• Keine Ergebnisse gefunden

2.3 Die intestinale Mukusschicht

2.3.2 Muzine

Der intestinale Säugetier-Mukus mit seinen Muzinen, die typischerweise einen Anteil von zwei bis fünf Prozent ausmachen (CONE 1999), bildet die Grundlage vieler Studien und ist bei verschiedenen Spezies wie Maus, Ratte sowie Mensch gut untersucht. Vor allem Mukus der Hautdrüsen von Amphibien ist in jüngster Zeit weiter in das Licht analoger Studien gerückt, wobei der Mukus von Fischen in bezug auf seine Zusammensetzung wenig untersucht wurde. Hier stützen sich Studien vor allem auf die Komposition des Mukus der Epidermisoberfläche (FLETCHER et al. 1976; SHEPHARD 1994), kaum jedoch auf die Komposition des intestinalen Mukus und der ihn bildenden Muzine. Deshalb beziehen sich viele Angaben in der folgenden Literaturübersicht vor allem auf den Säuger-Mukus. Treten Literaturangaben zum Fisch-Mukus auf, werden diese an entsprechender Stelle explizit aufgezeigt.

Muzine sind hoch-molekulare, gel-formende Glykoprotein-Monomere, die neben ihrem geringen Proteinanteil zu einem überwiegenden Teil aus Kohlenhydraten bestehen und das molekulare Bauelement der Mukusschicht bilden. Sie sind durch das Fehlen von Uronsäuren als ein Bestandteil von anderen Proteoglykanen unterscheidbar. Im Darm bilden die einzelnen Monomere einen Verband, der in Form eines Polymergemisches den eigentlichen Biofilm bildet. Die Größe eines Muzinmoleküls ist spezies- und organabhängig. So werden im Darm des Menschen Größen von 250 bis 500 kDa, im Magen der Ratte Größen von 2.000 kDa angegeben (ENSS et al. 1996). Eine genaue Größenangabe aus der Literatur erweist sich als schwierig, da Angaben bei verschiedenen Autoren differieren, obwohl sie sich auf dieselbe Spezies und dasselbe Organ beziehen. Diese Gegebenheit spiegelt die verschiedenen Gewinnungsmethoden wieder, welche zu unterschiedlich starker Degradation des Moleküls führen (ROUSSEL u. DELMOTTE 2004). Die Größe und Zusammensetzung intestinaler Muzine bei Fischen ist kaum untersucht. Glykoproteine des Hautmukus jedoch scheinen ähnlich denen zu sein, wie sie in Säugetieren auftreten (HARRIS u. HUNT 1973; FLETCHER et al. 1976; ALEXANDER u. INGRAM 1992).

Der Proteinanteil der Muzine findet sich in Form eines Kernproteins („Core-Protein“) wieder, welches auch als Apomuzin bezeichnet wird und je nach Organ und Spezies aus 1500 bis 4500 Aminosäuren besteht (FORSTNER u. FORSTNER 1994). An dieses aus sich

wiederholenden Aminosäuresequenzen, den sogenannten „Tandem Repeats“ (TR), bestehendem Protein sind Kohlenhydratseitenketten gebunden. Das Kernprotein weist dabei in einer oder mehreren Regionen einen hohen Anteil der Aminosäuren Prolin, Threonin und Serin auf („PTS-Region“). Diese sind zu mindestens 20 Prozent am Gesamt-Aminosäuregehalt des Muzinmonomers beteiligt. Threonin und Serin sind in diesen Abschnitten stark O-glykosiliert. Diese stark glykosilierten Regionen sind aufgrund sterischer Gründe gegen Proteolyse geschützt (THORNTON et al. 1990). SUMI et al. (1997) fanden im Proteinanteil des Hautmukus der Regenbogenforelle einen Anteil von 32,4 % Threonin und 11,9 % Serin als Haupt-Aminosäuren.

Der Kohlenhydratanteil kann je nach Lokalisation im Darm zwischen 40 bis 80 % am Gesamtmolekül schwanken (GUM et al. 1991; VAN KLINKEN et al. 1995; CONE 1999).

