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Intersektorielle Beziehungen der Landwirtschaft mit den anderen Wirtschaftszweigen Wirtschaftszweigen

4. GRUNDZÜGE UND ÖKONOMISCHE PROBLEME DES MAROKKANISCHEN AGRARSEKTORS MAROKKANISCHEN AGRARSEKTORS MAROKKANISCHEN AGRARSEKTORS

4.4 Intersektorielle Beziehungen der Landwirtschaft mit den anderen Wirtschaftszweigen Wirtschaftszweigen

Die ökonomischen Beziehungen der Landwirtschaft mit den vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweigen sind besonders wichtig um festzustellen, wieweit der Agrarsektor in den Wirtschaftskreislauf integriert, d.h. mit den anderen Sektoren der

Volkswirtschaft verkettet ist. Die Integration bzw. Desintegration eines Sektors ist entwicklungspolitisch von zentraler Bedeutung, denn dies gibt Aufschluss darüber,

ob der sektorspezifische "Entwicklungsbazillus"1 in möglichst vielen Sektoren. zur Wachstums- und Entwicklungsbeschleunigung beiträgt oder nicht. Im Folgenden werden zunächst die ökonomischen Beziehungen der Landwirtschaft mit den vorgelagerten danach mit den nachgelagerten Wirtschaftszweigen untersucht.

4.4.1 Ökonomische Beziehungen der LW mit den vorgelagerten Wirtschaftszweigen Diese Beziehungen sind quantitativ gesehen verhältnismässig gering. Verfolgt man sie jedoch in ihrer zeitlichen Entwicklung, so stellt man fest; dass sie zunehmen. Tab.

4.6 zeigt, dass der Anteil der Vorleistungen am Produktionswert des Agrarsektors 14

% für 1964, 21 % für 19692 und 2.6 % für 1978 beträgt. Dementsprechend ist natürlich der Anteil der Wertschöpfung am Produktionswert der LW ziemlich hoch (siehe Tab. 4.6), wenn er auch in den Jahren 1964 bis 1978 zurückgegangen ist.

Diese Zahlen müssen, allerdings noch interpretiert werden.

Tabelle 4.6: Entwicklung des Anteils der Wertschöpfung am Produktionswert der Landwirtschaft1), ausgewählte Jahre, in %

1) inkl. Forstwirtschaft und Fischerei

2) "consommations intermediaires" nach der Terminologie der Nationalen Buchhaltung in Marokko

Quellen:

- Die Angaben für 1964 stammen aus: Villeneuve, M.: La situation de l'agriculture et son avenir dans l'économie marocaine, Paris 1971, S. 86 ff

- Die Angaben für 1969 und 1975 sind geschätzt worden aufgrund der Information von A. Charkaoui: Indicateurs socio-économiques a.a.O., S. 313 sowie der in Tab.

4.3 angegebenen Werte für die Wertschöpfung der LW

- Die Angaben für 1978 sind entnommen worden aus MARA: Plan 1981-85, Vol. I1, Tome 1, S. 31

1 Vgl. Hemmer, H.R.: Wirtschaftsprobleme der Entwicklungsländer a.a.O. S. 285-322.

2 Andere Autoren geben für das gleiche Jahr eine andere Zahl (23,2 %) an. Vgl. Bouderbala, N. u.a.

(Hrsg.): La question agraire au Maroc 2, Rabat 1977, S. 100.

Erstens verweisen sie auf die technische Rückständigkeit der marokkanischen Landwirtschaft: Es gehen - global gesehen - relativ wenig Inputs und sonstige technische Produktionsmittel in den landwirtschaftlichen Produktionsprozess ein (s.

Pkt. 4.6.3).

