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Important Characteristics, Weaknesses and Errors in German Equity

Im dritten Aufsatz wird unter anderem die Qualität der von Datastream für den deutschen Kapital-markt bereitgestellten Daten untersucht. Indirekt wird durch diese Arbeit auch die Qualität der eigenen

Datenbank zum deutschen Aktienmarkt dokumentiert.16 Datastream ist neben Bloomberg eine der wichtigsten Datenbanken für die weltweite empirische Kapitalmarktforschung.17 In den letzten Jahren verwendet eine stetig steigende Anzahl von internationalen aber auch deutschen Studien Datastream-Daten. Ince/Porter (2006, S. 463) weisen jedoch darauf hin, dass die Datastream-Daten nicht fehlerfrei sind und „naive use of TDS [Datastream] data can have a large impact on economic inferences“.

Ince/Porte (2006) zeigen allerdings auch, dass sich die Auswirkungen der Datastream-Fehler auf empirische Ergebnisse mit Hilfe von verschiedenen Screening-Prozeduren begrenzen lassen.

Unklar ist bisher jedoch, wie gut die von Datastream bereitgestellten Daten für den deutschen Kapitalmarkt tatsächlich sind, bzw. inwiefern die Daten für empirische Untersuchungen geeignet sind.

Unklar ist auch, welche Arten von Fehlern in den Datastream-Daten vorkommen. Ein wesentlicher Beitrag des dritten Aufsatzes ist es, die Qualität der Datastream-Daten außerhalb der USA systema-tisch zu untersuchen. Hierbei komme ich zu dem Ergebnis, dass Datastream als primäre Datenquelle für den deutschen Kapitalmarkt vor 1990 ungeeignet ist. Dies begründet sich hauptsächlich durch Pro-bleme bei der Marktabdeckung, es fehlen einige Aktien und es gibt zusätzlich einen Survivorship-Bias. Ferner gibt es Probleme bei der Einbeziehung von Dividenden vor 1990, die Dividendenzeitreihe ist unvollständig und der Total-Return-Index wird in der Regel nicht richtig um Dividendenzahlungen bereinigt. Nach 1990 kommt es zwar zu zufälligen Fehlern in Datastream, allerdings sind diese nur selten gravierend.

Zusätzlich zeige ich im dritten Aufsatz, dass die Verwendung von Datastream-Daten durchaus auch nach 1990 problematisch sein kann. Dies hängt damit zusammen, dass Datastream nicht zwischen den einzelnen Marktsegmenten an den deutschen Börsen unterscheidet. Eine Portefeuillebildung auf Basis von Breakpoints für das höchste Marktsegment ist somit nicht möglich. In den USA werden traditionell NYSE-Breakpoints (das Top-Marktsegment) verwendet, um die kleinen Aktien der Amex und NASDAQ den NYSE-Portefeuilles zuzuordnen. Fama/French (2011, S. 6) schreiben hierzu „[i]n our previous work on US stocks (e.g. Fama and French, 1993) we use NYSE breakpoints for size and B/M, to avoid sorts that are dominated by the plentiful but less important tiny Amex and NASDAQ stocks.“18 Diese Vorgehensweise könnte in Deutschland prinzipiell repliziert werden. Analog zum US-amerikanischen Markt könnten Breakpoints für den Amtlichen Markt in Frankfurt, dem höchsten Börsensegment in Deutschland, zur Portefeuillebildung verwendet werden. Allerdings ist diese

16 Für den Geregelten Markt in Frankfurt wurden für 496 Aktien (inkl. Neuer Markt) alle relevanten Daten wie zum Beispiel Aktienkurse, Dividenden, Kapitalmaßnahmen, Anzahl der Aktien, etc. eigenständig zusammengetragen. Für den Amtlichen Markt in Frankfurt wurde die bereits bestehende Stehle-Datenbank für den Zeitraum 1996 bis 2007 erweitert.

Hierbei wurden Daten für 544 Aktien erhoben. Die Daten wurden unter anderem den Hoppenstedt Aktienführen und Kurstabellen, den Saling Aktienführern, der Karlsruher Kapitalmarktdatenbank, dem Xetra Newsboard, der Börsen-zeitung und vielen anderen Quellen entnommen. Die Erstellung der Datenbanken wurde sehr sorgfältig durchgeführt.

