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4 Material und Methoden

6.5 IL-1"-Hemmung als Strategie der Epilepsie-Prävention

Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass dem IL-1! eine entscheidende Rolle in der Epilepsie- und Anfallsentstehung zukommt. Beispielsweise konnte die Behandlung mit dem selektiven Caspase-1-Inhibitor VX-765 die Epileptogenese im Kindling-Modell unterbrechen (Ravizza et al. 2008a). Ein antikonvulsiver Effekt durch die Antagonisierung des IL-1-Rezeptors wurde sowohl in Mäusen (Vezzani et al.

2000) als auch in Ratten (Vezzani et al. 1999, 2002) festgestellt.

Ravizza et al. (2006a) postulieren, dass nach der Caspase-1-Hemmung ein Restgehalt an IL-1! im Gehirn verbleibt. Zudem sind weitere Enzyme wie

Matrix-IL-1!-Vorläuferprotein zu spalten (Hazuda et al. 1990; Black et al. 1988; Schönbeck et al. 1998). Ravizza et al. (2006a) vermuten, dass diese Enzyme zu dem Restgehalt an 1! beitragen. Um eine schnell eintretende und effektive Verhinderung der IL-1!-vermittelten prokonvulsiven Veränderungen im Gehirn zu erzielen, wurden daher in dieser Arbeit ein Caspase-1-Inhibitor (VX-765) und ein rekombinanter IL-1RA (Anakinra) verabreicht. Ravizza et al. (2008a) zeigten, dass VX-765 in einer Dosierung von 200 mg/kg täglich den Kindling-induzierten IL-1!-Anstieg verhindert und im Kainat-Modell die Anfallsaktivität verringert (Ravizza et al. 2006a). Koprich et al. (2008) veranschaulichten in einem Ratten-Modell für Morbus Parkinson, dass die Applikation von Anakinra (3,64 mg/kg/h via s.c. Minipumpen) zu einer Reduktion von Interferon-1-' und TNF-" in der Substantia nigra führt. Zuvor hatten Gutierrez et al.

(1994) und Clark et al. (2008) dargelegt, dass ein peripher applizierter rekombinanter IL-1RA die Blut-Hirn-Schranke überwindet und wirksame Konzentrationen im Gehirn erreicht. In Anlehnung an Koprich et al. (2008) wurde in dieser Arbeit Anakinra mit einer Dosierung von 3,5 mg/kg/h ebenfalls über s.c. implantierte Minipumpen verabreicht.

Der Verlauf des Körpergewichts während der Behandlungsphase kann als Indikator für die Verträglichkeit der pharmakologischen IL-1!-Hemmung herangezogen werden. Die SE-Vehikel-behandelten Tiere und die SE-VX-Anakinra-behandelten Tiere unterschieden sich in der Entwicklung des Körpergewichts nicht. Weder in der AG Vezzani noch in der hiesigen Arbeitsgruppe wurden Nebenwirkungen der VX-Anakinra-Behandlung beobachtet, so dass von einer guten Verträglichkeit der Behandlung ausgegangen werden darf. Im Vergleich zu der ersten Studie blieb in diesem Versuch die Reduktion des Körpergewichts nach SE aus. Diese Beobachtung ist mit der modifizierten SE-Induktion zu erklären: der SE war in der zweiten Studie kürzer und wurde zusätzlich zu Diazepam auch mit Phenobarbital unterbrochen, was zu einer schnelleren Normalisierung der Nahrungsaufnahme führte.

Der mittels ELISA bestimmte Gehalt an Anakinra im Plasma und CSF zeigte, dass auch in dieser Studie die s.c. Applikation eines rekombinanten IL-1RA zu hohen Konzentrationen im Zentralnervensystem führte. Auffällig war, dass der ermittelte

