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DER NATIONALE WIRTSCHAFTSPLAN ALS ENTWURF DER GESELLSCHAFTLICHEN WOHLFAHRT

Jede Art von Planifikation steht im Kampf mit dem Zufallsergebnis der Markt-kräfte. Daher versucht sie mit Hilfe nationaler Wirtschaftspläne, allen am Wirt-schaftsleben Beteiligten möglichst günstige Entscheidungsbedingungen zu sichern.

Diese "Orientierungshilfe" 1 der Pläne soll, zum Teil unterstützt durch ein umfang-reiches Instrumentarium, zu einem das Marktgeschehen überschreitenden Ergebnis führen. Andernfalls kann nicht im eigentlichen Sinn von "Plan" gesprochen wer-den.2

I. P L A N I F I K A T I O N A L S BESTIMMUNG EINER G E S E L L S C H A F T L I C H E N Z I E L O R D N U N G

Im Gegensatz also zur reinen Vorausschau auf verschiedene mögliche Entwick-lungen besteht die Orientierung durch die Pläne darin, eine Reihe von Zielen vorzu-schlagen, die während der Planungsdauer erreicht werden sollen.3 Eine solche Ziel-ordnung hat zwei Charakteristiken:

1. Der Plan setzt der Gesamtgesellschaft Ziele. Er ist prospektiv, denn er reicht über die gegenwärtige Lage hinaus und richtet sich auf das, was die Menschen in der Zukunft benötigen.

2. Die Ziele stehen in einer kohärenten Gesamtperspektive, welche die Interde-pendenzen der Wirtschaftsgrößen und deren Gleichgewicht klarlegt.

1) Offiziell wird der Plan in Frankreich als 'instrument d'orienration de l'economie' bezeich-net: vgl. loi no. 56-342 du 27 mars 1956, Journal officiel du le ra v r ü 1956, art 1. Masse bevorzugt den Ausdruck "cadre de reference pour Taction". So etwa in: Introduction et vue d'ensemble du IVe Plan, 61.

2) P. Bauchet: La planification franchise. Quinze ans d'experience, 35.

3) B. Cazes: Prinzipien und Methoden der französischen Planung, 158. A u c h M Gardaz: L'ex-perience fransaise de planification . . . , 211.

106 Die sozialethische Ordnungskonzeption der Planifikation

Die Planifikation beabsichtigt, die gesellschaftliche Wohlfahrt in einer Gesamt-schau zu erfassen und daran die Wirtschaftsaktivität aller auszurichten. Somit ist der Plan Ausdruck einer für wünschenswert erachteten gesellschaftlichen Zukunft, ein Gedanke, der klar hervortritt, wenn etwa Perroux den Plan als "bevorzugtes Bild der Struktur der Gesamtwirtschaft" bezeichnet.4 Hier fällt notwendigerweise eine normative Vorentscheidung, über die sich die Planifikateure durchaus im klaren sind. Denn ihre erste Frage ist immer die, auf welche Ziele sich die Wirtschaft hinbewegen soll0 und wie die Kooperation der Gesellschaft auf dem Gebiet der Gütererstellung und -Verteilung aussehen soll. Dieser vorgefaßten Idee der wirt-schaftlichen Ordnung liegen bewußte Wertprämissen zugrunde, deren sittlichen Kontext Gruson deutlich hervorgehoben hat, als er schrieb, der Plan erlaube es, "die Ziele, welche sich die Gemeinschaft steckt, zu verdeutlichen und folglich dem ge-sellschaftlichen Leben einen Sinn zu verleihen, der der Aktivität eines jeden ethi-schen Wert verleiht".6 In diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn die Planifikation von einem optimalen Einsatz der Produktionsfaktoren in Hinsicht auf eine "ver-nünftige Bedarfsbefriedigung"7 spricht. Wegen der natürlichen Begrenztheit der Entwicklungsmöglichkeiten gilt der Ressourceneinsatz nur dann als optimal, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen individuellen und sozialen Ansprüchen gefunden ist. Diese Entscheidungen werden im Plan offengelegt und von daher erhält das vielfach betonte Bemühen um eine " K o h ä r e n z "8 des Plans seine letzte Bedeutung.9

II. DIE L E N K U N G D E R ENTWICKLUNG N A C H Z I E L V O R S T E L L U N G E N

Um diese seine sittliche Aufgabe zu lösen und die Ziele auch Wirklichkeit wer-den zu lassen, versucht der Staat, die Aktivität des Gesellschaftsganzen in die an wer-den Werten vorherbestimmte Richtung zu lenken.1 0

4) F. Perroux: L'economie du XXe siecle, 4; Cazes spricht von einem "Wunschbild der wirt-schaftlichen Entwicklung", op. cit. 158.

