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Fortsetzung Tabelle 4

t(9;22)(q34.1;q11.2); BCR-ABL1 inv(3)(q21.3q26.2) oder

t(3;3)(q21.3;q26.2); GATA2,MECOM(EVI1)

−5 or del(5q); −7; −17/abn(17p)

Komplexer Karyotyp, monosomaler Karyotyp Wildtyp NPM1 and FLT3-ITDhoch

Mutiertes RUNX1 Mutiertes ASXL1 Mutiertes TP53

1.2.5 Molekulargenetische und epigenetische Veränderungen

AML-assoziierte molekulargenetische Mutationen treten entweder somatisch, d.h.

erworben auf, oder in Form von angeborenen Keimbahnmutationen. Bei den meisten der molekulargenetischen Veränderungen, die zur Entstehung der AML beitragen, handelt es sich um somatische Mutationen. AML-assoziierte Keimbahnmutationen wie z. B. CEBPA, RUNX1, Ankyrin Repeat Domain 26 (ANKRD26), DEAD-Box Helicase 41 (DDX41), ETS Variant 6 (ETV6) und GATA binding protein 2 (GATA2) sind dagegen seltener und werden nach der aktuellen WHO-Klassifikation erstmals eigenständig unter „myeloische Neoplasien mit Keimbahnprädispositionen“ klassifiziert.

Nach neuesten Erkenntnissen treten AML-assoziierte, somatische Genmutationen mit zunehmenden Alter häufiger auf und können eine klonale Hämatopoese ohne Ausbildung eines krankhaften Phänotyps bedingen. Dieser prämaligne Zustand ist jedoch mit einem erhöhten Risiko für hämatologische Neoplasien sowie einer erhöhten Gesamtmortalität assoziiert, woraus die Autoren schlussfolgerten, dass es sich bei den teils rekurrenten Genmutationen um frühe Ereignisse in der Entwicklung einer klonalen hämatopoetischen Expansion handelt [61, 83, 200], die prognostisch und therapeutisch von Bedeutung sein könnten [62].

- 13 - Molekulargenetische Aberrationen können prinzipiell bei jedem AML-Subtyp vorkommen. Allerdings ist ihre Prävalenz signifikant höher innerhalb der Gruppe der zytogenetisch normalen AML-Patienten (CN-AML), bei denen keine zytogenetisch fassbaren chromosomalen Veränderungen nachgewiesen werden konnten [41]. Bei diesen CN-AML-Patienten, die ca. 40-49 % [123] aller erwachsenen AML-Patienten ausmachen, wurden in den letzten Jahren viele solcher somatischen, molekularen Aberrationen identifiziert. Zu den wichtigsten zählen NPM1, CEBPA, RUNX1, FLT3, IDH1, IDH2, Wilms tumor 1 (WT1), Tet methylcytosine dioxygenase 2 (TET2), DNA methyltransferase 3 alpha (DNMT3A) sowie Additional sex combs like 1 (ASXL1) [40]. Die klinische Bedeutung dieser erworbenen genetischen Mutationen hat aufgrund des Nachweises ihrer prognostischen Eigenschaften aber auch im Hinblick auf mögliche genotypspezifische zielgerichtete Therapieansätze in den letzten Jahren stark an Stellenwert hinzugewonnen. Denn die AML-Patienten mit molekulargenetischen Veränderungen zeigen, analog zu den chromosomalen Aberrationen, je nach Mutation unterschiedliche prognostische Eigenschaften [123, 155]. So gibt es Unterschiede im Therapieansprechen, dem Rezidivrisiko und dem Gesamtüberleben. Bisher sind allerdings nur die molekularen Marker NPM1 sowie CEBPA als eigenständige Entität und RUNX1 als vorläufige Entität in der aktuellen WHO-Klassifikation der AML berücksichtigt worden [8].

NPM1

NPM1 ist ein ubiquitär vorliegendes Phosphoprotein, das hauptsächlich im Zellkern liegt und durchgehend zwischen Zellkern und Zytoplasma pendelt. Es ist unter anderem an kritischen Zellprozessen wie dem Aufbau und Transport von Ribosomen, der Regulation der Zentrosomenduplikation während der Mitose, der Zellproliferation, der DNA-Reparatur sowie an der Regulation von Tumorsuppressoren wie TP53 und Alternate reading frame (ARF) beteiligt [46, 47].

