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Organisations- und Softwaretechnik

3.5 Visuelle Modellierungssprachen der Objektsicht

4.2.1 Anforderungen an Referenzmodelle

Da Referenzmodelle auch Modelle sind, können auch Anforderungen, die für die Qualität von Modellen formuliert wurden, auf Referenzmodelle übertragen werden. Eine solche Übertragung zeigen beispielsweise [Becker / Schütte, 1997] und [Rosemann / Schütte, 1997], die die gene-rellen Modellierungsgrundsätze aus [Becker et al., 1995] auf Referenzmodelle anwenden. Qua-litätsanforderungen an Konzeptmodelle diskutieren [Lindland et al., 1994] unter syntaktischen, semantischen und pragmatischen Aspekten. In [Krogstie et al., 1995] wird dieser Ansatz er-weitert. Qualitätsmerkmale von Modellen werden hier ausgehend von Beziehungen zwischen der Modelldomäne, der Modellinterpretation durch die Modellverwender, dem Kenntnisstand der Modellverwender, den Modellierungsmitteln und dem Modell selbst klassifiziert und durch Metriken beschrieben. Zu einigen Merkmalen werden Mittel zur Qualitätverbesserung kurz skiz-ziert. Einen Überblick über Anforderungen an Datenmodelle geben [Moody / Shanks, 1994]. Hier sind auch Hinweise zur Bestimmung einer qualitativen Bewertung dieser Kriterien genannt. Ge-nerelle Eigenschaften von Modellierungen werden in [Brinkkemper, 1990, S. 42ff] diskutiert.

Die in diesen Arbeiten aufgeführten Anforderungen an Modelle können in ähnlicher Form auch auf Referenzmodelle übertragen werden (vgl. auch [Heym, 1995, S. 107ff]).

Anforderungen an (spezielle) Modelle sind noch um solche zu ergänzen, die den Referenzcha-rakter einer Modellierung unterstreichen. Nicht alle Qualitätsanforderungen, die an spezielle Modellierungen gestellt werden, sind direkt auf Referenzmodelle übertragbar. Anforderungen an spezielle Modelle können durchaus im Konflikt zu Anforderungen an Referenzmodelle ste-hen. Auch andere Anforderungen an Eigenschaften von Referenzmodellen sind untereinander nicht notwendig widerspruchsfrei. Zur Einschätzung eines Referenzmodells ist ein geeigneter Mix an Merkmalsausprägungen heranzuziehen. Eine Übersicht zu den Abhängigkeiten zwischen den Ausprägungen unterschiedlicher Qualitätskriterien findet sich ebenfalls in [Moody / Shanks, 1994].

In den nachfolgenden Abschnitten werden Anforderungen an Referenzmodelle hinsichtlich der Kriterien Allgemeingültigkeit, Korrektheit, Vollständigkeit, Anwendbarkeit und Erweiterbarkeit diskutiert.

Allgemeingültigkeit

Eine wesentliche Eigenschaft, die Referenzmodelle von speziellen Modellen unterscheidet, ist der Anspruch der Referenzmodelle allgemeiner und umfassender zu sein, so daß sie auch in verschiedenen speziellen Modellierungskontexten eingesetzt werden können. Hiermit eng ver-bunden ist die Wahl des geeigneten Detaillierungsgrades der Referenzmodellierung. Der Detail-lierungsgrad einer Referenzmodellierung sollte nicht zu konkret gewählt sein, da sie dann nicht mehr auf vielfältige Problemstellungen anwendbar ist und somit der Forderung nach Allgemein-gültigkeit nicht mehr entsprochen wird. Der Detaillierungsgrad eines Referenzmodells sollte aber

auch nicht zu abstrakt sein, da zu allgemeine Modelle die Anwendung auf konkrete Anwen-dungsbereiche kaum unterstützen (vgl. auch [Marent, 1995]). Die Forderung von [Scheer, 1997], wonach ein Referenzmodell soweit spezifiziert sein soll, daß es ohne Veränderung als spezielles Modell verwendbar ist, sollte nur als ein möglicher Spezialfall für Referenzmodelle aufgefaßt werden. Eine Referenzmodellierung sollte vielmehr so bemessen sein, daß sie durch einfache Spezialisierungen und wenige Ergänzungen und Änderungen auf spezielle Probleme angewandt werden kann. Dieses kann durchaus auch durch die Angabe von Modellierungsvarianten [Raue, 1996] unterstützt werden.

Korrektheit

Wie auch Modelle sollten Referenzmodelle korrekt sein. Bei der Korrektheit von Modellen wird die syntaktische und die semantische Korrektheit unterschieden [Zamperoni / Löhr-Richter, 1993], [Becker et al., 1995]. Ein Modell ist syntaktisch korrekt, wenn seine Beschreibung den syntaktischen Regeln des verwendeten Beschreibungsmittels entspricht. Die syntaktische Kor-rektheit kann entlang eines Metamodells (vgl. Kapitel 4.3) nachgewiesen werden. Die semanti-sche Korrektheit eines Modells ist im Zusammenhang mit dem zu modellierenden Gegenstands-bereich zu untersuchen. Ein Modell gilt dann als semantisch korrekt, wenn es unter Berücksich-tigung des Modellierungsziels mit der modellierten Realität „übereinstimmt“. Eine Validierung der semantischen Korrektheit einer Referenzmodellierung kann nur durch Akzeptanz des Mo-dells durch die Anwender vor dem Hintergrund ihrer Anwendungsziele erfolgen.

