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3 Entwicklung eines Erhebungsinventars

6 Prüfung des integrierten Modells

6.2 Modell 1 zur Testung des integrierten Modells

In Modell 1 werden auf der Bedingungsseite je eine Anforderungsvariable, eine Stressorvariable und eine Ressourcenvariablen ausgewählt. Zur klaren Trennung von den Ergebnisvariablen wurden auf der Anforderungsseite die kognitiven Anforde-rungen gewählt. Diese sind unter Begriffen wie Komplexität oder Problemlöseanfor-derungen auch in der Kreativitätsforschung zurzeit viel diskutiert (z. B. Zhou, Hirst &

Shipton, 2012). Als Stressorvariable wurde Zeitdruck verwendet, als eine im Zusam-menhang mit Kreativität viel diskutierte Variable (vgl. Abschnitte 2.1 und 5.4) und als Ressourcen wurde der Tätigkeitsspielraum verwendet, als klar arbeitsbezogene Ressource und zentrales Konzept der arbeitspsychologischen Forschung. Für die eher kurzfristigen Folgen der verschiedenen Konstellationen von Tätigkeitsmerkmale wurden auf der Gesundheitsseite die emotionale Irritation aufgenommen und auf der Leistungsseite die intrinsische Motivation. Als längerfristige Manifestationen dieser Konstellationen wurden auf der (positiven) Leistungsseite selbstberichtete Kreativität als Hauptzielgröße von CreateHealth und auf der (negativen) Gesundheitsseite Glie-derschmerzen als gut dokumentierte, arbeitsstressbezogene Form der psychosoma-tischen Erkrankung verwendet.

Tab. 6.1 gibt die deskriptiven Kennwerte, Reliabilitäten und Korrelationen für die Par-cels zu diesen Variablen wieder. Die Kennwerte zeigen, dass die Parcelierung gut gelungen ist. Die jeweils drei Items weisen gute bis sehr gute Reliabilitäten auf und die Korrelationen zeigen dieselben Zusammenhänge wie die Gesamtskalen. Damit sind die Voraussetzungen für das in Abb. 6.1 dargestellte Strukturgleichungsmodell gegeben.

Wie die angegebenen Indices zeigen, hat das Strukturgleichungsmodell einen sehr guten Modellfit (zur genauen Darstellung der einzelnen Fit-Indices siehe Abschnitt 6.1 und z. B. Bollen, 1989; Byrne, 2001). Alle angegebenen Pfade (mit Ausnahme des nur der Vollständigkeit halber aufgeführten gestrichelten Pfades in der Abb. 6.1) sind signifikant. Alle anderen möglichen Zusammenhänge zwischen latenten Variab-len (etwa zwischen dem Stressor Zeitdruck und Kreativität oder zwischen Kreativität und Gliederschmerzen) sind nicht statistisch bedeutsam und senken die Passung des Modells für die Daten. Die kursiv an die latenten Variablen gesetzten, quadrier-ten multiplen Korrelationen können als Effektstärken-Schätzer genutzt werden und zeigen eine vergleichsweise gute Varianzaufklärung für die beiden Zielvariablen Kre-ativität und Gliederschmerzen. Zudem wurde aufgrund der hohen korrelativen Zu-sammenhänge eine Kovariation der kognitiven Anforderungen mit dem Zeitdruck (auf der Seite der Tätigkeitsmerkmale) wie auch eine Kovariation der beiden kurzfristigen Folgen intrinsische Motivation und emotionale Irritation zugelassen. Auch die partiel-len Mediationen bzw. im Falle des Pfades von Zeitdruck über emotionale Irritation zu Gliederschmerzen vollständige Mediation bestätigen sich in separaten Mediationsa-nalysen.

Tab. 6.1 Deskriptive Statistiken, Korrelationen und Reliabilitäten der Parcels in Modell 1

N = 760 (Parcels); Pearson Korrelationskoeffizient; Cronbachs Alpha in Klammern;

*** p ≤ .001, ** p ≤ .01, * p ≤ .05

Auf der positiven Leistungsseite findet sich, wie aus dem integrierten Modell abgelei-tet, eine Kette von abhängigen Variablen, die mit der positiven Kombination von ho-hen kognitiven Anforderungen und hoho-hen Tätigkeitsspielräumen beginnt. Ressour-cen und Lernanforderungen haben beide einen positiven Einfluss auf die intrinsische Motivation (als eher kurzfristigem Ergebnis) und diese hat wiederum einen positiven Einfluss auf die Kreativität, wie in dem Modell von Amabile (1997) postuliert. Darüber hinaus haben Lernanforderungen und Ressourcen aber jeweils auch einen direkten, relativ stark positiven Effekt auf die Kreativität, wie es etwa auch die Metaanalyse