NPM1-Mutationen sind die häufigsten nachweisbaren Mutationen bei erwachsenen AML-Patienten: So weisen 25-30 % erwachsener AML-Patienten Mutationen von NPM1 auf [46, 47], von denen ungefähr 85 % wiederum zytogenetisch normal sind [100]. Insgesamt können bei 45-64 % der Patienten mit CN-AML NPM1-Mutationen nachgewiesen werden [113]. Die genauen Pathomechanismen sind nicht abschließend geklärt. Es wird vermutet, dass durch die NPM1-Mutation unter

- 14 - anderem die Pendelaktivität von NPM1 zwischen Zellkern und Zytoplasma verloren geht und eine zytoplasmatische Fehllokalisation zum Ausfall kritischer Zellfunktionen führt [47]. Interessanterweise treten NPM1-Mutationen häufig mit weiteren AML-assoziierten Genmutationen auf wie FLT3, DNMT3A, IDH1, IDH2 und Neuroblastoma RAS viral oncogene homolog (NRAS) [100]. Prinzipiell weisen AML-Patienten mit alleiniger NPM1-Mutation eine günstige Prognose auf (siehe Tabelle 4). Je nach Ausprägung einer eventuell simultan vorliegenden FLT3-ITD-Mutation kann sich die Prognose allerdings ändern. Da die überwiegende Mehrzahl bekannter NPM1-Mutationen spezifisch und fast ausschließlich auf die AML beschränkt sind, de novo auftreten, und bestimmte immunphänotypische sowie klinische Charakteristika aufweisen, bildet die AML mit NPM1-Mutation eine eigene Entität. Zusätzlich dient sie als geeignetes Ziel zur Bestimmung der minimalen Resterkrankung (MRD, minimal residual disease) unter Chemotherapie, indem Patientenproben quantitativ auf residuelle maligne Zellen untersucht werden.

CEBPA

CEBPA (syn. CEBP-α) ist als Transkriptionsfaktor in kritische Zellprozesse wie Genexpressions- und Zellproliferationsregulation involviert. In der Hämatopoese ist die Expression von CEBPA auf die myelomonozytären Zellen beschränkt und wird während der Granulozytendifferenzierung hochreguliert [97]. CEBPA-Mutationen können bei ca. 15 % aller AML-Patienten nachgewiesen werden [132, 167] und treten vor allem an zwei Stellen auf: Durch N-terminale Frameshift-Mutationen wird eine verkürzte CEBPA-Isoform translatiert, die die Funktion des gesamten Proteins inhibiert. C-terminale Mutationen treten entweder als In-frame-Insertionen oder Deletionen auf und betreffen die DNA-Bindungsdomäne oder die basische Leucin-Zipper-Domäne; hierdurch wird die DNA-Bindung oder Dimerisation gestört.

Man unterscheidet drei Mutationsmuster von CEBPA bei AML-Patienten [97]:

1) AML mit Nachweis einer CEBPA-Mutation auf einem Allel (CEBPA single mutation, CEBPAsm, 50 % aller AML mit CEBPA-Mutation), 2) AML mit Nachweis von zwei CEBPA-Mutationen (CEBPA double mutation, CEBPAdm), 3) AML mit homozygoter CEBPA-Mutation aufgrund des Verlusts von Heterozygotie.

Es konnte zwischenzeitlich gezeigt werden, dass nur AML-Patienten mit CEBPAdm, d.h. biallelischer Mutation eine charakteristische Entität mit günstiger Prognose

- 15 - darstellen [65]. Daher hat auch nur die biallelische Mutation von CEBPA zuletzt Einzug in die WHO-Klassifikation der AML sowie auch in die ELN-Risikostratifizierung gehalten. Die prognostische Bedeutung von CEBPAsm ist abhängig von den konkurrierenden Mutationen wie NPM1 und FLT3-ITD [40].

RUNX1

RUNX1 ist ein Transkriptionsfaktor und Teil der DNA-bindenden α-Untereinheit eines core binding factors (CBF), der wiederum als heterodimerer Komplex an core-enhancer Elemente bindet [97]. RUNX1 kann somit die Genexpression von Zielgenen durch Einfluss interagierender Transkriptionsfaktoren und Co-faktoren sowohl aktivieren als auch inhibieren [157]. Funktionell kontrolliert RUNX1 die Expression seiner Zielgene und beeinflusst auf diese Weise die hämatopoetische Differenzierung, den Aufbau von Ribosomen, die Zellzyklusregulation und Signalkaskaden von Tumor protein 53 (p53) und Transforming growth factor β (TGFβ). RUNX1 ist eines der am häufigsten dysregulierten Gene bei der AML. Bei diesen AML-assoziierten Veränderungen von RUNX1 unterscheidet man chromosomale Translokationen, Amplifikationen und intragenische Mutationen.

