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Wie Jöhr und Monzel darlegen, muß jeder Machtpluralismus, auch der wirtschaftliche, von der nötigen Kompromißbereitschaft getragen sein, soll er nicht

MISCHWIRTSCHAFT UND DEZENTRALISIERTE VERANTWORTUNG

1. Wie Jöhr und Monzel darlegen, muß jeder Machtpluralismus, auch der wirtschaftliche, von der nötigen Kompromißbereitschaft getragen sein, soll er nicht

das geordnete Zusammenleben gefährden. Hierzu kann der automatische Interessen-ausgleich über den Marktmechanismus Entscheidendes beitragen. Man denke nur an die Lohn- und Preisverhandlungen der Interessengruppen, deren Atmosphäre sich auf diese Weise leichter entspannen läßt, als wenn man einzig auf den direkt ausge-handelten Kompromiß angewiesen wäre. Daher läßt sich der Markt treffend als eine

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"kompromißersparende, automatische Entscheidungsmaschinerie" bezeichnen, der eine beachtliche Dienstfunktion in jeder Kompromißethik zukommt.

2. Zudem vermag nur der Markt jene vielen Mülionen "Gegenexperten" zu stel-len, ohne die nach Jungk der gesellschaftliche Pluralismus dem Untergang geweiht i s t .2 4 Je mehr "auf eigene Existenz und Rentabilität angewiesene

privatwirtschaft-2 5

liehe Verantwortungskomplexe" an der Wohlfahrtsplanung beteiligt sind, bzw. je breiter die Teilnahme an der Zukunftsplanung von unten ist, desto eher wird die wirtschaftliche und die eng damit verbundene politische Machtzusammenballung unterbunden. Auch Bloch-Laine hat erkannt, daß die freie Gesellschaft wesentlich von der Dispersion der wirtschaftlichen Macht a b h ä n g t ,2 6 doch war er nicht bereit, die gesellschaftspolitischen Folgerungen zu ziehen, die sich mit der Förderung und Sicherung der Eigenunternehmer und ihrer Selbstverantwortung anbieten. Wenn die

22) W. A. Jöhr: Der Kompromiß als Problem der Gesellschafts-, Wirtschafts- und Staatsethik;

N. Monzel: Der Kompromiß im demokratischen Staat. Ebenso R. Altmann: Der Kompro-miß, undP. Hartmann: Interessenpluralismus und politische Entscheidung.

23) Jöhr: a. a. O. 47 f. Ähnlich auch W. Frickhöffer: Freiheit und Wachstum durch Markt, nicht durch Planung, 9.

24) R. Jungk: Gesucht: ein neuer Mensch, 514 ff.

25) W. von Simson: Planänderung als Rechtsproblem, 420.

26) F. Bloch-Laine: Pour une reforme de rentreprise, 31. Ebenso W. Fabian: Planung und Öffentlichkeit, 450.

Gesellschaft frei bleiben will, muß der Macht- und Eigentumspluralismus der Markt-wirtschaft ein Wesensbestandteil dieser Gesellschaft bleiben.2 7

Hätte die französische Planifikation berücksichtigt, daß die Bedeutung der freien Marktwirtschaft nicht nur auf dem Gebiet der materiellen Produktivität liegt,

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dem daß ihr als "Machtzerstörer" und "Machtverteüer" eine eminent gesell-schaftspolitische Rolle zukommt, kurz: hätte sie begriffen, daß sich Demokratie

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und Markt bedingen, dann wäre ihr der Irrweg des übersteigerten Zentralismus erspart geblieben. Der wirtschaftsplanende Sozialstaat kann seine soziale Idee nur retten, wenn er sich gegen das Machtstreben der Staats-, Partei- und Verbandsfunk-tionäre wirksam zur Wehr setzen kann. Eine der Schranken gegen die Unterhöhlung des Rechtsstaats ist ein möglichst starkes Marktgegengewicht.30 Schumacher wußte sehr wohl, wovon er sprach, als er den Leitsatz aufstellte: "Die eigentliche Kunst der gleichzeitigen Förderung von Ordnung und Freiheit scheint darin zu bestehen, die jeweüigen Aufgaben nie 'höher' hinaufzuschieben als objektiv notwendig."3 1

IL B E D A R F S O R D N U N G UND M A R K T S T R U K T U R

Eng mit der gesellschaftlichen Machtverteüung hängt auch die Frage nach der Souveränität der Verbraucher zusammen. Es bedarf keiner weiteren Betonung mehr, daß die Wirtschaft auf die materielle Bedarfsdeckung der Menschen als Kon-sumenten ausgerichtet werden muß. Das Problem ist nur, welcher Ordnung man sich dabei bedienen soll.

