6 Technisch‐ökonomische Bilanzierung eines Speichers auf der Basis realer Wärmebedarfs‐ und
6.1 Modellierung am Beispiel einer Solar beheizten Modellkommune mit 1000 Haushalten
6 Technisch‐ökonomische Bilanzierung eines Speichers auf der Basis
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Abb. 40: Monatlicher Wärmeenergieverbrauch (blau) einer Modellkommune mit 1000 Haushalten basierend auf Angaben der Münchener Stadtwerke 2013. Dem gegenüber gestellt ist die konservativ prognostizierte monatliche Energieerzeugung (rot) einer Solarthermieanlage mit einer Fläche von 8 Hektar (basierend auf gemessener Globalstrahlung 2011). Rot gestrichelt sind 2016 gemessene Ertragszahlen der Solarthermieanlage im dänischen Vojens bezogen auf eine Fläche von 8 Hektar.
Für eine Parameterstudie wurde ein vereinfachtes geologisches Modell, das typische Schichtenabfolgen in der Freiburger Bucht berücksichtigt, in COMSOL‐Multiphysics erstellt (Abb. 41).
Abb. 41: Temperaturverlauf und Strömungspfeile im FEM‐Modell einer geothermischen Dublette. Produktions‐ und Injektionszonen sind an den wärmeren Temperaturen (gelb) erkennbar.
Produktions‐ und Injektionszonen einer geothermischen Dublette wurden im Buntsandstein in 700 m Teufe zunächst mit einer vertikalen Filterstreckenlänge von jeweils 50 m und einem Abstand von 500 m modelliert. Die Bohrlochgröße betrug 8 Zoll. Für den Energiespeicher‐ und Energieabrufbetrieb wurden die Filterstrecken direkt mit den Flüssen bei entsprechenden Temperaturen beaufschlagt. Thermische Zu‐
und Ableitungseffekte durch die Bohrungen wurden vernachlässigt. Basierend auf dem obigen Energieszenario wurden Flüsse und Temperaturprofile für Energieeinspeisung und ‐entnahme berechnet.
Zieht man den Energiebedarf vom Energieertrag in Abb. 40 ab, so ergibt sich eine Nettoenergiebilanz, die im Sommer einen Nettoenergieüberschuss, im Winter einen Nettoenergiebedarf definiert. Rechnerisch werden nun im Modell die monatlichen Energieüberschüsse unter Berücksichtigung angenommener Vor‐
und Rücklauftemperaturen in entsprechende Fließraten umgerechnet. Für die folgende Abschätzung wurden hierfür bei der Energiespeicherung 90°C Heißtemperatur und 50°C Kalttemperatur verwendet. Bei der Energieentnahme wurde ein niedrigeres Heißseitentemperaturniveau von 80°C und 50°C auf der Kaltseite angenommen. Für eine mehrjährige Modellrechnung wurden die Zahlen zyklisch für fünf Jahre wiederholt. Nach 5 Jahren wurde der Entnahmefluss im Winter belassen, um den weiteren Temperaturabfall zu sehen. Abb. 42 zeigt ein Ergebnis für eine Aquiferspeicher‐Zustandsberechnung.
Abb. 42: Simulationsbeispiel. Dargestellt sind die Temperaturen an den Injektionszonen einer geothermischen Speicherdublette über der Zeit, sowie den Wasserfluss an einer Bohrung in den Speicher hinein (positiv Energiespeicherung, negativ Energieentnahme). Heißes Wasser wird in den Speicher im Sommer eingeleitet, im Winter wieder entnommen.
Rot dargestellt ist das Temperaturniveau T B1 der Heißseitenbohrung über der Zeit in Jahren, blau ist das Temperaturniveau T B2 der Kaltseitenbohrung. Zunächst liegt in beiden Bohrungen die Umgebungstemperatur von 42°C an. Im zweiten Quartal des ersten Modelljahres liegt erstmals ein Energieüberschuss vor. Hier beginnt die Energieeinspeicherung, indem mit einer der Wärmeleistung
70 aufgewärmt und dann auf der Heißseite in Bohrung 1 geleitet wird. Die hierfür erforderlichen Flüsse sind in Abb. 42 unten dargestellt. Positive Flüsse bedeuten Energiespeicherung, negative Flüsse bedeuten Energieentnahme. Das heiße Wasser dringt durch die Poren des Aquifers und heizt das um die Bohrung liegende Gestein auf.
