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1 Einleitung

Der Feldhase Lepus europaeus ist ein typischer Bewohner der offenen Agrarlandschaft Mitteleuropas, dessen natürliches Verbreitungsgebiet große Teile der südwestlichen Paläarktis umfassen (NIETHAMMER & KRAPP 2003). Es reicht in West-Ost Richtung vom nördlichen zentralen Spanien bis in den Südwesten Sibiriens und in den Nordwesten der Mongolei (NIETHAMMER &KRAPP 2003). In Nord-Süd-Richtung reicht seine Verbreitung von Dänemark und Finnland bis in den Norden Italiens und den Süden Griechenlands (FLUX &ANGERMANN

1990). Darüber hinaus wurde der Feldhase aufgrund seiner jagdlichen Bedeutung (FLUX &

ANGERMANN 1990) in weitere europäische Gebiete (Großbritannien, Nordirland, Südschweden, Korsika) und Kontinente (Australien, Neuseeland, Südamerika, USA) eingeführt (LEWANDOWSKI &NOWAKOWSKI 1993, MITCHELL-JONES et al. 1999).

Seit den 1960er Jahren sind europaweite Rückgänge der Feldhasenpopulationen zu verzeichnen (SMITH et al. 2005). Die Rückgangsintensitäten können dabei regional stark variieren (FLUX &

ANGERMANN 1990, EDWARDS et al. 2000, FERNEX et al. 2011). In Folge der negativen Trends wurde die Art in den Anhang III der Berner Konvention von 1979 gelistet. Sowohl in Deutschland als auch in weiteren europäischen Ländern wird die Art als gefährdet eingestuft (MITCHELL-JONES et al. 1999, SMITH et al. 2005, REICHLIN et al. 2006). Durch das weite Verbreitungsgebiet wird der Bestand jedoch global bewertet nach der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als „nicht-gefährdet“ eingestuft (HACKLÄNDER & SCHAI -BRAUN 2019). Die Schwierigkeit in der Beurteilung einer Art im Hinblick auf ihren Status liegt darin, dass teilweise nicht genügend valide Daten vorliegen, um eine zuverlässige Entwicklung zu evaluieren (MARTON et al. 2014). Die Kenntnisse über Populationsdichten und deren Entwicklung sind jedoch eine essentielle Voraussetzung für die Beantwortung von Naturschutzfragen (STRAUSS & POHLMEYER 1996, STRAUß et al. 2017). Populationsdaten müssen präzise genug sein, um Aufschluss über die tatsächliche Größe und Verbreitung zu geben, sowie deren Populationszu- oder –abnahme geben zu können und daraus gezielte Schutzmaßnahmen abzuleiten (PETROVAN 2011).

Die besorgniserregende Bestandsentwicklung sowie die jagdliche Bedeutung des Feldhasen führten europaweit zu einer Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die zum Ziel hatten, die Wissenslücken zu schließen und die Rückgangsursachen zu verstehen (ABILDGARD et al.

1972, BROEKHUIZEN 1979, AHRENS 1996, SMITH et al. 2004, SMITH et al. 2005, ASCHWANDEN

et al. 2007). Insbesondere die Untersuchungen zu den Populationsdynamiken und Habitatpräferenzen verbesserten maßgeblich das Verständnis zur Biologie des Feldhasen (REITZ & LÉONARD 1994, VAUGHAN et al. 2003, SMITH et al. 2004, SMITH et al. 2005, MEICHTRY-STIER et al. 2014). Darüber hinaus wurden Methoden entwickelt, die über das

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direkte oder indirekte Zählen der lebenden Feldhasen, Populationsdichteschätzungen ermöglichen (PEGEL 1986, AHRENS et al. 1995, LANGBEIN et al. 1999).

Wissenschaftliche Untersuchungen identifizierten die Intensivierung der Landwirtschaft und die damit verbundenen Veränderungen des Lebensraumes des Feldhasen als Hauptursache für die Populationsrückgänge (BARNES &TAPPER 1986, EDWARDS et al. 2000, SMITH et al. 2004, PÉPIN & ANGIBAULT 2007). Diese Veränderungen äußern sich in einer Erhöhung der Mechanisierung und dem Einsatz von Agrarchemikalien (BENTON et al. 2003, CHAGNON et al.

