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Wir konnten des Weiteren wie oben beschrieben bei einem Patienten eine sogenannte Frameshift-Mutation nachweisen: c.506_510insGCCAT im Exon 4 von FOXP1 (1/118; 0,8 %). Diese führte durch den aberranten Einbau der fünf Basen GCCAT zu einer Leserasterverschiebung des gesamten Gens um eine Base. Auf Proteinebene betrifft dieser Frameshift die Aminosäure 169, wobei Lysin zu Serin wird (p.K169S fsx54). Das Stopcodon TGA folgt 54 Basentripletts nach der Insertion und führt zu einem Abbruch. Die Mutation betrifft keine der funktionellen Domäne wie den Zinkfinger, den Leucin-Zipper, die C-terminalen Bindungsprotein 1 - Bindungsstelle oder die Forkhead-Domäne. Sie liegt in der glutaminreichen Region,

- 63 - deren Bedeutung bisher allerdings nicht geklärt ist. Es wird ein potenziell inhibitorischer Effekt auf die repressive Funktion des Transkriptionsfaktors FOXP1 diskutiert [165]. In jedem Fall resultiert die Frameshift-Mutation in einem verkürzten Protein. Diese Insertionsmutation wurde bei einer AML-Patientin mit CBF-MYH11 inv(16) gefunden, die im Alter von 31 Jahren an der de novo AML erkrankte.

Mutationen von FOXP1 wurden somit bei 1 von 118 Patienten gefunden (0,8 %). In den anderen untersuchten Patienten wurden keine Mutationen von FOXP1 detektiert. Alle sechs untersuchten Patienten mit Deletion 3p.14.1-13 wiesen einen FOXP1 Wildtyp (WT) auf.

- 64 - Abbildung 10: Darstellung der Lokalisation und Charakteristik der Insertionsmutation bezogen auf die funktionellen Domänen von Forkhead box P1 (FOXP1)

(A) Funktioneller Aufbau des Proteins von FOXP1 auf Aminosäurebasis mit charakteristischen Domänen (Glutamin-reich; ZF: Zinkfinger; LZ: Leucin-Zipper; CtBP1-BS:

C-terminalen Bindungsprotein 1 - Bindungsstelle; FHD: Forkhead-Domäne). Oben ist ein Raster der Aminosäurenzahl (AS), unten die Aminosäureabschnitte der jeweiligen Domäne abgebildet. (B) Darstellung und Lokalisation der Insertionsmutation c.506_510insGCCAT mit Leserasterverschiebung und veränderter Aminosäuresequenz (rot dargestellt). (C) Ausschnitt der entsprechenden Sequenz von Exon 4 mit Darstellung der Insertionsmutation c.506_510insGCCAT in der Rückwärtssequenz (links) sowie in Vorwärtssequenz (rechts).

Die Nukleotide sind farbcodiert (rot = Thymin (T), grün = Adenin (A), blau = Cytosin (C), schwarz = Guanin (G), W (fett) = Nukleotiddetektion von Adenin und Thymin. Unter der Rückwärtssequenz ist das entsprechende Elektropherogramm dargestellt.

- 65 -

3.2 Expressionsanalyse von FOXP1-mRNA

Im zweiten Teil der Forschungsarbeit erfolgten Genexpressionsanalysen von FOXP1 mittels quantitativer Echtzeit-PCR. Hierfür verwendeten wir 51 AML-Patientenproben, welche nach verschiedenen Karyotypen selektiert waren, 17 Proben von neun unterschiedlichen Zelllinien (Tabelle 23: HL60, NB4, OCI-AML3, THP-1, MV4-11, EOL-1, K562, MEG-01, NALM-6) sowie acht gesunde humane Kontrollen. Zu diesem Patientenkollektiv gehörten ebenfalls die bereits erwähnten sechs Proben, bei denen in Vorarbeiten Deletionen der Region von 3p14.1-p13 auffielen [27]. Ergänzt wurden diese sechs Proben um weitere vier Patienten mit zwischenzeitlich neu entdeckten Deletionen von 3p14.1-p13, sodass Expressionsanalysen an zehn Patienten mit Deletionen dieser Region durchgeführt wurden. Die Charakteristika der untersuchten AML-Patienten sind in Tabelle 22 aufgeführt.