5) B. Cazes: La planification en France et le IVe Plan, 5 und 7.

6) C. Gruson: La prevision aux Etats-Unis, 2 8 ; . . . . " de rendre explicites les objectives que la communaute s'assigne, et par consequent de conferer ä la vie collective un sens qui eclaixe et donne une valeur ethique ä l'activite de chacun."

7) P. Masse: Les principes, 179.

8) Dazu sei, um nur die bekanntesten zu nennen, auf folgende Autoren verwiesen: C. Gruson:

Orlgine et espoirs de la planification franchise, 241, 308 ff; Masse, op. cit., 166; Bauchet, op. cit, 35; und B. Cazes: Prinzipien und Methoden der französischen Planung, 159.

9) Auf die Problematik, wie solche Entscheidungen zustande kommen, werden wir später noch genauer eingehen.

10) M. van Meerhaeghe: La planification indicative, 40; und P. Bauchet, op. cit., 39.

1. Die Produktions- und Investitionslenkung

Damit die Güterversorgung durch sittlich-rationale Kriterien und nicht aus-schließlich von den Marktkräften gesteuert wird, setzt die Planifikation mit ihrer Marktlenkung bei den Investitionen an. Um den Menschen auch künftig das zu geben, was sie zu einer vollmenschlichen Existenz benötigen, drängt der Staat den Markt, derartige Überlegungen von vornherein in die Investitionsentscheidungen einzubeziehen.

Ausgehend von einer wertmäßigen Dringlichkeitsordnung der materiellen und kulturellen Lebensbedürfnisse, soll die Güterversorgung a priori und nicht erst -nach neoliberaler Art - a posteriori korrigiert werden.1 1 Hierfür erscheint den Planifikateuren eine "indikative", d.h. nicht-imperative Investitionslenkung als das geeignetste Mittel. Aus diesem Grund ist Frankreichs Planung auch hauptsächlich auf einem "Investitions- und Produktionsplan" aufgebaut.1 2

2. Die Konsumkorrektur

Jede "Umbeugung der Produktion"1 3 bedeutet zugleich aber immer auch einen Eingriff in die Konsummöglichkeiten, können dochz. B. Infrastrukturinvestitionen die verfügbare Verbrauchssumme oft für längere Zeit reduzieren.1 4 Jede von oben her geplante Investition fordert damit von der Gesellschaft ein gewisses Maß an wirtschaftlichen und kulturellen Opfern. Sicherlich gehört eine solche Korrektur zwischen Privatverbrauch und öffentlichen Diensten zu den Verantwortlichkeiten des Staates. Ob aber eine staatliche Investitionslenkung der geeignete Weg ist, eine

"wünschbare Verbrauchsstruktur"1 5 durchzusetzen, wird im Hinblick auf die de-mokratischen Grundrechte meist kritisch aufgenommen. Immerhin beweisen aber die Erfahrungen mit der liberalen Marktwirtschaft, daß man rein gesellschaftspoli-tisch, in Form von Erziehung und Appellen, kaum jene moralischen Verhaltens-weisen erzeugen kann, die die geforderte Ausrichtung an der Zielordnung der Wirt-schaft zu garantieren vermöchten. Kommt man folglich auf diese Weise den

drän-11) Vgl. T. van Lier: Die niederländische Partei der Arbeit, 100. Er fordert die Planifikation, um die Wirtschaftsaktivität besser als bisher "auf die menschlich wertvollen Güter" auszu-richten.

12) Masse: Les principes, 181; dort auch "plan d'action sur les structures" genannt.

13) T. van Lier, a. a. O.

14) /. Svennilson: Planning in a Market Economy, 189 f.

15) Loi no 62-900 du 4 aoüt 1962 portant approbation du Plan de developpement economique et social, art. 2.

1UÖ Die sozialethische Ordnungskonzeption der Planifikation

genden wirtschaftlichen Problemen nicht nahe, dann wird man sich wohl mit einem wirtschaftspolitischen Vorgehen, d. h. einer stärkeren Planung der Güterversorgung abfinden müssen.1 6

16) Wir werden auf die Investitionslenkung im IV. und V . Teil noch ausführlicher zu sprechen kommen.

Zweites Kapitel