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2   Aktueller Kenntnisstand

2.2   Monitoring

Für landesweite Analysen hinsichtlich der Rückgangsursache oder die Entwicklung von Wildtiermanagementstrategien sind langfristige Monitoringdaten mit einer hohen Genauigkeit notwendig (STRAUSS et al. 2008, ZELLWEGER-FISCHER 2014). Auch nationale und internationale Verpflichtungen wie das Washingtoner Artenschutzabkommen erfordern Monitoringprogramme, um Veränderung in der Biodiversität zu dokumentieren. Akkurate Schätzungen von Wildtierpopulationsdichten sind jedoch herausfordernd und benötigen beträchtliche Investitionen von Zeit und Ressourcen (WITMER 2005).

Monitoringprogramme sollten idealerweise wissenschaftlich konzipiert und betreut werden, aus regelmäßigen Messungen bzw. Zählungen ausgewählter Variablen bestehen sowie über lange Zeiträume umgesetzt werden (BRASHARES & SAM 2005). Aus diesem Grund ist es unerlässlich die finanzielle und methodische Aufwendung vorab zu definieren und zu analysieren (STRAUß 2000). Die geeignete Feldmethode muss entsprechend der Zielsetzung, Fragestellung und der finanziellen Möglichkeiten gewählt werden (STRAUß 2000).

Folgende Kriterien müssen durch ein Monitoring erfüllt werden:

1. Die Datenerhebung der Messungen bzw. Zählungen erfolgt standardisiert.

2. Die ausgewählten Variablen beziehen sich auf ökologische Prozesse, die von zentraler Bedeutung sind und in denen Änderungen festgestellt werden sollen.

3. Die räumliche und zeitliche Skala der Datenerhebung ist angemessen um Veränderungen festzustellen.

Die grundlegende Annahme ist, dass bei der systematischen und dauerhaften Datenaufnahme der gleiche Anteil der Population regelmäßig gezählt wird (GIBBS 2000). Demnach werden

Aktueller Kenntnisstand

7 Veränderungen in der Stichprobe die Veränderungen in der Population widerspiegeln (GIBBS

2000).

Da es sich beim Monitoring um ein Stichprobenverfahren handelt, kann die Populationsdichte der Zielspezies nur geschätzt werden (CILULKO et al. 2013). Die tatsächliche, absolute Anzahl bleibt demnach unbekannt (CILULKO et al. 2013). Um beispielsweise einen Artenrückgang zu verstehen und um Managementmaßnahmen zu entwickeln, sind valide Daten erforderlich (STRAUSS et al. 2008, ZELLWEGER-FISCHER 2011). Zeigen die Entwicklungen der Populationsdaten gravierende Rückgänge, sollten Managementmaßnahmen als Konsequenz folgen (WESTGATE et al. 2013). Um die Qualität von Monitoringdaten zu überprüfen, eignet sich eine Evaluation, um die Validität abzuschätzen (BURTON 2012).

Grundvoraussetzung für eine valide Datengrundlage ist ein solider Umsetzungsplan. Unklare und vage Studiendesigne generieren andernfalls Daten, die mit äußerster Vorsicht zu interpretieren sind (CRALL et al. 2011, KREMEN et al. 2011). Ein bekanntes Beispiel für eine fehlerhafte Datenauswertung ist eine ausführliche Umfrage zur Elefantenpopulation auf dem gesamten afrikanischen Kontinent (DOUGLAS-HAMILTON 1980). Fehlerhafte Populations-schätzungen entstanden durch falsche PopulationseinPopulations-schätzungen und inkorrektes Zählen und zogen politisches Handeln nach sich (DOUGLAS-HAMILTON 1987).

Citizen Science, das Einbeziehen von Bürgern in die wissenschaftliche Praxis, ermöglicht ein neues Ausmaß der Datenerhebung (DICKINSON et al. 2010). Der bedeutende Vorteil liegt darin, dass ein breites geographisches Ausmaß erfasst wird, welches mit der traditionellen wissenschaftlichen Feldarbeit nicht umsetzbar wäre (DICKINSON et al. 2010).Die Chance von Citizen Science liegt darin, komplementär zu eher lokal begrenzter Forschung zu liegen und ökologische Muster aufzudecken (DICKINSON et al. 2010). Zusätzlich ermöglicht es den Einfluss des Landnutzungswandels zu verstehen, der auf räumlich breiter Skala dominiert und Prozesse aufzudecken, die nicht auf lokaler Basis aufgedeckt werden können (DICKINSON et al.

2010). Allerdings ist ein unumgänglicher Bias bei Citizen Science Untersuchung der Fehlerbereich, der durch unterschiedliche Beobachter entsteht (SUNDE &JESSEN 2013).