Intragenische Mutationen von RUNX1 treten bei ca. 10 % der erwachsenen de novo AML-Patienten und bei ca. 16 % der Patienten mit CN-AML auf [40, 169]. Deutlich häufigere RUNX1-Mutationen weisen Patienten mit der AML FAB M0 auf, bei denen bis zu 46 % RUNX1-Mutationen haben können [56]. RUNX1-Mutationen sind mit distinkten genetischen und klinischen Eigenschaften assoziiert, daher wurden sie 2016 als vorläufige Entität der aktuellen WHO-Klassifikation der AML aufgenommen.

IDH1/2

IDH1 und IDH2 gehören zu einer Familie von Enzymen, die an der zellulären Energiegewinnung im Rahmen des oxidativen Decarboxylierungszyklus beteiligt sind. Dabei katalysieren sie die Umwandlung von Isocitrat zu α-Ketoglutarat. IDH1 befindet sich auf zellulärer Ebene zytoplasmatisch in den Peroxisomen, während IDH2 in den Mitochondrien lokalisiert ist [143, 184, 195]. Genmutationen finden sich bei IDH1 fast immer im Codon R132, bei IDH2 sind überwiegend Codon R140 und R172 von Mutationen betroffen [40]. Diese Genmutationen treten bei ca. 20 % aller

- 16 - AML-Patienten auf und führen zur Bildung des Metaboliten 2-Hydroxyglutarat, das leukämogene, epigenetische Effekte hat. Die prognostische Bedeutung der IDH1/2-Mutationen unterscheidet sich je nach betroffenem Gen, Mutationstyp und koexistenten zytogenetischen Aberrationen [40]. Aktuelle Daten legen nahe, dass IDH2-Mutationen eine distinkte Gruppe darstellen [134].

WT1

WT1 ist ein Transkriptionsfaktor, der spezifische Genloci bindet und deren Expression reguliert. Namensstiftend war, dass Mutationen dieses Gens bei 15 % der Patienten mit Wilms-Tumor gefunden werden konnten. Somatische Mutationen von WT1 können aber auch bei 6-15 % aller Patienten mit de novo CN-AML gefunden werden, die in Form von heterozygoten Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs), Deletionen und Insertionen auftreten und vor allem die Exons 1, 7 und 9 betreffen [16, 40, 141]. Diese Mutationen führen typischerweise zu verfrühten Stopcodons und Frameshift-Mutationen [135], was wiederum zu einem Funktionsverlust und zur Expression eines trunkierten Proteins führen kann.

Allerdings sind auch Überexpressionen von WT1 bei Patienten mit AML beobachtet worden, sodass auch eine onkogene Rolle diskutiert wird [113, 131]. Die prognostische Rolle von WT1 ist aufgrund der publizierten Daten nicht eindeutig geklärt.

Dennoch gelten WT1-Mutationen bei de novo AML-Patienten mit einem jungen Alter, schlechterem Gesamtüberleben und rezidivfreiem Überleben sowie Chemotherapieresistenz assoziiert; Co-mutationen mit FLT3-ITD oder CEBPA sind häufig [141].

TET2

TET-Proteine sind Eisen- und α-Ketoglutarat abhängige Proteine, die die DNA durch Konversion von 5-Methylcytosin (5mC) zu 5-Hydroxymethylcytosin demethylieren [81, 93]. Mutationen von TET2 auf 4q24 sind für 30-50 % der MDS-Patienten und MDS-Patienten mit myeloproliferativen Syndromen beschrieben. Ca. 30 % der Patienten mit sekundärer AML weisen TET2-Mutationen auf. Patienten mit de novo AML weisen in ca. 7-23 % Mutationen von TET2 auf [30, 58, 129]. Bislang konnte keine Assoziation von TET2-Mutationen mit anderen Genmutationen

- 17 - gefunden werden, vielmehr treten TET2-Mutationen fast nie mit IDH-Mutationen auf. Die Genmutationen von TET2 führen zu einer gestörten Hydroxylierung von 5mC, sodass Zielgene hypermethyliert und somit untranskribiert bleiben. Wie durch Mausmodelle demonstriert werden konnte, entwickelten Mäuse mit Knockdown von Tet2 myeloische Erkrankungen wie die chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML) und MDS [109]. Dennoch ist die prognostische Bedeutung von TET2-Mutationen bei AML-Patienten nicht abschließend geklärt. Wenige Studien zeigten einen prognostisch ungünstigen Effekt von TET2-Mutation bei AML-Patienten [1, 32, 136], wohingegen einige Studien an größeren AML-Kohorten keinen Einfluss von TET2-Mutationen auf Therapieansprechen und Gesamtüberleben zeigten [21, 58, 107].