Insgesamt dauerte die Datenerhebung inkl. nachträglicher Korrekturarbeiten ca. 2 bis 3 Jahre. Ferner wurde die Daten-bank zum Amtlichen Markt für die Jahre 1988 bis 1996 qualitativ verbessert.

17 In der Forschung zum US-amerikanischen Aktienmarkt spielt Datastream aufgrund der Dominanz der CRSP-Daten nur eine geringe Rolle.

18 Indirekt bestätigen Fama/French (2011) mit dieser Aussage unsere Vermutung, dass die kleinen Aktien einen zu starken Einfluss auf die Ergebnisse von Fama/French (1992) haben.

Vorgehensweise auf Basis der Datastream-Daten derzeit nicht umsetzbar. Unklar ist bisher, ob und wie sich dies auf empirische Ergebnisse zum deutschen Aktienmarkt auswirkt.

In unserem gemeinsamen Aufsatz mit Patrick Lehmann und Richard Stehle zum CAPM in Deutsch-land berücksichtigen wir die vertikale Marktsegmentierung und dokumentieren für DeutschDeutsch-land im Zeitraum von Juli 1990 bis Oktober 2007 einen statistisch und ökonomisch signifikanten Reverse-Size-Effekt. Unter Verwendung von Datastream-Daten ist dieser Effekt auf Basis der üblichen Vor-gehensweise (Bildung von 10 Size-Decile-Portefeuilles, wobei jedem Portefeuille die gleiche Anzahl von Aktien zugeteilt wird) nicht nachweisbar. Erst wenn Size-Breakpoints für den Amtlichen Markt in Frankfurt zur Portefeuillebildung verwendet werden, kann ein Reverse-Size-Effekt festgestellt werden.

Demnach hat die Portefeuillebildung neben den oben genannten Einflussfaktoren (vgl. Abschnitt 1.5) einen erheblichen Einfluss auf empirische Ergebnisse zum deutschen Kapitalmarkt. Diese Beobachtung ergänzt in idealerweise die Argumentationslinie unseres Aufsatzes zum CAPM. Eine der impliziten Kernaussagen dieses Aufsatzes ist, dass bei der Durchführung empirischer Tests länder-spezifische Gegebenheiten, insbesondere in Hinblick auf die verwendeten Daten, stärker zu berück-sichtigen sind. Leider ist es oftmals so, dass „blind“ eine für die USA hergeleitete Vorgehensweise übernommen wird, ohne zu prüfen, inwiefern diese auf den zu betrachtenden Kapitalmarkt ange-wendet werden kann. Wünschenswert wäre hier eine kritischere Auseinandersetzung mit den empirischen Methoden.

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PART II

Der Geregelte Markt in Frankfurt:

Ein ökonomischer Nachruf

Inhalt

1 Einleitung... 22 2 Historisches Entwicklung und institutionelle Rahmenbedingungen ... 25 3 Beschreibung der Daten ... 31 4 Zu- und Abgänge ... 34 4.1 Zugänge zum Geregelten Markt ... 34 4.2 Abgänge aus dem Geregelten Markt ... 36 5 Empirische Untersuchungen ... 40 5.1 Das Marktportefeuille ... 40 5.2 Renditen einzelner Aktien ... 41 5.3 Monatliche Durchschnittsrenditen ... 42 5.4 Risikoadjustierte Durchschnittsrenditen für den Gesamtzeitraum ... 44 5.5 Risikoadjustierte Durchschnittrenditen für Subperioden ... 46 5.6 Der Einfluss von IPOs auf die Durchschnittsrendite ... 47 6 Zusammenfassung ... 49 Literaturverzeichnis... 50 Anhang: Abbildungen und Tabellen ... 55

Der Geregelte Markt in Frankfurt: Ein ökonomischer Nachruf Zusammen mit Richard Stehle*