Mit Hilfe der internetgestützten Datenbank BloodSpot wurden außerdem FOXP1-Expressionsdaten für hämatopoetische Zellen sowie häufige AML-Karyotypen [RUNX1-RUNX1T1 t(8;21), PML-RARA t(15;17), CBFB-MYH11 inv(16), Veränderungen mit KMT2A (t(11q23)] und Normalkontrollen erhoben. Diese dienten zum Vergleich mit den von uns erhobenen Daten der FOXP1-Expressionsanalysen.

FOXP1-Expression in normalen hämatologischen Zellen (BloodSpot)

Aus der internetbasierten Datenbank BloodSpot konnten FOXP1-Expressionsdaten aus unterschiedlichen Studien erhoben werden, um einen Überblick der Expressionsverteilung von FOXP1 in unterschiedlichen Zellen der normalen Hämatopoese zu gewinnen (Abbildung 11 im Anhang).

Teilweise zeigten sich je nach Studie und Zelltyp unterschiedliche Expressionen.

Gemeinsam wiesen jedoch HSC, B- und T-Lymphozyten vergleichsweise hohe mediane Expressionen von FOXP1 auf. Eher niedrige Expressionen von FOXP1 präsentierten myeloische Zellen wie Monozyten oder polymorphonukleäre Zellen wie Granulozyten. Eine abnehmende FOXP1-Expression zeigte sich somit bei fortgeschrittener Ausdifferenzierung myeloischer Zellen.

Dementsprechende Expressionsminderungen waren bei gemeinsamen myeloischen Vorläuferzellen (CMP), Granulozyten-Monozyten-Vorläufern (GMP),

- 66 - Megakaryozyten-erythroide Vorläuferzellen (MEP), CD14+-Monozyten und dendritischen Zellen (DC) auffällig.

FOXP1-Expression: AML-Patienten vs. gesunde Kontrollen (BloodSpot)

Um einen Überblick der FOXP1-Expression bei AML-Patienten unterschiedlichen Karyotyps und gesunden Humankontrollen zu bekommen, wurden mittels BloodSpot die im Rahmen der MILE-Studie erhobenen Expressionsdaten von FOXP1 bei gesunden Patienten (n = 74) und AML-Patienten (n = 542) untersucht.

Tendenziell erhöhte FOXP1-Expressionen wiesen AML-Patienten mit komplexem Karyotyp (CK-AML), RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) und CN-AML auf. Eine signifikant höhere Expression von FOXP1 konnte bei Patienten mit CK-AML festgestellt werden (p < 0,05, Abbildung 12 im Anhang).

- 67 - FOXP1-Expression: AML-Patienten vs. gesunde Kontrollen (eigene Daten)

Nun wurden unsere eigenen Daten herangezogen und zum Vergleich der FOXP1-Expressionsdaten aller 51 untersuchten AML-Patienten (CN-AML + Nicht-CN-AML) sowie acht gesunden Kontrollen auf B2M normalisiert. Hierbei war die mediane Expression von FOXP1 im Vergleich zu den Normalkontrollen vergleichbar, wobei die Kohorte eine minimal höhere mediane Expression aufwies. Vier AML-Proben (CN-AML mit und ohne 3p-Deletion sowie RUNX1-RUNX1T1 t(8;21)) zeigten deutlich veränderte Expressionen. Die mediane Expression von FOXP1 war bei Gesunden und AML-Patienten ähnlich. Ein signifikanter Expressionsunterschied lag nicht vor (p = 0,33).

