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1.3 P-Glykoprotein (ABCB1)

1.3.4 Substrate und Modulatoren von P-Glykoprotein

1.3.4.2 Modulatoren

Unter der Bezeichnung „Modulator“ werden Substanzen verstanden, welche in der Lage sind, die Funktion eines ABC-Transporters zu beeinflussen. Dabei wird zwischen einer inhibierenden und einer aktivierenden Wirkung unterschieden und die Verbindungen dementsprechend als Inhibitoren bzw. Aktivatoren bezeichnet.

1.3.4.2 Modulatoren Inhibitoren

Für P-gp wurde in der Vergangenheit eine Beteiligung an der Entwicklung der klassischen Multidrug Resistenz von Tumoren nachgewiesen (siehe Kapitel 1.2). Aus diesem Grund lag der Fokus der Forschung lange Zeit auf einer Hemmung des Transporters als viel versprechende neuartige Therapieoption in der Behandlung multiresistenter Krebserkrankungen. Die Hemmung des Transportproteins kann dabei auf verschiedenen Wegen erreicht werden:

(1) Die Expression des Proteins kann durch den Einsatz von siRNA oder Antisense-Oligonukleotiden bereits auf RNA-Ebene erniedrigt werden.

(2) Durch die Beeinflussung regulatorischer Signaltransduktionswege ist eine Reduktion der zellulären Menge des Transporters möglich, was beispielhaft an einer verminderten BCRP-Expression durch den Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren gezeigt werden konnte [83, 84].

(3) Eine direkte Hemmung des Transporters auf Proteinebene stellt die dritte Möglichkeit dar. Diese letztgenannte Option wurde in der Vergangenheit am häufigsten angewendet und zu diesem Zweck eine große Anzahl von inhibitorisch wirksamen Substanzen entwickelt. Über diese wird nachfolgend ein kurzer Überblick gegeben (siehe Tabelle 1.3).

Die Entdeckung des ersten P-gp-Inhibitors Verapamil geht auf das Jahr 1981 zurück.

Tsuruo und Mitarbeiter fanden heraus, dass die Empfindlichkeit der Vincristin-resistenten Leukämiezelllinie P338 gegenüber Vincristin und Vinblastin durch den Einsatz von Verapamil gesteigert werden konnte [85]. Diese Entdeckung weckte die Hoffnung, das klinische Problem der MDR mit Hilfe von Inhibitoren lösen zu können.

Grundsätzlich werden die P-gp-Inhibitoren hinsichtlich ihrer Entwicklungsphase in drei verschiedene Gruppen eingeteilt [83, 86]:

Die sogenannten Inhibitoren der 1. Generation repräsentieren Arzneistoffe, die eigentlich ein anderes Indikationsgebiet als die Therapie der MDR besitzen und neben ihrer pharmakodynamischen Hauptwirkung zusätzlich den P-gp-vermittelten Transport inhibieren können.

1.3.4.2 Modulatoren

Tab. 1.3: Inhibitoren von P-Glykoprotein (Auswahl nach [18, 25, 84, 93, 94]).

Inhibitoren

Substanz

1. Indikation

1. Generation Amiodaron Antiarrhythmikum

Chinidin Antiarrhythmikum

Chinin Antimalariamittel

Cyclosporin A Immunsuppressivum

Diltiazem Calciumkanalblocker

Nifedipin Calciumkanalblocker

Verapamil Calciumkanalblocker

Abgeleitet von 2. Generation Dexniguldipin Niguldipin

Dexverapamil Verapamil

PSC 833 (Valspodar) Cyclosporin A 3. Generation GF120918 (Elacridar)

LY335979 (Zosuquidar) MS 209 (Dofequidar) ONT 093 (Ontogen) R101933 (Laniquidar) XR9576 (Tariquidar)

