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Das Erfassen von auftretenden Kräften ist eine in der Sportwissenschaft nicht mehr wegzudenkende Maßnahme, um Aussagen über spezifische Kraft-Zeit-Funktionen treffen zu können, und leistet somit einen Beitrag zur Objektivierung von Bewegungen (Wick 2013, 147). Die „Kraft“ ist in der Physik eine vektorielle Größe und wirkt immer dort, wo zwei Körper miteinander interagieren (Hunt 1998, S. 5). Diese Interaktion wird durch das dritte Newton´sche Axiom/Wechselwirkungsgesetz (𝑭 ⃗⃗⃗ 𝟏 = −𝑭 ⃗⃗⃗ 𝟐) beschrieben und bildet somit die Grundlage für Kraftmessungen (Caldwell et al. 2014, S. 74). Das Wechselwirkungsgesetzt besagt, dass zu jeder Kraft (F) eine gleich große Gegenkraft (-F) herrscht.

3.1. Gängige Messinstrumente

Geht es in der Praxis darum, auftretende Kräfte zu messen, so gibt es auch hier mehrere Möglichkeiten. Diese unterscheiden sich in ihrer Funktionsweise sowie Komplexität. Im Fachbereich der Sport- und Bewegungswissenschaften werden gegenwärtig primär vier Varianten von Kraftmesssystemen verwendet.

Die simpelste Variante stellen sogenannte Ringkraftmesser dar, welche auf dem mechanischen Federprinzip beruhen. Weiters kommen Druckkraftmesser zum Einsatz, welche auf den Grundlagen der Hydraulik aufbauen. Zuletzt gibt es noch Dehnmessstreifen, sowie piezoelektrische Messsysteme, welche beide elektrische Spannungsänderungen bei Verformungen detektieren und in die adäquaten Kräfte umrechnen (Wick 2013, S. 149). Die beiden zuletzt genannten Messsysteme werden (im Zuge von wissenschaftlichen Studien) tendenziell am häufigsten verwendet, da sie eine sehr hohe Genauigkeit aufweisen und somit eine hohe Reliabilität gewährleistet werden kann.

Seite | 38 3.1.1. Dehnmessstreifen

Die Messung mittels Dehnmessstreifen beruht auf der Umwandlung von mechanischer Bewegung in ein elektrisches Signal. In einem Dehnmessstreifen ist eine kalibrierte Metallplatte verbaut, welche minimale Dehnungen bzw. Spannungen in eine Richtung detektiert. Selbst kleinste Verformungen von wenigen Bruchteilen eines Prozentes können erfasst werden und somit auch kleinste Änderung des elektrischen Widerstandes. Diese Änderung steht in einem linearen Verhältnis zur jeweiligen Verformung. Wird ein solcher Messstreifen gedehnt, so nimmt der Widerstand zu. In umgekehrter Weise nimmt der Widerstand bei Stauchungen ab. Diese Änderung des elektrischen Widerstandes erzeugt eine elektrische Spannung, welche von einem Signalverstärker verstärkt wird und so gemessen werden kann (Wick 2013, S. 149).

3.1.2. Piezoelektrische Messsysteme

Die genauesten Messsysteme basieren auf dem Prinzip der „Piezoelektrizität“.

Piezoelektrische Kraftaufnehmer detektieren mikroskopische Deformationen spezieller, kristalliner Materialien, wie z.B. Quarz, welche auf atomarer Ebene entstehen. Durch diese Deformation der Struktur entsteht eine Änderung der elektrischen Eigenschaften des Materials, welche zu Ladungsverschiebungen führt.

Diese Verschiebungen können mittels der entsprechenden Elektronik gemessen und in Spannungssignale umgewandelt werden. Diese Signale wiederum können proportional zur einwirkenden Kraft umgerechnet werden (Winter 2009).

Messsysteme, welche sich das piezoelektrische Prinzip zu Nutzen machen, finden vor allem in Sportarten wie Weit-/Hochsprung, Geräteturnen und im Schwimmsport (Startsprung) in Form von Kraftmessplatten ihren Einsatz (Abb. 16).

