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Neben der Rolle als Regulator der Zellentwicklung ist FOXP1 auch in die Tumorgenese von soliden Tumoren sowie Lymphomen involviert. Basierend auf bisherigen Daten scheint FOXP1 eine bivalente Rolle als Tumorsuppressorgen in einigen soliden Tumoren und als Onkogen in Lymphomen zu spielen [96, 199].

FOXP1 als Tumorsuppressorgen

Seit langem ist bekannt, dass die Region 3p häufig einen Verlust von Heterozygotie bei unterschiedlichen soliden Tumoren wie Nieren-, Lungen-, Brust- und Ösophaguskarzinomen aufweist und möglicherweise ein unbekanntes Tumorsuppressorgen enthält [36, 74, 78, 133, 175, 202]. Als 2001 Banham et al. in der Region 3p14.1 erstmalig den repressiven Transkriptionsfaktor FOXP1 identifizierten, zeigten Expressionsanalysen vor allem bei Gewebeproben

- 27 - epithelialer Tumore wie Magen- und Kolonkarzinome gehäuft komplette Expressionsverluste sowie vermehrte zytoplasmatische Fehllokationen von FOXP1-Protein in Magen-, Kolon-, Prostata- und Endometriumkarzinomen [12]. Auf dem Boden dieser Erkenntnisse sahen die Autoren FOXP1 als potenzielles Tumorsuppressorgen.

Seitdem wurden viele Studien veröffentlicht, deren Ergebnisse eine tumorsuppressive Bedeutung von FOXP1 bei soliden Tumoren von Cervix, Endometrium, Brust, Lunge, Gehirn und Prostata untermauern:

Bei 102 lokal fortgeschrittenen Cervixkarzinomen konnte gezeigt werden, dass unter anderem die Deletion 3p11.2-p14.1 nach kombinierter Radiochemotherapie mit einem schlechten progressionsfreien Überleben (HR 0,27, 95 % CI 0,11-0,66, p = 0,003) assoziiert ist [106]. Als mögliche Schlüsselgene dieser Region wurden bisher die Gene RYBP und Glycogen branching enzyme 1 (GBE1) identifiziert. Auf FOXP1 wurde in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen.

Studien an Ovarialkarzinomen zeigten, dass häufig eine verminderte Gesamtexpression von FOXP1 vorliegt und dass eine verminderte nukleäre bzw.

vermehrte zytoplasmatische Lokalisation von FOXP1 mit einem höheren Differenzierungsgrad der Ovarialkarzinome korrelierte [76, 77]. Die nukleäre FOXP1-Expression wurde daher als unabhängiger Risikofaktor beschrieben, der mit Chemoresistenz und der ungünstigen Prognose von Patienten mit Ovarialkarzinom assoziiert war [76]. Jedoch zeigten andere Studien, dass der Knockdown von FOXP1 in Ovarialkarzinomzelllinien unter anderem zu geringerer Zellmigration und besserem Ansprechen auf Chemotherapie führte [31], was wiederum auf eine onkogene Bedeutung von FOXP1 in Ovarialkarzinomen hindeutete.

In Endometriumkarzinomzellen wurde ein Einfluss von FOXP1 auf die KRAS-Signaltransduktion vermutet, wobei geringere FOXP1-Expressionen mit einem höheren Differenzierungsgrad der Endometriumkarzinomzellen korrelierten [119].

In Mammakarzinomen konnte ebenfalls eine Korrelation zwischen einer hohen nukleären FOXP1-Expression und einer besseren Patientenprognose aufgezeigt werden [53]. So wurde weiter vermutet, dass FOXP1 ein Co-regulator des

- 28 - Östrogenrezeptors darstellen könnte, der in der Onkogenese des Mammakarzinoms eine kritische Rolle spielt [15].

Auch bei nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) zeigte sich eine starke Korrelation der FOXP1-Expression und des Gesamtüberlebens, wobei eine verringerte Expression mit einer sehr schlechten Prognose assoziiert war [49, 199].

Auch bei Neuroblastomen waren Deletionen der Region 3p14 ebenfalls schon länger bekannt [179]. Neuere Studien zur Expression von FOXP1 in Neuroblastomzellen zeigten, dass eine geringe FOXP1-Expression mit einer ungünstigen Prognose assoziiert war [3]. Alleinige Deletionen von FOXP1 sind bei Neuroblastomen eher selten, doch führten sie dann zu einer verminderten Expression. Umgekehrt bewirkte die Induktion von FOXP1 den Zellzyklusstop und apoptotischen Zelluntergang der Neuroblastomzellen. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine verminderte FOXP1-Expression ein häufiges Geschehen in der Pathogenese von Hochrisiko-Neuroblastomen sei und zur Tumorprogression sowie einer schlechteren Prognose beitragen könnte.

In zwei aktuellen Studien über die genetische Assoziation von Prostatakarzinomen wurde ebenfalls die potenzielle Rolle von FOXP1 als Tumorsuppressorgen untersucht. Interessanterweise erbrachte die Untersuchung von humanen Tumorproben sowie Prostatakarzinomzelllinien mittels DNA-Microarrays eine hochsignifikante Assoziation zwischen der häufigsten Translokation bei Prostatakarzinomen Transmembrane protease, serine 2; v-ets erythroblastosis virus E26 oncogene homolog (TMPRSS2-ERG) und Deletionen in der Region 3p14.1-p13 (p = 4.81e-05), die vor allem die Gene FOXP1, RYBP und SHQ1 in unterschiedlichen Deletionsmustern betrafen [178]. Dabei war FOXP1 im Vergleich zu RYBP und SHQ1 am häufigsten deletiert. Andere Studien zeigten von 72 mittels SNP-Array untersuchten Prostatakarzinomen in 19 % Deletionen von 3p13, welche FOXP1, RYBP und SHQ1 betrafen [99]. Deletionen und Translokationen von FOXP1 wurden mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH)-Analysen in 16,5 % bzw. 1,2 % von 1828 Prostatakarzinomen aufgedeckt und waren prognostisch ungünstig.

