erst hier, sondern in
einem
jene Szene abschließenden Liede den Verlust seines Herrn, indem
er denGipfel-punkt
allerseiner
Leiden sieht, beklagt hätte.Daß
diesdort nicht geschah,
war
wesentlich eine Sache der—
rein äußerlichen—
dramatischen Komposition.Da
nämlich durch das unerwartete Eingreifen desMenelaus
die Hand-lungohne Pause
über den Punkt, andem
die beiden Teile der Tragödiezusammenstoßen, hinweg
geführtwor-den war
(V.1040
ff.) ^), so bot sich erst jetztdem Chor
Gelegenheit,dem
lange zurückgehaltenenSchmerz
Aus-druck zu geben.Das
Mißliche dabei ist nur— und
darüber
können
wirnun
einmal nicht so leichthinweg-kommen —
derUmstand,
daß, wie schon angedeutet, dieHandlung
inzwischen längst in einvöllig neues Stadium
eingetreten ist. Neue, wesentlich andereFragen
sind es, die jetzt dieGemüter
derZuschauer
auf das lebhafteste beschäftigen2)—
freilich,müssen
wir hinzufügen, nur1) Die im
Zusammenhang
mit der oben zurückgewiesenen Auf-fassung des Chores als des „idealisierten Zuschauers" stehende An-schauung, daß die Chorlieder die einzelnen Entnicklimgsstufen der Handlung zu markieren hätten (vgl. p. 16ff.), bedarf angesichts dieser gewiß auffallenden Tatsache, wie so mancher allgemeiner Satz, einer vorsichtigen Beschränkung.«) Also auch hier wieder (vgl.p. 12ff.) eine Divergenz zwischen
46 —
der
Zuschauer, für die dasDrama
zunächst geschrieben war, der athenischen Zeitgenossen des Dichters.Damit
sind wir auf einenauch
für unsreUntersuchung
außer-ordentlich wichtigenPunkt
allgemeinerer Art geführt: das Interesse, das diesem zweiten Teile der Tragödie anhaftet, liegt nicht innerhalb derHandlung,
es ist ein durchausaußerkünstlerisches. Es
ist hier das einzigeMal
in allen erhaltenen Stücken des Sophokles,daß
dieser—
seinen sonstigen künstlerischen
Grundsätzen
entgegen—
den „Wallungen und Stimmungen
des Tages Einfluß auf seine dichterische Arbeit gestattet"^j.Indem
er „in den beiden Atriden dasanmaßende Spartanertum
vor seinem athenischenPublikum
bloßzustellen" sucht, „spekuliert er auf dieGunst
der breitenMasse
des Volkes", das durchden
zur Zeit derAufführung
des Aias hochaktuellenKampf um
dieHegemonie
gegen den gefährlichen Rivalen aufs äußerste gereizt ist. Dieses „Hereinziehen einesfremden Elements" kann naturgemäß
hier sowenig
wie anderwärts künstlerisch vonSegen
sein.Schon
die alten Erklärerhaben
über den ganzen zweiten Teil des Aias ein vernichtendes Urteil gesprochen: . . . iustccyäq
xr^v dval-Qsaiv STteATEivac xb Squ/uu S^eXijaag sipvxQEvoato yutleXvae ro TQayixov
Tiäd-og. Die Erklärung, die sie für das,was
sie das Xvelv 6 TQayiy.6v Tiä&og geben {aTteYxel-vac d^ekr^oag rb dgä/ua) ist, wieRömer
a. a. 0.^) hervor-hebt, durch die—
vermutlichauch von
ihnen selbst schon vollzogene—
Berücksichtigung des hier vorliegendenana-chronistischen Elementes
zu rektifizieren; die Tatsache aber, daß der Schluß des Stückes, sobald das aktuelledem
Interesse des Zuschauers unddem
des Chores, die mit der Lehrevom
,,idealisierten Zuschauer" keineswegs zusammenstimmt.') Über diese Frage vgl.
Eömer
a. a. O. p. 584 und ausführ-licher Philologus 65, 1 (1906), p. 55 u. 61 ff. (Die Zitate sind bei-den Abhandlungen entnommen.)«) Phüol. 65, 1, p. 62 unten.
Interesse fehlt, gegenüber
„dem
einzig großartigen rqayi-Kov Ttdd-og" der übrigenHandlung
abfällt, steht wie fürsie, so auch für uns jedenfalls unerschütterlich fest.
Wo
aber dieses TQayixdi' rtäd-og, „die großen Leidenschaften", in
denen
J. Burckhardt^) mitRecht „den Hauptanhalt
deswahren
dramatischen Interesses" sieht, derHandlung
fehlen, da liegt es nach
dem
von unsnun
schon wieder-holt zurAnwendung
gebrachten Gesetz (vgl. p. 18, p. 44) überaus nahe, daß auch dervon
ihr so wesentlich ab-hängigen chorischenLyrik
die in der engenBeziehung
zurHandlung beruhende
dramatische Kraftund Wärme
fehlt.
Wo
sollte dieseauch
bei einer so „frostigen" (vgl.^^sipvxQEvoaxo^^)
Handlung herkommen?
Trach. 633
ff.Im Vorausgehenden
hat Dejanira arglos das vergifteteGewand,
das sie einst vondem
sterbenden
Kentauren
erhalten,dem
Lichas zur Über-bringung an Herakles übergeben (V.553
ff,), indem
Glauben, siekönne
durchden
Zauber, dernach
der Aus-sage des tückischen Nessos andem
Kleide haften sollte, des ungetreuen Gatten Liebe wiedergewinnen: ein Vor-gang, der bei aller Wichtigkeit für die weitere Entwicklung derHandlung dennoch
nur dieBedeutung
eines nicht auf voller dramatischerHöhe
stehendenÜbergangsgliedes
hat.
Es
fehlt der ganzen Szene ein für das „tragische Pathos" überaus wichtigesMoment:
derKonflikt; dem
Spiel der
Helden
steht kein oder kein energischesGegen-spiel gegenüber. Einen
schwachen Versuch
dazu hat zwar gleich zuAnfang
derChor gemacht
(V.588
f., 591 f.);seine
Warnung
aber, Dejanira solle denZauber
nichtohne
vorherige Probe zurAnwendung
bringen, ist von dieser bei der störenden Dazwischenkunft des Lichas mit kurzenWorten
abgetanworden
(594).Nun
ist es aber niemals Sache des Chores, einenStandpunkt im
Gegensatz zu einer*) Griechische Kiüturgesch. III, 3, p. 237.
Bühnenperson
auf sich allein gestellt zu behaupten. So unterläßt er esauch
hier unterdem
beherrschenden Ein-fluß der vorläufignoch
durch nichts getrübten Hofinungs-freudigkeit Dejaniras ^), seiner durch die Entschiedenheit der Heldin ohnehin stark erschütterten BedenklichkeitAusdruck
zu geben. Bis auf einige wenige, bezeichnender-weise möglichstunbestimmt
gehalteneWorte am
Schluß desGanzen
(V.666 —
62^)) vermeidet er es überhaupt aufden Punkt
einzugehen, indem
er sichnun
doch einmal nicht recht sicher fühlt. DieGedanken- und
Gefühlswelt, in der er sich mitdem
Preis derWiederkehr
des Heraklesbewegt
(V,633—59),
ist, abgesehen von einzelnen Motiven, die bereits in der TcccQoöog auftreten—
das Bild des abenteuerndenHelden
findet sich hier wie dort (vgl. V.647—50
u. 94—
104)neben dem
der trauernden Gattin(vgl. V.