7. Die Fehlauffassungen der Konsumordnung

1. Wenn etwa Rapold den Konsumenten als den großen "Anarchisten der Wirt-schaft" bezeichnet, der "sich weder um die Ordnung noch um die Produktivität" zu kümmern habe,3 2 dann wird so recht klar, welches Verdienst der Planifikation mit all ihren Warnungen vor den selbstzerstörerischen Tendenzen des Kapitalismus

zu-27) / . Messner: Der Funktionär, 175.

28) K. E. Boulding: The organizational revolution, 249.

29) C Mötteli: Gesellschaft, Staat und Wirtschaft, 242.

30) Siehe dazu auch die Warnung von K. Wenger: Rechtsfragen der Wirtschaftsplanung in Österreich, 168, der die Nachteile einer von den Verbänden dominierten Marktwirtschaft aus eigener Anschauung kennt. Ähnlich E. Forsthoff: Über Mittel und Methoden moderner Planung, 23.

31) E. F. Schumacher: Betrachtungen zur Wirtschaftslenkung in Großbritannien, 29.

32) M.-U. Rapold: Demokratie und Wirtschaftsordnung, 133. Selbst moralische Appelle lehnt er als 'Krankheitssymptome der freien Gesellschaft' ab.

200 Die Wirtschaftsplanung in realistischer Sicht

kommt. Wer in der Konsumfreiheit nur eine libertine Zügellosigkeit erblicken will, der verkennt gründlich die Gefahren des "Gemeinwohldefizits", das sich aus der Vernachlässigung vielfältiger Gemeinschaftsaufgaben zugunsten von Konsumgütern ergeben kann. Dies zeigt mit aller Deutlichkeit, daß auch die

Konsumentscheidun-33

gen an ihrem Gemeinwohlcharakter gemessen werden müssen.

2. In der wirtschaftlichen Praxis wirft dies allerdings große Probleme auf. Denn wer soll berechtigt sein, Konsumkorrekturen vorzunehmen? Wer ist imstande, wah-re wirtschaftliche Bedarfsgüter von moralisch dekadenten Bedürfnisansprüchen zu trennen? Scitovsky glaubte, der Lösung dadurch nahezukommen, daß die Unter-nehmer ihre Produktionsentscheidungen nicht mehr an den Verbrauchern ausrich-ten sollausrich-ten, sondern an einem "Gremium von Verbrauchsrichtern"3 4, d.h. von

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Fachleuten, die "etwas von Qualität verstünden" . Diese und ähnliche Vorschläge scheitern alle daran, daß damit die Öffentlichkeit zwangsläufig durch die Werturtei-le einer Minderheit schließlich zu ihrem Glück gezwungen w i r d .3 6 Eine

Kulturin-3 7

stanz die zum "Erst- und Alleinverantwortlichen" der Verbrauchsentscheidungen erklärt werden könnte, ist nicht auszumachen, statt dessen wird leichtfertig die persönliche Lebensgestaltung und freie Wertverantwortung zugunsten einer planeri-schen Bevormundung aufs Spiel gesetzt. Somit bleibt letztlich kein anderer Weg als dem Verbrauchergeschmack weiterhin die Orientierung der Wirtschaft anheimzu-stellen und an der marktwirtschaftlichen Ordnung festzuhalten. Solange sie imstan-de ist, das wirtschaftliche Gleichgewicht zu wahren, gehört die freie Konsum wähl zum Bestandteil einer gültigen gesellschaftlichen Kooperation.3 8

