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2.5 Endotoxin (Lipopolysaccharid = LPS)

2.5.3 Weg und Wirkung von Endotoxin im Wirtsorganismus

2.5.3.3 Bindung von Endotoxin an Zellen und (Serum-)Proteine

Damit Endotoxin mit den Zielzellen wie Monozyten und Makrophagen wechselwirken kann, ist eine Bindung an selbige unumgänglich. Viele zellmembrangebundene Strukturen sowie (Serum-)Proteine sind für eine Aktivierung von Zellen und eine Signaltransduktion infolge einer Endotoxin-Gabe beteiligt.

Ist LPS im Kreislauf vorhanden, wird es auf verschiedene Weise gebunden. Die Bindung an High-Density-Lipoproteins (HDLs) führt zur Neutralisation von Endotoxin. So überleben Mäuse eine Applikation einer letalen Dosis LPS, wenn dieses vorher mit humanem HDL inkubiert wurde (ULEVITCH et al. 1979; FREUDENBERG u. GALANOS 1990). Mittels dieses Mechanismus wird bis zur Verstoffwechselung von Endotoxin durch Hepatozyten,

Kupffer-Zellen (Makrophagen) sowie Makrophagen von Leber, Milz und Nebennieren eine Bindung an andere Körperzellen und potentielle, eintretende systemische und lokale Reaktionen weitestgehend verhindert. Die Ausscheidung der Endotoxin-Abbauprodukte erfolgt über die Galle und zum Teil auch über den Harn. Zudem konnte gezeigt werden, dass auch andere Lipoproteine in der Lage sind, Säugetiere vor den Auswirkungen von Endotoxin zu schützen. Auch für humanes LDL (Low-Density-Lipoprotein), VLDL (Very-Low-Density-Lipoprotein) und Chylomikronen konnte ein protektiver Effekt nachgewiesen werden (HARRIS et al. 1990). Die schützenden Eigenschaften von Lipoproteinen sind ebenfalls durch Versuche mit LDL-Rezeptor-defizienten Mäusen sowie mit transgenen Mäusen gezeigt worden. Beide Tiergruppen weisen gesteigerte Lipoproteinkonzentrationen im Serum auf und sind resistenter gegenüber intraperitonealen LPS-Injektionen (NETEA et al. 1996; LEVINE et al. 1993).

Ein im Serum vorhandenes, spezifisches LPS-bindendes Glykoprotein (LBP) ermöglicht eine Aktivierung von Makrophagen und monozytären Zellen. LBP ist ein Glykoprotein von 60 kDa, welches in Hepatozyten gebildet und zu den Akute-Phase-Proteinen gerechnet wird (TOBIAS et al. 1986; GRUBE et al. 1994; WURFEL u. WRIGHT 1997). Beim Karpfen ist ein LBP-analoges Molekül beschrieben worden, welches dem Säugetier-LBP strukturell ähnlich und in der Lage ist, Endotoxin zu binden. Nach Endotoxin-Stimulation des Karpfen werden die kodierenden Gene vor allem in Leber und Kopfniere exprimiert (KONO u. SAKAI 2003). Die LBP-Produktion lässt sich durch IL-6 induzieren und durch IL-1 verstärken. Die schützende Funktion von LBP konnte auch durch die Applikation hoher Konzentrationen von LBP in vivo bei Mäusen gezeigt werden. Durch die intravenöse Gabe von LBP konnte sowohl eine durch LPS als auch durch intakte Bakterien ausgelöste Sepsis unterdrückt werden. Hohe Konzentrationen von LBP hemmen daher LPS-Effekte (LAMPING et al. 1998). Das LBP bindet mit einer hohen Affinität die Lipid A Region (TOBIAS et al. 1989).

In der Folge bindet dieser LBP-LPS-Komplex an ein membrangebundenes CD14-Antigen (mCD14). Das mCD14 ist ein 53 kDa Glykoprotein, welches vor allem auf humanen und murinen Makrophagen und Monozyten zu finden ist und stellt die wichtigste LBP-LPS-bindende Struktur dar (WRIGHT et al. 1990; NASU et al. 1991; ULEVITCH 1993). TOBIAS et al. (1993) hingegen zeigten, dass auch eine direkte Bindung von Endotoxin ohne

Beteiligung von LBP an einen CD14 möglich ist und CD14 somit als LPS Rezeptor fungieren kann. Ein entstandener LPS-LBP-mCD14-Komplex als der normale Weg der Aktivierung von Makrophagen (TOBIAS u. ULEVITCH 1993) spricht über ein transmembranär verankertes System zelluläre Enzyme an und initiiert in der Folge die Proteinbiosynthese für eine Reihe von Zytokinen wie IL-1, IL-6 oder TNF-α. mCD14 ist mit einem Glykerophosphatidylinositol-Anker in der Membran fixiert, besitzt keine transmembranäre Domäne und dient nicht der Signaltransduktion in die Zelle (HAZIOT et al. 1988).

Weitere Strukturen sind somit zur Signaltransduktion nötig, die unter dem Namen Toll-like-Rezeptoren (TLRs) zusammengefasst werden. Diese dienen unter anderem als Co-Rezeptor bei der Signaltransduktion in die Zelle. Unstimulierte, intestinale Epithelzellen zeigen eine geringe Expression von TLRs, was die mukosale Immunantwort tolerant gegenüber kommensalem Antigen werden lässt. Durch hohe Antigen-Konzentrationen hingegen werden vermehrt TLRs exprimiert, die in der Folge zu einer gesteigerten Zytokinproduktion und zur Eliminierung des Pathogens führen (MONCADA et al. 2003). Toll-like Rezeptoren sind Proteine mit einer einfachen transmembranären Domäne und zuerst in der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) beschreiben worden. In Säugetieren sind diese Strukturen ebenfalls beschreiben, wobei der Toll-like-Rezeptor-4 (TLR4) für die Signaltransduktion von Endotoxin die entscheidende Rolle spielt. Der TLR2 scheint ebenso zur Endotoxin-Erkennung fähig zu sein (MUTA u. TAKESHIGE 2001). Der TLR4 geht Verbindung mit dem CD-14-LPS-LBP-Komplex ein (ULEVITCH u. TOBIAS 1999; TRIANTAFILOU u.