Variablen (# Items) [Range] M SD 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Tätigkeitsmerkmale

1. Tätigkeitsspielraum (3) [1;5] 3.35 .90 (.74) 2. Kognitive Anforderung (3) [1;5] 3.86 .89 .31*** (.81)

3. Zeitliche Überlastung (3) [1;5] 3.10 .96 -.04 .35*** (.84) Kurzfristige Folgen

4. Intrinsische Motivation (3) [1;5] 4.25 .66 .20*** .18*** -.05 (.76)

5. Emotionale Irritation (3) [1;7] 2.85 1.34 -.09* .09* .34*** -.20*** (.80) Längerfristige Folgen

6. Kreativität (3) [1;6] 3.93 .98 .30*** .30*** .04 .22*** -.03 (.87) 7. Gliederbeschwerden (3) [1;5] 2.18 .97 -.24*** -.07* .17*** -.17*** .39*** -.06 (.77)

von Harrison et al. (2006) bzw. Hammond, Neff, Farr, Schwall und Zhao (2011) an-deutet.

Auch auf der negativen Gesundheitsseite finden sich die theoretisch erwarteten Zu-sammenhänge des integrierten Modells in den empirischen Daten. Hohe Stressoren (hier: Zeitdruck) führen zu kurzfristigen Gesundheitsbeeinträchtigungen (hier: emoti-onale Irritation) und diese wirken sich wiederum auf die längerfristige psychosomati-sche Erkrankung in Form von Gliederschmerzen aus.

Einen direkten Einfluss des Stressors Zeitdruck auf die längerfristige muskulo-skelettale Beeinträchtigung gibt es nicht, sondern die Beziehung wird vollständig über die emotionale Irritation mediiert. Gleichzeitig wirken – wie angenommen - hohe Ressourcen protektiv gegen diese Negativkette: Hohe Spielräume senken die emoti-onale Irritation, sowie vermittelt und direkt die längerfristigen Gesundheitsbeeinträch-tigungen. Gleichzeitig finden sich mit der negativen Kovariation zwischen intrinsi-scher Motivation und emotionaler Irritation auch erste Hinweise auf die im integrier-ten Modell angenommene Unvereinbarkeit zwischen positiven Leistungs- und nega-tiven Gesundheitsbeeinträchtigungsfolgen.

Erklärungsbedürftiger ist hingegen die Kovariation zwischen Zeitdruck und kognitiven Anforderungen. Bei Entfernung dieser Kovariation bleiben zwar die generellen Be-ziehungen im Modell bestehen, die Passung des Modells verschlechtert sich jedoch.

Lernanforderungen, die basierend auf einer Reihe arbeitpsychologischer Theorien als positiv modelliert wurden, hängen also positiv mit einer zeitlichen Überforderung zusammen. Da es sich um eine Kovariation handelt, sind zwei Erklärungsmöglichkei-ten denkbar: Zum einen könnErklärungsmöglichkei-ten (entgegen früherer Annahmen) kognitive Anforde-rungen in der modernen Arbeitswelt so stark ansteigen, dass sie tatsächlich zu ei-nem höheren Zeitaufwand im Hinblick auf Informations- und Lösungssuche führen, was wiederum zu einer erlebten zeitlichen Überforderung wird. Zum anderen können im Falle eines hohen Zeitdrucks die kognitiven Anforderungen steigen, weil viele Dinge „gleichzeitig“ zu koordinieren und zu erledigen sind. Untersucht man diese Möglichkeiten mit gerichteten Beziehungen zwischen beiden Variablen, ergibt sich folgendes Bild: Der Effekt von Zeitdruck auf kognitive Anforderungen liegt bei β = .43, R2 liegt bei .18. Für den umgekehrten Einfluss von kognitiven Anforderungen auf Zeitdruck findet sich β = .40 und R2 = .16. Für diese gerichtete Annahme verschlech-tert sich der Modelfit minimal. Allerdings bleiben bei beiden Annahmen alle Bezie-hungen innerhalb des Modells in Höhe und Ausprägung bestehen. Zusammenge-nommen spricht dies weiterhin für die Unabhängigkeit beider Tätigkeitsmerkmale, es erscheint geringfügig plausibler, dass Zeitdruck bzw. zeitliche Überforderung die ko-gnitiven Anforderungen erhöht als umgekehrt.

Abb. 6.1 Strukturgleichungsmodell 1 zur Testung des integrierten Modells (standardisierte Koeffizienten)