Vollständigkeit

Für Modelle wird neben der Korrektheit auch die Vollständigkeit gefordert. Ein Modell gilt als vollständig, wenn alle für die Zielsetzung der Modellierung relevanten Elemente im Modell ent-halten sind. Gleichzeitig sollte ein Modell auch ausschließlich relevante Objekte entent-halten (vgl.

das Kriterium der Relevanz in [Becker et al., 1995]). Auf Referenzmodelle läßt sich die For-derung nach Vollständigkeit und Relevanz nur eingeschränkt übertragen. Da Referenzmodelle eher problemübergreifend und allgemein angelegt sind, kann ein Referenzmodell kaum voll-ständig sein und alle relevanten Modellaspekte abbilden. Ein vollvoll-ständiges Referenzmodell, das ausschließlich problemrelevante Dinge abbildet, ist in der Regel zu speziell, um als Bezugs-punkt für verschiedene problembezogene Modellverwendungen zu dienen. Die Forderung aus [Scheer, 1997], wonach ein Referenzmodell soweit vollständig sein muß, daß mindestens ein An-wendungsfall denkbar ist, für das es unverändert als spezielles Modell eingesetzt werden kann, steht daher in deutlichem Widerspruch zur Forderung nach Allgemeingültigkeit. [Hars, 1994]

überträgt die Forderung nach Vollständigkeit für Referenzmodelle daher in die Forderung nach Nützlichkeit. Ein Referenzmodell muß hierbei mindestens potentiell für die Erstellung mehrerer Modelle verwendbar sein. Überträgt man die Betrachtungen zur Allgemeingültigkeit auch auf die Vollständigkeit, sollte ein Referenzmodell soweit vollständig sein, daß möglichst wenige Er-gänzungen zur Verwendung des Referenzmodells zur Lösung konkreter Probleme nötig sind. Die Ableitung problembezogener Modelle aus einem Referenzmodell sollte nach festen Regeln er-folgen. Referenzmodelle sollten daher auch um Regeln zur Ableitung ergänzt werden (vgl. [Hars, 1994]). Auch wenn die Forderung nach Vollständigkeit für Referenzmodelle nur teilweise erfüllt werden kann, sollte durch Anwendung dieser Regeln die Ableitung vollständiger, spezieller Mo-delle ermöglicht werden.

Anwendbarkeit

Referenzmodelle sollten auch einfach anwendbar sein. Hierzu sollten sie leicht vermittelbar und nachvollziehbar sein (vgl. auch den Grundsatz der Klarheit in [Rosemann / Schütte, 1997]). Die Einfachheit eines Modells ist geprägt von seiner Komplexität, d. h. von der Anzahl der model-lierten Objekte und deren Beziehungen [Moody / Shanks, 1994]. Durch geeignete Strukturierung und systematischen Modellaufbau kann diese Komplexität reduziert werden. Insbesondere soll-ten ähnliche Zusammenhänge auch ähnlich modelliert werden. Unterstützt wird die Nachvoll-ziehbarkeit von komplexen Modellen auch dadurch, daß gut abgrenzbare Teilbereiche separat und unabhängig beschrieben und genutzt werden können.

Die Anwendbarkeit eines Referenzmodells hängt im besonderen Maß auch von seinem Anwen-dungskontext ab. Während ein Referenzmodell bei der Verwendung als Hilfsmittel zum Ver-gleich eher (genau) eine idealtypische Modellierung darstellen sollte, kann ein Referenzmodell, das eher als Ausgangspunkt zur Erstellung spezieller Modelle Anwendung findet, auch mehrere Modellalternativen für unterschiedliche Anwendungszusammenhänge bereitstellen [Rosemann, 1996, S. 35]. Die Bereitstellung von Modellvarianten erhöht einerseits die Anwendbarkeit des Referenzmodell auf unterschiedliche Problemstellungen [Raue, 1996], erschwert anderseits aber auch dessen Anwendung, da mehrere Alternativen zu berücksichtigen sind. Daher sollte ein Re-ferenzmodell eher wenige Alternativen bereitstellen. Zur Beurteilung der Güte eines Referenz-modells unter dem Anwendbarkeitsaspekt ist folglich auch die Adaption des ReferenzReferenz-modells an die spezielle Aufgabenstellung zu beachten [Becker / Schütte, 1997].

Auch sollte die Anwendbarkeit des Referenzmodells nachgewiesen werden. Der Vorschlag, bei der Beschreibung von Design Patterns mindestens zwei unterschiedliche Verwendungen aus ver-schiedenen Anwendungskontexten zu nennen [Gamma et al., 1994, S. 7], sollte auch für Refe-renzmodelle übernommen werden.

Erweiterbarkeit

Referenzmodelle spiegeln den aktuellen Stand innerhalb ihres Modellierungskontexts wider. Da dieser einer dynamischen Entwicklung unterworfen ist, müssen Referenzmodelle auch die An-passung an zukünftige Entwicklungen und Erkenntnisse erlauben. Referenzmodelle sollten daher offen und flexibel [Moody / Shanks, 1994] angelegt sein, um sie leicht an geänderte Anforderun-gen anpassen zu können. Dem geAnforderun-genüber steht die Forderung, daß ein Referenzmodell auch in einem gewissen Maß robust [Rosemann / Schütte, 1997] sein sollte, so daß nicht jede Änderung der Rahmenbedingungen zu einer Überarbeitung des Referenzmodells führt.

Eng mit der Erweiterbarkeit eines Modells ist auch das Zusammenspiel mit anderen Modellen in benachbarten Kontexten zu sehen. So sollte auch ein Referenzmodell soweit integrationsfähig [Moody / Shanks, 1994] sein, daß es mit Referenzmodellen angrenzender Bereiche kombinierbar ist.

Die skizzierten Eigenschaften von Referenzmodellen sind wesentlich von der Ak-zeptanz und Einschätzung durch die Modellanwender geprägt. Diese Eigenschaf-ten müssen für Referenzmodelle durch die Verwendung ständig nachgewiesen werden.