Zweitens zeigt der relativ niedrige Anteil der Vorleistungen am Produktionswert des Agrarsektors, dass die marokkanischen Bauern und Fellachen auch für andere Konsum- und Investitionsgüter (ausser für Inputs und technologische Produktions-mittel) wenig ausgeben: Nach S.S. Lahbib1 gaben 1971 81 % der ländlichen Haushalte durchschnittlich 3'000 DH für Konsumzwecke aus, 13 % derselben Haushalte 8'040 DH und 6 % etwa 24'120 DH. Diese gesamthaft gesehen geringen Ausgaben der ländlichen und insbesondere der landwirtschaftlichen Bevölkerung gehen u.a. auf folgende Faktoren zurück:

- Niedriges Geldeinkommen der landwirtschaftlichen Bevölkerung - Relativ grosse Selbstversorgung der marokkanischen Bauern

Zum ersten sei an dieser Stelle vorerst erwähnt, dass das durchschnittliche jährliche Einkommen in der Landwirtschaft nach einer im Jahr 1969 von den

Planungsbehörden Marokkos durchgeführten Untersuchung2 etwa 500 DH pro Kopf3 beträgt. Nach neueren Schätzungen4 beträgt das gesamte Bruttoeinkommen der marokkanischen Landwirtschaft im Durchschnitt der Jahre 1971/72 bis 1974/75 etwa 3,8 bis 4,4 Milliarden DH. Dies entspricht bei einer durchschnittlichen ländlichen Bevölkerung von 10'316'300 einem Pro-Kopf-Einkommen von 423 DH pro Jahr.

Die zweite wichtige Ursache für die geringen Konsumausgaben ist die relativ grosse.

Selbstversorgung. Ihr Anteil am Gesamtkonsum der landwirtschaftlichen Bevölkerung beträgt etwa 30 %.

1 Lahbib, S.S.: Les causes structurelles de la faiblesse de l'épargne au Maroc, in: "Libération" vom 6.5.77, S. 9. Wiedergedruckt in: "Libération". Dossiers et documents No.1. Casablanca 1979, S. 19-33, hier S. 22.

2 Secrétariat d’Etat au plan: Enquête sur la consommation et les dépenses, Rabat 1971

3 Diese Zahl ist der gewichtete Durchschnitt der zwei folgenden Zahlen: 400 DH (durchschn.

Einkommen eines Bauern im traditionellen Sektor) und 3'100 DH (Durchschnittseinkommen im modernen Sektor). Die Gewichtung erfolgt nach der Zahl der in diesen beiden Sektoren einkommenbeziehenden Personen.

4 Lahbabi, M.: L’économie marocaine. Notions essentielles. Tome l: Les fondements de l’économie marocaine. Casablanca 1977, S.43

Zusammenfassend kann man festhalten, dass die ökonomischen Beziehungen der LW mit den vorgelagerten Wirtschaftssektoren, gemessen am Anteil der

Vorleistungen am Produktionswert der LW, verhältnismässig gering sind. Man kann jedoch diesbezüglich eine gewisse Steigerung feststellen, vergleicht man die

Entwicklung der Jahre 1964 bis 1978. Wie steht es um die Beziehungen des LW-Sektors mit den nachgelagerten Wirtschaftszweigen? Dieser Frage wollen wir im Folgenden kurz nachgehen.

4.4.2 Ökonomische Beziehungen der LW mit den nachgelagerten Wirtschaftszweigen

Die uns zur Verfügung stehenden statistischen Daten zur Untersuchung der hier gestellten Frage sind leider relativ alt. Auch die neueste Publikation des

marokkanischen Landwirtschaftsministeriums1 hilft nicht weiter. Wir müssen uns deshalb mit den verfügbaren Daten für 1958, 1964 und 1969 für die nachstehende Analyse begnügen. Tab. 4.7 fasst diese Daten systematisch zusammen und zeigt, dass der marokkanische Agrarsektor geringe Beziehungen mit den nachgelagerten Wirtschaftszweigen unterhält. Dies erkennt man aus den Verwendungsarten der gesamten Agrarproduktion. (Inlandproduktion + Import):

Nur ein kleiner Teil davon (15,9 % für 1958, 16,6 % für 1964 und 17,7.% für 1969) geht zur Verarbeitung an die Industrie (Nahrungsmittel-, Textil-, Lederindustrie, usw.) In der zeitlichen Entwicklung ist demnach eine Steigerung dieses Anteils

festzustellen"(siehe Tab. 4.7). Der grösste Teil der Lieferungen der Landwirtschaft geht hingegen direkt an die inländischen Verbraucher oder unverarbeitet in den Export.

