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4. GRUNDZÜGE UND ÖKONOMISCHE PROBLEME DES MAROKKANISCHEN AGRARSEKTORS MAROKKANISCHEN AGRARSEKTORS MAROKKANISCHEN AGRARSEKTORS

4.5 Natürliche Produktionsbedingungen 3

Sie sind ausserordentlich wichtig für den landwirtschaftlichen Produktionsprozess v.a. in der 3. Welt (namentlich Marokko), zumal der Grad an Naturbeherrschung in diesen Ländern relativ niedrig ist. Aus den natürlichen Standortbedingungen - insbesondere Klima und Boden - ergeben sich die Chancen und Grenzen für die Entwicklung der Landwirtschaft und die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion.

Sie bestimmen auch weitgehend, die Wettbewerbsposition für den Export spezieller Agrarprodukte (Zitrusfrüchte und Tomaten im Fall Marokkos) und das

Produktionsprogramm für die Binnenmarktversorgung. Deshalb wollen wir sie im Folgenden, wenn auch ganz kurz, besprechen und dabei v.a. zwei Punkte

1 a.a.O., S. 94

2 Bouderbala, N. u.a. (Hrsg.): La question agraire au Maroc 2, a.a.O. S. 101

3 Zu den natürlichen Produktionsbedingungen der marokkanischen Landwirtschaft gibt es zahlreiche Quellen. Siehe z.B. Villeneuve, M.: Lasituation de l'agriculture ... a.a.O. S. 4-41. Moati, P. und Rainaut, P.: La réforme agricole clef pour le développement du Maghreb. Paris 1970, S. 1-43. - Tiano,A.: Le Maghreb entre les Mythes. Paris 1967, S. 127-132. – Lahbabi, M: L'économie

marocaine a.a.O. S. 29 ff. - Mensching, H.: Le milieu naturel du Maghreb. Questions et limites de la mise en valeur du potentiel agraire, in: Introduction à l'Afrique du Nord contemporainehrsg.vom Centre de recherches et d'études sur les sociétés méditérranéennes. Paris 1975, S. 49-61. - Beguin, H.: L'organisation de l'espace au Maroc. Bruxelles 1974, 5. 65-85 - MARA:. Plan 1981_1985, Vol'. ' I'I, Teil I',S.: 51-73.

herausgreifen, nämlich die Niederschlagsverhältnisse und das damit zusammenhängende Problem der Wasserressourcen.

4.5.1 Niederschlagsverhältnisse

Ohne auf Einzelheiten einzugehen, kann das Klima in den wichtigsten Teilen Marokkos als mediterran bezeichnet werden.1 Regional günstige

Niederschlagsverhältnisse verdankt das Land seiner Lage zwischen Mittelmeer und Atlantik sowie den Gebirgsschwellen Rif und Atlas. Hoher und Mittlerer Atlas

schützen einerseits den Westen weitgehend vor klimatischen Einflüssen der Wüstenregion, anderseits bewirken sie relativ hohe Niederschläge an den Westhängen und ausgesprochen hohe Niederschläge in den Gebirgszonen. Die Ebenen westlich des Atlas unterliegen im Sommer einer landeinwärts zunehmenden Trockenheit während der Küstensaum vom Meeresklima beeinflusst wird.2 Die gegensätzlichen Niederschlagsverhältnisse treten besonders deutlich in einem Vergleich zweier Extrempunkte westlich und östlich des hohen Atlas hervor. Im Rif wurden Jahresmengen bis zu 2'000 mm festgestellt, im Dratal dagegen nur 25 mm.3 Regional unterschiedlich hoch und konzentriert auf die Wintermonate können die torrentiellen Niederschläge von solcher Intensität sein, dass Bodenzerstörungen und Überschwemmungen auftreten.4 Besonders nachteilig für die Landwirtschaft wirkt sich die Instabilität der Niederschläge aus, wie dies aus Tab. 4.8 und Fig. 4.2 hervorgeht, die in verschiedenen Jahren zu Missernten geführt hat.

1 Ionesco, T. und Mathez, J.: Climatologie, bioclimatologie et phytogéographie du Maroc, in: Les cahiers de la recherche agronomique, H. 24, Rabat 1967, S. 27-58

2 Moati, P. und Rainaut, P.: La réforme agricole … a.a.O. S. 25 ff. vgl. auch Villeneuve, M.: La situation

… a.a.O. S. 9 ff.

