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Das CAPM, Kapitalmarktdaten und Empirische Tests des CAPMs

Die moderne Portefeuilletheorie wird durch die Arbeiten vom Markowitz (1952, 1959) begründet.

Markowitz zeigt, dass durch die richtige Art der Diversifikation (Anlage in Wertpapiere mit geringer Korrelation bzw. nicht perfekt positiver Korrelation der Renditen) das (Gesamt-)Risiko eines Wert-papierportefeuilles, gemessen durch die Varianz σ2 bzw. der Standardabweichung σ der Renditen, reduziert werden kann.9 Das Modell von Markowitz geht davon aus, dass Investoren eine „Portfolio Selection“ ausschließlich auf Basis der erwarteten Portefeuillerenditen und der Standardabweichung der einperiodigen Renditen durchführen. Hierbei gilt es, auf Portefeuilleebene das Risiko bei gleichbleibender erwarteter Rendite µ zu minimieren. Darüber hinaus bildet das Markowitz-Modell die Grundlage für die Arbeiten von Sharpe (1964), Lintner (1965) und Mossin (1966) zum Capital-Asset-Pricing-Modell (CAPM, oftmals auch als Sharpe-Lintner-CAPM oder Standard-CAPM bezeichnet). Zusätzlich zu den von Markowitz getroffenen Annahmen wird hier unterstellt, dass Investoren homogene Erwartungen haben und Geld zum risikofreien Zinssatz anlegen bzw. leihen können. Sind diese Annahmen erfüllt, so sollten im Gleichgewicht alle Investoren dasselbe µ-σ-effiziente Portefeuille risikobehafteter Wertpapiere halten, das Marktportefeuille. Ferner würden die Investoren entsprechend ihrer Risikopräferenzen Geld zum risikofreien Zinssatz leihen bzw. verleihen (Two-Fund-Seperation-Theorem). Infolgedessen ergibt sich eine lineare und positive Beziehung

8 Einen guten Überblick zum CAPM und empirischen Tests des CAPMs bietet die Arbeit von Fama/French (2004).

9 Das Konzept der Diversifikation war bereits lange vor Markowitz bekannt. Beispielsweise schreibt schreibt Smith (1924, S. 18) „without diversification, the purchase of common stocks cannot be considered.“ Markowitz war es jedoch, der dieses Problem mathematisch formulierte. Einen Überblick zu den Strategien der Diversifikation vor Markowitz gibt Troschke (2011).

zwischen dem systematischen Risiko β (Beta, der Risikobeitrag eines Wertpapiers zu einem diversifizierten Portefeuille) und der erwarteten (Über-)Rendite eines Wertpapiers.

Fast parallel zur Herleitung des CAPMs wurde Anfang der 1960er Jahre in Chicago eine erste Version der CRSP-Datenbank fertiggestellt. Ziel der CRSP-Datenbank ist es, empirische Untersuchungen zum US-amerikanischen Aktienmarkt zu erleichtern. Die CRSP-Datenbank umfasste anfangs Renditedaten zu den Aktien der NYSE für den Zeitraum von Januar 1926 bis Dezember 1960. (Fisher/Lorie 1964, S. 1) Im Laufe der Jahre wurde die CRSP-Datenbank systematisch erweitert und die Qualität der Daten verbessert. Beispielsweise umfasst die CRSP-Datenbank heute neben dem NYSE (Daten ab Dezember 1925) auch die Amex (Daten ab Juli 1962) und NASDAQ (Daten seit Dezember 1972). Die CRSP-Datenbank ist bis heute eine der wichtigsten Datenbanken zum US-amerikanischen Aktienmarkt.10 Die Herleitung des CAPMs und die fast gleichzeitige Erstellung der CRSP-Datenbank stellen aus meiner Sicht einen Glücksfall für die empirische Forschung zum US-amerikanischen Kapitalmarkt dar. Das CAPM stellt eine Beziehung zwischen der erwarteten Rendite und dem syste-matischen Risiko eines Wertpapiers her. Diese Beziehung kann auf Basis der CRSP-Daten empirisch getestet werden. Eine wichtige Fragestellung hierbei ist, gilt das CAPM oder genauer, hält das CAPM empirischen Tests stand? Gemäß Stehle (2007, S. 347) „[…] bildet das Sharpe-Lintner-CAPM [bis heute] i.d.R. den Ausgangspunkt für empirische Untersuchungen über die Renditebildung bei Aktien.“

