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1 Einleitung und Zielsetzung

2.3 Anforderungen an den Umweltschutz in Logistikdienstleistersystemen

2.3.3 Einflussnahme von Gruppen auf den Umweltschutz von

2.3.3.6 Nichtregierungsorganisationen

Zum Begriff der Nichtregierungsorganisationen oder auch Non-Government Organization (NGO) existieren unterschiedliche Definitionen.521 In dieser Arbeit findet die räumlich offene Definition der Vereinten Nationen Verwendung, welche NGO wie folgt definiert: “A non-governmental organization is any non-profit, voluntary citizens' group which is organized on a local, national or international level.”522 Als besondere Merkmale solcher Organisationen kommen diese durch zivilgesellschaftliche Initiative zusammen und verfolgend primär imma-terielle (non-profit) Ziele, d. h. Anliegen für andere Menschen oder auch das Gemeinwohl verfolgen, ohne dabei einer direkten bzw. unmittelbaren Klientelpolitik zu unterliegen.523 Besondere Bedeutung für die Entwicklung solcher Gruppen hatte die Herausbildung eines

„wissenschaftliche[n] Naturverständnis[es], das sich mit der Zunahme des wissenschaftli-chen Wissens und des öffentliwissenschaftli-chen Bewusstseins verbreitet hat“524. Im Kern dieses Naturver-ständnisses steht die „die Existenz eines globalen, interdependenten Ökosystems, das auch die Menschen einschließt und von dem die Möglichkeit des Lebens als solchem abhängt [...].“525 Eine solche Rationalisierung der Natur im globalen und sozialen Diskurs führte nach Meyer et al. (2005) zur Entstehung von Nichtregierungsorganisationen.526

Große nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen nehmen starken Einfluss auf den Umweltschutz von Unternehmen. Sie fordern insbesondere von Großunternehmen umweltschonendes Verhalten ein und der dabei aufgebaute Druck drängt diese zu mehr Umweltbewusstsein.527 Ferner kontrollieren sie regelmäßig die Umweltmaßnahmen von Unternehmen, um zu überprüfen, ob diese sich selbst auferlegte Standards einhalten und inwieweit diese ihr Engagement im Umweltschutz lediglich schönfärben (sog. Green-washing).528 Zudem können Unternehmen, deren Handlungen von den Vorstellungen inter-nationaler Umweltschutzgruppen abweichen, mithilfe von Öffentlichkeitsarbeit bekannt ge-macht werden.529 Das durch NGO erreichte Bekanntwerden von umweltschädlichen Verhal-ten kann zu negativen Auswirkungen auf die Nachfrage nach den ProdukVerhal-ten eines Unter-nehmens führen.530 Ein Beispiel für den Einflussnahme großer internationaler Umweltschutz-gruppen, bilden Initiativen in Bezug auf den Umgang des Unternehmens Shell mit der Öl-bohrplattform Brent Spar, die zu einem öffentlichen Boykott des Unternehmens geführt ha-ben.531 Neben dem direkten Einfluss auf Unternehmen nehmen die Gruppen auch auf die

521 Vgl. dazu Frantz/Martens (2006), S. 21-27.

522 Moore/Pubantz (2008), S. 312.

523 Vgl. Frantz/Martens (2006), S. 24.

524 Meyer et al. (2005), S. 246.

525 Meyer et al. (2005), S. 246.

526 Vgl. Meyer et al. (2005), S. 266.

527 Vgl. Mollenkopf et al. (2010), S. 20.

528 Vgl. Deutsche Post AG (2010), S. 57.

529 Ein Beispiel für ein Öffentliches Anprangern von Unternehmen bilden beispielsweise die Public Eye Awards in deren Rahmen Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung ausgezeichnet werden.

Vgl. Public Eye (2011).

530 Deutsche Post AG (2010), S. 57. Beispielsweise würden 91 Prozent der Konsumenten über eine Veränderung ihres Kaufverhaltens nachdenken, wenn sie von umweltschädlichem Verhalten eines Unternehmens erfahren würden. Vgl. Deutsche Post AG (2010), S. 57 auf Accenture (2007) verweisend.

531 Vgl. Gunkel (2010).

Gesetzgebung und Regulierung Einfluss und waren nach Meyer et al. (2005) ursächlich für die Entwicklung der internationalen und nationalen Regulierung des Umweltschutzes. 532 Große nationale und internationale Umweltschutzgruppen fokussieren sich vereinzelt auch auf LDL, wobei ihr Hauptaugenmerk jedoch nicht auf den Unternehmen, sondern insbeson-dere auf Verkehren und Verkehrsträgern bzw. den von ihnen ausgehenden Umwelteinwir-kungen liegt.533 So kritisiert beispielsweise der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.) schädliche Umwelteinwirkungen des Straßenverkehrs (z. B. CO2 -Emissionen, Partikelemissionen, Lärmemissionen, Bodenversiegelung, Zerschneidung von Naturräumen), des Schienenverkehrs (z. B. Lärmemissionen), des Schiffsverkehr (z. B.