3 Ionesco, T. u.a.: climatologie ... a.a.O. S. 27

4 Vor. dem Bau des Rückhaltebeckens Idriss 1 (1973) führten die periodischen Niederschläge regelmässig zu Überschwemmungen im Gharb. Am 13.1.1959. kam es zu einer besonders

verheerenden Überschwemmung, als an einem Tag am Oberlauf des Oued Ouergha 144 mm und in Meknes noch 100 mm fielen. Der Schaden wurde auf ca. 2,5 Mrd. alte Francs geschätzt. 1960 und 1963 wurden ebenfalls im Gharb Flächen von 100'000 bzw. 180'000 ha überflutet. Vor dem Bau des Staudamms Hassan Addakhil wurde auch die Provinz Ksar-es-Souk östlich vom Hohen Atlas von Überschwemmungen heimgesucht. Nach Angaben der lokalen Behörden wurden neben mehreren Dörfern ca. 16'000 von 1,2 Mio. Palmen und etwa 75'000 von 125'000 Olivenbäumen bei einer Katastrophe zerstört. Zitiert nach Ladwing, R.: staatliche Förderungsmassnahmen a.a.O. S. 21.

Tabelle 4.8: Niederschlagsmengen in Marokko, 1960-1978, in mm

Quelle: Zusammengestellt nach den "Annuaire statistique du Maroc". Eigene Berechnungen.

Fig. 4.2: Entwicklung der mittleren Landesniederschlagsmengen (A) in mm sowie der durchschnittlichen jährlichen Anzahl Regentage (B), 1960-1978.

Quelle: Eigene Darstellung nach Tabelle 4.8

Neben diesem Instabilitätsfaktor zeichnen sich die Niederschlagsverhältnisse Marokkos dadurch aus, dass die Niederschlagsmengen relativ schwach sind. Im Maximum betrugen die mittleren Landesniederschlagsmengen 667 mm/Jahr (1963) in der Zeitperiode (1960-1978.), im Minimum 292 mm/Jahr (1975) und im

Durchschnitt 449 mm/Jahr. Der Modus liegt bei 392 mm. Diese Durchschnittszahlen

dürfen natürlich nicht über die starken regionalen Unterschiede hinwegtäuschen, wie bereits oben erwähnt wurde und in den nachstehenden Karten veranschaulicht werden soll.

Ausserdem müssen an dieser Stelle noch die im Gebiet am westlichen Atlasrand gefürchteten Chergui-Winde aus der Sahara erwähnt werden, die den Boden austrocknen.1

Die kurz skizzierten Niederschlagsverhältnisse führen zu grundsätzlichen

Schwierigkeiten und Zusammenhängen:2

- Mit Ausnahme der in den Karten erkennbaren Räume im Nordwesten und in den Gebirgsrandgebieten liegen die Niederschläge in den Ebenen westlich des Atlasgebirges (von Süden nach Norden) zwischen 100-400 mm im

Jahresdurchschnitt. Die geringe Niederschlagsmenge bildet in Verbindung mit

1 Zur Veranschaulichung sei noch folgendes gesagt: Einige Orte Marokkos sind bezüglich

Niederschlagshöhe mit Gegenden der Schweiz vergleichbar, während die im Landesinnern und in Südmarokko gelegenen Orte sehr viel trockener sind und in der Zeit vom Mai bis September praktisch keine Niederschläge zu verzeichnen haben.

2 Ladwig, R: Staatliche Förderungsmassnahmen a.a.O. S. 21-22

zeitlicher Ballung und hohen Sommertemperaturen ein elementares Problem für die Landwirtschaft.

- Treffend wird die Situation in den niederschlagsarmen Räumen von LAHBABI gekennzeichnet, wenn er die dortige Landwirtschaft beschreibt: "C'est celle de l'agriculture sèche où l'agriculture sans irrigation du blé ou de l'orge est possible, au delà, c'est une "LOTERIE": On cultive du blé ou de l'orge, mais, on gagne comme dans une loterie."1

- Die Niederschläge in den Gebirgen sind hoch. Zur Zeit der Schneeschmelze fliessen sie mit grösserer Geschwindigkeit ab, sind dadurch wenig nutzbringend und können Katastrophen auslösen.

- Die ungleiche Verteilung bietet andererseits die Chance, die vorhandenen Wassermassen zu speichern und dosiert der Landwirtschaft in begrenzten Gebieten zuzuführen. Der letzte Punkt bringt uns zum zweiten Problem, das wir hier auch streifen wollen, nämlich das Problem der Wasserressourcen.

4.5.2. Wasserressourcen

Auf Marokko fallen durchschnittlich 150 Milliarden m3 Wasser pro Jahr,2 80 % davon verdunstet und der Rest (30 Milliarden m3)3 verteilt sich wie folgt:

- 22,5 Milliarden m3 Oberflächenwasser - 7,5 Milliarden m3 Grundwasser

Die mobilisierbaren Wasserressourcen sollten nach Angaben des

Landwirtschaftsministeriums etwa 21 Milliarden m3/Jahr betragen. Die restlichen 9'Milliarden m3 müssen wegen der heutigen relativ begrenzten technischen und ökonomischen Möglichkeiten des Landes verloren gehen. Tatsächlich genutzt werden allerdings nur ca. 10 Milliarden m3/Jahr (das sind 48 % der mobilisierbaren Wasserressourcen), die folgendermassen verteilt sind:

1 Lahbabi, M.: L'économie marocaine a.a.O. S. 39

2 Diese und die anderen Zahlen betreffend Wasserwirtschaft in Marokko sind aus der Publikation des MARA: Plan 1981-1985, Vol. II, Tome I, S. 73-82 entnommen worden.