Abstract

Der Geregelte Markt war zwischen 1987 und 2007 das zweithöchste deutsche Börsensegment. Kenn-zeichnend für den Geregelten Markt sind eine im Vergleich zum Amtlichen Markt geringe Anzahl gehandelter Aktien, ein sehr geringes Handelsvolumen und eine ebenfalls sehr geringe durch-schnittliche Marktkapitalisierung. Darüber hinaus ist, abgesehen von den institutionellen Aspekten, bisher nur wenig über die ökonomischen Aspekte des Geregelten Marktes bekannt. Unklar ist unter anderem, ob der Geregelte Markt ein Erfolg oder Misserfolg, so wie zum Beispiel der Neue Markt, war. Auf Basis einer speziell für den Geregelten Markt in Frankfurt erstellten Datenbank kommen wir zu einer Vielzahl interessanter Ergebnisse. Beispielsweise wurde der Amtliche Markt in Frankfurt im Hinblick auf die Zahl der Börseneinführungen (in Prozent der jeweils notierten Gesellschaften) über-troffen. Eine Vielzahl von Unternehmen nutzte den Geregelten Markt als Einstiegssegment und wechselte später in den Amtlichen Markt. Bei Zugrundelegung des Sharpe-Lintner-Modells kann sich die risikoadjustierte Durchschnittsrendite der Unternehmen des Geregelten Marktes mit der des Amtlichen Marktes in Frankfurt durchaus messen.

* Humboldt-Universität zu Berlin, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Dorotheenstr. 1, D - 10099 Berlin.

Tel.: +49 [30] 2093-5761, Fax: +49 [30] 2093-5666. E-Mail:stehle@wiwi.hu-berlin.de.

Für wertvolle Anmerkungen danken wir Stefan Schöne und Seminarteilnehmern in Rostock.

1 Einleitung

In vielen Industrieländern verteilt sich der Aktienhandel traditionell auf zwei bis drei vertikale Marktsegmente pro Börse und/oder auf mehrere Börsen, die sich auf bestimmte Werte konzen-trieren. Üblicherweise sind die Zulassungsvoraussetzungen und Folgepflichten der unteren Marktsegmente niedriger. Ziel dieser Segmentierung ist es insbesondere, kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. In den 80er Jahren wurden an einigen europäischen Börsen neue Marktsegmente („Second Markets“) wie beispielsweise der Second Marché in Frankreich und der Geregelte Markt in Deutschland eingeführt. Mitte der 90er Jahre kamen die „Neuen Märkte“ („New Markets“) wie zum Beispiel der Nouveau Marché in Frankreich, der Nuovo Mercato in Italien und der Neue Markt in Deutschland hinzu. Neben diesen Marktsegmenten existierten in einigen Ländern bereits seit Längerem verschiedene Freiverkehrssegmente wie der Marché Libre in Frankreich, der Mercato Ristretto in Italien und der Freiverkehr in Deutschland. In den USA existierte neben dem New York Stock Exchange (NYSE) unter anderem der American Stock Exchange (AMEX) und seit 1971 das NASDAQ-System. Bis Mitte der achtziger Jahre wurden an der NYSE nur etablierte Aktien gehandelt, IPOs fanden nur an anderen US-amerikanische Börsen statt.

In Deutschland existierten ab 1912 mehrere Börsenplätze, an denen jeweils ein Amtlicher Handel entsprechend dem Börsengesetz von 1896 stattfand und ein der lokalen Börsenordnung unterliegender Freiverkehr. Im Laufe der Zeit wurde zwischen dem Geregelten Freiverkehr und dem Ungeregelten Freiverkehr differenziert. 1987 wurde der Geregelte Freiverkehr durch den Geregelten Markt1 ersetzt und aus dem Ungeregelten Freiverkehr wurde der Freiverkehr.

Zwischen 1997 und 2003 existierte an der Frankfurter Börse zusätzlich der Neue Markt und von 1999 bis 2003 der Small Cap Exchange (SMAX).2 2007 wurden der inzwischen in Amtlicher Markt umbenannte Amtliche Handel und der Geregelte Markt zum Regulierten Markt vereinigt.3 Seit 2003 differenziert die Deutsche Börse AG, der Betreiber der Frankfurter Börse, innerhalb der beiden oberen Segmente (dem jetzigen Regulierten Markt) zwischen dem General Standard und dem Prime Standard. Der Freiverkehr wurde 2005 in Open Market umbenannt und innerhalb des Open Markets das Prädikatssegment Entry Standard geschaffen. In Anbetracht der kurzen Zeit zwischen diesen erheblichen Eingriffen in die deutsche Börsenstruktur stellt sich die Frage, welche Vorteile brachten diese Restrukturierungen?

1 In der älteren Literatur, insbesondere in der Finanzpresse und in Publikationen, die vor 2000 erschienen, wird häufig die Schreibweise geregelter Markt verwendet, wir bevorzugen wie viele neuere Beiträge die Großschreibung, also Geregelter Markt. Ein Grund hierfür ist, dass der englischsprachige Begriff „regulated market“ häufig mit geregelter Markt übersetzt wird. Durch die Großschreibung wird verdeutlicht, dass auf das deutsche Börsensegment Bezug genommen wird. Die Kleinschreibweise wird z. B. von Hiding (1987); Stedler (1987); Schrader (1993) verwendet, die Großschreibung von Rasch (1994); Hopt/Baum (1997).

