

Subtotale Thyreoidektomie 201 59,1% 53

weniger als subtotale Thyreoidektomie 19 42,2% 37

Hemithyreoidektomie 176 69,8% 50

Sonstige Schilddrüsenoperation 3 23,1% 19

Summe 1511

4 Resultate 41

Tabelle 14: Thyroxinsubstitution differenziert nach Diagnosegruppe Diagnosegruppe Absolute Anzahl Relative

Anzahl Mittlere Thyroxindosis [μg/Tag]

Knotenstruma bilateral 1198 79,1% 77

Knotenstruma unilateral 193 58,0% 43

Morbus Basedow 106 85,5% 87

Summe 1497

Wenige Patienten erhielten nach einer konventionellen oder mikroinvasiven Thyreoidektomie am Entlassungstag noch kein Thyroxin. Zumeist handelte es sich hierbei um Patienten, die sehr früh nach der Operation entlassen wurden und in hyperthyreotem Zustand operiert worden waren oder bei denen am Entlassungstag noch Unklarheit bzgl. der Dignität der operierten Knoten bestand, so dass das Resul-tat zusätzlicher pathologischer Untersuchungen abgewartet werden sollte.

4.5.2 Calcium

Insgesamt erhielten 10,3% (n = 205) der Patienten bei Entlassung aus der stationä-ren Behandlung eine Calciumsubstitution. Jeder dieser Patienten wies einen perioperativ erniedrigten Calciumwert auf. Perioperative latente Hypocalcämien im Bereich von 2,0 – 2,2 mmol/l wurden in 3% (n = 29) der Fälle, manifeste Hypocalcämien unter 2,0 mmol/l in 40,2% (n = 166) der Fälle zum Entlassungszeit-punkt noch mit Calcium behandelt (vgl. Abbildung 27).

5 Diskussion 44

5 Diskussion

Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, Veränderungen der chirurgischen Operationstechniken bei benignen Schilddrüsenerkrankungen in der Zeit von 2001 bis 2010 an einer großen Zahl operierter Patienten zu eruieren sowie die Folgen dieser Änderungen für die behandelten Patienten darzustellen. Neben der Bedeu-tung des Operationsverfahrens wurden andere Kriterien wie z. B. die zugrunde lie-gende Erkrankung, das Alter und Geschlecht der operierten Patienten und die Erfah-rung der Operateure als Einflussfaktor auf das Resultat der Schilddrüsenoperation mit einbezogen. Das Resultat der Untersuchung ist als Diskussionsbeitrag zu der schwierigen Entscheidung gedacht, welchem Patienten mit welcher Grunderkran-kung man auf der Basis der bisherigen Erfahrung welche Form der chirurgischen Behandlung der Schilddrüse empfehlen sollte.

5.1 Epidemiologie

5.1.1 Diagnosen

Die Entscheidung für eine Schilddrüsenoperation hängt von pathophysiologischen und morphologischen Kriterien wie Malignität, knotigen Veränderungen sowie der Notwendigkeit zur Beseitigung einer Hyperthyreose, von den individuellen Begleit-umständen des Patienten wie z. B. Alter und Komorbidität und dessen individuellem Therapieziel ab. Der häufigste Grund für einen der mehr als 120.000 operativen Eingriffe an der Schilddrüse jährlich in Deutschland ist eine Struma. Bei der euthyreoten Struma ohne Autonomie ergibt sich die Operationsindikation meist aus der Strumagröße und damit einhergehender mechanischer Einschränkungen, da der Verkleinerungseffekt durch Medikamente relativ begrenzt ist [34].

Die Schilddrüsenautonomie stellt zunächst eine klassische Indikation für die Radio-jodtherapie dar. Bei deutlicher Schilddrüsenvergrößerung ist jedoch auch bei Auto-nomie eine Operationsindikation gegeben. Bei isolierten autonomen Adenomen sind Radiojodtherapie und Operation als gleichwertig zu betrachten [34].

