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4 Material und Methoden

6.4 Neuroprotektiver Effekt der Parecoxib-Behandlung

Annähernd 60% der Temporallappenepilepsie-Patienten zeigen eine unilaterale Atrophie des Hippocampus; histopathologisch fällt bei diesen Patienten eine Neurodegeneration in der CA1- und CA4-Region des Hippocampus auf (Blümcke et al. 1999). Ein vergleichbarer Zellverlust wird in den Tiermodellen der Temporallappenepilepsie beobachtet, wobei die CA1-Region im Vergleich zum Humanpatienten weniger stark betroffen ist (Blümcke et al. 1999).

Die Behandlung mit Parecoxib führte in dieser Studie zu einer signifikanten Neuroprotektion in der CA1-Region des Hippocampus und im piriformen Cortex. Die Celecoxib-Behandlung erwies sich im Hippocampus (CA1, CA3 und Hilus des Gyrus dentatus) als neuroprotektiv (Jung et al. 2006). Als Konklusion zahlreicher Studien, welche neuroprotektive Substanzen nach SE verabreichten, stellte sich heraus, dass die Neuronen des Hilus des Gyrus dentatus am schwersten vor Neurodegeneration zu schützen sind (Löscher u. Brandt 2010).

Eine Vielzahl von Studien in verschiedenen Tier-Modellen (darunter auch das Kainat- und Pilocarpin-Epilepsie-Modell) haben gezeigt, dass selektive COX-2-Hemmer, einschließlich SC-58236, einen neuroprotektiven Effekt haben (Govoni et al. 2001;

Kunz u. Oliw 2001; Lapchak et al. 2001; Candelario-Jalil et al. 2003; Scali et al. 2003;

Gobbo u. O'Mara 2004; Kawaguchi et al. 2005; Kunz et al. 2005; Hewett et al. 2006;

Jung et al. 2006; Kelsen et al. 2006; Kunz et al. 2006; Reksidler et al. 2007; Ahmad et al. 2009). Daher ist es erstaunlich, dass Holtman et al. (2009) in keiner Gehirnregion eine Neuroprotektion durch die Behandlung mit SC-58236 feststellen konnten. Vermutlich sind die divergierenden Ergebnisse des neuroprotektiven Effekts, wie auch der Anfallsdetektion, in den unterschiedlichen Versuchs-Protokollen begründet (Tabelle 6). Gemeinsam ist den Studien von Jung et al. (2006), Holtman et al. (2009) und dieser Arbeit, dass ein selektiver COX-2-Hemmer (Celecoxib, SC-58236, Parecoxib) nach SE verabreicht wurde. Die Dauer des SE sowie der Behandlungszeitraum wichen in den drei Arbeiten voneinander ab. Jung et al. (2006) brachen den SE nach 60 Minuten mit Diazepam ab, in dieser Arbeit wurde er ebenfalls mittels Diazepam unterbrochen, jedoch nach 90 Minuten. Bei Holtman et al.

(2009) wurde der SE nach vier Stunden mit Hilfe einer Isofluran-Narkose vorübergehend unterbrochen, was zu einer SE-Dauer von insgesamt 9-10 Stunden führte. SC-58236 wurde vier Stunden nach SE-Beginn verabreicht, dieser Zeitpunkt lag aufgrund der transienten Unterbrechung innerhalb des SE-Geschehens.

Vorausgegangene Arbeiten ergaben, dass COX-2-Hemmer zu einer Verstärkung der Anfallsaktivität führen, wenn sie vor einem SE verabreicht werden (Baik et al. 1999;

Gobbo u. O'Mara 2004; Kim et al. 2008). Dieser Umstand und die lange Statusdauer,

wie Holtman et al. (2009) vermuten, könnten die negativen Ergebnisse der COX-2-hemmenden Behandlung in der Studie von Holtman et al. (2009) bedingen.