3. Eine andere Schwierigkeit taucht auf, wenn man, wie die dirigierte Marktwirt-schaft, versucht, die Konsumfreiheit im Sine einer freien Verwendung der Geldein-kommen zwar zu wahren, ihr aber einen entscheidenden Einfluß auf die Produk-tionsplanung zu versagen. Als Lenker der Investition (oder als einziger Anbieter wie in den kommunistischen Reformmodellen) bestimmt der Staat die Produktionszu-sammensetzung, aus der die Verbraucher die verschiedenen Güter auswählen kön-n e kön-n .3 9 Damit teilt die Planungsbehörde das Maß der Freiheit zu, das in den

Produk-33) Insofern ist das Bemühen der französischen Planer zu verstehen, durch Investitionslenkung zu einer schnelleren Erfüllung der Kollektivbedarfe zu gelangen.

34) H. O. Wesemann: Soll und Haben, 30.

35) T. Scitovsky: Zum Prinzip der Konsumentensouveränität, 486 ff., insbesondere 490.

36) Vgl. dazu die Kritik, der diese Auffassung begegnete. In: American Economic Review, 52 (1962) 284 ff., sowie die eingehende Studie von G. Bensaid: Une culture planifiee?

37) J. Höffner: Kapitulation vor dem Versorgungsstaat? ,315.

38) A. F. Utz: Das Ordnungsgesetz in Wirtschaft und Staat, 370.

39) F. Perroux: Economie organisee et economie socialisee, 13. Ein ähnliches System vertrat auch E. Bongras: Le Systeme de l'economie dirigee, 236 ff. Nach B. E. Lippincott's Defini-tion ist damit der Tatbestand einer sozialistischen Wirtschaft im Gegensatz zur kommuni-stischen erfüllt, da erstere nur die Produktion, nicht aber zusätzlich auch den Konsum sozialisiert. Vgl. On the Economic Theory of Socialism, 9.

tionsplan hineinpaßt. Eine solche apriorische Finalisierung scheitert aber an der Realität, da bei einer Fremdbestimmung des Bedarfs die tatsächlichen Wünsche der Verbraucher erst zu spät oder gar erst in der nächsten Planungsperiode Berücksichti-gung finden k ö n n e n .4 0 Nicht daß ein solches System prinzipiell unmöglich wäre, doch gibt es unvermeidlich zu "zahlreichen und tiefgreifenden Friktionen Anlass". 4 1

2. Die geordnete Bedarfsbefriedigung

Hält man daran fest, daß sich die Wohlfahrt nicht völlig vorausdeterminieren läßt, dann kann man die Bedarfsbefriedigung nur in Funktion zu den sich frei bestimmenden Leistungskräften garantieren. Unproblematisch ist dies, solange die individuellen und allgemeinen Interessen konvergieren. Sobald sie aber in Wider-streit liegen, weil etwa ein übermäßiger Konsumdrang das wirtschaftliche Gleichge-wicht gefährdet, bedarf es der ordnenden Hand des Staates. Doch ist zu beachten, daß "der Wettbewerb der Leitbilder . . . der individuellen Lebensgestaltung" 4 2 zum unverrückbaren Grundbestand einer sittlichen Lebensordnung gehört. Daher führt der Weg zu einer geordneten Bedarfsbefriedigung nun einmal nicht über die "Propa-gierung eines autoritär empfohlenen Konsumstils"4 3 bzw. über die Planung einzel-ner Konsumakte.

a) Der Leistungswettbewerb

Die Gewährleistung der freien Äußerung der Konsum wünsche genügt aber noch nicht für eine geordnete Bedürfnisbefriedigung. Damit die Konsumfreiheit ihren eigentlichen Sinn erhält, müssen die Wünsche der Verbraucher auch eine dynami-sche Interpretation von Seiten der Produzenten erfahren, d. h. der Konsument muß einen Markt vorfinden, der seine differenzierten Bedarfswünsche auch aufnimmt.