Bei der Therapie des Morbus Basedow konkurrieren die drei gängigen Verfahren Medikamente, Radiojodtherapie und Operation miteinander. Eine Operationsindikati-on kommt insbesOperationsindikati-ondere dann in Frage, wenn thyreostatische Medikamente nicht vertragen werden, kontraindiziert sind oder nach mehrmonatiger medikamentöser Therapie keine Besserung der Hyperthyreose erreicht wurde. Weitere Gründe für eine Operation sind eine sehr große Schilddrüse mit lokal komprimierender Wirkung, die Notwendigkeit einer schnellen therapeutischen Wirkung oder wenn begleitend eine endokrine Orbitopathie besteht. [34].

5 Diskussion 45 Auch im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen war in den meisten Fällen der von 2001 bis 2010 operierten Patienten eine Struma die Diagnose, die zur Schilddrüsen-operation führte. Mehr als Zweidrittel der benignen SchilddrüsenSchilddrüsen-operationen wurden aufgrund einer bilateralen Knotenstruma durchgeführt. Davon waren 60,7% Strumen ohne Autonomie und 15,2% Strumen mit diffuser oder multifokaler Autonomie. Die übrigen Operationsindikationen verteilten sich auf die unilaterale Knotenstruma mit 14,5% bei isolierten Adenomen ohne Autonomie und 2,2% mit Autonomie und den Morbus Basedow in 6,2% der Fälle. Im Vergleich zur Untersuchung von R. Wentrup [9] an 2019 Schilddrüsenoperationen über den Zeitraum von 1985 – 1996 an der Charité in Berlin ist der Anteil der Operationen aufgrund eines Morbus Basedow, der dort bei 12,2% lag, in der vorliegenden Untersuchung niedriger. In der Berliner Un-tersuchung lag der Anteil der Struma-Operationen bei 64%. Dort wurden jedoch auch Operationen aufgrund bösartiger Schilddrüsenerkrankungen (6,3%) statistisch mit ausgewertet, die in der vorliegenden Erhebung nicht berücksichtigt wurden.

Die häufigste Indikation für eine Schilddrüsenoperation an einer benignen Schilddrü-senerkrankung stellt somit die bilaterale Struma ohne Autonomie dar.

5.1.2 Altersverteilung

Die einzelnen benignen Schilddrüsenerkrankungen haben unterschiedliche Altersgip-fel. So tritt zum Beispiel ein Morbus Basedow meistens zwischen dem 20. und 40.

Lebensjahr auf. Von einer Schilddrüsenautonomie sind vorwiegend Patienten über 40 Jahre betroffen [20,35]. Die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Le-bensalter und Operationsindikationen bei Schilddrüsenoperationen, ließ sich anhand der vorhandenen Fachliteratur nicht eindeutig beantworten.

In der vorliegenden Arbeit betrug das mittlere Lebensalter bei Schilddrüsenoperation 52,2 Jahre. Zusammenhänge zwischen Lebensalter und Operationsindikation wur-den nicht festgestellt. Auch die Wahl des Operationsverfahrens im Zusammenhang mit dem Lebensalter ergab keine signifikanten Unterschiede. Eine andere Untersu-chung zeigte, dass sich das Alter des Patienten nicht auf die beiden spezifischen Komplikationen der Schilddrüsenchirurgie, die postoperative Hypocalcämie und Recurrensparese, auswirkt [36]. Die Hypocalcämie-Rate ist in der ansonsten ver-gleichbaren Untersuchung von R. Wentrup [9] nur eingeschränkt beurteilbar, da dort eine transiente Hypocalcämie mit einem Plasma-Calcium unter 2,1 mmol/l bis zu 6 Wochen nach der Operation anders definiert ist als in der vorliegenden Untersu-chung. Im Vergleich zu den Daten von R. Wentrup [9] fand sich in dem in Trier ope-rierten Patientenkollektiv, möglicherweise aufgrund der radikaleren Operationstech-nik, eine höhere Rate an Nachblutungen und Recurrensparesen bei über 70-jährigen Patienten (vgl. Tabelle 16).

