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der autoritären Festlegung einer allgemeinen Bedürfnisstruktur, die sich mit dem heutigen Pluralismus der Wertüberzeugungen kaum vereinbaren läßt,

DIE PLANIFIKATION ALS MISCHSYSTEM UND IHRE ORDNUNGSPOLITISCHE GRUNDEINSTELLUNG

1. der autoritären Festlegung einer allgemeinen Bedürfnisstruktur, die sich mit dem heutigen Pluralismus der Wertüberzeugungen kaum vereinbaren läßt,

2. der Politisierung der Wirtschaft durch eine Machtpolitik der Interessenverbän-de, die bei weitem nicht mit dem Allgemeininteresse zusammenfallen m u ß ,1 5

3. der latenten Versuchung der Planer zur laufenden Ausweitung ihrer Befugnis-se, wodurch die staatliche Wirtschaftslenkung sich zunehmend in eine politisch-geistige Lenkung und Unterdrückung verwandelt1 6.

Die liberalen und neoliberalen Vertreter der Marktwirtschaft haben Recht, wenn sie sich gegen eine Identifizierung von Staat und Gesellschaft wenden. Wir werden später von anderer Seite aus auch zu dem Schluß gelangen, daß der Staat niemals als Gesamtgesellschaft aufgefaßt werden kann, sondern eine Ordnungsfunktion erfüllt, die in deren Dienst steht. Es ist aber nicht der Individualismus, der uns zur Ableh-nung der materiellen und geistigen Allgewalt des Erziehungsstaates führt, sondern der Blick auf die irdischen Unvollkommenheiten des Menschen, welche es verbieten, den EntScheidungsprozeß der Regierenden mit der Verkörperung des Absoluten gleichzusetzen. Daher erscheint die gesellschaftliche Machtverteilung als ein Gebot vorsichtiger Klugheit und geradezu als "Voraussetzung der Versittlichung der

14) W. Röpke: Jenseits von Angebot und Nachfrage, 310 ff.

15) So warnt G. Briefs vor einer "naiven oder arroganten Identifikation" des Gruppeninteresses mit dem Gesamtinteresse. Vgl. Grenzmoral in der pluralistischen Gesellschaft, 105.

16) W. Röpke: Die Gesellschaftskrisis der Gegenwart, 137 ff.; besonders aber F. A. von Hayek:

The Constitution of Liberty, und: Die Ursachen der ständigen Gefährdung der Freiheit.

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Macht" . Dort, wo die individuellen Bemühungen sich von selbst zu einem lei-stungsfähigen Ganzen konstituieren, kann und muß die Freiheit der Entscheidung beibehalten werden, um das allzu große Risiko staatlicher Übermacht zu vermeiden.1 8 Sieht man von der individualistischen Basis der liberalen Marktwirtschaft ab,

dann bemerkt Schreiber sehr treffend: "Es ist das Wesen der Demokratie und ebenso auch das der Marktwirtschaft, daß sie lieber dem Durchschnitt (an Weisheit und Moral) vertrauen, obwohl der Durchschnitt ex definitione kleiner ist als das Maximum."1 9

Der Vorrang der marktmäßigen vor der politischen Sanktion

Aber selbst ohne das Vertrauen in die höhere Leistungsfähigkeit des freien Mark-tes und ohne die Furcht davor, daß der Staat das Gemeinwohl verfehlt, würde von den Anhängern der Marktwirtschaft eine staatlich dirigierte Wirtschaft abgelehnt.

Der Grund ist darin zu suchen, daß sie der Freiheit auch einen wirksameren gesell-schaftlichen Stabilitätseffekt zuerkennen als dem politischen Zwang.