Schiffsemissionen, Lärmemissionen, Abfall, Verwendung von Antifouling-Anstrichen) sowie des Luftverkehrs (CO2-Emissionen).534 Um eine Reduktion schädlicher Umwelteinwirkungen zu bewirken, versuchen große nationale und internationale Umweltschutzgruppen einen Einfluss auf die Gesetzgebung und Regulierung zu nehmen, indem sie beispielsweise direk-te Forderungen formulieren.535 Dabei besitzen die Umweltgruppen auch konkrete Vorstellun-gen, mit welchen Mitteln grundsätzliche oder auch spezifische Umweltprobleme vermieden werden können. So fordert beispielsweise der BUND zur Verringerung verkehrsbedingter Umweltprobleme, die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene, die Nutzung kombinierter Verkehre unter starker Nutzung Schiff oder Bahn, den Einsatz rollen-der Landstraßen, die Vermeidung innerstädtischer Transporte, die regelmäßige Erneuerung von Fuhrparks mit emissionsärmeren Fahrzeugen, wirksamen Schutz vor Feinstaub und Lärm.536 Hinsichtlich spezifischer Probleme wie Schiffsemmissionen werden beispielsweise Abgasreinigungssysteme für Schiffe, die strikte Umsetzung der IMO-Richtlinie oder die welt-weite Abschaffung von Schweröl als Schiffstreibstoff eingefordert.537 Anhand des oben vor-gestellten Masterplans für Güterverkehr und Logistik wird deutlich, dass es großen nationa-len und internationanationa-len Umweltschutzgruppen teilweise sogar gelingt, in den Prozess der Gesetzgebung und -regulierung des Umweltschutzes eingebunden zu werden.538

Neben der Einflussnahme auf die Umweltgesetzgebung und -regulierung des Verkehrs liegt in Einzelfällen der Fokus der Gruppen auch direkt auf der LDL-Branche. In der Vergangen-heit standen bereits Schiffsemissionen, die Nutzung umwelt- und gesundVergangen-heitsschädigender Mittel zur Begasung von Containern sowie die Verwendung von Verpackungen aus Kunst-stoffen oder Papieren aus Tropenholz im Fokus der Umweltschutzgruppen.539 In diesem Rahmen wird auch versucht, Einfluss auf Technik- und Energieeinsatz (insbesondere

532 “Erst in der Folge der später ausufernden Aktivitäten dieser [internationalen Umwelt-] Verbände entwickelte sich in größerem Umfang offizielleres staatliches und quasi-staatliches Handeln im internationalen Raum. Nicht-regierungsgebundene Diskurse und Verbände gingen also den formaleren und offizielleren organisationalen Strukturen voraus und trugen zu ihrer Entstehung bei.“ Meyer et al. (2005), S. 250.

533 Vgl. dazu BUND (2012a); Greenpeace (2012); NABU (2012).

534 Vgl. BUND (2012f); BUND (2012c); BUND (2012d); BUND (2006), S. 2ff.

535 Beispielsweise hat der BUND bezüglich einer umweltfreundlicheren Gestaltung des Verkehrs konkrete Forde-rungen auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene formuliert. Vgl. BUND (2006), S. 6; BUND (2018).

536 Vgl. BUND (2006), S. 2-5. Vgl. zu aktuellen Forderungen des BUND (2012b).

537 Vgl. BUND (2012e).

538 So wurden beispielsweise Umweltverbände an Workshops zur Entwicklung des Masterplans für Güterverkehr und Logistik beteiligt. Vgl. BUND (2012b). Vgl. zum Masterplan Abschnitt 2.3.3.1.

539 Vgl. Jungmichel (2010), S. 41.

erbarer Energien) der LDL zu nehmen.540 Ferner fordert beispielsweise die Deutsche Um-welthilfe e.V. die Bahnunternehmen in Deutschland auf, ihre Diesellokomotiven mit Rußparti-kelfiltern auszustatten, wofür auch von der Deutschen Bundesregierung eine entsprechende Unterstützung eingefordert wird.541 Neben dem reinen Einfordern von Maßnahmen ist seitens der großen nationalen und internationalen Umweltgruppen auch bereits öffentliche Kritik an LDL, die von den NGO-Anforderungen abweichen, beobachtbar.542 Parallel loben Umwelt-gruppen auch öffentlich LDL, die sich aus ihrer Sicht durch vorteilhafte Verhaltensweisen auszeichnen.543

Trotz der gezeigten Hinweise auf eine direkte Einflussnahme der großen nationalen und internationalen Umweltschutzgruppen, scheinen solche Fälle (noch) Ausnahmen zu bilden.