Auch die relativ geringen Eigenlieferungen des Agrarsektors (4 - 5 %) sind auffallend.

Dies ist ein Hinweis darauf, dass u.a. die Tierzucht nicht voll in den

landwirtschaftlichen Produktionsprozess integriert ist und dass die Arbeitsteilung in der marokkanischen Landwirtschaft generell gering ist.

1 Die bereits mehrmals zitierte Studie vom MARA: Plan 1981-1985.

Tabelle 4.7: Verwendung der gesamten landwirtschaftlichen Produktion (Inlandproduktion + Import) 1958, 1964 und1969, in %

(-) unbekannt

Quellen:

- Division de la Coordination et du Plan: Utilisation des tableaux économiques du Maroc comme base de Projection à moyen terme et à long terme, nach: Villeneuve, M.: La situation de l’agriculture, a.a.O., S. 86 (für die Daten von 1958)

- Division du Plan et des Stalistiques: Tableau économique 1964, nach: Villeneuve, M.: La situation de l’agriculture, a.a.O., S. 85 (für die Daten von 1964)

- Bouderbala, N. u.a.: La Question agraire 2, a.a.O., S. 100-101 (für die Daten von 1969)

Aus der Analyse der intersektoriellen Beziehungen des Agrarsektors mit den vor- und nachgelagerten Wirtschaftssektoren kann man zusammenfassend den Schluss ziehen, dass dieser Sektor am Rande des ökonomischen Kreislaufs steht und damit von den übrigen Sektoren relativ stark isoliert ist.1

Dieser Schluss wird von anderen Autoren bestätigt. M. Villeneuve z.B. schreibt in seinem Buch "La situation de l'agriculture et son avenir dans l'économie marocaine"

Folgendes: "Au terme de cette analyse des relations de l'agriculture avec les autres secteurs, celle-ci nous apparaît comme beaucoup moins 'intégrée' qu' 'additionnée' à

1 Dieser Punkt wird in der neueren entwicklungstheoretischen Diskussion als wichtiges

Strukturmerkmal unterentwickelter Ökonomien angesehen. Besonders D. Senghaas unterstreicht ihn und sieht in der "mangelnden Verflechtung von Landwirtschaft und Industrie (ausbleibende Vorwärts- und Rückwärtsverkettungen)" einen wichtigen Grund für die "mangelnde Kohärenz" von Peripherie-Ökonomien. Vgl. Senghaas, D. (Hrsg.): Kapitalistische Weltökonomie a.a.O., S. 381

l'économie nationale."1 Dieses Resultat gilt streng genommen nur für die hier

untersuchte Periode, kann jedoch ohne grosse Bedenken auch für die letzten Jahre extrapoliert werden. Denn auch im Jahr 1976 schrieben einige der besten Kenner der marokkanischen LW Folgendes: "On peut dire que l'agriculture, …est encore un secteur peu développé, relativement en marge de l'activité économique générale."2 Zudem sind in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren keine radikalen Reformen zustande gekommen. Es ist daher mit grosser Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sich die Stellung der Landwirtschaft innerhalb der Volkswirtschaft nur geringfügig verändert hat.

In den letzten Abschnitten 4.1 bis 4..4 wurden Grundzüge und Probleme des landwirtschaftlichen Sektors dargestellt, die sich aus dessen Stellung in der

Gesamtwirtschaft ergeben. Jetzt wollen wir uns denjenigen zuwenden, die aus der sektoriellen Analyse dieses Sektors resultieren. Beginnen wollen wir dabei mit den natürlichen Produktionsbedingungen.