Für den deutschen Kapitalmarkt existiert erst seit circa 1990 eine Datenbank im Geiste der CRSP-Datenbank, die deutsche Finanzdatenbank (DFDB).11 Ein wichtiger Teil der DFDB ist die Karlsruher Kapitalmarktdatenbank (KKMDB), welche Daten zu deutschen Aktien bereitstellt. Allerdings werden die Daten der DFDB in letzter Zeit nur selten verwendet, insbesondere internationale Studien zum europäischen Kapitalmarkt verwenden für Deutschland Daten von Thomson Reuters Datastream (Datastream) anstatt der DFDB. Die wichtigsten Datenquellen für den deutschen Kapitalmarkt sind aus meiner Sicht: die deutsche Finanzdatenbank (DFDB)12, Datastream, Worldscope Financial Data-base und Bloomberg. Neben diesen Datenquellen gibt es auch aufbereitete Datensätze (Portefeuille-daten) für den deutschen Kapitalmarkt. Beispielsweise stellt Kenneth R. French in seiner Data Library Portefeuilledaten für den US-amerikanischen und verschiedene internationale Kapitalmärkte (ein-schließlich Deutschland) zur Verfügung. Kürzlich wurde vom Centre for Financial Research (CFR) in Köln ein ähnlicher Datensatz für den deutschen Kapitalmarkt eingeführt. Eine genaue Beschreibung der Daten ist in Artmann et al. (2012b) enthalten. Einen Überblick zu weiteren Datensätzen und historischen Zeitreihen für den deutschen Aktienmarkt gibt Ehrhardt (2012).

10 Eine weitere wichtige Datenbank zum US-amerikanischen Markt ist die 1962 eingeführte COMPUSTAT-Bilanzdatenbank.

11 1988 wurde in Deutschland bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft der Schwerpunktbereich Empirische Kapitalmarktforschung beantragt. Infolgedessen wurde im Jahr 1989 offiziell mit dem Aufbau der deutschen Finanzdatenbank begonnen. Die ersten Ergebnisse dieser Bemühungen wurden 1993 im Sonderheft 31 Empirische Kapitalmarktforschung, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf) publiziert.

12 Die deutsche Finanzdatenbank wird von Bühler et al. (1993) beschrieben. Teil dieser Datenbank ist die Karlsruher Kapitalmarktdatenbank (KKMDB) und die Jahresabschlussdatenbank an der RWTH Aachen.

Für robuste und valide empirische Ergebnisse ist eine hohe Datenqualität essenziell. Dimson/March/-Staunton (2002, S. 4) schreiben „[g]ood data is the key to understanding history.“ Rosenberg/Houglet (1974, S. 1303) argumentieren, dass „[t]he presence of erroneous data can destroy a research effort and seriously damage the management decisions based upon research.” Die Qualität der CRSP-Daten wurde bereits ausführlich untersucht und kontinuierlich verbessert. Zur Qualität der oben genannten Datenquellen zum deutschen Kapitalmarkt ist hingegen bisher wenig bekannt. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die Qualität der von den oben genannten Quellen bereitgestellten Daten zum Teil nicht ausreichend ist.13 So sollte Datastream aufgrund von systematischen Fehlern nicht als primäre Datenquelle vor 1990 verwendet werden. Die Qualität des vom CFR bereitgestellten Datensatzes wird durch einen Survivorship-Bias beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass die Daten für Deutschland zumeist nur für den Zeitraum ab 1960 (KKMDB, zumindest für 100 Aktien, für alle Aktien ab 1974) bzw. 1973 (Datastream) verfügbar sind. Unser Datensatz für den deutschen Kapitalmarkt umfasst hingegen den Zeitraum ab 1948. Die Qualität dieser Daten wurde mehrfach überprüft und die Daten bereits in mehreren Studien, wie zum Beispiel von Dimson/Marsh/Staunton (2002, 2008), Schrimpf et al. (2007) und Ziegler et al. (2007) verwendet.

Die ersten empirischen Tests des CAPMs wurden von Lintner (1965) und Douglas (1969) durchge-führt. Miller/Scholes (1972) fassen einige der Probleme dieser frühen Tests, wie zum Beispiel die Auswirkung von Beta-Messfehlern auf die Regressionsergebenisse, zusammen. Die ersten ausführlichen Tests werden von Black/Jensen/Scholes (1972) und Fama/MacBeth (1973) durchge-führt. Diesen beiden Studien kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie Testverfahren vorstellen, die noch heute zu den Standardverfahren im Bereich der Empirischen Kapitalmarktforschung gehören.