5 Diskussion 46

Tabelle 16 Komplikationsraten bei über 70-jährigen im Vergleich

Wentrup, R [9] Eigene Untersuchung

Zeitraum 1985 1996 2001 - 2010

Anzahl der Patienten 166 201

Rate der Nachblutungen 2,4% 3,5%

Transiente Hypocalcämie 18,1% 27,4%

Transiente Recurrensparese 4,8% 9%

5.1.3 Geschlechterverteilung

Die geschlechtsspezifischen Inzidenzen der einzelnen Schilddrüsenerkrankungen sind unterschiedlich. So ist das Auftreten einer euthyreoten Struma bei Frauen und Männern gleich häufig, wohingegen an einem Morbus Basedow 5-mal mehr Frauen erkranken als Männer. Insgesamt sind Frauen 4-9-mal häufiger von Schilddrüsener-krankungen betroffen als Männer [9, 20, 37, 38]. Postoperative Nachblutungen sind selten [9, 39, 40, 41], hängen möglicherweise von der Größe der Schilddrüse sowie vom Alter der Patienten ab (siehe unten) und sollen bei Männern mehr als doppelt so häufig auftreten wie bei Frauen [9, 39, 41]. In der vorliegenden Untersuchung gab es jedoch weder bezüglich postoperativer Nachblutungen noch bezüglich Recurrensparesen sowie Hypocalcämieraten statistisch signifikante Unterschiede (vgl. Tabelle 17). Im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen wurden zwar 2,5-mal mehr weibliche als männliche Patienten an benignen Schilddrüsenerkrankungen operiert, signifikante Unterschiede in der Operations-Indikation und der Radikalität des Operationsverfahrens bestehen jedoch nicht. Die mikroinvasive Technik fand ihre Anwendung jedoch eindeutig häufiger bei weiblichen als bei männlichen Patien-ten (vgl. Abbildung 8 S.21), was möglicherweise durch den Wunsch der Patientinnen nach kleineren Narben erklärt werden kann und somit kosmetische Gründe hat [42, 43].

5 Diskussion 47

Tabelle 17 Geschlechtsspezifische Komplikationsraten

Weiblich (n=1423) Männlich (n=573) Signifikanz (p) Nachblutungsrate 1,3% (n=19) 2,4% (n=14) > 0,05

Recurrensparese 6,3% (n=90) 6,6% (n=38) > 0,05 Hypocalcämie 23,6% (n=336) 13,4% (n=77) > 0,05

5.2 Operationsverfahren

Dem Schweizer Arzt Theodor Kocher gelang vor einem Jahrhundert die Mortalität der Schilddrüsenoperation durch sorgfältige Blutstillung und Antisepsis von 12,8% in 1878 auf 0,5% in 1917 zu senken [44]. Heute haben Schilddrüsenoperationen bei benigner Grunderkrankung fast keine Mortalität mehr. In den beschriebenen Fällen sind hauptsächlich ältere Risikopatienten betroffen [45, 46, 47]. Bei fast 2000 Opera-tionen im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen trat kein einziger derartiger Fall perioperativer Letalität auf.

Allerdings finden sich noch immer operationsbedingte Folgen wie eine Recurrensparese oder postoperative Hypocalcämie, deren Häufigkeit aber abhängig von der Grunderkrankung und der Operationstechnik zu sein scheint. Dieses sollte in der vorliegenden Arbeit mit ähnlichen Erhebungen vergangener Jahre an anderen Kliniken verglichen werden.

Die Indikation zur Schilddrüsenoperation war in dem untersuchten Patientenkollektiv ähnlich der Indikation vergleichbarer Untersuchungen [9, 41, 48, 49]. Allerdings

Die Indikation zur Schilddrüsenoperation war in dem untersuchten Patientenkollektiv ähnlich der Indikation vergleichbarer Untersuchungen [9, 41, 48, 49]. Allerdings