Hier gerät die dirigierte Marktwirtschaft mit ihrem einzigen Bedarfsinterpreten in größte Schwierigkeiten und ist einem freien Markt, auf dem möglichst viele Unter-nehmer sich als Bedarfsinterpreten durch ständige Neuerung um die Deckung der Nachfrage bemühen, unterlegen.4 4

40) R. Selucky m ö c h t e diese Schwierigkeiten allerdings nur auf das ''stalinistische Modell"

der Planung beschränkt wissen, kann aber nicht erklären, wie das Reformmodell zu der geforderten Produktionsleistung kommt. Reformmodell CSSR, 95.

41) Jöhr/Singer: Die Nationalökonomie im Dienste der Wirtschaftspolitik, 169.

42) P. Meyer-Dohm: Sozialökonomische Aspekte der Konsumfreiheit, 370.

43) A . a . O .

44) A . a. O. 85. Auch Schumpeter erwartete sich vom Markt ein "Maximum an Befriedigung".

Vgl. Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 249. Ebenfalls Jöhr/Singer: a. a. O. 165.

202 Die Wirtschaftsplanung in realistischer Sicht

Leistungsmotivation und Marktautomatismus

Die entscheidende Frage bezüglich dieser dynamischen Konkurrenz ist dann aber, wie diese Leistung einer Vielzahl flexibler Unternehmer wirksam stimuliert wird. Aus unserer Lebenserfahrung können wir entnehmen, daß eine umfassende Fremdbestimmung durch den Staat nicht dazu in der Lage ist, weil der Mensch in seiner geschichtlichen Verfassung nun einmal aus einer apriori gelenkten gesell-schaftlichen Integration keinen ausreichenden Stimulus für Eigeninitiative und -lei-stung gewinnen kann. Dagegen stellt das sich frei entscheidende Individuum ein großes Leistungspotential dar.4 5 Von daher erhält die Privateigentumsordnung ihre Begründung, denn zumindest für einen Großteil der Menschen stellt die Disposi-tionsfreiheit über das Eigentum im Hinblick auf die Vermehrung des Wohlstands, bzw. zur Behauptung der Marktstellung jenen Anreiz zu Höchstleistungen dar, des-sen die allgemeine Wohlfahrt bedarf.4 6 Kontrolliert wird der Dynamismus durch einen von Beschränkungen und unlauteren Praktiken befreiten Wettbewerb. Da nämlich die Wohlfahrt des einzelnen Unternehmers entscheidend davon abhängt, ob es ihm gelingt, die Konsumwünsche besser zu antizipieren und zu befriedigen als seine Mitkonkurrenten, zwingen sich die Anbieter gegenseitig zu einer beständigen Anpassung an die stets wechselnden Bedarfswünsche und machen damit ihre Lei-stungskraft dem Ganzen nutzbar. Da ein solcher Wettbewerbsautomatismus

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dentiell die Preise drückt und die Angebotsqualität verbessert, bedeutet die

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Stärkung des Marktes zugleich auch eine Stärkung der Verbraucher.

Es ist der liberalen Wirtschaftspolitik zugute zu halten, daß sie nach Mitteln suchte, um das individuelle Leistungspotential auszunutzen, da sie in realistischer Einschätzung des menschlichen Leistungsverhaltens erkannt hatte, daß eine Bedarfs-befriedigung sonst illusorisch bleibt.

Der gesellschaftlich strukturierte Markt

Auf Grund seines weltanschaulichen Apriori konnte der Liberalismus aber nicht erkennen, daß ein reiner Funktionalismus, der die Richtung des Wirtschaftsgesche-hens völlig unbestimmt läßt, dem Sinn des Wirtschaftens nicht gerecht wird. Aus-gehend vom Ziel einer humanen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, ist der Wettbewerb als instrumentaler Wert selbst schon von einer vorgängigen Gesell-schaftskonzeption her geplant und durchstrukturiert. Auch in der Produktions-struktur selbst muß eine Wertverhaftung sichtbar bleiben. Folglich kann es nicht

45) Vgl. die Ausführungen im ersten Teil, zweites Kapitel.

46) Für diese Auffassung setzt sich auch W. Heintzeler: Volkskapitalismus, 28, ein.

47) Erfahrungsgemäß hat er dabei mehr Erfolg als direkte Preiskontrollen.

48) K. Schüler: Verbraucher und Wettbewerb, 138.