Abbildung 13: Expressionsanalysen von Forkhead box P1 (FOXP1) bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) und humanen Normalkontrollen

Als schwarzer Punkt werden die jeweiligen Expressionslevel von FOXP1-mRNA aller untersuchten AML-Patienten und Normalkontrollen dargestellt, normalisiert auf die Expression des Haushaltsgens ß2-Mikroglobulin (B2M). Rote horizontale Linien repräsentieren die mediane Expression von FOXP1-mRNA. KM: Knochenmark

- 68 - FOXP1-Expression bei AML-Patienten nach Karyotyp im Vergleich zu gesunden Kontrollen (eigene Daten)

Analysen der FOXP1-Expression bei unterschiedlichen AML-Karyotypen (AML gesamt n = 51, CN-AML n = 34, CK-AML n = 3, RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) n = 4, CBFB-MYH11 inv(16) n = 5, Veränderungen in KMT2A t(11q23) n = 5) im Vergleich zu gesunden Humankontrollen (n = 8) zeigten mit Ausnahme der Subgruppen RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) und CBFB-MYH11 inv(16) tendenziell höhere mediane Expressionen. Allerdings wurde keine statistische Signifikanz erreicht (CN-AML (p = 0,50), CK-(CN-AML (p = 0,47), RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) (p = 0,49), CBFB-MYH11 inv(16) (p = 0,72)) bei insgesamt geringer Fallzahl.

Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich im Rahmen der MILE-Studie (Abbildung 12 im Anhang) für CK-AML (erhöhte FOXP1-Expression) und CBFB-MYH11 inv(16) (erniedrigte FOXP1-Expression). Unsere Daten wiesen jedoch auch unterschiedliche mediane Expressionen von FOXP1 im Vergleich zur MILE-Studie für die AML-Subgruppen mit Veränderungen in KMT2A t(11q23) und RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) auf. So deuteten unsere Daten auf erhöhte Expression von FOXP1 bei Patienten mit Veränderungen in KMT2A t(11q23) hin und erniedrigte Expression bei Patienten mit RUNX1-RUNXT1 t(8;21).

FOXP1-Expression bei AML-Patienten mit Deletion in 3p14.1-p13 (eigene Daten) Betrachtete man die AML-Patienten mit Deletion in 3p14.1-p13 (n = 10) isoliert, so wiesen diese im Vergleich zu gesunden Humankontrollen sowie der restlichen AML-Kohorte die höchste mediane FOXP1-Expression auf. Allerdings wurde keine statistische Signifikanz erreicht (p = 0,13). Zwei Patienten mit Deletion von 3p14.1-p13 wiesen die höchste FOXP1-Expression des gesamten Patientenkollektivs auf.

- 69 - Abbildung 14: Expressionsanalysen von Forkhead box P1 (FOXP1) bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) unterschiedlicher Subgruppen einschließlich Patienten mit Deletion in 3p14.1-p13 (3p del) und humanen Normalkontrollen

Expression von FOXP1-mRNA bei Patienten mit verschiedenen AML-Karyotypsubgruppen (AML gesamt, n = 51; CN-AML, n = 34; CN-AML mit Deletion von 3p14.1-p13 , n = 10; CK-AML, n = 3; RUNX1-RUNX1T1 t(8;21), n = 4; CBFB-MYH11 inv(16), n = 5; Veränderungen in KMT2A t(11q23), n = 5) und Normalkontrollen mit Knochenmark (gesundes KM, n = 8) normalisiert auf die Expression von ß2-Mikroglobulin (B2M). Rote horizontale Linien repräsentieren die mediane FOXP1-mRNA-Expression für die jeweils untersuchten Subgruppen.

CK-AML: Akute myeloische Leukämie mit komplexem Karyotyp, CN-AML: Akute myeloische Leukämie mit normalem Karyotyp, inv: Inversion, KM: Knochenmark, p: Kurzer Arm eines Chromosoms, t: Translokation

- 70 - FOXP1-Expression bei AML-Zelllinien

Die Expressionsanalyse von FOXP1 bei unterschiedlichen Leukämiezelllinien zeigten stark variierende Ergebnisse, sowohl innerhalb der teils zweimalig analysierten Zelllinien als auch im Vergleich zu gesundem Knochenmark. Es konnten sowohl erhöhte, als auch erniedrigte FOXP1-Expressionen innerhalb der untersuchten AML-Zelllinien (HL60, NB4, OCI-AML3, THP-1 und MV4-11) festgestellt werden. Statistisch signifikante Expressionsunterschiede zeigten sich nicht, eine Übersicht der Zelllinien und Ergebnisse zeigt Tabelle 23.