Die Erfahrung lehrt, daß äußerer politischer Druck in Form von Produktionsbe-fehlen dem Selbstbestimmungsbedürfnis derart widerspricht, daß er, wird er zu umfassend ausgeübt, schließlich Unmut und Gegendruck hervorruft. Der so erzeugte gesellschaftliche Unfrieden verfehlt eine stabile politische Ordnung. Wird der einzel-ne dagegen durch den ineinzel-neren Zwang der Ressourcen selbst zu eieinzel-ner bestimmten Leistung gezwungen, und mag dieser Druck noch so hart sein, so wird er dies nicht als Einschränkung seiner Freiheit empfinden, sondern sich dieser marktinternen

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Sanktion widerspruchslos beugen.

Da die Sanktion von den Dingen selbst ausgeht, kann der Mensch den Schieds-spruch eher ertragen. Man nimmt es als gegeben hin, daß derjenige, der sein Kapital so investiert, daß es nicht den gesellschaftlichen Bedürfnissen entspricht, mit dem Verlust rechnen muß, und daß der Not leiden muß, der seine Arbeitskraft nicht vernünftig einsetzen will. Wer sich dem Markt widersetzt, wird bestraft, wer ihm dagegen gehorcht, wird belohnt werden. Dieser Vorgang ist so anonym, daß die Gesellschaft ihn akzeptiert. Zwar wird das gesamtwirtschaftliche Ergebnis ebenso erzwungen, aber eben mit dem Unterschied, daß der Staat als autokratischer

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scher bekämpft, der Markt als "demokratischer Herrscher" aber hingenommen wird. Wiederum ist diese besondere Wertschätzung der freien Bewegung der

Gesell-17) / . Messner: Das Naturrecht, 728.

18) B. Külp: Kurzgefaßte katholische Soziallehre, 85.

19) W. Schreiber: Sozialpolitik in einer freien Welt, 85.

20) Das Marktsystem hat nach F. Böhm den Vorteil, daß es die Pläne seiner Mitglieder

"geräuschlos, automatisch und mit einem erstaunlichen Minimum an Reibungs- und Unge-horsamswiderstand" lenkt. Privatrechtsgesellschaft und Marktwirtschaft, 87 f.

21) W. Röpke: Die Gesellschaftskrisis. . . , 142.

Schaftsglieder zu ihrem Ziel durch die äußere Erfahrung allein nicht gültig aufweis-bar, sondern eine Wertoption, die in einem Optimismus gegenüber der Freiheit als Leistungs- und Ordnungskraft begründet ist.

Somit stützt sich die Marktwirtschaft auf anthropologisch-empirische Argumen-te, die zugleich als realistisch-philosophische Deutung der menschlichen Existenz verstanden werden. Die Absicht, den Menschen so zu akzeptieren, wie er ist, erklärt gleichzeitig das Mißtrauen, mit dem man allen "objektiven", "wissenschaftlichen"

und perfektionistischen Lösungen der Gesellschaftsordnung begegnet. Auch wenn man im Gegensatz zur historischen Grundlegung der Marktwirtschaft an einer uni-versalen Werterkenntnis festhält, wird man dennoch mit Rücksicht auf die Vorge-gebenheiten menschlichen Daseins - zumindest für das Diesseits - wohl nicht damit rechnen dürfen, alle "Unstimmigkeiten unserer geschichtlichen Existenz in

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eine 'lichte Zukunft' hinein aufheben zu können" . In diesem Sinn ziehen auch wir eine weniger perfekte Ordnung mit Freiheit dem perfektesten politischen Bau-werk ohne Freiheit vor. In Anlehnung an Schlette läßt sich dies als der "existentiale Charakter" der Marktwirtschaft bezeichnen.2 3