In diese Gruppe gehören beispielsweise die Calciumkanalblocker Verapamil, Diltiazem und Nicardipin sowie das Immunsuppressivum Cyclosporin A. Die genannten Substanzen zeichnen sich durch eine niedrige P-gp-Affinität aus, so dass sie in den hohen Konzentrationen, die für eine effiziente Hemmung des Transporters erforderlich sind, eine erhebliche Toxizität aufweisen. Dies führte dazu, dass klinische Studien mit dieser Gruppe von Inhibitoren aufgrund von Wirkungslosigkeit oder nicht tolerierbaren Nebenwirkungen abgebrochen werden mussten. Einzig für die beiden Arzneistoffe Cyclosporin A und Chinin konnte ein therapeutischer Nutzen bei der Behandlung der

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akuten myeloischen Leukämie (AML) bzw. des myelodysplastischen Syndroms nachgewiesen werden [87, 88].

Die Weiterentwicklung der Inhibitoren der 1. Generation führte zur 2. Generation von P-gp-Hemmstoffen. Bei diesen handelt es sich meist um Derivate der zuvor beschriebenen Arzneistoffe, welche durch eine deutlich verminderte ursprüngliche Hauptwirkung in Verbindung mit einer erhöhten inhibitorischen Aktivität gegenüber P-gp gekennzeichnet sind und damit ein geringeres Nebenwirkungspotenzial besitzen. Vertreter dieser Gruppe sind beispielsweise Dexverapamil (R-Enantiomer von Verapamil) und das von Cyclosporin A abgeleitete PSC 833 (Valspodar). Bedauerlicherweise wurde in den mit PSC 833 durchgeführten klinischen Studien eine starke Beeinflussung der Pharmakokinetik der parallel eingesetzten Zytostatika beobachtet. Diese konnte auf eine Interaktion mit dem Cytochrom P4503A4-Enzym zurückgeführt werden, über welches auch die verwendeten Zytostatika metabolisiert werden. Die zu erwartende Erhöhung der Plasmakonzentration der Zytostatika und die damit verbundene Toxizität führten letztendlich zur Einstellung der klinischen Prüfung von Valspodar [18].

Im Gegensatz zu den beiden zuvor vorgestellten Gruppen handelt es sich bei den Inhibitoren der 3. Generation um hochaffine Wirkstoffe, deren Struktur durch den Einsatz von Methoden der kombinatorischen Chemie unter Berücksichtigung der bis dato bekannten Struktur-Wirkungs-Beziehungen hinsichtlich einer effizienten Hemmung von P-gp optimiert wurde. Aus diesem Grund weichen sie strukturell stark von den beiden übrigen Gruppen von Inhibitoren ab. Des weiteren zeigen diese Verbindungen nur noch einen geringen Einfluss auf die Pharmakokinetik der verwendeten Zytostatika. Beispiele hierfür sind das Anthranilsäurederivat XR9576 (Tariquidar) und das Acridonsäureamid GF120918 (Elacridar), die in der Lage sind, das Protein bereits in nanomolaren Konzentrationen zu hemmen [89, 90]. Leider konnte auch für diese Gruppe von Inhibitoren bisher noch keine Markteinführung erreicht werden. Zwar wurden in einer ersten Phase-I-Studie viel versprechende Ergebnisse für Tariquidar erzielt, alle darauffolgenden Untersuchungen mussten jedoch aufgrund einer nicht tolerablen Toxizität der eingesetzten Zytostatika abgebrochen werden [91]. Ein Grund hierfür war, dass das Patientenkollektiv vor Studienbeginn nicht hinsichtlich einer Überexpression von P-gp in den zu behandelnden Tumoren untersucht worden war [40]. Der duale P-gp- und

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BCRP-Inhibitor Elacridar zeigte in einer Phase-I-Studie einen positiven Effekt auf die Wirksamkeit des bei der Therapie verschiedener solider Tumore eingesetzten Topotecans, jedoch wurden bis heute keine weiterführenden Untersuchungen mit diesem Inhibitor durchgeführt [84, 92].

Insgesamt lässt sich festhalten, dass eine erfolgreiche Anwendung von Inhibitoren zwar möglich ist, allerdings eine Patientenselektion voraussetzt. Die Behandlung mit Inhibitoren sollte nur bei der Subgruppe von Patienten erfolgen, die eine ABC-Transporter-vermittelte MDR aufweisen.