Abbildung 16: Beispielabbildung einer Kraftmessplatte (Hunt 1998, S. 48)

Seite | 39 Jedoch erstreckt sich ihr Einsatzgebiet auch in die Medizin bzw. Orthopädie, da mit ihnen auch Ganganalysen durchgeführt werden können. Dieses breite Einsatzgebiet lässt sich damit erklären, dass sich mittels solcher Kraftmesssysteme durch Anwendung einfacher physikalischer Zusammenhänge auch Größen wie Flugdauer, Sprunghöhe oder Bodenreaktionszeit bestimmen lassen (Wick 2013, S. 151).

Neben ihrer hohen Genauigkeit besteht der große Vorteil bei solchen Systemen darin, dass sie die auftretenden Kräfte in 3-Dimensionen abbilden können. Diese bestehen aus der vertikalen Kraft (z) und den beiden Horizontalkräften (x & y), welche im Regelfall von anterior – posterior bzw. medial – lateral verlaufen (Winter 2009, 117).

3.2. Bodenreaktionskräfte

Jene Kraft, welche neben der Gravitationskraft am häufigsten auf den Körper wirkt, ist die Bodenreaktionskraft (Abb. 17). Sie wirkt immer dann auf einen Körper, wenn dieser in Kontakt mit der Erde bzw. dem Boden steht. Dies gilt sowohl für den ruhenden als auch für den bewegten Körper. Diese auftretende Kraft kann als ein dreidimensionaler Vektor dargestellt werden, welcher sich aus einer vertikalen Komponente (Fz) und zwei Scherkräften (Fx & Fy) nach lateral-medial und anterior-posterior zusammensetzt (Winter 2009, S. 117).

Abbildung 17: Auftretende Bodenreaktionskraft (z-Komponente) während des Ganges über eine Kraft-messplatte (Caldwell et al. 2014, S. 95)

Seite | 40 Die Bodenreaktionskraft ist ihrer Größe nach gleich groß der Kraft, mit welcher ein Körper auf den Boden wirkt, jedoch entgegengesetzt. Unter statischen Bedingungen ist sie gleich der Gewichtskraft, welche sich aus der Masse eines Körpers und der darauf wirkenden Erdbeschleunigung zusammensetzt (F=m*a). Somit hat eine Person mit einer Masse von 80 kg und einer Erdbeschleunigung von 9,81 m/s² eine Gewichtskraft von 784,8 N.

Während dynamischer Vorgänge kann diese Kraft sowohl höhere, als auch niedrigere Werte annehmen (Wick 2013, S. 43).

3.3. Innere Kräfte

In der Biomechanik wird der Begriff der inneren Kräfte meistens herangezogen, wenn von wirkenden Kräften innerhalb des Körpers auf Gewebsebene gesprochen wird. So können innere Kräfte in den Muskeln, Bändern, Sehnen und Gelenken wirken. Dem gegenüber spricht man von äußeren Kräften, wenn eine externe Kraft (z.B. durch direkten physischen Berührung) auf den Körper einwirkt (Caldwell et al. 2014, S. 78).

Das Messen solcher inneren Kräfte stellt oft eine Herausforderung dar. Denn anders als bei externen Kräften, wie z.B. die oben genannte Bodenreaktionskraft, geht einer solchen Messungen ein invasiver Eingriff einher. Daher werden innere Kräfte zumeist über biomechanische Modelle berechnet und abgeschätzt (Caldwell et al. 2014, S. 99).

Einige Studien haben sich bereits mit der Analyse des Deadlifts in Bezug auf die wirkenden inneren Kräfte auf den Körper auseinandergesetzt und einen guten Überblick über auftretende Kräfte und Momente geliefert. Die bisherige Forschung hat sich hier vorwiegend auf die Untersuchung der Lendenwirbelsäule fokussiert, da hier hohe Kompressionskräfte und Drehmomente während des Deadlifts wirken können.

Da sich die realen Kräfte, welche während einer Bewegung im Körper auftreten, kaum messen lassen, wird hier im Regelfall auf eine Analyse via Motion Capture und Videoanalyse gesetzt. Diese Formen der Datengenerierung bieten den Vorteil, dass sich Messungen sowohl bei realen Wettkämpfen (Cholewicki et al. 1991); Escamilla et al.