Die freie Verwendung der Leistungserträge

Ist die Selbstbestimmung also eine Grundbedingung menschlicher Existenz, dann muß das Ergebnis der freien Investitions- und Verbrauchsentscheidungen erst ein-mal abgewartet werden und darf nicht durch eine direkte staatliche Produktions-und Konsumlenkung ersetzt werden. Der freien Investitionswahl der Unternehmer kann man insofern beruhigt entgegensehen, als die Produktionsseite der automati-schen Marktsanktion unterliegt. Anders ist es beim Verbraucher, der seinen Arbeits-ertrag nach individuellen Einschätzungen seiner Bedürfnisse verwendet. Da er der Souverän der Wirtschaft ist, dessen Wünschen sich die Produzenten unterordnen müssen, fehlt jene anonyme Macht, die ihn zur vernünftigen, wertbezogenen Ein-kommensverwendung veranlaßt. Der Bestand der freien Wirtschaftsordnung hängt aber weitgehend davon ab, ob die Konsumwahl nach sittlichen Wertentscheidungen erfolgt. Ist nämlich das Verantwortungsbewußtsein der kaufkräftigen, vor allem der reichen Verbraucher gering, so kann das Wert empfinden der benachteiligten Massen derart revoltieren, daß sie nach einer politischen Lösung des Problems, d. h. nach einer Lenkung der Güterproduktion verlangen. In der Erziehung zur wertbezogenen Bedarfsdeckung der Konsumenten wird also eine Kapitalismusreform ansetzen

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müssen.

22) H. R. Schlette: Der Anspruch der Freiheit, 108.

23) A. a. O.

24) /. Messner: Ethik, 414.

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3. Die soziale Kooperation als marktexterne Aufgabe

Die Option für die leistungsstimulierenden Eigeninteressen und deren marktin-terne Sanktion erweckt vielfach den Eindruck, als würde die Marktwirtschaft dar-über ganz das Anliegen der gesellschaftlichen Solidarität vergessen, das ja in allen Planungsversuchen in den Vordergrund tritt. Dennoch sind sich auch die neolibera-len Wirtschaftspolitiker genauestens der Tatsache bewußt, daß der Mensch nur dann eine seiner Natur gemäße Existenz findet, wenn er sich "einer Gemeinschaft einfü-gen und sich ihr solidarisch verbunden fühlen k a n n "2 5.

Die Trennung von leistungsbezogener Wirtschaftspolitik und ausgleichender Sozial-politik

Bevor allerdings an Bedarfsgerechtigkeit und Umverteilung gedacht werden kann, müssen erst einmal die notwendigen Leistungen erstellt werden. Daher kann die Wirtschaft selbst nur nach dem Leistungsprinzip organisiert werden, das insofern

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auch seine soziale Bedeutung hat, als dadurch die Güterknappheit überwunden wird.

Da die geforderten Leistungseffekte engstens mit dem Wettbewerb verbunden sind, ist dieser als notwendige Bedingung einer gerechten und geordneten Gesell-schaft anzusehen. Um also das Leistungsdenken zu wahren, darf an der

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schaft selbst kein Abstrich vorgenommen werden. Vielmehr sind alle marktfrem-den Erwägungen sozialer Art aus dem Marktgeschehen fernzuhalten. Jeder soll zu-nächst in der ersten Einkommensverteilung nur das erhalten, wofür er einen Lei-stungsnachweis erbringen kann.

Selbstverständlich sind sich die herkömmlichen Vertreter der Wettbewerbswirt-schaft darüber einig, daß sie nicht alle Werte, die in der GesellWettbewerbswirt-schaft zu erfüllen sind, auf dem Weg über eine leistungsbezogene Wirtschaftspolitik verwirklichen können.

Daher lassen sie die Sozialpolitik als echten gesellschaftlichen Tätigkeitsbereich gel-ten, aber eben immer nur als einen von außen an den Markt herangetragenen, beständigen Korrekturfaktor. Alles, was der Wettbewerb nicht erreicht, von den sozialpolitischen, den kulturellen bis zu den sittlichen Forderungen, wird in der zweiten Umverteilung anvisiert. Alles, was an Schäden vom Wettbewerb provoziert wird, findet ex post seinen Ausgleich. Denn dann gilt nicht mehr der "homo oeco-nomicus", sondern die Bedürfnisstruktur des ganzen Menschen. Im Gegensatz zur marxistischen Anschauung, wonach die Wirtschaft eher als Beiwerk einer umfassend verstandenen Sozialpolitik betrachtet wird, geht die liberale Tradition von einer

?5) W. Röpke: Jenseits von Angebot und Nachfrage, 35.

