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6   Übergreifende Diskussion

6.1   Modellierung von Monitoring- und Landnutzungsdaten

Der Rückgang der Feldhasenpopulationen wird anhand der Jagdstrecken und der Monitoringdaten sowohl für ganz Niedersachsen als auch für die jeweiligen Naturräume erkennbar. Dieser rückläufige Populationstrend macht sich in ganz Europa bemerkbar, findet jedoch zeitlich versetzt und regional in unterschiedlichen Intensitäten statt (SMITH et al. 2005, STRAUSS et al. 2008, ZELLWEGER-FISCHER 2011). Für den Zeitraum von 1991-2005 findet der Rückgang in den einzelnen Naturräumen Niedersachsens regionalbedingt diskontinuierlich statt. Ein einheitlicher aber unterschiedlich starker Rückgang ist ab 2005 zu verzeichnen.

Eine mögliche Ursache für diese Entwicklung stellt die Verdoppelung des Maisanbaus seit 2004 dar (SCHÜTTE 2002). Die hierfür genutzte Fläche hat sich seit 2012 von 300.000 auf 630.000 ha erhöht hat (SCHÜTTE 2002). Der Anbau von Energiepflanzen scheint maßgeblich für den Verlust der Biodiversität in Agrarlandschaften verantwortlich zu sein, insbesondere bei Feldvögeln (EVERAARS et al. 2014). Der Maisanteil war in unserem Habiatmodell die wichtigste erklärende Variable. In Gemeinden, in denen Mais in einem moderaten Anteil angebaut wird, wirkte sich dieser positiv auf die Hasenpopulationsdichte aus. Erst ab einem Anbauanteil von 40 % kommt es zu negativen Effekten. Der Einfluss von Energiepflanzen wurde am Anbau von Miscanthus Gräsern in Bezug auf das Nahrungs- und Aktionsraumverhalten bei Feldhasen in England untersucht (PETROVAN et al. 2017). Innerhalb der Telemetriestudie wurde festgestellt, dass Feldhasen Miscanthus Felder während ihrer inaktiven Periode zum Ausruhen nutzen. Entscheidend für den Aktionsraum war die Größe der Miscanthusfelder. Waren die Felder groß (insgesamt 32,5 ha), wurde der Aktionsraum auf 49,6 ha ausgedehnt. Im Untersuchungsgebiet mit einem kleinen Miscanthusfeld (7,8 ha) betrug der

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59 Aktionsraum lediglich 10,5 ha (PETROVAN et al. 2017). Die gleichen Effekte können beim Maisanbau auftreten. Mais kann vermutlich in geringen Anteilen zu einer Verbesserung der Habitatvielfalt. Ein intensiver Maisanbau führt zu weniger Wildkräutern und einem geringeren Nahrungsangebot, was folglich zu einem größeren Aktionsraum führt (SMITH et al. 2005).

Feldhasen wählen ihren Aktionsraum so, dass ein Zugang zu mehreren Feldern gewährleistet ist, um so die Habitadiversität zu erhöhen (BARNES &TAPPER 1986). Feldhasen in homogenen Gebieten, mit großen landwirtschaftlichen Flächen, haben dementsprechend große Aktionsräume und folglich einen höheren Energieumsatz (BARNES &TAPPER 1986, REITZ &

LÉONARD 1994, KUNST et al. 2001). Zusätzlich führt ein erhöhter Maisanbau zu einer Verschiebung und Abnahme der intestinalen Flora, was häufig zu einer Kokzidose und damit verbunden einer Abnahme der Fitness führt (POSAUTZ et al. 2015).

Der Anteil der Blühstreifen ist innerhalb unseres Modells die zweitwichtigste erklärende Variable, die einen durchgehend positiven Effekt aufweist. Der vorteilhafte Einfluss von Blühstreifen wurde in vorherigen Studien mehrfach festgestellt, sowohl für den Feldhasen, als auch anderweitiges Niederwild, Feldvögel und Insekten (HUTCHINGS &HARRIS 1996, BRINER

et al. 2005, ASCHWANDEN et al. 2007, HAALAND et al. 2011, MEICHTRY-STIER et al. 2014, LANGHAMMER et al. 2017). Der positive Effekt ist vermutlich auf eine verbesserte Nahrungsverfügbarkeit und eine ganzjährige Deckung zurückzuführen (HUMMEL et al. 2017).

Insbesondere im Hinblick auf Junghasen können Blühstreifen ideale Aufzuchthabitate darstellen (HUMMEL et al. 2017). Die Struktur der Blühstreifen sollten groß genug sein, um eine Kernzone aufzuweisen, da diese Bereiche weniger von Prädatoren aufgesucht werden als lineare Randbereiche (MEICHTRY-STIER et al. 2014, HUMMEL et al. 2017).

Ein zunehmender Waldanteil korreliert in unserem Modell ab etwa 20 % linear negativ mit den Hasenpopulationsdichten der einzelnen Gemeinden. Der Hase, als eine in Offenlandschaften häufig vorkommende Art, tritt in waldreichen Gebieten in geringeren Anzahlen auf (VAUGHAN

et al. 2003). Allerdings können Wälder in offenen Agrarlandschaften bei geringem Anteil ein Habitat aufwerten, da deren Ränder gute Deckungsmöglichkeiten in inaktiven Perioden darstellen (BARNES &TAPPER 1986, HUTCHINGS &HARRIS 1996, VAUGHAN et al. 2003).