Funktionell hatte FOXP1 einen inhibierenden Effekt auf die Androgenrezeptor-vermittelte Transkription und Histonmodifikation in Enhancer-Regionen [176]. Der Knockdown von FOXP1 beschleunigte die Zellproliferation in androgen-abhängigen

- 29 - Zellen und erhöhte die Zellmigration signifikant. Expressionsanalysen von FOXP1 in Prostatakarzinomproben zeigten darüber hinaus, dass eine verringerte Expression mit einer schlechteren Prognose assoziiert war.

Zusammenfassend gibt es eine Vielzahl von Daten, die auf eine tumorsuppressive Rolle von FOXP1 bei soliden Tumoren hinweisen. Die höchste Evidenz hierzu zeigte sich bei Neuroblastomen und Prostatakarzinomen. Passend deuten aktuelle Daten aus umfangreichen Metaanalysen darauf hin, dass eine verminderte FOXP1-Expression bei soliden Tumoren mit einem schlechteren Gesamtüberleben assoziiert ist, wobei die Lokalisation von FOXP1-Protein ebenfalls betrachtet werden muss, da eine rein nukleäre Expression auch mit einem besseren Gesamtüberleben einhergehen kann [199].

FOXP1 als Onkogen

Im Gegensatz zu den obigen Ausführungen über die Rolle von FOXP1 als Tumorsuppressorgen, weisen weitere Daten aber auch auf die Funktion von FOXP1 als Onkogen hin.

Die Expression von FOXP1 ist in vielen lymphatischen Neoplasien dereguliert, was ein Hinweis auf die Involvierung dieses Gens in die Pathogenese von hämatologischen Neoplasien ist. So deuten einige Studien daraufhin, dass FOXP1 eine potenziell onkogene Rolle in Lymphomen spielt.

Dies trifft vor allem beim aktivierten Subtyp des diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (ABC-DLBCL) [13, 14, 17, 59, 71], beim primär kutanen diffus großzelligen B-Zell-Lymphom der unteren Extremität (PCLBCL) [44] sowie beim extranodalen Marginalzonenlymphom (MZoL) [151] zu. Dort schien eine hohe FOXP1-Expression mit einer schlechten Prognose assoziiert zu sein.

Wie aktuelle Ergebnisse zeigten, verstärkt FOXP1 die Wnt/β-catenin-Signaltransduktion bei DLBCL‘s [186] und befördert das Tumorzellwachstum durch Inhibierung der S1PR2-Rezeptor Signaltransduktion, das B-Lymphozyten auf Lymphknoten beschränkt [52]. Außerdem gibt es seltene rekurrente Translokationen für MZoL und DLBCL, wobei die Translokation t(3;14)(p13;q32) am häufigsten auftritt. Durch diese Translokation wird FOXP1 regulatorisch durch den Immunglobulin heavy locus (IGH) kontrolliert und überexprimiert [172]. Weitere Studien zeigten, dass manche positive Lymphome verkürzte

FOXP1-- 30 FOXP1-- Isoformen (FOXP1s) exprimieren, die durch Aktivierung oder Translokationen induziert werden und häufig keinen N-Terminus besitzen [23, 24, 149]. Es wird vermutet, dass diese kürzeren Isoformen die normale Funktion der regulären Isoform verändern oder eigene Funktionen einnehmen. So deuten aktuelle Daten darauf hin, dass FOXP1s die Expression von major histocompatibility complex (MHCII) bei DLBCLs unterdrücken und so zum Tumorprogress beitragen [25].

Allerdings zeigen andere Daten vergleichbare onkogene Effekte von FOXP1s und der regulären FOXP1-Isoform [90].

Aufgrund der diagnostischen und prognostischen Bedeutung ist FOXP1 bereits im Rahmen immunhistochemischer Diagnosealgorithmen bei DLBCL involviert [197].

Aktuelle Metaanalysen konnten zeigen, dass eine verminderte FOXP1-Expression in Lymphomen mit einer günstigeren Prognose assoziiert ist (HR = 0.38, 95 % CI: 0.30-0.48, p < 0.001) [199].

FOXP1 in myeloischen Neoplasien

Während die Rolle von FOXP1 in lymphatischen Neoplasien extensiv untersucht wurde, gibt es bis heute nur wenige Daten zu FOXP1 in myeloischen Neoplasien, insbesondere hinsichtlich einer möglichen Relevanz in der AML.

Während Deletionen des kurzen Arms von Chromosom 3 bei der AML bereits seit längerem bekannt sind [150], konnten im Verlauf spezifische, rekurrente Deletionen von FOXP1 sowohl in myeloproliferativen Syndromen [92] als auch in der de novo AML mit komplexem Karyotyp gehäuft nachgewiesen [117] werden, wobei letztere Patientengruppe eine sehr schlechte Prognose aufwies. Neuere Daten deuteten auf vermehrt vorkommende trunkierende Mutationen von FOXP1 bei AML-Patienten mit inv(3) hin [152]. Die Vorarbeiten zu der vorliegenden Forschungsarbeit zeigten erstmals rekurrente Deletionen der Region 3p14.1-p13 einschließlich FOXP1 bei zytogenetisch normalen AML-Patienten [27].