TRIANTAFILOU 2002; BEUTLER u. RIETSCHEL 2003). Zudem wird eine Beteiligung des Moleküls MyD88 bei der Signaltransduktion als essentiell angesehen (KAWAI et al. 1999).

Das Bild der Existenz von Toll-like-Rezeptoren bei Fischen ist unvollständig. TLRs sind auf Makrophagen von Goldfischen beschrieben. Eine Stimulierung dieser Zellen mit Endotoxin erhöht die Biosynthese und Expression dieser Rezeptoren (STAFFORD et al. 2003).

LBP wird nicht ausschließlich von der Leber synthetisiert. Im murinen, intestinalen Mukus wurde in vitro nach Endotoxin-Stimulation LBP nachgewiesen, welches von Enterozyten synthetisiert und sezerniert wurde. Somit ist die Funktion von LBP nicht nur auf das Blut begrenzt (VREUGDENHIL et al. 2000).

Eine Bindung von Endotoxin an einen dem LBP funktionell gleichwertigen, im Plasma gelösten Rezeptor (sCD14) ist ebenfalls möglich. Das sCD14 wird entweder durch Abspaltung von seinem Membran-Lipidanker von der Zelloberfläche abgegeben oder direkt als lösliches Protein sezerniert (BAZIL u. STROMINGER 1991; DURIEUX et al. 1994).

Folgende Funktionen von LBP sind bekannt: LBP kann nicht nur das LPS zum CD14 transferieren, sondern auch einen anderen Weg für die Detoxifizierung von Endotoxin einschlagen. LBP reduziert die toxische Aktivität von im Blutkreislauf befindlichen LPS, indem es auf der einen Seite das LPS direkt ins HDL transferiert und auf der anderen Seite das LPS mit Hilfe von sCD14 zum HDL transportiert (WURFEL et al. 1994). Die letztgenannte Reaktion läuft bevorzugt ab. Eine Neutralisation von Endotoxin durch HDL wird bei Addition von sCD14 in mehr als 30-facher Konzentration verstärkt. Auch eine Transportfunktion von LBP-LPS in Phospholipidmembranen ist beschrieben worden (WURFEL u. WRIGHT 1997).

Nach YU et al. (1997) hat das LBP zudem eine Lipidaustausch-Funktion. LBP katalysiert die Abgabe von Endotoxin aus LPS-Mizellen und aus sCD14-LPS an das HDL und umgekehrt.

Dabei wird es nicht verbraucht.

Auch Zellen, die keinen CD14 aufweisen, reagieren auf eine Endotoxin-Stimulation. LPS bewirkt auch alleine eine Aktivierung über LPS-Rezeptoren der Zelle. Auch wenn sCD14 nicht vorhanden ist, ist eine Signaltransduktion durch hohe Endotoxinkonzentrationen bei CD14-negativen Zellen möglich (RIETSCHEL et al. 1994; SCHUMANN et al. 1994).

Mitglieder der Toll-like-Rezeptor-Familie spielen auch bei dieser Signaltransduktion eine Rolle. Eine Überexpression des Toll-like-Rezeptors-2 (TLR2) bringt nicht Endotoxin-responsive Zellen dazu, auf Endotoxin-Stimulation zu reagieren. Diese Stimulation lässt sich durch LBP und Transfektion mit mCD14 verstärken. Weiterhin konnte bei zwei Mausstämmen, die nur stark abgeschwächt auf LPS reagieren konnten, ein Gendefekt in einem der TLRs identifiziert werden (POLTORAK et al. 1998 ; QURESHI et al. 1999).

Neuere Ergebnisse postulieren bei der Aktivierung des Endotoxin-Rezeptorkomplexes das Mitwirken von CD11/CD18 Zell-Rezeptoren. Gleichzeitig wird eine Beteiligung des Zellrezeptors CD55, der Hitzeschock-Proteine 70 und 90, des Chemokin-Rezeptors 4 sowie des Wachstumsfaktors 5 diskutiert (TRIANTAFILOU u. TRIANTAFILOU 2002). In polymorphkernigen Granulozyten ist eine gesteigerte Expression von CD11b nach

Endotoxin-Applikation gemessen worden. CD11b defiziente Zellen waren nach Endotoxin-Stimulation nicht in der Lage, auf den Stimulus mit gesteigerter Migration zu reagieren (ZHOU et al.

2004). CD18 ist auf allen Leukozyten vorhanden und in der Lage, E. coli-Endotoxin zu erkennen (WRIGHT u. JONG 1986). Es übernimmt wie CD11 in neutrophilen Granulozyten die Funktion der verzögerten Apoptose und ist somit für eine verlängerte Lebenszeit dieser Zellen im Gewebe verantwortlich (YAN et al. 2004).

Weiterhin existieren intrazelluläre Proteine, die Endotoxin binden können. Sie befinden sich vor allem in neutrophilen Granulozyten und werden als BPIs (Bactericidal / Permeability Increasing Proteins) bezeichnet. Das BPI ist dem oben genannten LBP zu 45 % analog, verhindert eine Aktivität des LPS durch Bindung mit hoher Affinität und ist bei der Beseitigung von Endotoxin in Granulozyten beteiligt (WEISS et al. 1982).