Die Studien von Black/Jensen/Scholes (1972) und Fama/MacBeth (1973) bestätigen für den Zeitraum von 1926 bis 1966 bzw. 1935 bis 1968 eine positive Beziehung zwischen der durchschnittlichen Rendite und dem systematischen Risiko der untersuchten Wertpapiere. Allerdings ist der Anstieg der empirischen im Vergleich zur theoretischen Wertpapiermarktlinie etwas zu flach und der Schnittpunkt der Wertpapiermarktlinie etwas höher als der risikofreie Zinssatz. Dieses Ergebnis widerspricht dem CAPM, steht aber prinzipiell im Einklang mit dem Modell von Black (1972), dem Zero-Beta-CAPM.

Spätere Arbeiten wie beispielsweise Fama/French (1992) zeigen für den Zeitraum von 1962 bis 1990, dass die Beziehung zwischen den durchschnittlichen Aktienrenditen und Beta flach oder sogar negativ ist. Hinzu kommt, dass Faktoren wie Size und Buchwert-/Marktwertverhältnis die Aktienrenditen erklären können. Beide Beobachtungen sind nicht mit dem CAPM vereinbar.

Die Ergebnisse von Black/Jensen/Scholes (1972) und Fama/MacBeth (1973) können mit denen von Fama/French (1992) allerdings nicht direkt verglichen werden, da sich die Untersuchungszeiträume unterscheiden. Die Ursache hierfür ist, dass Fama/French (1992) vor 1962 keine Buchwerte des

13 Stehle (2007, S. 349) schreibt beispielsweise „Bei den führenden kommerziell angebotenen Datenbanken ist die erforderliche Qualität heute sicherlich für die Datenjahre ab 1995 vorhanden (vgl. Ince/Porter 2007). Über die Jahre zuvor sind Aussagen schwierig.“ Hier leistet der dritte Aufsatz dieser Dissertation einen wichtigen Beitrag.

kapitals zur Verfügung standen, „[t]he 1962 start date reflects the fact that book value of common equity (COMPUSTAT item 60), is not generally available prior to 1962.“ (Vgl. Fama/French 1992, S. 429) Dies zeigt, dass empirische Studien ohne geeignete Daten (hochwertige Daten in ausreichender Qualität für einen langen Zeitraum) nicht durchgeführt werden können. Spätere Untersuchungen wie beispielsweise von Ang/Chen (2007) bestätigen die Ergebnisse von Black/Jensen/Scholes (1972) und Fama/MacBeth (1973) für den Zeitraum vor 1963. Ang/Chen (2007) zeigen, dass das CAPM durchaus in der Periode von 1926 bis 1963 gilt. Fama/French (2006) zeigen zwar, dass die Ergebnisse von Ang/Chen (2007) korrekt sind, allerdings zeigen Fama/French (2006, S. 2184) auch, dass „variation in β unrelated to size and B/M goes unrewarded during 1928 to 1963.” Demnach gibt es für den Zeitraum vor 1963 durchaus widersprüchliche Ergebnisse zur Gültigkeit des CAPMs. Für den Zeitraum nach 1963 lehnen die meisten empirischen Studien das CAPM ab.

Aufgrund der Vielzahl von empirischen Ergebnissen zum CAPM, die zeigen, dass das Beta die Renditen von Wertpapieren nicht bzw. nicht allein erklären kann, dominiert derzeit die Meinung, dass das CAPM, insbesondere in den USA, nicht gilt. Wie in der obigen Diskussion angedeutet, sind Eugene F. Fama und Kenneth R. French prominente Vertreter dieser Meinung. Die Aussagen stützen sich oftmals auf Anomalien, wie z. B.: dem Size-, Buchwert-/Marktwert- und Momentum-Effekt und/oder der empirischen Beobachtung, dass die Beziehung zwischen dem systematischen Risiko und der (tatsächlichen) ex post Rendite nicht wie vom CAPM prognostiziert positiv und linear ist. Oftmals wird zur Verdeutlichung der Ergebnisse auch vor einer dramatischen Wortwahl nicht zurückge-schreckt. So schreiben Fama/French (1992, S. 438) „In a shot straight at the heart of the SLB model [CAPM], the average slope from the regressions of returns on β alone […] is 0.15% per month and only 0.46 standard errors from 0. In the regressions of returns on size and β, size has explanatory power (an average slope -3.41 standard errors from 0), but the average slope for β is negative and only 1.21 standard errors from 0.” Untersuchungen zum deutschen Kapitalmarkt kommen zu ähnlichen Ergebnissen, bspw. schreiben Artmann et al. (2012a, S. 8) „Beta remains dead“.