• Keine Ergebnisse gefunden

Double Overhand Grip vs. Mixed Grip beim Kreuzheben: Auswirkungen auf Bodenreaktionskräfte, Muskelaktivierung und Bewegungsausführung.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Double Overhand Grip vs. Mixed Grip beim Kreuzheben: Auswirkungen auf Bodenreaktionskräfte, Muskelaktivierung und Bewegungsausführung."

Copied!
89
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Seite | 1

Double Overhand Grip vs. Mixed Grip beim Kreuzheben: Auswirkungen auf

Bodenreaktionskräfte, Muskelaktivierung und Bewegungsausführung

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades des „Master of Science“

an der

Karl-Franzens-Universität Graz

Vorgelegt von

Richard Anton Močnik, BSc

Matr. Nr. 01213971

am Institut für Bewegungswissenschaften, Sport und Gesundheit Begutachterin: Ao. Univ.Prof. Dr. Sigrid Thaller

Graz, April 2021

(2)

Seite | 2

Abstract

Einleitung: Der Deadlift ist eine Ganzkörperübung, bei welcher ein Gewicht durch das Strecken des Hüft- und Kniegelenks bis etwa Hüfthöhe gehoben wird. In der Literatur wird er zumeist als Übung für den Unterkörper eingeteilt, da er hier ein hohes Maß an Kraft fordert. Jedoch ist für einen erfolgreichen „Lift“ oftmals die Kraft der Armmuskulatur der limitierende Faktor, weshalb viele Athletinnen und Athleten eine asymmetrische Griffhaltung wählen.

Ziel dieser Studie war es herauszufinden, ob das Verwenden des asymmetrischen mixed grips (MIX) im Vergleich zu dem symmetrischen Obergriff (DOH) sich negativ auf eine symmetrische Übungsausführung auswirkt.

Methodik: Drei Probanden (Alter: 29,1 ± 1,2 Jahre; Größe: 181 ± 4,3 cm; Gewicht: 86

± 6,2 kg) nahmen an dieser Studie teil. Nach einem standardisierten Aufwärmen wurden 10 sEMG´s bilateral an 5 Muskeln des Körpers angebracht und die MVC für diese gemessen. Danach versuchten die Probanden ihr individuelles Maximum (1 RM) für beide Grifftechniken (DOH & MIX) mit jeweils 3 Versuchen zu erreichen.

Zwei Kraftmessplatten gaben Aufschluss über die auftretenden Bodenreaktionskräfte und reflektierende Marker ermöglichten eine 3-D Bewegungsanalyse.

Ergebnisse: Es konnte kein signifikanter Unterschied der Gewichtsverlagerung durch das Verwenden von MIX im Vergleich mit DOH festgestellt werden. Durch das Verwenden von MIX änderte sich die elektrische Aktivierung auf der supinierten Seite (Biceps +90%, Trapezius -10,6%) sowie auf der pronierten Seite (Trapezius +2,4%).

Die 3-D Analyse ergab eine signifikante Änderung der Positionierung des Schultergürtels bei der Verwendung von MIX im Vergleich zu DOH.

Conclusio: Das Verwenden von MIX führt zu einer Änderung der muskulären Aktivität von mehreren Muskeln im Oberkörper, als auch zu Veränderungen in der Bewegungsausführung. Zwar ist die Aussagekraft dieser Studie aufgrund der geringen Probandenanzahl limitiert, nichtsdestotrotz kann sie als Grundlage für weitere Forschung dienen.

(3)

Seite | 3

Abstract (English)

Introduction: The deadlift is a full-body exercise in which a barbell must be lifted off the ground until the knees and hips are fully extended. Because of its high demands on muscles of the hips and legs, it is mostly categorized as a lower-body exercise. But often a person’s grip strength is the limiting factor and therefor people are forced to use the asymmetrical mixed grip, which makes it easier to hold the barbell.

The goal of this study was to identify possible asymmetries during the deadlift exercise, caused by the asymmetric mixed grip (MIX) compared to a symmetric double overhand grip (DOH).