2015). Zusätzlich zeigt sich die Intensivierung durch größere Feldschläge und damit weniger Randstrukturen, einer höheren Produktivität und schnelleren mechanischen Bewirtschaftungsweisen. Weitere Begleiterscheinungen sind die Reduktion auf wenige Anbaufrüchte mit der Folge einer Reduktion der Habitatdiversität (VAUGHAN et al. 2003, SCHMIDT et al. 2004, BÁLDI &FARAGÓ 2007). Sowohl der Verlust des Lebensraumes als auch der Verlust von vielfältiger Nahrung führte zu einer grundlegenden Veränderung der Habitatqualität (VAUGHAN et al. 2003, SMITH et al. 2005, JENNINGS et al. 2006). Die Einflüsse von Prädation, Witterung, Verkehr und Krankheiten scheinen nach bisherigem Kenntnisstand keine primäre Rückgangsursache darzustellen, können aber als sekundäre Faktoren hinzukommen und den Rückgangseffekt verstärken (HACKLÄNDER et al. 2002, SMITH et al.

2005, PANEK et al. 2006). Da die Rückgangsursachen multifaktoriell bedingt sind, sollten die Faktoren differenziert für ein besseres Verständnis der Populationsdynamik innerhalb ihres Beziehungsgefüges betrachtet werden (HACKLÄNDER et al. 2001, SCHMIDT et al. 2004).

Ein Populationsrückgang findet entweder aufgrund einer Reduktion der Fertilität oder eines Anstiegs der Mortalitätsrate statt (HACKLÄNDER et al. 2001). Da die Fertilität von Häsinnen laut verschiedener Autoren in den letzten Jahren nicht abgenommen hat, wird die gestiegene Sterblichkeit als Ursache angenommen (HACKLÄNDER et al. 2001). Für die grundlegende Ursache unterschiedlicher Populationsdichten beim Feldhasen werden demnach unterschiedliche Mortalitätsraten von Junghasen angenommen (HACKLÄNDER et al. 2001, VOIGT &SIEBERT 2019).

Da der Feldhase eine dem Jagdgesetz unterstehende Art darstellt und es häufig an wissenschaftlichen Wildtierzählungen mangelte, stellten Jagdstrecken über einen langen Zeitraum die einzige langfristige und großräumige Datengrundlage für die Analyse der Populationsdynamik dar (FLUX &ANGERMANN 1990, NYENHUIS 1995, SCHMIDT et al. 2004, RÖDEL &DEKKER 2012, HACKLÄNDER &SCHAI-BRAUN 2018, PANEK 2018). Die Erfassung der Jagdstrecke erfolgt seit 1958 bzw. 1960 sowohl für West- als auch für Ostdeutschland (WIESE 1974). Jagdstrecken sind nach wie vor ein fester Bestandteil des Wildtiermanagements und der Wildtierbiologie, da sie z.B. Aufschluss über die Altersstruktur einer Population geben (SPITTLER 1998, EYLERT 2000). Populationsökologisch betrachtet können Jagdstreckendaten

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3 großräumige Trends darstellen, allerdings besteht die Gefahr, dass diese nicht repräsentativ für Veränderungen sind (RANTA et al. 2008, IMPERIO et al. 2010, ENETWILD CONSORTIUM et al.

2018, KEULING et al. 2018). Angepasste Bejagungsintensitäten (z.B. durch lokale Rückgänge), Jagdbereitschaft und -kompetenz sowie Wetterbedingungen spiegeln sich in der Jagdstrecke wider und verzerren die Daten (STRAUSS &POHLMEYER 2001, IMPERIO et al. 2010, KEULING et al. 2011).

Zuverlässige Zahlen von Wildtierpopulationen spielen jedoch eine entscheidende Rolle in der Populationsökologie (STRAUß &POHLMEYER 1997). Valide Wildtiermonitoringdaten können neben der Darstellung des Populationsverlaufs z.B. für großräumige Analysen und Modellierungen genutzt werden und Wissenslücken auf überregionalen Skalen schließen (RONNENBERG et al. 2016). Effektive Managemententscheidungen für jegliche Arten basieren auf dem Wissen über die Populationstrends oder Abundanzen (AMOS et al. 2014).