SUMI et al. (1997) fanden im Hautmukus der Regenbogenforelle einen Kohlenhydratgehalt von 63 %.

Das Muzinmonomer weist molekular – wenn man die Struktur modellhaft betrachtet - den Bau einer Flaschenbürste auf (Abb. 2.3). Diese Oligosaccharide sorgen für die Hydratation des Muzinmoleküls im Darmlumen. Der starke Hydratationszustand des Gels ist sowohl durch den stark hydrophilen Charakter der Oligosachharide als auch durch elektrostatische Abstoßung der einzelnen Monomere untereinander bedingt. Kationen treten bei dieser Konformationsausbildung als Mittler auf. Das Apomuzin allein ist wasserunlöslich (STROUS u. DEKKER 1992; BANSIL et al. 1995).

2.3.2.1 Proteinanteil

Das Kernprotein besteht aus einem größeren Mittelstück und zwei schwach sowie überwiegend N-glykosilierten „naked cores“ genannten Enden. Jeder Teil der Tandem Repeats (siehe 2.3.2) besteht aus acht bis 169 Molekülen, die sich zwanzig- bis hundertfach im Apomuzin wiederholen (GUM et al. 1989; STROUS u. DEKKER 1992; GENDLER u.

SPICER 1995). Zudem ist das Apomuzin mit Kohlenhydratketten besetzt, die fast ausschließlich O-glykosidisch mit Threonin und Serin verbunden sind. In der schwach

S S S

S

S S S S

O-glykosidisch gebundene Kohlenhydratkette N-glykosidisch gebundene

Kohlenhydratkette

Apomuzin

schwach glykolisiertes Endstück schwach glykolisiertes

Endstück

stark glykolisiertes Mittelstück Disulfidbrücke

Abb. 2.3: Schematische Darstellung eines membranassoziierten Muzinmoleküls

glykosilierten Endregion befindet sich jeweils ein Bereich mit zahlreichen Cysteinresten.

Diese sind zu 90 Prozent für die Ausbildung von Disulfidbrücken verantwortlich (MANTLE et al. 1981; MANTLE et al. 1990; GUM et al. 1992; GUM et al. 1995).

Diese Brücken dienen der Konformation des Muzinmoleküls, welche für die Bildung von Muzinaggregaten zu der gelartigen, viskösen Muzinschicht notwendig sind (BANSIL et al.

1995; SHEEHAN et al. 1995; PEREZ-VILAR u. HILL 1999). SUMI et al. (1997) ermittelten im dermalen Mukus der Regenbogenforelle eine Beteiligung von mehr als zehn Cysteinresten je Endregion bei der Ausbildung dieser Disulfidbrücken. HERRMANN et al. (1999) fanden eine bis jetzt nicht näher definierte, molekulare Protease-Insensitive Verbindung, welche die Disulfidbrücken begleitet, deren Funktion bis jetzt jedoch nicht geklärt ist. Disulfidbrücken sind weiterhin in Verbindung mit einer spezifischen Aminosäuresequenz in der Endregion für die Ausbildung der Antigenität von Muzinen verantwortlich (MANTLE et al. 1984).

2.3.2.2 Kohlenhydratanteil

Die O-glykosidisch gebundenen Kohlenhydratseitenketten kommen fast ausschließlich im stark glykosilierten Mittelstück des Muzins vor und bestehen beim Säugetier aus fünf verschiedenen Kohlenhydraten:

Galaktosamin (Gal), N-Acetyl-Galaktosamin (GalNAc), N-Acetyl-Glukosamin (GlcNAc), Fukose (Fu) und N-Acetyl-Neuraminsäure (NeuNAc) (in der Literatur und im Sprachgebrauch oft als Sialinsäure bezeichnet).

