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Grundlagen und Einordnung

2.1 Modellierung von Organisationen

Mit Organisation werden umgangssprachlich Institutionen wie z. B. Behörden, Industrie- und Handwerksbetriebe, Universitäten, Krankenhäuser und Vereine bezeichnet. In der Organisati-onslehre sind im wesentlichen zwei unterschiedliche Begriffsbildungen zu finden, die den Or-ganisationsbegriff auf das organisierte System als Ganzes (institutionaler OrOr-ganisationsbegriff) oder auf das Regelwerk zur Organisation des Systems (strukturaler oder instrumentaler Organi-sationsbegriff) beziehen.

Institutionaler Organisationsbegriff

Der umgangssprachlichen Verwendung folgt der institutionale Organisationsbegriff. Der Be-griff Organisation wird hierbei als allgemeiner OberbeBe-griff für komplexe, soziale Systeme auf-gefaßt, die durch die Interaktion mehrerer Menschen geprägt sind. Diese von der Soziologie geprägte Begriffsbildung ist vor allem in der angelsächsischen Organisationslehre verbreitet.

[Leavitt, 1965] konkretisiert diesen Organisationsbegriff durch vier Systemvariablen. Organisa-tionen werden von ihm als komplexe Systeme aufgefaßt, die mindestens durch die Variablen Aufgabe, Person/Akteur, Technik und Struktur charakterisiert sind. Die Systemvariable Aufgabe umfaßt hierbei alle Tätigkeiten der Organisation einschließlich deren Zerlegung in Teilaufgaben.

Mitglieder der Organisation wie auch die von den Aktivitäten der Organisation betroffenen Kun-den etc. werKun-den durch die Systemvariable Person/Akteur beschrieben. Insbesondere umfaßt diese Variable auch die Qualifikation der Mitarbeiter. Die Systemvariable Technik faßt alle Hilfsmittel wie z. B. Maschinen und Computersysteme zusammen, die zur Aufgabenerledigung eingesetzt

werden. Durch die Systemvariable Struktur werden die Aktivitäten der Organisationsmitglieder gesteuert. Die Struktur einer Organisation kann als eine Sammlung von Regeln zur Koordination des Verhaltens der Organisationsmitglieder zur Aufgabenerfüllung aufgefaßt werden. Hierunter fallen z. B. Regeln zur Kommunikation zwischen den Mitgliedern oder Festlegungen konkre-ter Arbeitsabläufe [Kieser / Kubicek, 1992, S. 16ff]. In [Leavitt / Bahrami, 1988, S. 246ff] wird als zusätzliche Systemvariable noch die Umwelt ergänzt, von der die betrachtete Organisation abzugrenzen ist.

Aus soziologischer Sicht versteht [Mayntz, 1985] unter Organisation soziale Gebilde, die auf die zielgerichtete Erfüllung umrissener Aufgaben ausgerichtet sind. Nach dieser Begriffsbildung sind Organisationen durch Angabe bzw. Festlegung ihrer Mitglieder deutlich von ihrer System-umgebung abgegrenzt. Merkmale dieser Begriffsbildungen werden von [Kieser / Kubicek, 1992, S. 4ff] zusammengefaßt: Unter Organisation werden solche „soziale[n] Gebilde“ verstanden,

„die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe Aktivitä-ten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden sollen“.

Einen allgemeineren institutionalen Organisationsbegriff führen [Falkenberg et al., 1998, S. 84]

ein. Beliebige Zusammenfassungen von (nicht notwendig menschlichen) Akteuren und Gegen-ständen werden hier als Organisationen aufgefaßt. Wesentlich für den Organisationsbegriff nach [Falkenberg et al., 1998] ist die Interaktion zwischen den Akteuren, die zum Funktionieren der Organisation allgemein akzeptierten Regeln genügt. Der Zusammenhang zwischen den Akteuren einer Organisation kann durch ein gemeinsames Ziel festgelegt sein. Im Gegensatz zu [Mayntz, 1985] und [Kieser / Kubicek, 1992] kann aber dieser auch unabhängig von einem Organisati-onsziel, beliebig formuliert sein. Diese Begriffsbildung erscheint aber zu weit gefaßt, da die Aktivitäten der Organisationsmitglieder auf ein gemeinsam akzeptiertes Ziel (vgl. zu Organisa-tionszielen auch [Kieser / Kubicek, 1992, S. 5ff]) ausgerichtet sind. Die Zielerreichung determi-niert somit auch die Interaktion der Organisationsmitglieder, so daß die Zielorientierung auch als wesentliches Charakteristikum einer Organisation betrachtet werden muß.

Strukturaler Organisationsbegriff

Eine Begriffsauffassung, die die Strukturkomponente sozialer Systeme in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt, wird durch den strukturalen oder instrumentalen Organisationsbegriff ver-treten. Hiernach wird die Organisation als ein System formaler Regeln aufgefaßt, das als In-strument (griech.: organon) zur Steuerung des sozialen Systems dient (vgl. [Hoffmann, 1980]).