2 Details zum Neuen Markt geben u. a. Ballwieser (2001); Gerke/Fleischer (2001); Kiss/Stehle (2002); Hunger (2003). Mit dem SMAX setzen sich u. a. Gassen/Kaltofen (2005) auseinander.

3 Der Amtliche Handel wurde zum 1. Januar 2003 in Amtlicher Markt umbenannt, wir verwenden im Folgenden durchgehend die Bezeichnung Amtlicher Markt.

Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf den wissenschaftlich bisher wenig diskutierten ökonomischen Erfolg des Geregelten Marktes, wobei insbesondere die gesamtwirtschaftliche Sichtweise sowie die Sichtweisen von Anlegern und notierten Unternehmen und nicht die Perspektiven des Betreibers, der im Aktienhandel und im Emissionsgeschäft tätigen Banken gewählt werden. Wichtige Fragestellungen in diesem Kontext sind:

- Wurde der Zugang zur Börse wie erhofft in adäquater Weise (also auch nicht zu stark) erleichtert?

- Fanden Unternehmen bei der Erstemission und bei weiteren Emissionen einen guten Zugang zu weiterem Kapital?

- Waren die Eigenkapitalkosten der Unternehmen bzw. die Renditen der Aktionäre risikoadäquat?

Derartige Fragestellungen wurden in den USA für den NYSE, den AMEX und das NASDAQ-System bereits intensiv diskutiert.4 Der Geregelte Markt existierte über 20 Jahre, im Prinzip sollten also ausreichend Daten vorliegen, um diese Fragen zu beantworten. Allerdings existiert keine speziell auf den Geregelten Markt zugeschnittene Datenbank, die eine Beantwortung der genannten Fragen erleichtert. Auch wurde für den Geregelten Markt kein eigener Aktienindex berechnet. Die dort notierten Aktien waren zwar ab 1998 im CDAX enthalten,5 für dessen Wert-entwicklung spielten sie jedoch nur eine geringe Rolle. Dies hat möglicherweise dazu beigetragen, dass nur wenige empirische Arbeiten zum Geregelten Markt existieren.

Hervorzuheben sind die Arbeiten von Schmidt/Schrader (1993) zu den Kurseffekten beim Wechsel vom Geregelten Freiverkehr in den Geregelten Markt und von Rasch (1994), in der insbesondere auf die geringe Umsatztätigkeit und dem niedrigen Streubesitzanteil hingewiesen wird . Einige Arbeiten zur Zeichnungsrendite bei Börseneinführungen wie zum Beispiel Stehle-/Erhardt (1999) und Hunger (2003) differenzieren zwischen den jeweils existierenden Markt-segmenten. Viele Arbeiten beziehen die Aktien des Geregelten Marktes zwar ein, versäumen es jedoch in Bezug auf die Segmentzugehörigkeit zu differenzieren.

In Anbetracht der vorhandenen Literatur gehen wir nur kurz auf die institutionellen Rahmen-bedingungen ein und stellen vorrangig die bisher weniger berücksichtigten ökonomischen Aspekte des Geregelten Marktes dar. Ziel dieser Arbeit ist es, zum besseren Verständnis der vertikalen Börsensegmentierung in Deutschland beizutragen. Möglicherweise erleichtert eine solche Börsensegmentierung kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zur Börse und führt für bereits notierte Unternehmen zu einer Verbesserung der Eigenkapitalausstattung. Als Folge ergeben sich möglicherweise eine bessere Allokation der Ressourcen und ein besseres Wirtschaftswachstum.

Unsere Untersuchungen zum Geregelten Markt erstrecken sich ausschließlich auf den Gere-gelten Markt in Frankfurt (im Folgenden als Geregelter Markt bezeichnet). Zum einem ist Frankfurt der wichtigste Börsenplatz in Deutschland (im Juli 1988 wurden 71,5 %, im Juli 1997

4 Vgl. z. B. Reinganum (1990) und Loughran (1993).

5 Vgl. ohne Verfasser (1998), S. 26.

77,8 % und im Juli 2007 88,4 % der gesamten Wertpapierumsätze in Deutschland an der Börse Frankfurt getätigt)6, zum anderen wäre eine Vollerhebung aller Aktien, die in deutschen Geregelten Märkten notiert waren, zu aufwendig. Im Geregelten Markt in Frankfurt werden traditionell auch Aktien gehandelt, die an anderen deutschen Börsen amtlich notiert sind. Diese werden in unseren Untersuchungen nicht einbezogen.