Im Gegensatz zum Säuger enthalten Muzine von Amphibien neben den auftretenden fünf Monosacchariden zusätzlich Kdn (3-Desoxy-D-Glukero-D-Galakto-2-Nonulon-Säure) als Analogon zur NeuNAc. Ebenso verhält es sich mit dem Hautmukus einiger Fischarten: Dieser enthält auch Muzine mit Kdn. So ist ein hoher Gehalt von Kdn in der Schmerle (Misgurnus anguillicaudatus) gefunden worden (KIMURA et al. 1994). Im Gegensatz dazu fanden SUMI et al. (1997) im Hautmukus der Regenbogenforelle keinen Gehalt an Kdn, sondern sie fanden eine Zusammensetzung von 30,1 % NeuNAc, 26 % -Galaktosamin, 5 % Galaktose und 26 % Aminosäuren. Die Viskosität und Glykoproteinzusammensetzung des Hautmukus sowie des Mukus der Kiemen von Salmoniden ist speziesabhängig und variiert mit der Salinität des umgebenden Wassers. So variiert der Glukose- und Protein-Gesamtgehalt bei den einzelnen untersuchten Spezies deutlich (ROBERTS u. POWELL 2004).

Die N-glykosidisch gebundenen Kohlenhydratketten sind fast nur an den Enden des Apomuzins sowie innerhalb der cysteinreichen Abschnitte des Muzins vorhanden. Diese im Vergleich zu den O-glykosidisch gebundenen Ketten sind in ihrer Zahl deutlich vermindert, wobei ihre Kohlenhydratstrukturen fast komplett mit denen der O-glykosidisch gebundenen Ketten identisch sind. Allerdings ist im Gegensatz zu den O-glykosidisch gebundenen Ketten zusätzlich Mannose enthalten.

Bei den O-glykosidisch gebundenen Ketten zeigt die Verknüpfung der einzelnen Kohlenhydrate eine große Diversität. So werden diese Monosaccharidmonomere je nach Spezies, untersuchtem Organ sowie Gesundheitszustand in unterschiedlicher Weise an das Kernprotein glykosiliert. In Amphibien sind weitere hundert neue Monosaccharidsequenzen

und somit Konformationen nach Glykosilierung gefunden worden, welche bei Säugetieren nicht auftreten.

Trotz dieser großen Diversität in der Glykosilierung lässt sich die Kohlenhydratregion des Mittelstückes in drei verschiedene Bereiche gliedern (HOUNSELL u. FEIZI 1982). Auf der einen Seite gibt es eine Kernregion, in welcher über GalNAc sowie die Hydroxylgruppe von Serin oder Threonin eine Bindung zum Apomuzin geschaffen wird. Die Verbindung zur sich anschließenden Hauptregion wird ß -glykosidisch über bis zu zwei weitere Monosaccharide gebildet. Die Hauptregion enthält ausschließlich ß-1,3- oder ß-1,4- gebundene Gal und GlcNAc. Weitere Verzweigungen kommen entweder an GalNAc der Kernregion oder an Gal der Hauptregion vor (CARLSTEDT et al. 1985). Schließlich differenziert man noch die periphere Region, welche Monosaccharide ausschließlich in a-glykosidischer Bindung enthält, wobei Fukose und Sialinsäure nur hier - terminal im Muzinmolekül – auftreten. Sie bilden ebenso wie eine potentielle Sulfatierung einen zusätzlichen Schutz vor bakterieller Degeneration, da nur wenige Bakterien Sialidasen sowie Fukose-spaltende Enzyme bilden.

Die Sialinsäure tritt beim Säugetier in intestinalen Muzinen in drei Bindungsarten auf: Als sialyl-a-2,3-Galaktosamin, als sialyl-a-2,6-Galaktosamin oder als a-2,8 gebunden an ein weiteres Sialinsäuremolekül. Das Mukusmolekül aus dem Darm des Schweines enthält 18,3

% Sialinsäure sowie 3,1 % sulfatierte Ester. Die zunächst neutralen Muzinmoleküle weisen durch Sulfatierung und Sialinsäuren eine negative Ladung auf (MANTLE u. ALLEN 1981;

NEUTRA u. FORSTNER 1987). Die Muzine im Magen der Ratte enthalten ebenso wie die meisten gastrointestinalen Muzine anderer Säuger terminal Sialinsäure, wobei diskutiert wird, dass dieses Sialomuzin nicht nur von Becherzellen im Magen produziert wird, sondern auch aus dem Speichel der Ratte stammt (KODAIRA et al. 1999).