Aktivatoren

Im Gegensatz zu den bereits beschriebenen Inhibitoren, sind Aktivatoren in der Lage, den P-gp-vermittelten Transport von Substraten zu stimulieren. Welcher Mechanismus dem aktivierenden Effekt zugrunde liegt, ist bislang noch nicht genau bekannt, allerdings wird angenommen, dass die Aktivierung auf einer allosterischen Interaktion verschiedener Bindungsstellen des Transportproteins beruht. Die bekannten P-gp-Aktivatoren sollen nachfolgend kurz vorgestellt werden.

Bereits im Jahr 1994 beobachteten Critchfield et al., dass die Flavonoide Quercetin, Galangin und Kämpferol den P-gp-vermittelten Efflux von Doxorubicin in der Colonkarzinomzelllinie HCT-15 stimulieren konnten, wodurch eine etwa 50 %ige Reduktion des intrazellulär vorliegenden radioaktiv markierten Zytostatikums in der Zelle resultierte [95]. Des weiteren konnten Wang et al. für das Flavonoid (-)-Epicatechin eine Stimulation des Transports von LDS-751 zeigen [96].

Neben den genannten Flavonoiden gibt es einige wenige weitere Substanzen, die laut Literatur eine Stimulation des Transports verschiedener P-gp-Substrate bewirken.

Beispielsweise verstärken gewisse hydrophobe Peptide den Transport von Colchicin in P-gp-haltigen Plasmamembranvesikeln aus resistenten CHO-Zellen [97]. Für den Tyrosinkinaseinhibitor Erlotinib konnte eine Stimulation des P-gp-vermittelten Effluxes von Mitoxantron beobachtet werden, während dagegen der Transport von Vincristin gehemmt wird [98]. Des weiteren wurde für einige Thioxanthone eine Verstärkung des P-gp-vermittelten Transports von Rhodamin 123 nachgewiesen [99].

1.3.4.2 Modulatoren

Schließlich existiert eine Reihe von sogenannten „QB-Verbindungen“, welche ursprünglich als Inhibitoren des Tumorsuppressor-Proteins p53 konstruiert wurden [100, 101]. Kondratov und Mitarbeiter fanden jedoch über ein Screening heraus, dass einige dieser Verbindungen (z. B. QB11, QB13 und QB102) die intrazelluläre Akkumulation von Doxorubicin und Rhodamin 123 in P-gp exprimierenden Zellen erniedrigten [102]. Die weitere Charakterisierung der beispielhaft ausgewählten Substanz QB102 führte zu dem Ergebnis, dass deren aktivierende Wirkung stark vom transportierten Substrat abhängt.

Erklärt werden kann dieses Verhalten zumindest teilweise mit den postulierten Bindungsstellen der verwendeten Substrate [48]:

(1) Stimulation des Transports von Daunorubicin, Doxorubicin und Rhodamin 123 (Bindung an die Rhodamin-Bindungsstelle), allerdings wurde für einige QB-Verbindungen nur eine Verstärkung des Transports von Rhodamin 123 beobachtet.

(2) Inhibition des Effluxes von Hoechst 33342 (Bindung an die Hoechst-Bindungsstelle), Vincristin und Vinblastin (Interaktion mit R- und H-Site).

(3) Keine Beeinflussung des Transports von Actinomycin D und Colchicin.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurde postuliert, dass die QB-Verbindungen an die Hoechst-Bindungsstelle binden und dort den Transport von Substraten kompetitiv inhibieren. Die beobachtete Stimulation des Effluxes von Daunorubicin, Doxorubicin und Rhodamin 123 ist somit auf die von Shapiro und Ling vorgeschlagene positive Kooperativität zwischen Rhodamin- und Hoechst-Bindungsstelle zurückzuführen [48, 102].