Abbildung 15: Expressionsanalysen von Forkhead box P1 (FOXP1) bei Leukämiezelllinien (HL60,NB4, OCI-AML3, THP-1, MV4-11, EOL-1, K562, MEG-01, NALM-6) und humanen Normalkontrollen

Expression von FOXP1-mRNA bei verschiedenen Leukämiezelllinien (n = 17) und Normalkontrollen mit Knochenmark (KM, n = 8) normalisiert auf die Expression von ß2-Mikroglobulin (B2M). Rote horizontale Linien repräsentieren die mediane FOXP1-mRNA-Expression für die jeweils untersuchten Subgruppen.

- 71 - Tabelle 23: Übersicht expressionsanalysierter Zelllinien

Eigennamen der unterschiedlichen Zelllinien (HL60, NB4, OCI-AML3, THP-1, MV4-11, EOL-1, K562, MEG-01, NALM-6) mit entsprechender Grunderkrankung sowie des p-Werts der Expressionsanalysen bezogen auf gesundes Knochenmark (KM)

Zelllinie Grunderkrankung p-Wert

HL60 Akute Promyelozyten Leukämie 0,44

NB4 Akute Promyelozyten Leukämie 0,22

OCI-AML3 Akute myelomonozytäre Leukämie 0,61

THP-1 Akute monozytäre Leukämie 0,23

MV4-11 Biphänotypische myelomonozytäre Leukämie 0,09

EOL-1 Akute Eosinophilenleukämie 0,06

K562 Chronische myeloische Leukämie 0,84

MEG-01 Chronische myeloische Leukämie 0,52

NALM-6 Akute lymphatische Leukämie -

- 72 -

4 DISKUSSION

Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit war es, anhand von Mutations- und Expressionsanalysen die Bedeutung des Gens FOXP1 bei der AML des Erwachsenen zu untersuchen.

Im ersten Teil dieser Arbeit erfolgten Mutationsanalysen von FOXP1 mittels direkter Sanger Sequenzierung an einer Kohorte von 118 AML-Patienten aus den beiden Studien AML HD98A und AMLSG 07-04. Sechs dieser AML-Patienten hatten die heterozygote Deletion 3p14.1-p13. Diese Deletionsregion enthält neben einer microRNA acht Gene, darunter unter anderem auch FOXP1. Insgesamt fanden wir bei zwei Patienten unserer Kohorte Veränderungen im FOXP1 Gen: Bei einem Patienten zeigten unsere Analysen den SNP rs140161845 [126] (c.1709A>G). Bei dem anderen AML-Patienten detektierten wir die heterozygote Insertionsmutation c.506_510insGCCAT mit Leserasterverschiebung.

Im zweiten Teil der hier vorliegenden Arbeit erfolgten Genexpressionsanalysen von FOXP1-mRNA an 51 AML-Patienten, 17 Zelllinien und acht humanen Normalkontrollen mittels quantitativer Echtzeit-PCR, um Veränderungen in der Expression von FOXP1 beurteilen zu können. Die AML-Patienten stammten aus den Studien AML HD98A und AMLSG BiO. Außerdem wurden FOXP1-Expressionsdaten externer Studien mit Hilfe der internetbasierten Plattform BloodSpot als Vergleich herangezogen. Im Vergleich zu den gesunden Kontrollen zeigten unsere Daten aus der AML-Patientenkohorte höhere FOXP1-Expressionen bei AML-Patienten mit 3p-Deletionen, komplexem Karyotyp und Veränderungen in KMT2A t(11q23), während Patienten mit CBFB-MYH11 inv(16), RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) und CN-AML tendenziell niedrigere Expressionen von FOXP1 zeigten.