2000; McGuigan & Wilson 1996), als auch unter komplexeren Laborbedingungen (Eltoukhy et al. 2016) durchführen lassen können.

Seite | 41 Mittels solcher Methoden ist es unter anderem möglich, Abschätzungen betreffend der auftretenden Scherkräfte (anterior - posterior), der axialen Kompressionskraft und der jeweiligen Drehmemoente zu treffen, welche Ihre Kraftspitzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Bewegung haben.

In der Lendenwirbelsäule treten die höchsten axialen Kompressionskräfte erst im Bereich des Lock-Out auf, während zum Beispiel das Drehmoment in diesem Segment gleich zu Beginn der Bewegung seinen Maximalwert erreicht (Eltoukhy et al. 2016, S.

216).

Bei der Untersuchung der axialen Kompressionskraft und der Drehmomente in der LWS fanden u.a. Eltoukhy et al. (2016) Kraftspitzen von 7.963 N (± 2.784 N) für die Kompression und 734 Nm (± 331 Nm) für das auftretende Drehmoment im Bereich L5, beziehungsweise Cholewicki et al. (1991) eine Kompressionskraft von 17.192 N (± 1.110 N) und ein Drehmoment von 988,3 Nm (± 69,6 Nm) im Bereich L4/L5.

Diese doch sehr deutlichen Unterschiede lassen sich auf die körperlichen Eigenschaften (Größe und Körpergewicht) der untersuchten Testpersonen und auf das unterschiedliche Gewicht zurückführen, welches in den Studien gehoben wurde (Eltoukhy et al. 2016, S. 217).

Die Ergebnisse von Cholewiki et al. (1991) beziehen sich auf erhobene Daten während eines Gewichtheber-Wettkampfes und beinhalten sowohl Daten von Athleten, welche die Sumo- als auch die klassische Technik verwendet haben. Betrachtet man diese beiden Techniken differenziert, so ist zwar kein signifikanter Unterschied in Bezug auf die axiale Kompressionskraft, jedoch ein 10% geringeres Drehmoment, bzw. ~7%

geringere Scherkraft im Bereich L4/L5 bei der Verwendung der Sumo-Technik zu erkennen (Cholewiki et al., 1991, S. 1182).

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4. ELEKTROMYOGRAPHIE (EMG)

Die Elektromyographie (kurz: EMG) ist ein Verfahren zur Messung der elektrischen Aktivität der Muskulatur, dem sogenannten Aktionspotential. Dieses Aktionspotential breitet sich mit muskulärer Aktivität entlang der Muskelzellmembran aus und wird von Elektroden erfasst und kann mittels entsprechender Software graphisch dargestellt werden (Freiwald et al., 2007, S.31).

Die Elektromyographie ist ein relativ junges Verfahren zur Datenobjektivierung, welches seinen Einsatz vermehrt in klinischen Bereichen, der Physiologie, aber auch der Biomechanik findet. Man unterscheidet hier zwei Arten der EMG-Messung. Zum einen gibt es die Nadel- und Fadenelektroden, welche direkt in den zu untersuchenden Muskel eingeführt werden. Diese Art findet vor allem in klinischen Bereichen seine Anwendung. Da es sich hierbei um einen invasiven Vorgang handelt, ist eine exakte topographische Kenntnis der muskulären Anatomie eine Grundvoraussetzung. Dieser invasiven Methodik steht die Oberflächenelektromyographie (kurz: sEMG) gegenüber, bei welcher oberflächliche Hautelektroden zum Einsatz kommen. Aufgrund ihrer recht simplen Anwendung ist diese Methode im Bereich der Sportwissenschaften die bei weitem gängigere (Abb. 18). Durch die Untersuchung der elektrischen Aktivität von Muskeln lassen sich wichtige Schlüsse in Bezug auf unter anderem das koordinative Verhalten der Muskulatur, die neurologischen Mechanismen bei Bewegungen und den Wirkungsgrad bzw. die Ökonomisierung einer Bewegung ziehen (Wick 2013, S. 156;

Geiringer et al. 1997).

Abbildung 18: Optische Darstellung eines EMG Rohsignals des M. erector spinae während eines submaximalen Deadlifts.