2 Zielsetzung

2 Zielsetzung

Der ABC-Transporter P-Glykoprotein erfüllt im menschlichen Organismus eine Vielzahl physiologischer Funktionen und wird besonders in Geweben mit Barrierefunktion ubiquitär exprimiert. Im Zuge dessen beeinflusst das Protein auch die Pharmakokinetik zahlreicher Arzneistoffe und darüber hinaus ist der Transporter am Phänomen der klassischen Multidrug Resistenz von Tumorzellen beteiligt. Trotz langjähriger intensiver Forschung konnten viele Fragen - insbesondere im Hinblick auf die Polyspezifität, den Substrattransport sowie mögliche Bindungsstellen - noch nicht abschließend geklärt werden. Die Gewinnung neuer Erkenntnisse auf diesen Gebieten könnte beispielsweise dazu beitragen, zukünftig Arzneistoffinteraktionen zu vermeiden oder die Weiterentwicklung von Wirkstoffkandidaten zu vereinfachen.

Der Aufbau von Bindungsstellen kann durch sogenannte Photoaffinitätsmarkierungen in Verbindung mit massenspektrometrischen Methoden untersucht werden. Hierbei wird ein Rezeptorprotein in Anwesenheit eines photoaktivierbaren Liganden mit UV-Licht bestrahlt, wodurch es zur Ausbildung einer kovalenten Bindung zwischen Ligand und Protein kommt. Da dies in der Regel äußerst schnell abläuft, findet die Bindung des Liganden an den Rezeptor in unmittelbarer Nähe seiner Bindungsstelle statt. Wird das Protein im Anschluss enzymatisch verdaut und die resultierenden Peptide mittels Massenspektrometrie analysiert, können markierte Bereiche durch das Auftreten von Massendifferenzen um genau die Masse der eingesetzten Photoliganden detektiert werden. In Kombination mit computergestützten Modellen lassen sich daraus Rückschlüsse über Art und Lage der Bindungsstellen ziehen. Verwendet man anstelle von Membranpräparationen aufgereinigtes und in Liposomen rekonstituiertes P-gp, so kann auf die nachträgliche Detektion des markierten Proteins mittels Autoradiografie verzichtet werden.

Der Kerninhalt der vorliegenden Arbeit befasst sich daher mit der Identifizierung potenzieller Bindungsstellen für ausgewählte photoaktivierbare P-gp-Modulatoren unter Einsatz einer Kombination aus Photoaffinitätsmarkierung, enzymatischem Verdau und massenspektrometrischer Analyse von P-gp.

Essenziell für die Durchführbarkeit erfolgreicher Photoaffinitätsmarkierungs-Experimente

2 Zielsetzung

ist eine möglichst vollständige Abdeckung der Aminosäuresequenz von P-gp, damit alle erfolgten Markierungen des Proteins mit den verwendeten Photoliganden auch detektiert werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden im ersten Teil der vorliegenden Arbeit die Enzyme Trypsin, Chymotrypsin, Pepsin, Elastase, Proteinase K und Thermolysin neben dem chemischen Agens Bromcyan separat oder in Kombination für den Verdau von gp eingesetzt und im Hinblick auf ihre Spaltungsspezifität und -effizienz gegenüber P-gp charakterisiert. Darüber hinaus wurden einige der genannten Spaltungsreagenzien mit Hitzedenaturierung oder massenkompatiblen Detergenzien kombiniert und bezüglich ihres Einflusses auf die Sequenzabdeckung von P-gp untersucht.

Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit beinhaltet dann die eigentlichen Photoaffinitätsmarkierungs-Experimente an P-gp, welche mit dem ATP-Analogon 8-Azido-ATP, dem Benzophenon 2,4-Dihydroxybenzophenon sowie den beiden Phenothiazin-Derivaten H15 und H19 durchgeführt wurden. Im Zuge dessen sollte überprüft werden, inwiefern sich bestimmte Bindungsregionen identifizieren lassen und ob die erzielten Ergebnisse mit Literaturdaten übereinstimmen.

3 Material und Methoden

3 Material und Methoden