Statistisch signifikante Unterschiede wurden nicht erreicht. Vergleiche unserer Daten mit den externen FOXP1-Expressionsdaten aus der MILE-Studie zeigten vereinbare Befunde vor allem bei Patienten mit CK-AML und CBFB-MYH11 inv(16).

4.1 Mutationen von FOXP1 bei der AML des Erwachsenen

Die AML ist eine Erkrankung, die durch unterschiedliche genetische und epigenetische Alterationen charakterisiert ist. Vor allem durch die Weiterentwicklung der Diagnostik und Entdeckung einer Vielzahl an genomischen Alterationen wurde in den letzten Jahren das Spektrum der Diagnostik,

- 73 - Risikostratifizierung und Therapie der AML erweitert [38–40]. Seither ist die Molekulargenetik neben der Zytogenetik integraler Bestandteil bei der Diagnosestellung der AML. Durch die Einführung neuer molekulargenetischer Technologien werden bei AML-Patienten derzeit viele submikroskopische Veränderungen entdeckt, die für die AML von potenzieller Bedeutung sind. Hierzu zählt auch der Transkriptionsfaktor FOXP1, dem im Rahmen solider und lymphatischer Neoplasien die Rolle eines Tumorsuppressorgens und Onkogens zugeschrieben wird [96, 176, 178, 199].

3p-Deletionen und FOXP1-Mutationen in soliden Tumoren und der AML

Deletionen auf dem kurzen Arm von Chromosom 3 wurden bereits seit langem vielfach für solide Tumore beschrieben [36, 74, 78, 133, 175, 202]. Seither wurde unter anderem FOXP1 in diesem Zusammenhang als ursächliches Tumorsuppressorgen gehandelt und intensiv im Rahmen unterschiedlicher solider Tumore wie z. B. Neuroblastome und Prostatakarzinome untersucht [99, 106, 178, 179]. Genomische Verluste von 3p wurden in der AML bei Patienten mit komplexem Karyotyp beschrieben [117, 150].

Dahingegen liegen nur wenige publizierte Daten zu Mutationsanalysen bei der AML vor.

Auf dem Boden der vorliegenden Daten, dass Deletionen des kurzen Arms von Chromosom 3 und insbesondere auch von 3p14.1-p13 sowohl in soliden Malignomen als auch in hämatologischen Neoplasien beschrieben wurden, ließen vermuten, dass diese Region relevant für die Pathogenese der AML sein könnte.

Mutationsanalysen des Gens FOXP1 sollten daher dessen potenzielle Involvierung in der AML untersuchen.

FOXP1-Mutationen (SNP rs140161845 und c.506_510insGCCAT)

Unsere Daten zeigten zwei Veränderungen von FOXP1 (einen Missense-SNP und eine trunkierende Insertionsmutation) bei 2 von 118 untersuchten AML-Patienten (1,7%). Epidemiologische Vergleichsdaten lagen aufgrund mangelnder Studienlage nicht vor.

- 74 - SNP rs140161845

Der in dieser Arbeit gefundene, bislang nur für neuropathologische Erkrankungen vorbeschriebene SNP rs140161845 [126] führte als Missense-Variante zu einer nicht verkürzten, in einer einzigen Aminosäure veränderten Aminosäuresequenz.

Dieser heterozygote SNP rs140161845 [126] (c.1709A>G) war bereits im Exome Sequencing Project (ESP) und anderen neuropathologischen Arbeiten beschrieben worden, wo Patienten mit Autismus, Intelligenzminderung und Sprachbehinderung untersucht wurden [68, 72, 168].

Ein SNP kann als genetische Variation eines einzigen Nukleotids Auswirkungen auf Genregulation und Proteinfunktion haben. So können SNPs in Zytokingenen zu der Entwicklung der AML beitragen [158, 196] oder in häufig mutierten AML-assoziierten Genen von prognostischer Bedeutung sein [194].