Das älteste bestehende Citizen Sciene Monitoringprojekt stellt das „National Audubon Society Christmas Bird Count“ des Vereinigten Königreichs dar, welches 1900 ins Leben gerufen wurde (BUTCHER et al. 1990). Wildtierzählungen finden auch seit Längerem in Skandinavien Anwendung. Innerhalb des „Wildlife Triangel Scheme“ werden in Finnland seit den 90er Jahren durch Jäger Wildtierpopulationen erfasst. Diese Daten bilden die Basis für das dortige Bejagungsmanagement sowie populationsökologische Analysen (LINDÉN et al. 1996, KAUHALA &HELLE 2000, PELLIKKA et al. 2005, HELLE et al. 2016).

Aktueller Kenntnisstand

In Niedersachsen finden, neben der Dokumentation der Jagdstrecke, Wildtiererfassungen statt, die den Feldhasen miteinbeziehen: Die Wildtiererfassung Niedersachsen (WTE) und das Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD) (STRAUSS &POHLMEYER 2001, STRAUSS et al. 2008). Das Institut für Wildtierforschung etablierte 1991 im Auftrag der Landesjägerschaft Niedersachsen die langfristig und flächendeckend angelegte WTE mit dem Ziel Populationsdichten von sowohl bejagbaren als auch nicht bejagbaren Wildtieren zu dokumentieren. Im Rahmen der WTE finden jährliche Umfragen statt, um regionale Bestandsunterschiede und langfristige Bestandstrends aufzuzeigen (STRAUSS &POHLMEYER

2001). Revierinhaber und lokale Jäger werden instruiert den Wildbestand, u.a. die Feldhasenpopulation, anhand einer konkreten Anzahl in ihren Revieren im Frühjahr jährlich zu schätzen. Sofern eine Einführung in die Scheinwerfertaxation stattgefunden hat, wird der Hasenbesatz über diese Methode gezählt (STRAUSS & POHLMEYER 2001). Neben dem Vorkommen werden auch Abfragen zu weiteren wildbiologischen Themen (z.B. Krankheiten, Bruterfolge) durchgeführt. Zusätzlich werden Informationen zur Reviergröße, Waldanteil und Offenlandfläche abgefragt. Die Beteiligungsrate der Jäger beträgt jährlich mindestens 80 % (6.151-8.300 Reviere von etwa 9.000 Revieren). Damit wird etwa 90 % (ca. 43.000 km2) der bejagbaren Fläche Niedersachsens abgedeckt. Die durchschnittliche Größe eines Reviers beträgt in etwa 500 ha (min. 75 ha, max. 4.877 ha) (STRAUß 2000).

Die Daten werden auf ihre Plausibilität getestet, um Ausreißer zu identifizieren und zu entfernen. Darüber hinaus wurden die Feldhasendichten auf Basis der Einschätzung durch die Jäger in zwei Studien 1995/96 durch die Methode der Scheinwerfertaxation in 31 und 2004-2006 mit der Methode der Thermographie in 53 zufällig ausgewählten Revieren evaluiert (STRAUSS &POHLMEYER 1996, KLAGES 2006). Die Scheinwerfertaxation wurde nach PEGEL

(1986) von März bis Ende April durchgeführt. Im Validierungsverfahren wurde ein Korrekturfaktor von 1,6 ermittelt. Die Thermographiezählung wurde ebenfalls im Frühjahr umgesetzt und in Anlehnung an die Methode von Pegel (1986) durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten eine Dichteunterschätzung von 45 % bzw. die Schätzung der Jäger von lediglich 55 % ihres Hasenbestandes. Um die Unterschätzung auszugleichen, wurde für alle Reviere, deren Hasenpopulation ohne die Durchführung einer Scheinwerfertaxation geschätzt wird, ein Korrekturfaktor eingesetzt. (STRAUSS &POHLMEYER 2001).

Neben Niedersachsen initiierten auch weitere Landesjagdverbände in elf Bundesländern in den 1990er Jahren Erfassungsprogramme. Durch die methodisch uneinheitliche Umsetzung waren die Daten jedoch nur bedingt vergleichbar (STRAUSS &POHLMEYER 2001).

Neben der WTE werden auch innerhalb von WILD Feldhasenpopulationsdichten in Niedersachsen mit der Methode der Scheinwerfertaxation erfasst (STRAUSS et al. 2008). Für den Erhalt sowie die nachhaltige Nutzung von Wildtieren wurde 2001 das bundesweite

Aktueller Kenntnisstand

9 Monitoring-Programm eingeführt. Die Landesjagdverbände einigten sich unter der Initiative des Deutschen Jagdverbands e.V., die Daten der länderspezifischen Monitoringprogramme innerhalb von WILD zu bündeln (STRAUSS et al. 2008, KEULING et al. 2011). Innerhalb dieses Monitorings werden kontinuierlich Daten zur Populationsdichte des Feldhasen in rund 500-600 deutschlandweiten Referenzgebieten über die Methode der Scheinwerfertaxation erhoben (WILD 2003). Die teilnehmenden Jäger werden zuvor durch Wissenschaftler in die Methode eingewiesen, um eine sorgfältige Datenerhebung zu garantieren (CRALL et al. 2011, KREMEN

et al. 2011).