So konstatieren Wolf/Seuring (2010), dass keine der großen internationalen Umweltschutz-gruppen Druck auf LDL ausüben und ihr Einfluss kaum von LDL wahrgenommen wird.544 Neben den großen nationalen und internationalen NGOs treten in Bezug auf Logistikdienst-leister auch regelmäßig kleinere und lokale Umweltschutzgruppen in Aktion. Dabei handelt es sich um unmittelbar und lokal begrenzt von den Umwelteinwirkungen der LDL Betroffene, die als Bürgerinitiativen etc. in der Öffentlichkeit auftreten. Häufig verfolgen Bürgerinitiativen die Verringerung oder Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen der Verkehrsträger und versuchen dazu, Einfluss auf die Gesetzgebung und Regulierung sowie die Betreiber von Verkehrsinfrastruktur zu nehmen.545 Dabei werden auch konkrete Forderungen an die Gesetzgebung und Regulierung sowie die Betreiber von Verkehrsinfrastruktur gestellt.546 Der Einfluss der Gruppen hat bereits dazu geführt, dass Infrastrukturprojekte an die Forderungen der Bürgerinitiativen angepasst werden, und die Gruppen sogar an deren Planungen beteiligt werden.547 Letztlich haben die Bürgerinitiativen so direkten bzw. indirekten Einfluss auf die Betreiber und Nutzer von Verkehrsinfrastrukturen.

540 Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie diskutiert die Möglichkeiten der Deutschen Bahn AG ihren Bedarf an elektrischer Energie im Eisenbahnverkehr komplett über erneuerbare Energien zu decken und gibt Empfehlungen zu Mitteln, die dies ermöglichen.Vgl. Groscurth et al. (2011).

541 DUH (2010).

542 So kritisiert Greenpeace die Vermarktung des Einsatzes von elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen im Eisenbahnverkehr als „grüne PR“, da nur ein Teil der Energie tatsächlich aus erneuerbaren Quellen bezogen wird und die DB aus Sicht von Greenpeace deutlich aktiver die Nutzung erneuerbarer Energien fördern könnte.

Vgl. Greenpeace (2011). Weiterhin prangert die Deutsche Umwelthilfe e.V. an, dass die Deutsche Bahn entgegen früherer Zusagen beabsichtigt, neue Diesel-Rangierloks ohne Partikelfilter zu bestellen. Vgl. Denkler (2009).

543 So stellt der BUND in einer Broschüre zur umweltfreundlicheren Gestaltung des Verkehrs die Unternehmen Hermes Logistik Gruppe und Fiege als positive Beispiele dar. Vgl. BUND (2006), S. 5.

544 „None of the large and well-known non-governmental organisations (NGOs) like Greenpeace and WWF seem to exert any pressure on transport buyers and their 3PL with regard to transportation, and no dialogue on this specific issue exists between them and the market actors.“ Wolf/Seuring (2010), S. 94f. „Representatives of society, in this case mostly NGO’s, are hardly noticed by 3PL or transport buyers.” Wolf/Seuring (2010), S. 97.

545 Als Beispiel ist die Bürgerinitiativen-Gemeinschaft "IG Bohr" (Bahnprotest an Ober- und Hochrhein) zu nen-nen, die zur Erhöhung Lärmschutz betroffener Anwohner versucht, Änderungen der Trassenplanung beim Aus-bau der Eisenbahntrasse Rheintalbahn zu erreichen. Vgl. Schwenn (2011).

546 So fordert beispielsweise die Bürgerinitiative Lärmschutzbahn e.V. die Errichtung von Schallschutzwänden oder Tieferlegungen und Überdeckelungen von Eisenbahntrassen, oder die Bürgerinitiativen-Gemeinschaft "IG Bohr" den Bau von Tunneln. Vgl. Bürgerinitiative Lärmschutz Bahn e.V. (2011); Schwenn (2011).

547 Als Beispiel ist die Bürgerinitiativen-Gemeinschaft "IG Bohr" zu nennen, die in den Projektbeirat von "Baden 21" aufgenommen wurde, und dabei erwirkt hat, dass Bahnplanungen so verändert werden, dass Güterzüge durch Tunnel geleitet werden, statt außen herum. Vgl. Schwenn (2011).

Bewertung

Abschließend kann bezüglich der Nichtregierungsorganisationen zusammengefasst werden, dass diese Gruppe eine Anspruchsgruppe von Umweltschutz von Logistikdienstleistern bildet, da die Erreichung der NGO-Ziele (z. B. Intakte Umwelt, Vermeidung von Verkehrslärm etc.) von den Umwelteinwirkungen der Logistikdienstleister betroffen ist. Ferner kommt in Betracht, dass die Gruppe indirekt (über ihren Einfluss auf Gesetzgebung in Regulierung) sowie direkt Einfluss auf die Umweltschutzziele von Logistikdienstleistern nimmt.