Infolge der Schließung des Neuen Marktes in 2003 machten viele der dort gelisteten Unter-nehmen von der Möglichkeit zur Zulassung zum Geregelten Markt Gebrauch. Von 2002 bis 2003 vervierfachte sich dadurch die Zahl der im Geregelten Markt notierten Aktien. In den Kern unserer Analyse beziehen wir nur die Aktien ein, die dieses Segment ursprünglich anstrebten und nicht durch die Schließung des Neuen Marktes dorthin gelangten. Dieses Vorgehen wird dadurch begründet, dass die ehemaligen Neuer-Markt-Aktien nach 2002 einen starken Einfluss auf die Entwicklung des Geregelten Marktes hatten und daher die Ergebnisse erheblich verzerren würden. Ferner ist davon auszugehen, dass sich ohne die Plattform Neuer Markt viele Unternehmen nicht für eine Börsennotierung entschieden hätten. Für viele Beteiligte war der Neue Markt ein großes Fiasko, insbesondere für die Aktionäre. Ob die darauf folgenden Änderungen der deutschen Börsenstruktur langfristig erfolgreich sein werden, kann mit wissen-schaftlichen Methoden erst in mehreren Jahren beurteilt werden. Wir stufen den Neuen Markt als ein zusätzliches Segment der Frankfurter Wertpapierbörse ein, das separat analysiert werden sollte.

Zur Beantwortung der oben genannten Fragen erstellten wir in einem ersten Schritt für den Geregelten Markt eine Datenbank, welche neben den Monatsschlusskursen für die jeweils notierten Aktien sämtliche Dividenden und Kapitalmaßnahmen sowie zusätzliche Daten zu den Notizaufnahmen und Delistings für den Gesamtzeitraum der Existenz dieses Marktsegmentes von 1987 bis 2007 umfasst. In der eigentlichen Analyse führen wir Vergleiche mit dem Vorgängersegment Geregelter Freiverkehr und vor allem mit dem Amtlichen Markt in Frankfurt durch. Bei der Gegenüberstellung dieser Marktsegmente sind unter anderem die Unterschiede in Hinblick auf die institutionellen Rahmenbedingungen und die historische Herausbildung zu berücksichtigen. Diese werden im folgenden Abschnitt 2 kurz behandelt. In Abschnitt 3 geben wir einen Überblick zu den von uns erstellten Datenbanken, insbesondere zu den Dividenden und Kapitalmaßnahmen. In Abschnitt 4 untersuchen wir die Primärmarkteigenschaften des Geregelten Marktes sowie die Hintergründe für das Verlassen dieses Segments. In Abschnitt 5 werden die Kapitalkosten bzw. Aktienrenditen präsentiert und diskutiert. Abschnitt 6 fasst die Ergebnisse abschließend zusammen.

6 Vgl. Andersen/Stein (1989), S. 71 sowie die Factbooks der Deutschen Börse Group für 1997 und 2007.

2 Historisches Entwicklung und institutionelle Rahmenbedingungen

Einen der wichtigsten Aspekte der vertikalen Segmentierung der deutschen Börsen hat bereits Max Weber (1894) eindrucksvoll beschrieben: „[S]o haben alle größeren Börsen die Bestimmung, daß im amtlichen Kursblatt eine Notiz erst nach besonderer Zulassung des Papiers dazu stattfinden darf.“7 Im Börsengesetz von 1896 (i. d. F. v. 22.06.1896) wurde die Zulassung zum Amtlichen Markt für die damals 29 deutschen Börsenplätze einheitlich geregelt, zudem die Festsetzung der Kurse und deren Veröffentlichung. Bis 1987 stellte der Amtliche Markt das einzige offizielle, auf dem öffentlichen Recht (Börsengesetz) basierende Marktsegment dar.

Max Weber (1894) berichtete zusätzlich, dass in den Räumlichkeiten der Börse in größerem

Max Weber (1894) berichtete zusätzlich, dass in den Räumlichkeiten der Börse in größerem