2.3.2.3 Synthese der Muzine

Zunächst wird der Proteinanteil der Muzine synthetisiert. Nach Transskription der ihn codierenden MUC-Gene (MUC = Abkürzung für Muzin) im Zellkern wird im folgenden mittels Translation der m-RNA im zytoplasmatischen Teil des rauhen Endoplasmatischen

Reticulums (rER) das Protein synthetisiert. Die fertige Aminosäurensequenz wird - vermittelt durch ein N-terminales Signal - in das Lumen des rER transloziert (FORSTNER 1995).

Im rER wird das Molekül durch ein Bindungsprotein stabilisiert (ROSE u. DOMS 1988), das erst im Rahmen der Oligomerisierung zu Di- und Trimeren entfernt wird (MUNRO u.

PELHAM 1987). Anschließend wird das Molekül in Vesikeln zum Golgi-Apparat transportiert. Während dieser Translokation beginnt die N-Glykosilierung an den Enden des Apomuzins. Dazu werden bereits synthetisierte, mannosehaltige Kohlenhydratketten als gesamte Struktur an das Protein addiert. Die hierdurch eintretende Konformationsänderung des Moleküls bildet eine Voraussetzung für die Schaffung der intra- und intermolekularen Disulfidbrücken (DEKKER u. STROUS 1990). Die bereits fast fertigen N-glykosidisch gebundenen Ketten werden in der Folge umgebaut, indem einige Mannosemoleküle sowie gebundene Glukose entfernt werden. Zunächst werden die vorhandenen Glukose-Reste durch ER-eigene Glykosidasen entfernt. α-Mannosidasen sorgen letztlich für die Ausbildung der finalen Anzahl von Mannoseresten. Diese Form wird als „Complex-Type-Structure“

bezeichnet. An diese werden nun NeuNAc sowie Gal und GalNAc-Moleküle mit Transferasen an das Molekül addiert (DELL u. MORRIS 2001). Gleichzeitig erfolgt die stufenweise O-Glykosilierung durch zytoplasmatische Uridin-Diphosphat aktivierte Kohlenhydrate sowie eine Addition von nuklären Cytidin-Monophosphat-Sialinsäure-Molekülen. Die O-Glykosilierung beginnt im cis-Golgi oder im Kompartiment zwischen ER und Golgi-Apparat (ROTH et al. 1994; SCHWEIZER et al. 1994). Sialinsäure und Sulfat werden nur terminal mittels spezifischer Transferasen addiert. Bei intestinalen Muzinen von Ratten wurde kurz vor ihrer Sekretion von BELL et al. (1998) Benzyl-Galaktosamin als Stoppsignal für die Sialierung von intestinalen Muzin-Dimeren ermittelt.

STROUS u. DEKKER (1992) zeigen fünf synthesebedingte Faktoren, welche die Sequenz und Häufigkeit der verschiedenen Zucker in den Kohlenhydratketten bedingen. Diese sind für die Unterschiedlichkeit in den verschiedenen Muzinen verantwortlich: Die Kettenverlängerung der Saccharide an das Muzinmolekül ist abhängig von zellspezifischen Glykosyltransferasen, von der Konkurrenz um dasselbe Substrat verschiedener Transferasen, vom zuletzt addierten Monosaccharid, vom Verzweigungsgrad sowie von sterischen Gründen, die eine weitere Addition verhindern können. Das Zusammentreffen von Enzym und Substrat

zu einem bestimmten Zeitpunkt der Glykosilierung ist zufällig und trägt wesentlich zu der Variabilität in den Kohlenhydratketten bei (NEUTRA u. FORSTNER 1987). Im trans-Golgi-Apparat erfolgt schließlich die Ausbildung von elektronendichten Granula, in denen die Muzine für die Sekretion zwischengespeichert werden (RAMBOURG et al. 1987). Dabei ist bei Ratten gezeigt worden, dass synthetisierte Muzine in Form von Dimeren stabilisiert vorliegen (FAHIM et al. 1987). BELL et al. (2003) ermittelten in intestinalen Muzinen von Ratten, dass das C-terminale-Ende des Muzins Disulfid-abhängige Dimere formt und N-Glykosilierungen für eine weitere, erfolgreiche Ausbildung von Dimeren mit anschließender Sekretion nötig sind.

