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2.3 D AS NIGRALE I NHIBITORISCHE S YSTEM

2.3.4 N EURONALE T RANSPLANTATIONEN

Neuronale Transplantationen erscheinen besonders bei neurodegenerativen Erkrankungen sinnvoll, denen ein weitgehender lokaler Verlust bestimmter Neurone zugrunde liegt, wie beispielsweise bei der Parkinson’schen Erkrankung. Die Vorstellung eines Ungleichgewichts zwischen Exzitation und Inhibition bei verschiedenen epileptischen Anfallsformen lässt hingegen annehmen, dass neuronale Transplantationen geeigneter Zellen in verschiedene Schlüsselregionen (Hippokampus, piriformer Cortex, SNr) auch bei Epilepsien von Interesse sein könnten (Lindvall und Björklund, 1992; Björklund und Lindvall, 2000).

Verschiedene experimentelle und klinische Beobachtungen führten zu der sogenannten GABA-Hypothese der Epilepsien. Hierbei wird angenommen, dass eine gestörte GABAerge inhibitorische Neurotransmission bei verschiedenen Anfallsformen der zugrunde liegende biochemische Defekt ist. Im Amygdala-Kindling-Modell zeigte sich beispielsweise in der Substantia nigra eine 40 %ige Reduktion der Aktivität des GABA-synthetisierenden Enzyms Glutamat-Decarboxylase sowie eine verminderte GABA-Rezeptorbindung (Löscher und Schwark, 1985; Löscher und Schwark, 1987), welche wahrscheinlich auf eine gestörte striatale bzw. pallidale Neurotransmission zur SNr zurückzuführen ist, da die Anzahl nigraler GABAerger Neurone unverändert blieb (Freichel et al., 2004).

Nach der GABA-Hypothese sind darüber hinaus die Defekte sowohl an der Generierung, als auch an der Ausbreitung der Anfallsaktivität beteiligt (Löscher, 1989; Burnham und Cottrell, 1990). Eine Potenzierung der GABAergen Transmission in der SNr könnte demnach der Generierung und Ausbreitung epileptischer Anfallsaktivität bei komplex-partiellen Anfällen entgegenwirken (Löscher und Ebert, 1996a). Hierfür sprechen auch Beobachtungen, dass Antiepileptika die Aktivität nigraler Neurone von Ratten reduzieren (Waszczak et al., 1986; Rohlfs et al., 1996;

Löscher et al., 1996).

Diese Erkenntnisse und die Beobachtungen, dass eine Erhöhung des GABA-Gehaltes in der SNr antikonvulsive Effekte zeigte (s.o.), führten zu Transplantationsversuchen von GABA-produzierenden Zellen in die SNr. Vorreiter waren schon teilweise erfolgreiche Zelltransplantationen bei anderen neurologischen Erkrankungen, wie z.B. der Transplantation von dopamin-produzierenden Zellen in das Striatum in Modellen der Parkinson’schen Erkrankung sowie klinisch an Patienten. Transplantationsstudien mit fetalen striatalen Zellen, mikroinjiziert in verschiedene Lokalisationen der SNr, führten im Amygdala-Kindling-Modell zu transienten antikonvulsiven Effekten (Löscher et al., 1998). Nachteilig an diesen Studien war die Tatsache, dass es sich bei den Transplantaten um Zellgemische (mit dem Überwiegen von GABAergen Zellen) handelte. Dadurch konnten Effekte durch andere Zellen in dieser Suspension nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund bis dahin unzureichender Kenntnisse über die Bedeutung der nigralen Subregionen (s.