Gehalt an Anakinra im CSF denjenigen im Plasma überstieg. Es war zu erwarten gewesen, dass eine s.c. verabreichte Substanz in höheren Konzentrationen im Plasma vorliegt. Warum in diesem Versuch höhere Anakinra-Konzentrationen im CSF gemessen wurden, ist nicht bekannt. Eine mögliche Ursache könnte in der Pharmakokinetik liegen. Clark et al. (2008) verabreichten Anakinra i.v. (Bolus-Applikation von 10 mg/kg mit anschließender Infusion von 0,8 mg/Std über 24 Std) und ermittelten eine Halbwertszeit von 45 Minuten im Ratten-Plasma und von 4,7 Stunden im CSF. Aufgrund der längeren Halbwertszeit von Anakinra im CSF, wäre eine Kumulation im CSF eine denkbare Erklärung für die gemessene höhere Anakinra-Konzentration in diesem Versuch. Um eine wirkungsvolle Antagonisierung von IL-1! zu erzielen, ist ein Verhältnis von 100 (IL-1RA) zu eins (IL-1!) notwendig (Arend et al. 1990). Mit dem verwendeten ELISA war es nicht möglich, IL-1! im Plasma oder im CSF zu bestimmen. Nach Angaben des Herstellers war es ihm nur bei einer von zwanzig Plasmaproben möglich, mit diesem ELISA IL-1!-Konzentrationen oberhalb des niedrigsten Standards (31,2 pg/ml) zu messen. IL-1!

wird nach seiner Synthese schnell metabolisiert und ist daher, wenn überhaupt, nur in sehr geringen Konzentrationen im CSF nachweisbar. Aus diesem Grund wird IL-1!

in vielen Studien nicht im CSF, sondern direkt im Gehirngewebe nachgewiesen. Ein solcher Nachweis war in dieser Studie nicht möglich, da die Gehirne für die Immunhistochemie einer Perfusionsfixierung unterzogen wurden. Es werden weitere Versuche angestrebt, bei denen IL-1! direkt im Hippocampus-Homogenat gemessen werden soll. Bei diesen Versuchen ist angedacht, IL-1! zu einem früheren Zeitpunkt nach SE zu messen. Vorausgegangene Studien in der AG Vezzani und der AG Löscher haben gezeigt, dass IL-1! innerhalb kürzester Zeit nach SE ansteigt und sein Maximum auf mRNA-Ebene nach sechs bis 7,5 Stunden erreicht (De Simoni et al. 2000; Kuteykin-Teplyakov et al. 2009). Diese Tatsache könnte neben dem schnellen Abbau von IL-1! die nicht messbaren Konzentrationen von IL-1! sieben Tage nach SE im Plasma und CSF erklären.

Im Plasma und im CSF humaner Epilepsie-Patienten konnte nach epileptischen Anfällen ein Anstieg in der Konzentration von 6, jedoch keine Veränderung der

IL-Alapirtti et al. 2009). Lehtimäki et al. (2003) vermuten, dass ein Ausbleiben des IL-1!-Anstiegs im CSF nach einem Anfall darauf zurückzuführen ist, dass IL-1! im Gegensatz zu IL-6 nicht in den Meningen exprimiert wird. Alapirtti et al. (2009) erklären die Diskrepanz zwischen Anfalls-induzierter Erhöhung der IL-1!-Konzentration im Gehirngewebe und ausbleibendem Anstieg im Plasma sowie CSF damit, dass IL-1! vornehmlich im Hippocampus vermehrt produziert wird, einem Gehirnbereich, der weder einen Effekt auf die Cytokine im Plasma noch im CSF ausübt.

Rückschlüsse auf eine adäquate Dosierung des Caspase-1-Hemmers, VX-765, lassen sich durch die immunhistochemische Anfärbung des IL-1!-Proteins ziehen.