Die Synthese der membrangebundenen Muzine läuft analog ab. Dabei wirkt der hydrophobe Teil der Kette im Rahmen der Synthese als Stoppsignal, wobei er später die entsprechende Transmembrandomäne darstellt.

2.3.2.4 Sekretion der Muzine

Die in den Vesikeln der Becherzelle befindlichen Muzine werden mit Hilfe der Exozytose aus der Zelle ausgeschleust. Dabei verschmilzt die Membran der Vesikel mit der Membran der Zelle und der Inhalt kann ausfließen (BRECKENRIDGE u. ALMERS 1987).

Man unterscheidet dabei die basale von der stimulierten Sekretion. Für letztere werden die Muzine in den Vesikeln für gewisse Zeit kondensiert und in Lagerungsgranula gestapelt, um bei Bedarf ausgeschüttet werden zu können (BURGESS u. KELLY 1987). Diese Stapelvesikel liegen nahe der Plasmamembran. Nach CHAMBRAUD et al. (1989) hingegen sind diese Vesikel nicht einer speziellen Sekretionsform zugeordnet. Die Steuerung der beiden Sekretionsformen unterliegt zwei verschiedenen Mechanismen.

Die basale Sekretion zeigt sich als eine kontinuierliche Freigabe von Muzinen, welche physiologisch abläuft und in der Folge das Epithel fortwährend vor biologischen, chemischen und physikalischen Noxen schützt. Für diese Sekretion werden ausschließlich membranständige Vesikel angesprochen, die zur Exozytose gelangen. Nach EPPLE et al.

(1997) ist dieser Weg gekennzeichnet durch kontinuierliche Synthese von Muzinen in der Golgi-Region mit anschließendem geleitetem Vesikeltransport über das zelluläre

Mikrotubulussystem in die Peripherie der Zelle. Ist ein solcher Vesikel am apikalen Teil der Becherzelle angelangt, so wird der Inhalt durch Exozytose freigegeben. Dabei wird stets nur ein Vesikel zur Exozytose gebracht. Die Steuerung der basalen und kontinuierlichen Sekretion erfolgt unter Beteiligung des zellulären cAMP-Messenger-System, welches die neu synthetisierten Muzine direkt zur Freisetzung bringt. Die durchschnittliche Freisetzungszeit für neu gebildete Vesikel in den Becherzellen beträgt vier bis acht Stunden in Ratten (in vivo), acht bis zwölf in Kaninchen (in vitro) und bis zu 24 Stunden (in vitro) beim Menschen (NEUTRA u. FORSTNER 1987).

Erreichen die Muzine nach der Exozytose die Epitheloberfläche, verlieren sie ihre kationische Ladung, werden hydriert und bilden somit als Polymergemisch einen Biofilm auf dem intestinalen Epithel. Dabei werden sie durch eine Ladungsverschiebung entfaltet, indem die negativ geladenen Seitenketten sich abstoßen. Es erfolgt im Rahmen dieser Entfaltung ein Austausch des zweifach positiv geladenen Calciumions gegen ein einfach positiv geladenes Natriumion. Diese sich ändernde Konformation geschieht innerhalb von 20 Millisekunden und vergrößert das Volumen des ehemaligen Vesikels auf das 400 bis 600 fache (VERDUGO 1990).

Die stimulierte Sekretion ist nach EPPLE et al. (1997) durch eine pulsatile und schnelle, apikale Freigabe von Stapelvesikeln gekennzeichnet. Dabei spielt das Mikrotubulussystem der Zelle im Gegensatz zur basalen Sekretion keine Rolle. Gesteuert wird diese Freigabe unter Beteiligung von Calcium-Ionen. So wird bei Verwendung von Calcium-Agonisten eine schnelle Muzinfreisetzung aus den apikalen Stapelvesikeln gesehen. Es sind eine Reihe von Stimulatoren bekannt, die zu einer abgestuften Steigerung der Muzinfreisetzung führen, wobei je nach Tierart, Lokalisation und untersuchtem Organ unterschiedliche Signalstoffe wirksam sind.