Kap. 2.3.1) innerhalb des Amygdala-Kindling-Modells wurden in dieser Studie Mikrotransplantationen sowohl in die anteriore, als auch in die posteriore SNr durchgeführt. Spätere Studien berücksichtigten die nigralen Subregionen und benutzten erstmals gentechnisch veränderte GABA-produzierende Zellen als Transplantate (Thompson et al., 2000). Diese Zellen haben gegenüber fetalen Zellen u.a. den Vorteil, dass es sich um eine einheitliche Zellpopulation handelt, wodurch die Interpretation gewonnener Daten erleichtert wird. Darüber hinaus bieten derartig hergestellte Zellen potentiell die Möglichkeit, ethische und logistische Probleme, die bei klinischer Anwendung fetaler Zellen auftreten, zu umgehen. Bei der Studie von Thompson et al. (2000) konnte eine Verlangsamung des Kindlingprozesses (Kindling über den entorhinalen Cortex) bei einer Zelltransplantation in die anteriore SNr ermittelt werden, wohingegen Zelltransplantationen in die posteriore SNr den Kindlingsprozess eher verkürzten. Die gleichen Zellen wurden ebenfalls im Amygdala-Kindling-Modell eingesetzt (Gernert et al., 2002b). Hier konnten antikonvulsive Effekte nach Transplantation in den zentralen piriformen Cortex beobachtet werden. Nachteilig an dieser genetisch manipulierten Zelllinie war jedoch, dass es sich bei den transplantierten Neuronen um cortikale Mausneurone handelte, d.h., dass es sich bei dieser Studie um eine Xenotransplantation (Mausneurone in Rattengehirn) handelte und Abstoßungsreaktionen nicht ausgeschlossen werden konnten. Solche Reaktionen nach neuronalen Transplantationen sind insbesondere bei Transplantationen von Schwein zu Ratte untersucht worden. Hier zeigte sich,

dass Transplantate nach etwa 35 Tagen nicht mehr im Wirtsgewebe nachweisbar waren (Harrower und Barker, 2004).

Auch in anderen Epilepsiemodellen wurden GABAerge Zellen in die SNr transplantiert. So konnte z.B. im Pilocarpin-Modell durch Transplantationen fetaler GABAerger Neurone eine Reduktion der Anfallsempfänglichkeit bewirkt werden (Fine et al., 1990). Jedoch führten auch Transplantationen an Kontrollgruppen, welche kein GABA-produzierendes Gewebe erhielten, zu den gleichen Ergebnissen. In einer anderen Studie wurde den Problemen einer Xenotransplantation entgegengewirkt, indem man gentechnologisch veränderte striatale GABAerge Rattenneurone für Transplantationstudien innerhalb der Ratte verwendete (Ross et al., 2002). Neben einer temperatursensitiven Immortalisierung der Zellen bestand bei diesen ohnehin schon GABAergen Zellen die Besonderheit einer zusätzlichen plasmidbasierten Transfektion mit der kodierenden Sequenz für das GABA-synthetisierende, humane Enzym GAD (Glutamat-Decarboxylase) in der Isoform 67 (Conejero-Goldberg et al., 2000b). Diese Zellen produzieren daher vergleichsweise hohe Mengen an GABA und sind deshalb für Transplantationen im Epilepsiemodell interessant. Nach Transplantation in einem audiogen ausgelösten Anfallsmodell zeigten diese Zellen ebenfalls antikonvulsive Effekte (Ross et al., 2002).

Obwohl in vielen experimentellen nigralen Transplantationsstudien antikonvulsive Effekte erzielt wurden, kam es oft zu kritischen Anmerkungen, dass durch diese Studien lediglich eine Verzögerung der Epileptogenese bzw. eine Unterdrückung elektrisch-induzierter Anfälle gezeigt wurde. Klinisch relevanter hingegen wäre eher eine Unterdrückung spontaner Anfälle. Diese Anmerkungen nahmen Thompson und Suchomelova auf und konnten in einem Epilepsiemodell mit spontanen Anfällen (Pilocarpin) eine signifikante Verminderung der spontanen Anfallshäufigkeit nach Transplantation GABAerger Zellen in die anteriore SNr im Vergleich zu Kontrolltransplantationen nachweisen (Thompson und Suchomelova, 2004).

Anstatt Zellen zu transplantieren, versuchte eine Forschergruppe aus Lund (Schweden) im Kindling-Modell den GABA-Gehalt in der Substantia nigra durch GABA-freisetzende Implantate zu erhöhen (Kokaia et al., 1994). Hierbei konnten ebenfalls transiente antikonvulsive Effekte erzielt werden.

Des Weiteren wurde begonnen, stammzell-basierte Transplantationen in Epilepsiemodellen durchzuführen. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass die intravenöse Applikation von neuronalen Stammzellen im Pilocarpin-Rattenmodell zu einer Unterdrückung der Ausbildung spontaner Anfälle führte (Chu et al., 2004).

Die transplantierten Stammzellen konnten zum Teil als GABAerge Interneurone im geschädigten Hippocampus wiedergefunden werden. In weiteren Studien muss nun die Effizienz und Sicherheit der neuronalen Transplantation innerhalb des Indikationsgebietes Epilepsie genauer untersucht und insbesondere Langzeiteffekte angestrebt werden.