Populationsschätzungen geben Aufschluss darüber, ob sich ein System vom status quo entfernt, ermöglichen das Evaluieren von Managemententscheidungen und decken Störungen und Veränderungen in Wildtierpopulationen auf (GIBBS 2000, BURTON 2012, LINDENMAYER et al.

2013). Innerhalb eines effizienten Monitoringprogramms muss die Qualität der Daten in regelmäßigen Zeitabständen evaluiert werden (LEGG &NAGY 2006, BURTON 2012). Vor allem im Hinblick auf den weltweiten Rückgang der Biodiversität, sind Monitoringprogramme essentielle Werkzeuge im Artenschutz, um Artenrückgänge in erster Linie aufzudecken und stellen daher eine Schlüsselfunktion im Artenschutz dar (RAFFAELLI 2004, COONAN et al. 2005, MARTIN et al. 2012). Durch den Einfluss des Lebensraums auf die Hasenpopulationen und das weiträumige Vorkommen durch die breite ökologische Potenz des Feldhasen, stellen Feldhasen geeignete Indikatoren für die Intensivierung der Agrarlandschaften dar (LUNDSTRÖM &

SCHLAEPFER 2003, COWAN 2004).

Für genauere Trendaussagen wurde eine hohe Bandbreite an Erfassungsmethoden zur Dichteschätzung des Feldhasen entwickelt (LANGBEIN et al. 1999). Es bestehen drei grundlegende Herangehensweisen: a) das Zählen inaktiver Tiere, b) das Zählen aktiver Tiere sowie c) indirekte Methoden (LANGBEIN et al. 1999). Als geeignete Methoden haben sich die Thermographiezählung (FOCARDI et al. 2001), das persönliche Einschätzen von Jägern innerhalb ihres Jagdreviers (STRAUSS &POHLMEYER 1996), das „Distance sampling“ (REID et al. 2007), die „Pellet-count“ Methode (NOVARO et al. 1992), die Punkttaxation (VERHEYDEN

1991) oder der Einsatz von Fotofallen (CARAVAGGI et al. 2016) erwiesen. Die Scheinwerfertaxation, bei der während des nächtlichen Befahrens von ausgewählten Linientransekten die aktiven Hasen auf offenen Agrarflächen mittels Scheinwerfer gezählt werden, hat sich als besonders effektive Erfassungsmethode bewährt (ELTHRINGHAM &FLUX

1971, SALZMANN-WANDELER &SALZMANN 1973, FRYLESTAM 1981, BARNES &TAPPER 1985,

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VERHEYDEN 1991). Der Vorteil der Scheinwerfertaxation besteht darin, dass sie im Gegensatz zu anderen Methoden einen relativ geringen Zeit-, Personen- und Kostenaufwand voraussetzt und sich dadurch in diversen Monitoringprogrammen als Methode etablieren konnte (STRAUß

2000, MEICHTRY-STIER et al. 2014). Ein bekanntes Monitoringprogramm, in dem Feldhasen mit der Scheinwerfertaxation deutschlandweit gezählt werden, ist das Wildtier Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD) (STRAUSS et al. 2008, KEULING et al.

2011). Obwohl die Richtlinien zur Methode der Scheinwerfertaxation innerhalb des Programms festgelegt wurden, gibt es regionale Unterschiede in der Praktikabilität, die bisher nicht näher festgehalten und untersucht wurden. Die Vergleichbarkeit der WILD Monitoringdaten ist somit noch fraglich. Unveröffentlichte Untersuchungen des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung befassen sich seit Jahren mit der Fehlersuche und -analyse der Scheinwerfertaxation und weisen darauf hin, dass eine umfassende Prüfung der Methode notwendig ist (STUHR 2003, KLAGES 2004, LEGIT 2008). Die Schwachstelle der Dichteschätzung beruht auf der Tatsache, dass das Ausmaß des Fehlerbereichs nur schwer einzugrenzen ist, da das Verhältnis von gezählten Tieren und die darauf beruhende Dichteschätzung zur tatsächlichen Abundanz der Zielart unbekannt bleibt (CILULKO et al.

2013).

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