In dieser Arbeit korrelierte der neuroprotektive Effekt der Parecoxib-Behandlung nicht mit einer Reduktion der Anfallscharakteristika (Inzidenz, Frequenz, Dauer). Wie bereits erwähnt, wurde in anderen Studien dargelegt, dass eine Neuroprotektion nicht mit einer Auswirkung auf die Anfallsausprägung vergesellschaftet sein muss (Brandt et al. 2003a; Pitkänen u. Kubova 2004; Brandt et al. 2006; Nehlig 2007). Es besteht dennoch die Möglichkeit, dass sich eine Reduzierung des Neuronenverlusts positiv auf das Ansprechen einer Therapie mit bekannten Antiepileptika auswirkt.

Mehr als 30% der Epilepsie-Patienten (Kwan u. Brodie 2000) und bis zu 75% der Temporallappenepilepsie-Patienten (Spencer 2002) sind resistent gegen die Behandlung mit den heute verfügbaren Antiepileptika. Ein entscheidender, mit dieser Pharmakoresistenz assoziierter, Faktor ist die Degeneration der Neuronen im Hippocampus (Schmidt u. Löscher 2005). Daher könnte die prophylaktische Behandlung mit einem Neuroprotektivum nach einem Gehirninsult die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich entwickelnde spontane Anfälle mit bekannten Antiepileptika erfolgreich zu therapieren sind. Als ein weiterer, für die Entstehung einer Pharmakoresistenz bedeutender, Faktor wird der Multidrug-Transporter P-Glykoprotein diskutiert (Löscher u. Potschka 2005). Verschiedene Studien belegen, dass die selektive Inhibition von P-Glykoprotein die Aufnahme von Antiepileptika in das Gehirn steigert und somit eine antikonvulsive Therapie erzielt werden kann (Clinckers et al. 2005; Brandt et al. 2006a; Vliet et al. 2006).

Bauer et al. (2008) wiesen nach, dass die COX-2 eine zentrale Rolle bei der endothelialen Aktivierung von P-Glykoprotein im epileptischen Gehirn einnimmt. Sie zeigten des Weiteren, dass mittels einer selektiven COX-2-Inhibition, jedoch nicht mittels selektiver COX-1-Inhibition, dieser P-Glykoprotein-Anstieg als Folge erhöhter Glutamatkonzentrationen verhindert werden konnte. In Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen zeigten Zibell et al. (2009), dass die Behandlung mit Celecoxib den SE-induzierten Anstieg von P-Glykoprotein verhindert. Vliet et al. (2010) fanden, dass die selektiven COX-2-Hemmer SC-58236 und NS-398 ebenfalls die SE-induzierte Expression von P-Glykoprotein verhindern und darüber hinaus den durch spontane

Anfälle erzeugten P-Glykoprotein-Anstieg vermeiden. Denkbar ist, dass die gesteigerte Expression von Multidrug-Transportern im epileptischen Gehirn eine Kompensationsreaktion des Körpers auf die Anfalls-assoziierte Schädigung der Blut-Hirn-Schranke sein könnte (Holtman et al. 2010; Vliet et al. 2010). Zudem haben Multidrug-Transporter physiologische Funktionen, wie den Schutz des Körpers vor Xenobiotika (Huls et al. 2009). Aus diesen Gründen böte die Behandlung mit COX-2-Inhibitoren gegenüber P-Glykoprotein-COX-2-Inhibitoren den Vorteil, dass die basale Expression von P-Glykoprotein nicht beeinträchtig wäre.

In der Studie von Vliet et al. (2010) wurde herausgefunden, dass die Behandlung von epileptischen Ratten mit SC-58236 die Aufnahme des Antiepileptikums Phenytoin um 23% steigert. COX-2-Hemmer könnten daher eine pharmakologische Möglichkeit darstellen, die Dosierung von Antiepileptika zu verringern und dennoch therapeutisch wirksame Konzentrationen im Gehirn zu erreichen. Eine niedrigere Dosierung der Antiepileptika würde helfen, ihre Nebenwirkungen zu reduzieren. Zudem ist die Behandlung mit COX-2-Hemmern nach einem Gehirninsult möglicherweise eine Strategie, die Pharmakoresistenz zu überwinden. Schlichtiger et al. (2010) lieferten kürzlich erste Hinweise, welche diese Hypothese unterstützen. So führte die Behandlung pharmakoresistenter Ratten mit Celecoxib zu der gewünschten antikonvulsiven Wirkung einer nachfolgenden Therapie mit dem Antiepileptikum Phenobarbital.