Ravizza et al. (2008a) belegten, dass der biochemische Nachweis des IL-1!-Proteins mit dem immunhistochemischen Nachweis des IL-1!-Proteins übereinstimmt. Sie zeigten auf diese Weise, dass die Behandlung mit VX-765 den Kindling-induzierten Anstieg von IL-1! verhindert. IL-1! wird nach einem Pilocarpin-induzierten SE von Astrozyten, Mikrogliazellen und Neuronen produziert, wobei sieben Tage nach SE vorwiegend Astrozyten IL-1! synthetisieren (Ravizza et al. 2008). In der vorliegenden Arbeit wurde IL-1! am fünften und am siebten Behandlungstag mittels immunhistochemischer Färbung dargestellt. Auf eine Charakterisierung der synthetisierenden Zellen wurde verzichtet. Eine Reduktion der Anzahl IL-1!-positiver Zellen war erst am siebten Behandlungstag zu beobachten. Es ist daher möglich, dass die Behandlung mit VX-765 erst nach sieben Tagen zu einer deutlichen Hemmung der IL-1!-Produktion führte. Im elektrischen Modell war insgesamt eine weniger stark ausgeprägte Neuoinflammation zu verzeichnen. Hier konnte mit der VX-Behandlung nach sieben Tagen eine Reduktion der IL-1!-positiver Zellen auf Kontroll-Niveau erzielt werden. Daher ist es möglich, dass im Lithium-Pilocarpin-Modell eine höhere Dosierung von VX-765 notwendig ist, um die ausgeprägte Neuroinflammation zu verhindern. Es ist nicht auszuschließen, dass die verzögert einsetzende IL-1!-Synthese-Hemmung, trotz gleichzeitiger Antagonisierung des IL-1-Rezeptors, zu dem Ausbleiben eines neuroprotektiven und antiepileptogenen Effekts der VX-Anakinra-Behandlung beigetragen hat.

6.6 Auswirkungen der IL-1"-Hemmung auf die SE-induzierte Neurodegeneration

Es ist bekannt, dass IL-1! den exzitotoxischen neuronalen Zelltod fördert (Allan et al.

2005; Bernardino et al. 2005). Ein direkter Zusammenhang zwischen der IL-1!-Produktion und Neurodegeneration wurde von Voutsinos-Porche et al. (2004) im Pilocarpin-Modell beschrieben. Vorausgegangene Studien belegen, dass die pharmakologische Intervention der IL-1!-vermittelten inflammatorischen Vorgänge im Gehirn den neuronalen Zelltod vermindern. Die Verabreichung von rekombinanten IL-1RAen erwies sich in vitro (Vogt et al. 2008) und in vivo (Relton u. Rothwell 1992;

Koprich et al. 2008) als neuroprotektiv. Hara et al. (1997) beschrieben erstmals, dass die Inhibition der Caspase-1 einen neuroprotektiven Effekt bewirkt. Ross et al. (2007) zeigten, dass ein selektiver Caspase-1-Inhibitor die Ischämie-induzierte Neurodegeneration deutlich reduziert.

Im Rahmen dieser Arbeit sollte untersucht werden, welchen Einfluss die duale Inhibition von IL-1! auf die SE-assoziierte Neurodegeneration ausübt. Die Quantifizierung der Neuronenanzahl ergab in diesem Versuch keinen deutlich ausgeprägten neuroprotektiven Effekt der IL-1!-Hemmung. Zwar unterschied sich im Cortex, im Hilus und in der Amygdala die Neuronenanzahl der Sham-behandelten Tiere (kein SE) nicht von der Neuronenanzahl der SE-VX-Anakinra-behandelten Tiere, jedoch konnte mit der IL-1!-hemmenden Behandlung kein signifikanter Unterschied in der Neuronenanzahl in Bezug auf die SE-Vehikel-behandelten Tiere erzielt werden. Eine mögliche Ursache für diesen Umstand ist die Tatsache, dass ein mittels Pilocarpin erzeugter SE zu einem massiven Neuronenverlust führt, welcher pharmakotherapeutisch nur schwer zu verhindern ist. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass die IL-1!-Hemmung nicht schnell genug erfolgte, um die SE-induzierten neurodegenerativen Prozesse aufzuhalten. Um zu ergründen, ob die Schwere des Insults oder ein nicht adäquates Applikationsregime zum Ausbleiben eines neuroprotektiven und antiepileptogenen Effekts der VX-Anakinra-Behandlung beigetragen hat, werden derzeitig weitere Vesuche in der AG Vezzani durchgeführt.

Dabei wurde eine kürzere SE-Dauer (drei Stunden, elektrisches Modell) gewählt,

eine initiale i.v. Bolus-Applikation von Anakinra (10 mg/kg) vorgenommen und eine längere Behandlung mit VX-765 (200 mg/kg, 2 x täglich über 7 Tage) durchgeführt.

6.7 Auswirkungen der IL-1"-Hemmung auf die Entwicklung