Die C-terminale Position in einer nicht-funktionellen Domäne, die Tatsache, dass auch Nicht-AML-Patienten diesen SNP aufweisen sowie fehlende Daten zu funktionell-klinischen Konsequenzen führen jedoch zu der Annahme, dass es sich bei diesem SNP um einen Befund handelt, der sehr wahrscheinlich nicht in direktem pathogenetischen Zusammenhang mit der AML steht.

c.506_510insGCCAT

Ein weiterer Patient wies die heterozygote Insertionsmutation c.506_510insGCCAT im Exon 4 von FOXP1 auf. Diese Insertion lag zwar nicht innerhalb einer funktionellen Domäne, doch die Leserasterverschiebung und das damit verbundene, verkürzte Protein FOXP1 könnten zur Folge haben, dass die meisten seiner nachfolgenden funktionellen Domänen wie der Zinkfinger, der Leucin-Zipper und die CtBP1-Bindungsstelle verloren gehen. Somit muss von einem weitestgehenden, wenn nicht sogar kompletten Funktionsverlust von FOXP1 ausgegangen werden. Da es sich aber um eine heterozygote Mutation mit Leserasterverschiebung handelte, ist ein kompletter Expressionsverlust von FOXP1 nicht zu erwarten.

Die Mutation c.506_510insGCCAT wurde im Rahmen der hier vorliegenden Forschungsarbeit erstmalig beschrieben. Bislang wurden keine Daten zu oben genannter Mutation von FOXP1 im Rahmen der AML des Erwachsenen publiziert.

Mit einer einzigen Mutation bei 118 analysierten AML-Patienten (0,8 %) deuten

- 75 - unsere Daten darauf hin, dass trunkierende Mutationen von FOXP1 eher selten bei de novo AML-Patienten vorkommen.

Interessanterweise trat die beschriebene Insertionsmutation c.506_510insGCCAT bei einem AML-Patienten mit der rekurrenten chromosomalen Aberration CBFB-MYH11 inv(16) auf. Vor diesem Hintergrund erscheinen neueste Studien hochinteressant, die mittels SNP-Microarrayanalysen bei AML-Patienten mit inv(16) fokale Deletionen von FOXP1 bei 5 % der untersuchten Patienten und trunkierende Mutationen von FOXP1 bei 2 % der Patienten nachwiesen [42]. Ähnliche Befunde konnten in jener Arbeit bei CBF-AML mit RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) nicht nachgewiesen werden, was für eine mögliche Assoziation rekurrenter, trunkierender Mutationen von FOXP1 bei AML-Patienten mit CBFB-MYH11 inv(16) sprechen könnte. Die bei den 2 % festgestellten trunkierenden Mutationen (c.1602G>A:p.W534X, c.1968dupC:p.D657fs) entsprachen nicht der im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit festgestellten Insertionsmutation c.506_510insGCCAT. Dies deutet jedoch auf eine gewisse Vulnerabilität für FOXP1-Mutationen bei AML mit inv(16) hin.

Grundsätzlich gehören AML-Patienten mit CBFB-MYH11 inv(16) in die Gruppe mit günstigem Risiko [38]. Der betroffene AML-Patient zeigte mit 31 Jahren zwar ein frühes Erkrankungsalter, der weitere klinische Verlauf entsprach jedoch den Erwartungen bei de novo AML-Patienten mit inv(16). In Anbetracht der geringen Fallzahl konnte zwar keine Aussage hinsichtlich einer möglichen prognostischen Bedeutung getroffen werden. Allerdings deckt sich der klinische Verlauf sowohl mit Untersuchungsergebnissen an Foxp1 heterozygoten Mäusen (Foxp1+/-), die ebenfalls keine klinischen Auffälligkeiten zeigten [164], als auch mit den Ergebnissen obiger Studie, die keinen Einfluss der heterozygot trunkierenden FOXP1-Mutationen auf den klinischen Verlauf nachwiesen [42].