DNMT3A

Die Familie der DNA-Methyltransferasen (DNMTs) umfasst unter anderem DNMT3A, einem Enzym, das der DNA de novo Methylgruppen am 5.

Kohlenstoffatom der Cytosinbase von CpG-Dinukleotiden (5'-Desoxycytidin-Phosphorsäure-Desoxyguanosin-3') anfügen kann. Mutationen von DNMT3A sind bei ca. 22-33 % der AML-Patienten nachweisbar [10, 107, 198] und betreffen vor allem Codon R882, wodurch die Methylierungsfunktion von DNMT3A ausfällt. Diese Mutationen finden sich vor allem bei CN-AML-Patienten und sind mit Mutationen von FLT3-ITD, IDH1/2, NPM1 [40, 55, 148, 198] und RUNX1 [170] assoziiert.

Während die Studie an der bislang größten Patientenkohorte von über 1700 AML-Patienten keinen signifikanten Einfluss von DNMT3A-Mutationen auf das ereignisfreie Überleben (EFS), das rezidivfreie Überleben (RFS) oder das Gesamtüberleben (OS) zeigten [55], belegten neuere Studien, dass Mutationen von DNMT3A signifikant mit einem verringerten OS und RFS assoziiert sind [146].

DNMT3A-Mutationen werden daher im Kontext koexistenter Genmutationen als prognostisch ungünstige Marker betrachtet.

ASXL1

ASXL1 ist ein nukleäres, Chromatin bindendes Protein und übernimmt epigenetische Regulationsfunktionen. ASXL1-Mutationen können in einer Vielzahl hämatologischer Neoplasien wie myeloproliferativen Neoplasien (MPN), MDS,

- 18 - CMML sowie der AML gefunden werden. Die höchste Inzidenz weist dabei die CMML mit fast 45 % auf [60]. ASXL1 ist dagegen bei der sekundären AML in ca.

30 % der Fälle, bei der de novo AML nur in ca. 3-5 % mutiert [60]. Die Mutationen von ASXL1 betreffen überwiegend Exon 12 und führen als Frameshift-Mutationen und Nonsense-Mutationen zu trunkierten Proteinen [2]. Während ASXL1-Mutationen mit ASXL1-Mutationen von IDH1/2, TET2 und vor allem RUNX1 assoziiert sind [57, 147], treten sie interessanterweise fast nicht mit Mutationen von NPM1, DNMT3A, FLT3-ITD und FLT3-TKD auf [29, 156]. Männliche und ältere AML-Patienten sind deutlich häufiger von ASXL1-Mutationen betroffen. AML-Patienten mit ASXL1-Mutationen wiesen in Studien ein verringertes OS sowie ein kürzeres EFS auf [156].

Die Rolle der Epigenetik gewann in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung beim Verständnis pathogenetischer Zusammenhänge im Rahmen der AML. Im Gegensatz zur Genetik befasst sie sich mit den Mechanismen, die die Expression und damit Funktion eines Gens steuern [130]. Nach heutigem Stand der Forschung werden epigenetische Informationen unter anderem von zwei wichtigen Regulationsmechanismen vermittelt. Dazu zählen DNA-Methylierung bzw.

Hydroxymethylierung sowie Modifikationen von Histonen [20, 48, 130, 138]. Zwar kann die Rolle der Epigenetik in der Leukämogenese der AML noch nicht gänzlich überblickt werden, doch konnten Studien unzählige auffällige epigenetische Veränderungen bei AML-Patienten nachweisen. In erster Linie die DNA-Methylierung, welche Einfluss auf die Regulation der Transkription hat. Während die Hypomethylierung eines Gens die Gentranskription ermöglicht und in der Leukämogenese der AML keine Rolle zu spielen schien [137], führt die Hypermethylierung eines Gens zur Inaktivierung der Gentranskription. Mittlerweile wurden nicht nur viele hypermethylierte Gene bei AML-Patienten gefunden [4, 45, 69, 79, 80, 116, 139, 161, 183], sondern auch unterschiedliche aberrante Methylierungsmuster von Promotorregionen, die sich bestimmten AML-Subgruppen zuordnen ließen [5, 26] und darüber hinaus eine Vorhersage über das klinische Gesamtüberleben ermöglichten [51]. Mittlerweile stehen beispielsweise die verhältnismäßig gut verträglichen hypomethylierenden Substanzen Azacitidin und

- 19 - Decitabine als gängige Substanzen in der Therapie älterer Patienten, die nicht für intensivierte Standardchemotherapie geeignet sind, zur Verfügung.