26) W. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 179 f.

27) W. Röpke: a. a. O.

apriorischen Aufteilung des Gesellschaftsprozesses in drei von einander getrennte Bereiche, die wirtschaftliche, die soziale und die politische Ordnung, aus. Somit stehen sich die Güterversorgung im Marktkampf und die Erfüllung geistig-sittlicher und materieller Bedürfnisse durch soziale Kooperation verbindungslos gegenüber.

Wirtschaftliche und soziale (bzw. politische) Ordnung bilden kein wirkliches Ganzes mehr. Das Soziale ist im Wesen der Wirtschaft nicht verankert. Und es ist keine den Menschen insgesamt umfassende Gesellschaftsordnung erstellbar. Daß von einer nicht-individualistischen Warte aus die ökonomische Kausalordnung trotzdem ihre Berechtigung hat, weil die Ziele erst über den Realisierungswillen der Individuen Gestalt annehmen, wird später noch gezeigt werden. 28

Obwohl die "Soziale Marktwirtschaft" Müller-Armack's versucht, ihr "Doppel-p r i n z i "Doppel-p "2 9 der freien Initiative und der sozialen Gestaltung auf einem neuen "drit-ten Weg" institutionell zu verankern3 0, gelingt es auch ihr nicht, das soziale Ele-ment anders als durch eine nachträgliche Korrektur einzuführen. 3 1 Obschon die asozialen Folgen des Wirtschaftens nicht mehr wie im klassischen Liberalismus -als definitives Gerichtsurteil über die Qualitäten der Wettbewerber betrachtet wer-den, sondern ernsthaft an ihrer Beseitigung gearbeitet wird, ist die Trennung zwi-schen Marktordnung und sozialen Werten nicht überwunden.

Die nationalstaatlich begrenzte Wirtschaftspolitik

Dieselben Prinzipien der Wettbewerbsordnung gelten auch in der internationalen Wirtschaft. Wie im Binnenmarkt so geht es auch auf dem Weltmarkt um die ord-nungspolitische Prädominanz des Wettbewerbsprinzips. Auch hier soll der Preis die Wirtschaftsentwicklung steuern. Wer seine Marktstellung behaupten will, bzw. wer als außenwirtschaftlich orientiertes Land sein Sozialprodukt steigern und langfristig sichern will, muß seine Kosten- und Preisstruktur so gestalten, daß er auf Kosten anderer Bewerber an Marktmacht gewinnt. Daher hat die Auseinandersetzung um den höchsten Expansionsgrad im Vordergrund zu stehen,3 2 ein Gedanke, der bei der Planifikation äußerste Aufmerksamkeit gefunden hat. Die Vorstellung eines gegenseitigen Helfens und füreinander Produzierens auf internationaler Ebene ist wiederum eine wirtschaftsexterne Überlegung.

28) Vgl. dazu die Ausführungen im V . Teil.

29) A. Müller-Armack: Stil und Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft.

30) Ders.: Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft.

31) Vgl. hierzu die eingehende Auseinandersetzung mit dem sozialen Element der Marktwirt-schaft bei E. E. Nawroth: Die Sozial- und WirtMarktwirt-schaftsphilosophie des Neoliberalismus, 142 ff.

32) Näheres bei K. Schiller: Wettbewerb und Planung in den internationalen Wirtschaftsbe-ziehungen. In: Der Ö k o n o m und die Gesellschaft, 150 ff.; sowie bei A Predöhl: Das Ende der Weltwirtschaftskrise, 61 ff.

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ZUSAMMENFASSUNG

Die Grundlage der Marktwirtschaft ist eine Wertoption für die Freiheit als Vor-aussetzung einer leistungsfähigen materiellen Bedarfsdeckung und als Quelle einer stabilen, an den individuellen Werten orientierten Lebensordnung. Eine solche freie Wirtschaft und Gesellschaft muß nach Hayek durch bestimmte institutionelle Fun-damente gesichert s e i n :3 3