Es konnten zudem keine Mutationen von FOXP1 bei AML-Patienten mit Deletionen der Region 3p14.1-p13 gefunden werden. Auch diejenigen AML-Patienten mit komplexem Karyotyp, die häufig FOXP1-Deletionen aufweisen [117], zeigten im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit keine FOXP1-Mutationen.

Aktuelle Studien, die durch neuere Sequenzierungsmethoden Mutationen bei AML-Patienten mit inv(3) untersuchten, konnten erstmalig trunkierende FOXP1-Mutationen bei 10 % der untersuchten AML-Patienten mit inv(3) nachweisen [152].

- 76 - Alle der untersuchten AML-Fälle mit GATA2, MECOM inv(3) zeigten dabei Genmutationen, die die RAS/Rezeptor-Tyrosinkinase (RTK) Signaltransduktion aktivierten, einem bekanntem pathogenetischen Prozess im Rahmen der AML [107]. Vor allem jedoch die Daten aus den Vorarbeiten dieser Forschungsarbeit zeigten, dass Deletionen der Region 3p14.1-p13, die unter anderem FOXP1 umfasst, auch bei zytogenetisch normalen de novo AML-Patienten gehäuft vorkommen können [27].

AML-Patienten mit inv(3), die nach zwischenzeitlich publizierten Daten bis zu 10 % trunkierende FOXP1-Mutationen aufweisen [152], waren leider nicht Teil des hier untersuchten Patientenkollektivs. Obige Erkenntnisse konnten somit nicht verifiziert werden.

Zusammenfassend deuten die im Rahmen dieser Forschungsarbeit erbrachten Ergebnisse der Mutationsanalysen darauf hin, dass FOXP1-Mutationen nur seltene Ereignisse bei der erwachsenen AML darstellen. Vielmehr scheinen Mutationen von FOXP1 bei bestimmten genetischen AML-Subgruppen wie z. B. CBFB-MYH11 inv(16) und GATA2, MECOM inv(3) gehäuft aufzutreten und dort potenziell in die Leukämogenese involviert zu sein.

Insbesondere AML-Patienten mit GATA2, MECOM inv(3) erscheinen auf Basis der aktuell publizierten Daten als auch unserer Erkenntnisse geeignet, gezielt auf FOXP1-Mutationen untersucht zu werden. Die AML mit GATA2, MECOM inv(3) besitzt eine ungünstige Prognose und die Therapieformen sind limitiert [39]. Daher könnten weiterführende Untersuchungen die pathogenetische und prognostische Bedeutung dieser FOXP1-Mutationen klären und gegebenenfalls im Verlauf zu möglichen neuen therapeutischen Ansätzen führen.

4.2 Expression von FOXP1 bei der AML des Erwachsenen

FOXP1 ist ein ubiquitär exprimiertes Gen, das als Transkriptionsfaktor an einer Vielzahl von Schlüsselprozessen beteiligt ist und funktionsabhängig unterschiedliche Expressionsmuster aufweist.

- 77 - FOXP1-Expressionsunterschiede in gesunden hämatologischen Zellen

Insbesondere die weitreichende Beteiligung an der hämatopoetischen Zellentwicklung von B- und T-Lymphozyten [50, 73, 189] spiegelt sich in den sehr hohen FOXP1-Expressionen wider [89, 110]. Diese Expressionsdaten deckten sich mit denen von uns analysierten Expressionsdaten mittels BloodSpot. Hierbei zeigten sich vor allem bei B- und T-Lymphozyten hohe Expressionen, wobei während der Entwicklung der Granulopoese ein Rückgang der FOXP1-Expression zu sehen war. Dahingegen blieb die FOXP1-Expression in Monozyten stabil erhöht, passend zu der Schlüsselfunktion von FOXP1 an der Monozytenreifung [163].