Im dritten Quartal liegt zum ersten Mal ein Energiedefizit vor, die Fließrichtung kehrt sich um. Bei der Entnahme passiert kälteres Umgebungswasser das aufgeheizte Gestein und wärmt sich seinerseits auf.
Dieses erhitzte Wasser wird aus Bohrung 1 entnommen, Energie durch Abkühlung auf 50°C entzogen und in Bohrung 2 geleitet. Da das zuvor erhitzte Gestein immer mehr abgekühlt wird, sinkt das Temperaturniveau der Heißseite solange Energie entnommen wird immer weiter.
Bei der Energieentnahme wurde der Fließmenge auf eine Heißseitentemperatur von 80°C und eine Kaltseitentemperatur von 50°C bezogen. Solange also die Heißseitentemperatur T B1 in Bohrung 1 bei der Energieentnahme oberhalb von 80°C bleibt, kann die gewünschte Heizleistung erbracht werden. Das ist bis auf eine kurze Phase im ersten Winter immer der Fall, weil sich in den folgenden Jahren die minimale Entnahmetemperatur von T B1 immer weiter erhöht, da das Temperaturniveau um Injektionszone 1 immer mehr steigt. Deshalb steigert sich im laufenden Betrieb die Speichereffizienz. Um letztere zu erhalten, ist in Abb. 43 der kumulative Energieeintrag über die Berechnungszeit gezeigt.
Abb. 43: Simulationsbeispiel. Die in den Speicher eingebrachte kumulative Energie ist rechts über der Zeit dargestellt.
Mit den hier verwendeten Flüssen ist bereits eine Speichereffizienz von 50% im vierten Jahr möglich.
Positive Steigung bedeutet Energieeintrag, negative Steigung Energieentnahme. Nach dem dritten Betriebsjahr werden demnach im Sommer ca. 20 GWh gespeichert, von denen im Winter darauf wieder ca. 10 GWh entnommen wurden, was einem Heizwert von etwa einer Million Liter Heizöl entspricht. Im vorliegenden Fall läge also eine Speichereffizienz von etwa 50% vor. Dieses Beispiel zeigt, dass bereits mit heutigen Bedarfszahlen eine regenerative Gebäudeheizung unter Verwendung von Energiespeichern als möglich erscheint, die angenommenen 8 Hektar waren eher überdimensioniert. Mit zukünftig effizienterer Gebäudetechnik (Niedertemperaturheizung) und verbesserter Wärmedämmung im Gebäudebestand lassen sich die hier angesetzten 8 ha Solarthermiefläche nochmals deutlich verkleinern.
Dass die Energieentnahme und der Wirkungsgrad in dieser Rechnung noch steigerungsfähig sind, zeigt das sechste Modelljahr, hier wird dauerhaft mit hohem Fluss Energie mit positiver Bilanz ohne Einspeisung entnommen. Allerdings wird das nutzbare Temperaturniveau immer niedriger, wie in Abb. 42 zu sehen ist.
Über eine Optimierung der Entnahmeflüsse kann somit bei gegebener Einspeisung die Effizienz des Speichers verbessert werden. Basierend auf den Modellen wurden im Projektverlauf Parameterstudien zur weiteren Optimierung vorgenommen. Ein Beispiel hierfür ist in Abb. 44 zu sehen.
Abb. 44: Beispiel für eine Parameterstudie: blau dargestellt sind die kumulativen Systemenergien des Speichers für verschiedene Entnahmeflüsse. Durch Optimierung des Entnahmeflusses lässt sich der Speicherwirkungsgrad optimieren. Allerdings ist eine Mindestpermeabilität (Wasserdurchlässigkeit) des Aquifers erforderlich, sonst zehrt die erforderliche Pumpleistung (braun: kumulative Pumpenenergie) die Speicherleistung auf.