3 Im Jahre 1975 wurden die Wasserreserven Marokkos auf ca. 25 Mrd. cbm geschätzt, davon etwa 21,5 Mrd. cbm Oberflächenwasser und 3,5 Mrd. cbm Grundwasser. Man schätzt, dass etwa 16 Mrd.

cbm/Jahr genützt werden können. Tatsächlich genutzt werden im Durchschnitt ca. 8 Mrd. cbm (ca.

2,5 Mrd. cbm Grundwasser). Zitiert nach Ladwig, R.: Staatliche Förderungsmassnahmen a.a.O. S . 2 2 . Siehe auch: Bundesstelle für Aussenhandelsinformation: Marokko. Wirtschaftsstruktur. Köln.

April 1979, S. 51

- 7,5 Milliarden m3 Oberflächenwasser - 2,5 Milliarden m3 Grundwasser

Von der tatsächlich genutzten Wassermenge werden ca. 94 % in der LW verbraucht.

(2,5 % für Energieerzeugung und 3,5 % für Trinkwasserversorgung).

Dieser Anteilswert soll nach Berechnungen der Autoren des landwirtschaftlichen Entwicklungsplans (1981-1985) auf 83 % gegen das Jahr 2000 reduziert werden.1

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen zur Wasserwirtschaft Marokkos sollen nun einige ihrer grundsätzlichen Probleme, v.a. im Hinblick auf die Landwirtschaft, zusammengefasst erwähnt werden.

1) Das Volumen sowie die zeitliche und räumliche Verteilung des

Oberflächenwassers ist für die landwirtschaftliche Entwicklung relativ ungünstig.

Marokko verfügt zwar über das beste hydrographische Gebiet Nordafrikas, seine Flüsse besitzen jedoch relativ niedrige und v.a. unregelmässige Abflussmengen.

Ohne auf Einzelheiten einzugehen, wollen wir in diesem Zusammenhang

folgendes kurz erwähnen: Die meisten der grössten Flüsse ergiessen sich in den Atlantik; so der

- Oum er Rbia (Anteil an der Wasserbilanz: 95 m3/S oder 21,6 %), und der - Sebou (Anteil an der Wasserbilanz: 130 m3/S oder 29,6 %).

Beide zusammen erbringen die Hälfte aller Abflussmengen des Landes. Noch zu erwähnen sind der Moulouyafluss, die teilweise unterirdisch, teilweise oberirdisch fliessenden Wüstenflüsse Guir und Ziz, die schliesslich in der Sahara durch Verdunstung versiegen, und die Flüsse Draâ, Bouregreg und Loukkos.

Der Abfluss dieser Flüsse ist sehr unregelmässig im Verlauf eines Jahres und variiert auch von Jahr zu Jahr.

Die Flüsse Nordmarokkos haben Hauptabflüsse im Winter mit Hochwasser im Monat April. Die Hochwasser bei den in den Atlantik mündenden Flüssen treten meist in der Zeit November - März auf.

Die Flüsse, die an den südlichen Hängen des Hohen Atlas entspringen, haben lange Niederwasserzeiten und praktisch keinen Abfluss während Perioden, die von mehreren Monaten bis zu drei Jahren dauern können.

1 MARA: Plan 1981-1985, Vol. II, Tome I, S. 82

2) Auch die unterirdischen Wasserressourcen weisen Probleme auf. Vor allem ihre regionale Verteilung ist im Hinblick auf das gesamte landwirtschaftliche Potential des Landes nicht optimal. Besonders begünstigt von der Natur sind z.B. die Gebiete Gharb, Tadla, Haouz und Loukkos, wogegen die östlichen und südlichen Teile des Landes sich mit dürftigen und unregelmässigen Grundwassermengen begnügen müssen.1

Aus den Ausführungen von 4.5.1 und 4.5.2 sollte deutlich geworden sein, dass die natürliche Ressource Wasser (in ihren vielfältigen Formen) ein zentrales Element für die Landwirtschaft Marokkos ist. Ihre Mobilisierung und optimale Nutzung - im

Allgemeinen und in der Landwirtschaft im Besonderen (Bewässerung) - ist somit eine ausserordentlich wichtige Aufgabe der Politik. Ihr Auftrag beinhaltet u.a. die

Ausnutzung der natürlichen Gegebenheiten, die technische Ausstattung und die Organisation der ländlichen Wasserversorgung sowohl im technisch-ökonomischen wie im sozio-politischen Bereich. Ob dies im Fall Marokkos zweckoptimal erfüllt wurde, (kann hier noch nicht beantwortet werden. Diese Frage wird uns dagegen bei der Vorstellung und Analyse der Bewässerungspolitik (Punkt 5.2.2.2) beschäftigen.