FORSTNER (1995) zeigte an Becherzellen des Darmes die Wirksamkeit von Phospholipase C-Aktivatoren (muskarinerge Substanzen, Neurotensin), Senföl, Chymotrypsin, Elastase, Sauerstoffradikalen sowie von Adenylatzyklaseaktivatoren (Choleratoxin, Prostaglandin E1 und E2). EPPLE et al. (1997) stimulierten die intestinale Muzinsekretion mittels cholinergen Substanzen (Choleratoxin, Carbachol). ENSS et al. (1996 u. 1997) applizierten Endotoxin (Lipopolysaccharid) oral und steigerten so im Blinddarm von Ratten die Muzinsekretion.

Neben einer Änderung in der Menge des sezernierten Muzines trat ebenso eine Veränderung in der terminalen Zusammensetzung der abgegebenen Muzine auf. Denselben Effekt erreichten URLAUB (1998) mit oraler Endotoxingabe im Darm von Mäusen. Es änderte sich die Muzinzusammensetzung und Viskosität der Muzinschicht. Gleichzeitig wurde eine Beteiligung von Makrophagen bei der Sekretion erkannt. Auch ISHIKAWA et al. (1993) erkannten eine Veränderung des terminalen Glykosilierungsmusters von intestinalen Muzinen von mit Strongyliden infizierten Ratten und diskutierten dabei eine Beteilung dieser Änderung am Beseitigungsmechanismus dieser parasitären Infektion. SMIRNOVA et al. (2003) stimulierten in vitro humane, intestinale Becherzellen mit Endotoxin. Diese steigerten als Reaktion ihre Muzinsynthese und –sekretion, wobei sie zudem IL-8 produzierten und freisetzten. Deshalb sind Becherzellen als ein Teil der mukosalen Immunität anzusehen, da sie auf einen bakteriellen Reiz reagieren können. Durch eine orale Gabe von Dextran-Sulfat-Natrium (DSS) konnte eine Steigerung in der MUC-Gen Aktivität gemessen werden, die in einer Zunahme der täglichen Muzinsekretion im Ileum von Ratten resultierte (FAURE et al.

2003). Auch Aeromonas salmonicida ssp. salmonicida spricht im Seesaibling (Salvelinus alpinus) die stimulierte Muzinsekretion an. Nach stattgefundener Infektion wurde ein geringerer, intestinaler Gesamtkeimgehalt festgestellt, der mit einer gesteigerten Muzinsekretion erklärt wurde (RINGØ et al. 2002). DEPLANCKE u. GASKINS (2001) postulieren nicht nur durch pathogene Erreger eine stimulierte Sekretion, sondern sehen auch eine entscheidende Rolle der normalen gastrointestinalen Mikroflora bei der Mukogenese sowie Mukolyse. BUCHMANN et al. (2004) stimulierten die Muzinsekretion der Haut mit einer Formalin-Behandlung bei der Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) und erkannten eine Dosis-Wirkungsbeziehung.

2.3.2.5 Degradation der Muzine

Die intestinale Mukusschicht ist physikalischen, chemischen und biologischen Veränderungen unterworfen. So sorgen Peristaltik, Ingesta sowie köpereigene und bakterielle Enzyme für eine Degradation der Muzinschicht. Bei letzterer Art der Degeneration spielen sowohl proteolytische als auch Kohlenhydrat-spaltende Enzyme (Glykosidasen) eine Rolle.