In Abb. 44 sieht man, wie schon in Abb. 43, die kumulative Systemenergie über der Simulationszeit für verschiedene Entnahmeflüsse (blau), sowie den kumulativen Energieverbrauch (braun) für den dazugehörigen Pumpenbetrieb unter Variation der Gesteinspermeabilität. Anhand der berechneten Parametervariationen ist zum Beispiel bei höheren Entnahmeflüssen eine deutlich höhere Speichereffizienz möglich (hier bis über 80% im vierten Jahr, roter Pfeil Einlagerung, blauer Pfeil Verlust).
Allerdings ist eine Grundvoraussetzung hierfür, dass das Gestein für gegebene Speicherabmessungen eine gewisse Mindestpermeabilität aufweist, sonst verschlechtert die erforderliche Pumpenleistung die Speicherleistung zum Teil drastisch. So ist bei einer Permeabilität von 10‐13 m² mit der hier zugrundeliegenden Dublette bereits kein profitabler Speicherbetrieb mehr möglich. Die Pumpenleistung lassen sich für gegebene Gesteinspermeabilitäten reduzieren, indem man den Abstand der Bohrungen unter Berücksichtigung einer gewünschten Mindestspeicherkapazität minimiert. Weiterhin kann man die Injektionslängen erhöhen, gegebenenfalls durch abgelenkte Horizontalbohrungen im Aquifer (siehe Kapitel 4.4).
72 Die weiteren Berechnungen erfolgen deshalb unter Verwendung horizontaler Filterstrecken mit 500 Metern Länge und 100 Meter Abstand in einem homogenen Buntsandsteinblock mit einer Permeabilität von 10‐13,2 m² und einer Porosität von 5%. Für solch eine Dublette sind die Pumpendrücke in erster Näherung vernachlässigbar.
Der schon im obigen Beispiel angeklungene Zielkonflikt zwischen erforderlicher Abnahmeleistung bei gegebenem Temperaturniveau einerseits und möglichst hoher effektiver Speichereffizienz andererseits gibt das folgende Beispiel in Abb. 45 wieder.
Abb. 45: Beispiel für den Einfluss der Entnahmeflüsse auf Entnahmetemperaturen und Wirkungsgrad. Der Pumpenfaktor gibt das Verhältnis der Einspeise‐ und Entnahmeflüsse des Aquiferspeichers an. Ein hohes Temperaturniveau beim Abruf und eine hohe Speichereffizienz sind ohne Zuheizung nicht gleichzeitig erreichbar.
Gewöhnlich wird der Wirkungsgrad der Speicherung angegeben für gleiche Intervalllängen und gleiche Flüsse für die Speicherung und den Abruf (fette Linien im Bild oben). Nur so sind die Effizienzzahlen unterschiedlicher Speichervarianten vergleichbar. Allerdings werden die Energiespeicher praktisch nie auf diese Weise betrieben, die wirkliche Speichereffizienz (effektive Speichereffizienz) hängt aber stark von der Betriebsweise des Speichers ab. Die gezeigte Simulation oben verdeutlicht dies:
Für ein halbes Jahr wird der Speicher mit einer Fließrate von 9 l/s und einer Temperatur von 90°C geladen, dabei werden insgesamt 7,69 GWh thermischer Energie eingelagert. Danach wird der Speicher mit fünf verschiedenen Flüssen entladen (Abb. 45 oben), nämlich mit den Pumpenfaktoren 0.5, 0.75, 1, 1.5 und 2 bezogen auf den Einspeicherfluss. Die Ergebnisse sind auch in Tabelle 2 zusammengefasst. Mit zunehmender Entladung sinken die Temperaturen der Heißseite ab (Abb. 45, rot), und zwar je schneller, desto höher die Fließrate ist. Würde man zum Beispiel in einer Anwendung eine Temperatur von 70°C benötigen, könnte der Speicher mit dem halben Entnahmefluss (Pumpenfaktor 0,5) die benötigte Wärmeenergie 4,6 Monate mit dem gewünschten Temperaturniveau liefern, bei gleichem Entnahmefluss (Pumpenfaktor 1) würde es nach etwa einem viertel Jahr die 70°C unterschritten werden, bei doppeltem Entnahmefluss unterschreitet die Temperatur der Heißseite bereits nach weniger als zwei Monaten 70°C.