Der Anteil an Winterraps wirkt sich innerhalb unseres Modells positiv auf die Hasenpopulationsdichten aus. Dieser Effekt konnte auch in anderen Studien bestätigt werden, wobei unklar ist, ob Winterrapsfelder eher zur Nahrungsaufnahme oder in der Ruhephase aufgesucht werden (SCHMIDT et al. 2004, SMITH et al. 2005). Nahrungsanalysen konnten sowohl sehr geringe Anteile Winterraps von 0-3 % (KATONA et al. 2010), als auch höhere Anteile von 15-39 % (BRÜLL 1976, FRYLESTAM 1986) im Nahrungsspektrum aufweisen.

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Der Effekt des Grünlands auf die Hasenabundanz ist bei 15-70 % negativ. Höhere Anteile wirken sich positiv aus, was mit dem bisherigen ökologischen Wissenstand in einem Widerspruch zu stehen scheint. In bisherigen Habitatuntersuchungen von Hasen wiesen Grünlandhabitate häufig geringe Populationsdichten auf, vermutlich bedingt durch das limitierende Nahrungsangebot und das Fehlen von Deckungsmöglichkeiten (HARRIS et al.

1997, PFISTER et al. 2002, SCHMIDT et al. 2004). Insbesondere auf Grünlandflächen, die zur Silage- und Heugewinnung genutzt werden, finden erhebliche Verluste der Junghasen durch den Mähtod statt (BARNES et al. 1983, REID et al. 2007). Dennoch weisen die grünlanddominierenden Regionen an der Küste Niedersachsens hohe Hasenpopulationsdichten auf.

Wintergetreide korreliert in unseren Ergebnissen positiv mit Hasenpopulationsdichten.

Getreideflächen wurden in diversen Studien als geeignete Feldhasenhabitate bestätigt.

Insbesondere während des Winters stellen sie eine bevorzugte Nahrungsquelle dar (SMITH et al. 2004, REICHLIN et al. 2006, SANTILLIA et al. 2014). In späteren Wachstumsstadien bietet das Wintergetreide eine vorteilhafte Deckung im Frühjahr und Sommer (SMITH et al. 2004).

Mit Ausnahme eines Anteils bis etwa 2 % weist der Anbau von Zuckerrüben einen durchgehend negativen Effekt auf Hasenpopulationsdichten. Bisherige Studien konnten jedoch einen positiven Einfluss feststellen (SMITH et al. 2004, SMITH et al. 2005), da die Felder z.B. nach der Ernte häufig wegen liegenbleibender nährstoffreicher Pflanzenteile aufgesucht oder während hoher Vegetationsphasen zur Deckung genutzt werden (RÜHE &HOHMANN 2004, REICHLIN et al. 2006).

Ein hohes Fuchsvorkommen hat innerhalb unseres Modells einen positiven Effekt auf Hasenpopulationsdichten, was mit dem aktuellen Kenntnisstand im Widerspruch zu stehen scheint und nicht adäquat erklärt werden kann. Die bisherigen Studien, in denen der Einfluss von Füchsen auf Hasen untersucht wurde, zeigen, dass Füchse als Ursachsenfaktor für den Hasenrückgang berücksichtigt werden müssen (KALCHREUTER &GUTHÖRL 1995, SLAMEČKA

et al. 1997, SCHMIDT et al. 2004, PANEK et al. 2006) bzw. als limitierender Faktor in Betracht gezogen werden sollten (PANEK et al. 2006). Eine Reduktion von Füchsen durch Jäger kann zu einem Anstieg lokaler Niederwildarten führen (ABILDGARD et al. 1972, SLAMEČKA et al. 1997, SPITTLER 2001, PANEK et al. 2006, REYNOLDS et al. 2009). Eine effektivere Methode stellt aber die Aufwertung der Habitatqualität dar, da in Gebieten mit einer höheren Heterogenität ein geringeres Prädationsrisiko besteht (SCHNEIDER 1978, SMITH et al. 2005, PANEK 2009). Es wird vermutet, dass weiträumig betrachtet die gleichen Habitate sowohl von Hasen als auch von Füchsen bevorzugt werden und der positive Effekt des Modells darauf zurück zu führen ist.

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61 Geringe Hasenpopulationsdichten zeigen sich bei Niederschlagsraten von 730 mm und höhere in einem Bereich zwischen 800-900 mm. Diese Ergebnisse stehen im Kontrast zu den bisherigen Studien, die belegen, dass die Populationsdichte negativ mit der jährlichen Niederschlagsmenge korreliert, da diese zu einer erhöhten Junghasensterblichkeit führt (SPITTLER 1987, HACKLÄNDER 2001). Der Einfluss der Niederschlagsmenge steht im engen Zusammenhang zum Habitat, da beispielsweise hohe Niederschlagsmengen im Grünland keine Auswirkungen zu haben scheinen, während bei getreide-dominierten Habitaten negative Effekte auftreten (SMITH et al. 2005).