Dieser Organisationsbegriff wird vorallem durch die deutschsprachige Organisationslehre ver-treten.

So versteht [Nordsieck, 1962] in Analogie zur Verfassung eines Staates die Organisation einer Unternehmung als ein auf Dauer angelegtes „Gefüge einer Vielzahl von Regelungen“. Diese Re-geln stellen das Zusammenwirken des organisierten Systems sicher, das als eine „mit Hilfsmitteln ausgestattete Gemeinschaft aller Arbeitskräfte, die zur Erfüllung der Betriebsaufgabe zusam-menwirken“ [Nordsieck, 1972] charakterisiert ist. Die Notwendigkeit der Abgrenzung zwischen dem organisierten System (hier Betrieb) und seiner Organisation begründet [Nordsieck, 1972]

dadurch, daß er den Betrieb als materiell, gegenständlich auffaßt, während das ihn steuernde Re-gelsystem abstrakt, nicht gegenständlich ist. Insbesondere gehören hiernach die im Unternehmen tätigen Personen nicht zur Organisation wohl aber zum organisierten System.

Die Bestimmung des Organisationsbegriffs bei [Kosiol, 1976] folgt ebenfalls der instrumenta-len Auffassung und stellt so die Struktur des soziainstrumenta-len Systems als wesentlich heraus. Kosiol vertritt darüber hinaus einen funktionalen Organisationsbegriff. Organisation wird hier als das (technische) Handeln der Menschen zur „dauerhafte[n], integrative[n] Strukturierung von Ge-fügesystemen“ [Kosiol, 1976, S. 5] aufgefaßt. Dieser funktionalen Begriffsauffassung folgt auch die Gesellschaft für Organisation e. V., die Organisation als „ganzheitliches Gestalten der Be-ziehungen zwischen Aufgaben, Menschen, Sachmitteln und Informationen in sozialen Systemen“

[Büchli / Chrobok, 1997, S. 103] auffaßt. Im Gegensatz zu Nordsiecks Begriffsbildung, die eher das in einem Regelsystem vorliegende Ergebnis eines Strukturierungsprozesses betont, stellen diese Begriffsbildungen auch die zielgerichtete Tätigkeit zur Bildung dieser Strukturen heraus.

Wie [Nordsieck, 1962] und [Kosiol, 1976] bezieht auch [Grochla, 1982] den Organisationsbegriff auf Regelsysteme zur Steuerung und Ordnung von Institutionen. Ausgangspunkt seiner Überle-gungen bilden sozio-technische Systeme [Grochla, 1978, S. 8ff]. Während bei der Betrachtung sozialer Systeme in erster Linie die Interaktion mehrerer Individuen betont wird, werden bei der Untersuchung sozio-technischer Systeme auch die (technischen) Hilfsmittel einbezogen, die zur Leistungserbringung genutzt werden. Werden zusätzlich die Hilfsmittel der Informationstechnik in den Vordergrund gestellt, spricht man auch von sozio-informationstechnischen Systemen [Eu-ler, 1989], [Ebert et al., 1992, S. 53]. Sozio- (informations-) technische Systeme sind definiert als „eine Menge von in Beziehung stehenden Menschen und Maschinen, die unter bestimmten Bedingungen nach festgelegten Regeln bestimmte Aufgaben erfüllen“ [Grochla, 1978, S. 9]. Aus systemtheoretischer Sicht stellt Grochla hier die Verhaltensweisen und Interaktionen der Elemen-te des SysElemen-tems als das sysElemen-tembildende KriElemen-terium heraus. Erst durch die sysElemen-tembezogene Rolle der Menschen wird das betrachtete System von seiner Systemumwelt abgegrenzt (vgl. hierzu auch [Willke, 1982, S. 36ff]). Das Zusammenwirken der Menschen und Maschinen zur Auf-gabenerfüllung wird durch festgelegte Regeln gesteuert, die sich sowohl auf das Verhalten der Menschen als auch auf die Funktion der Maschinen beziehen. Die Gesamtheit dieser festgeleg-ten (organisatorischen) Regeln bildet die Organisation des sozio-technische Systems [Grochla, 1978, S. 12ff], [Grochla, 1982].

Auch [Hill et al., 1994] vertreten den instrumentalen Organisationsbegriff. Sie fassen unter dem Begriff Organisation die Gesamtheit aller auf die Erfüllung eines Ziels gerichteten Maßnahmen auf, die ein soziales System strukturieren und die Aktivitäten der Menschen in diesem System, den Einsatz der hierzu benötigten Mittel und die Verarbeitung von Informationen ordnet.

Objektbereich der Organisationslehre

Der Objektbereich der Organisationslehre umfaßt alle durch formale Regeln gesteuerten sozio-(informations-) technischen Systeme. Solche formalen Regeln werden in einem bewußten staltungsprozeß (funktionaler Organisationsbegriff) festgelegt und als gültig vereinbart. Der Ge-genstandsbereich der Organisationslehre umfaßt somit einerseits sozio- (informations-) techni-sche Systeme und andererseits auch die in Regeln festgelegte (instrumentale) Organisationen.