Möchte man das Temperaturniveau halten, müsste also nach dieser Zeit mit einem weiteren Energieträger zugeheizt werden. Steht dieser aber, etwa in Form eines Blockheizkraftwerkes, zur Verfügung, lässt sich der Aquiferspeicher stärker entladen, wodurch die effektive Speichereffizienz ansteigen würde. Die entnommene Wärmeleistung ist bezogen auf die ursprüngliche Umgebungstemperatur von 43 °C in Abb.
45 im dritten Graphen gezeigt. Daraus lassen sich die kumulativen Energien im untersten Graphen von Abb. 45 errechnen. Es zeigt sich ‐ wie auch in Tabelle 2 dargestellt – dass der Entnahmefluss in hohem Maße den effektiven Wirkungsgrad, und damit die Wirtschaftlichkeit des Speichers, beeinflusst. Allerdings wurden hier Leistungsmerkmale des Speicherbetriebs nach einem Jahr gezeigt. Wie oben aber schon veranschaulicht wurde, steigt die Speichereffizienz mit der Zyklenzahl an (vergleiche etwa Abb. 13).
Tabelle 2: Einfluss der Entnahmerate auf die Leistungsmerkmale eines Aquiferspeichers bei jeweils gleicher Beladung von 7,69 GWh. Der Pumpenfaktor gibt das Verhältnis der Einspeise‐ und Entnahmeflüsse des Aquiferspeichers an.
Ein hohes Temperaturniveau beim Abruf und eine hohe effektive Speichereffizienz sind ohne Zuheizung nicht gleichzeitig erreichbar.
Pumpenfaktor
Temperatur (T) am Ende der Entnahme
/°C
Zeit bis 70°C / Monate
Entnommene Wärmeenergie
/GWh
Wirkungsgrad /%
0,5 66,4 (23,4) 0,46 2,69 34,98
0,75 62,5 (19,5) 0,36 3,74 48,63
1 59,6 (16,6) 0,31 4,72 61,38
1,25 54,3 (11,3) 0,23 6,06 78,80
2 50,8 (7,8) 0,19 7,02 91,29
Im gerade gezeigten Beispiel waren die Flüsse konstant gehalten worden. Dies führt dazu, dass bezogen auf eine Referenzentnahmetemperatur (in obigem Beispiel 70°C) bis zum Erreichen dieser Temperatur eine höhere Wärmeleistung entnommen wird als benötigt. Für eine gegebene Entnahmeleistung können daher zunächst geringere Pumpenflüsse herangezogen werden, dafür kann das Temperaturniveau für längere Zeit aufrechterhalten werden. Solange die Bezugstemperatur nicht unterschritten wird, wird dem Speicher also eine konstante Wärmeleistung entnommen. Das Beispiel in Abb. 46 verdeutlicht diesen Sachverhalt. Wie schon im letzten Beispiel wurde der Speicher ein halbes Jahr geladen. Die
74 durchgezogenen Linien beschreiben den Speicherzustand bei gleichem Entnahmefluss (Bezugstemperatur 90°C), daneben sind noch Entnahmeflüsse für eine Bezugstemperatur von 70°C und 80°C gezeigt.
Abb. 46: Speicherabruf mit konstanter Heizleistung im Vergleich mit konstantem Fluss (durchgezogene Kurven). Es lässt sich länger ein höheres Energieniveau halten.
Am Beginn der Entnahmeperiode liegen 90°C an, benötigt man aber nur Energie mit einer Bezugstemperatur von 70°C oder 80°C, so kann der Speicher zunächst mit einem geringeren Fluss (nicht durchgezogene Linien in Abb. 46) entnommen werden. Die Entnahmetemperatur bleibt somit auf einem höheren Niveau. Im Diagramm der Heizleistungen (drittes von oben) wird mit geringeren, konstanten Leistungen abgerufen, bis das Temperaturniveau nicht mehr gehalten werden kann und die Leistung deshalb abfällt. Durch den insgesamt geringeren Energieabruf verbleibt aber mehr Energie im Speicher, wie im unteren Diagramm zu sehen ist, die Speichereffizienz ist also geringer. Modellbedingt wurden die folgenden Berechnungen nicht mit Temperaturgeregelten Flüssen wie hier gezeigt gerechnet, sondern bezogen auf eine konstante Bedarfstemperatur von 80°C gerechnet.