FOXP1-Expressionsunterschiede bei AML-Patienten

Eine Vielzahl der publizierten Studien zu FOXP1 im Rahmen maligner Neoplasien basieren auf Expressionsanalysen von FOXP1 (RNA oder Protein), deren Ergebnisse mit dem klinischen Verlauf der Erkrankung korrelierten. Während solide Tumore überwiegend eine verminderte Expression von FOXP1 aufwiesen [3, 12, 176, 199], wurden bei lymphatischen Neoplasien vor allem eine deregulierte FOXP1-Expression gefunden [13, 14, 17, 44, 71, 151, 199]. Angesichts dieser Erkenntnisse wird die Rolle von FOXP1 als kontextabhängig interpretiert: Entweder als Tumorsuppressor bei soliden Tumoren wie z. B. dem Prostatakarzinom, Mammakarzinom und Neuroblastom, oder als Onkogen bei lymphatischen Neoplasien wie dem DLBCL.

Unsere Daten zeigten keinen statistisch signifikanten Unterschied der FOXP1-Expression bei allen untersuchten AML-Subgruppen im Vergleich zu den Normalkontrollen.

Allerdings zeigten unsere Expressionsdaten von FOXP1 erhöhte Expressionen bei den Subgruppen CK-AML und der Subgruppe mit Veränderungen in KMT2A t(11q23). Eine geringere FOXP1-Expression zeigte sich bei den CBF-Leukämien [RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) und CBFB-MYH11 inv(16)]. Vergleichbare Befunde zeigte die MILE-Studie für CK-AML, CBFB-MYH11 inv(16) und CN-AML während sie konträre mediane Expressionen von FOXP1 bei den Karyotypen mit Veränderungen in KMT2A t(11q23) und RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) aufwies [94].

Damit stehen unsere Ergebnisse der Expressionsanalyse für KMT2A t(11q23) und

- 78 - RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) nicht im Einklang mit den externen Daten aus der MILE-Studie. Nimmt man jedoch zum Vergleich die Expressionsdaten des TCGA über BloodSpot, so zeigten diese bei AML-Patienten mit RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) ebenfalls geringere mediane FOXP1-Expressionen im Vergleich zu Gesunden (Ergebnisse nicht dargestellt). Expressionsdaten von FOXP1 bei AML-Patienten mit KMT2A t(11q23) lagen im Datensatz des TCGA leider nicht vor und konnten demnach nicht verglichen werden. Ursachen der abweichenden Befunde könnten unterschiedliche Patientenkohorten (z. B. Alter, AML-Typ) sein. Zudem wurden in der hier vorliegenden Arbeit geringe Patientenzahlen analysiert. Weitere Analysen zur Expression an größeren und homogenen Kohorten könnten weiteren Aufschluss über die mögliche pathogenetische Bedeutung der deregulierten Expression von FOXP1 bei AML Patienten, auch im Hinblick auf mögliche Subgruppen, geben.

Die von uns festgestellten Überexpressionen von FOXP1 bei CK-AML und AML-Patienten mit Veränderungen in KMT2A t(11q23) betrafen zwei AML-Subgruppen, die mit einer bekanntermaßen ungünstigen Prognose assoziiert sind [39].

Auffällig war außerdem, dass erniedrigte mediane Expressionen von FOXP1 bei den prognostisch günstigen Karyotypen RUNX1-RUNX1T1 t(8;21) und CBFB-MYH11 inv(16) festgestellt wurden [39].

Diese Erkenntnisse lassen sich auch mit neueren Studiendaten vereinen, die auf eine onkogene Rolle von FOXP1 bei der AML hinweisen [127]. FOXP1 nehme demnach eine Schlüsselrolle in der Regulation von Wachstum und Expansion hämatologischer Stammzellen und AML-Zellen ein. Dabei wurde eine neue Signaltransduktionskaskade entdeckt, in der die ubiquitär vorkommenden und

Diese Erkenntnisse lassen sich auch mit neueren Studiendaten vereinen, die auf eine onkogene Rolle von FOXP1 bei der AML hinweisen [127]. FOXP1 nehme demnach eine Schlüsselrolle in der Regulation von Wachstum und Expansion hämatologischer Stammzellen und AML-Zellen ein. Dabei wurde eine neue Signaltransduktionskaskade entdeckt, in der die ubiquitär vorkommenden und