Die Fähigkeit, die Muzinschicht zu degradieren, ist sowohl bei pathogenen Bakterien als auch bei Kommensalen beschrieben worden und gilt als Quelle von Kohlenhydraten und Energie für Bakterien. Gleichzeitig ermöglicht eine degradierte Muzinschicht den Bakterien, die Epitheloberfläche des Darmes zu erreichen. Im physiologischen Zustand stehen Synthese, Sekretion und Degradation der Muzine in einem Gleichgewicht (CORFIELD et al. 1992, CORFIELD et al. 1993; FORSTNER u. FORSTNER 1994; FORSTNER 1995;

DEPLANCKE u. GASKINS 2001; AKIBA et al. 2000). Über mechanische Degradations-Prozesse liegen im Gegensatz zu den chemisch-biologischen kaum Daten vor.

Die enzymatische Muzin-Degradation ist ein Prozess, bei dem zunächst die nicht-glykosilierten Enden der Muzine proteolytisch gespalten werden. Eine proteolytische Aktivität kann nur hier an den wenig glykosilierten Enden stattfinden. Einerseits schützt das intakte Polymergemisch der Muzine die wenig glykosilierten Enden vor Proteolyse, da der größte Teil der enzymatisch zugänglichen Enden im Inneren des Muzin-Netzwerkes liegt (STROUS u. DEKKER 1992). Auf der anderen Seite verwehrt im Bereich des Mittelstückes des Muzinmonomers die hohe Glykosilierung aus sterischen Gründen das Angreifen der degradierenden, proteolytischen Enzyme an diese Region (VARIYAM u. HOSKINS 1983).

Eine proteolytische Aktivität bedingt eine Entstehung von Monomeren aus dem ursprünglichen Polymergemisch, welches für Elastizität und Viskosität der Muzinschicht verantwortlich ist. Es kommt durch Degradation zum zunehmenden Verlust des Zusammenhaltes der Muzinmoleküle und zum Verlust des protektiven Biofilms.

Glykosidasen können im Gegensatz zu Proteasen das Mittelstück des Muzinmoleküls nach und nach aufspalten. Diese Glykosidasen sind bakteriellen, nicht aber wirtseigenen Ursprungs.

Bei der Degradation werden zunächst die terminalen Monosaccharide abgespalten. In Säuger-Muzinen liegen die äußeren, terminalen Monosaccharide in einer α-glykosidischen Bindung vor, während die Monosaccharide in der Hauptregion des Muzinmonomers in einer -glykosidischen Bindung vorliegen (HOSKINS 1981; HOSKINS et al. 1985; CORFIELD et al.

1992), so dass je nach Region des Muzins spezifische Glykosidasen zur Spaltung notwendig sind. Terminal treten im Muzinmolekül weiterhin sialierte Reste auf. Ist dies der Fall, so ist das Muzinmonomer vor Degradation besser geschützt. Auch Sulfatreste dienen als initialer Schutz vor Degradation. Ist dieser protektive Mechanismus jedoch erst einmal zerstört, erfolgt

eine weitere Degradation durch spezifische Glykosidasen. Vorkommende Glykosidasen sind (neben der Sialidase): -Galaktosidasen, N-Acetyl-Glukosaminidasen, N-Acetyl-Galaktosidasen und Fukosidasen. Die entstehenden Fragmente, der sogenannte lösliche Mukus, werden von den Bakterien für den eigenen Stoffwechsel verbraucht oder mit der Ingesta im Rahmen der Peristaltik mit ausgeschieden (FORSTNER u. FORSTNER 1994).

99 % der intestinalen Bakterienflora sind nicht in der Lage, Muzine an deren Kohlenhydratketten zu degradieren. Ihnen fehlen die entsprechenden Glykosidasen.

HOSKINS et al. (1985) wiesen nach, dass im Blinddarm des Menschen Vertreter der Gattungen Bifidobacterium und Ruminococcus die zahlenmäßig dominierenden Gattungen sind, welche Muzine spalten können.

Auch Krankheiten wie Krebs oder die Bowel Disease beim Menschen sind von einer veränderten Mukus-Zusammensetzung infolge synthesebedingter Degradation begleitet.

Muzine aus dem Magen von an Magenkrebs erkrankten Personen sind stärker degradiert als die von gesunden Probanden (XERRI et al. 1990; KIM et al. 1996; MALL et al. 1999;

SHIRAZI et al. 2000).

2.4 Aufbau und Funktion der intestinalen Mikroflora