Somit behandelt die Organisationslehre solche Systeme, die durch den institutionalen Organisa-tionsbegriff zusammengefaßt sind.

Unter dem Begriff Organisation wird sowohl die organisatorische Struktur als auch die Einbettung der Organisationsstruktur in das umgebende sozio-technische System verstanden.

Zusammenfassende Gegenüberstellungen unterschiedlicher Organisationsbegriffe finden sich z. B. auch in [Kosiol, 1976, S. 15ff], [Hoffmann, 1980], [Steinebach, 1983, S. 79ff], [Voßbein, 1987, S. 8ff] und [Engel, 1993].

Organisationstechnik

Wesentlicher Inhalt der Organisationslehre ist die Gestaltung von Organisationen. In Anleh-nung an den Begriff „software engineering“ führt [Kaucky, 1988] den Begriff Organisations-Engineering ein. Die Organisationstechnik1 bezeichnet nach [Kaucky, 1988, S. 100] die „An-wendung von Prinzipien, Methoden und Werkzeugen [. . . ] zur Durchführung gezielter organi-satorischer Änderungen unter Berücksichtigung der Informationstechnik“. Ähnlich definieren [Jacobson et al., 1994, S. 2] den Begriff „Business Engineering“ als die Menge der Techniken, die ein Unternehmen zur Entwicklung der Strukturen zur Erreichung des Unternehmensziels nutzt. Durch den Begriff „Engineering“, der i. allg. eher auf die Entwicklung technischer Syste-me bezogen ist, soll hier insbesondere die Syste-methodische Strukturierung der Organisationsgestal-tung hervorgehoben werden. Die ingenieursmäßige GestalOrganisationsgestal-tung von Organisationen betont auch [Balzert, 1998a, S. 691], der jedoch anstelle des Begriffs „Organisationstechnik“2 bewußt den

„weniger befremdlich klingenden“ Begriff “Organisationsmodellierung“ verwendet.

Neben der strukturierten Durchführung von Organisationsgestaltungen ist auch die Entwicklung und Einordung der hierzu benötigten Prinzipien, Methoden und Werkzeuge als Teil der Organisa-tionstechnik aufzufassen. Auf die in der Begriffsbildung von [Kaucky, 1988] besonders heraus-gestellte Berücksichtigung der Informationstechnik wird dagegen in den weiteren Betrachtun-gen verzichtet, da die Informationstechnik heute immanenter Teil der Organisationsgestaltung ist (vgl. auch Kapitel 2.3) und daher nicht mehr speziell erwähnt werden muß.

Die Organisationstechnik beschäftigt sich sowohl mit der Entwicklung von Prin-zipien, Methoden, Techniken und Werkzeugen zur Organisationsgestaltung als auch mit der Anwendung dieser Mittel zur Durchführung gezielter organisatori-scher Änderungen.

2.1.1 Vorgehen zur Organisationsgestaltung

Ein allgemeines Vorgehensmodell zur Gestaltung von Organisationen wird Abbildung 2.1 vor-gestellt (vgl. hierzu auch [Krüger, 1981, Bild 2], [Kaucky, 1988, S. 110ff], [Büchli / Chrobok,

1 Analog zur „Softwaretechnik“ (vgl. Kapitel 2.2) wird im folgenden anstelle des Begriffs „Organisations-Engi-neering“ der Begriff Organisationstechnik verwendet.

2 Konkret beziehen [Jacobson et al., 1994], [Balzert, 1998a] ihre Betrachtungen auf Unternehmen. Da der Unter-nehmensbegriff jedoch für betriebliche Unternehmen und kaum für Behörden, Verwaltungen, Krankenhäuser etc. verwendet wird, wird in dieser Arbeit der allgemeinere Begriff „Organisation“ genutzt.

1997, S. 75ff], [Frank, 1997a, Abb. 8]). Nach Erteilung eines Auftrags zur Organisationsge-staltung und einer Machbarkeitsüberprüfung ist zunächst in einer Analysephase (Organisation analysieren) das zu bearbeitende Organisationsproblem zu strukturieren sowie die Ziele der Or-ganisationsgestaltung festzulegen. Die Entwurfsphase (Organisation entwerfen) hat die Planung, Entwicklung und Bewertung von Lösungsalternativen und die Konzeption der Problemlösung zum Ziel. Die Erarbeitung der Problemlösung setzt aus der Analysephase eine detailierte Ermitt-lung der Anforderungen an die zu entwickelnden Lösungen voraus. In der Realisierungsphase (Organisation realisieren) schließlich werden die zuvor entwickelten Konzepte umgesetzt. Es schließt sich eine kurze Einführungsphase (Organisation einführen) an, auf die die Wirkungs-phase (Organisation verwenden und erhalten) folgt. Mit der Systemverwendung einher geht die Erhaltung des Systems durch Beseitigung von Störungen sowie kleinere Anpassungen an geän-derte Bedingungen.

Organisation realisieren

Organisation einführen

Organisation verwenden und erhalten