Methods: Three male individuals (29,1 ± 1,2 years; 181 ± 4,3 cm; 86 ± 6,2 kg) participated in this study. After a standardized warm-up, ten surface EMG´s were placed bilateral on five different muscles and the MVC for these were measured. After that, the participants tried to reach their deadlift 1 RM within three attempts for both grip variations (MIX & DOH). All lifts were performed while standing on two force plates.

Also, reflecting markers were placed on specific body parts and the barbell to perform a 3-D motion capture analysis.

Results: The force plate analysis revealed no significant difference in terms of medial- lateral sway for the center of mass, caused by MIX compared to DOH. The EMG analysis showed that MIX causes a significant change in muscle activation (biceps +90%, trapezius -10,6%) on the supinated side, as well as on the pronated side (trapezius +2,4%) compared to DOH. The 3-D analysis revealed, that grabbing the bar with MIX lead to a significant shift of the acromion (supinated side) further backwards, compared to DOH.

Conclusion: Holding the barbell with an asymmetric grip can lead to an asymmetric muscle activation in the upper body, as well as to an asymmetrical movement execution. Despite its limitations, this study can be seen as a basis for further research.

(4)

Seite | 4

VORWORT

Krafttraining erlebt in diesen Tagen gerade so etwas wie eine kleine Renaissance.

Waren es Ursprünglich die großen Bodybilder der 70er und 80er Jahre, welche das Stemmen von Hanteln einst beliebt gemacht haben, so ist es jetzt eher die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Krafttraining eine positive Rolle für die Gesundheit spielen kann. So lassen sich mittlerweile auch Empfehlungen für ein systematisches Krafttraining in den WHO-Guidelines für körperliche Aktivität wiederfinden.

Ein gutes und wirksames Krafttraining kann auf vielerlei Weise durchgeführt werden und benötigt keinesfalls immer ein top ausgestattetes Fitnessstudio mit den neuesten Geräten. So lässt sich der eigene Körper z.B. auch ganz einfach mit dem eigenen Körper stärken. Unzählige Übungen wie z.B. Liegestütz, Klimmzüge oder Kniebeugen können ganz einfach mit dem eigenen Körpergewicht durchgeführt werden und können durchaus zu respektablen Ergebnissen führen.

Eine Übung, welche sich aber durch nichts ersetzen lässt, ist der Deadlift, welcher zu Deutsch als Kreuzheben bezeichnet wird. Diese Übung kann als der König unter den Kraftübungen angesehen werden und lässt sich durch nichts substituieren. Der Deadlift ist eine Übung, welche zugleich simpel wie auch genial ist. Man greift einfach eine am Boden liegende Stange und hebt sie auf. Fertig.

Doch ganz so einfach ist es natürlich nicht. Der Deadlift kann generell auf unterschiedlichste Art und Weise durchgeführt werden. So lässt sich dieser z.B.

Variieren, in dem eine andere Hebetechnik (Sumo, Romanian etc.) gewählt wird oder eine andere Hantelstange (Hex-Bar) verwendet wird.

Eine weitere mögliche Variation betrifft die Wahl des Griffes bzw. der Grifftechnik, mit welcher die Hantelstange gefasst wird.

Und genau um diese Grifftechniken geht es in dieser Masterarbeit. Denn in der Trainingspraxis taucht immer wieder die Frage auf:

„Worin liegt eigentlich der Unterschied, wenn ich die Stange mit unterschiedlichen Grifftechniken greife?“

Jeder Person, welche sich regelmäßig in einem Fitnessstudio aufhält, wird schon mal aufgefallen sein, dass manche Personen beim Deadlift eine Hand nach außen rotieren und somit die Stange im Untergriff fassen.

(5)

Seite | 5 Das ist gang und gäbe, aber nur die wenigsten wissen eigentlich warum sie das tun oder welche Auswirkungen das auf den restlichen Körper hat.

Für mich als sportaffinen Menschen, welcher dazu auch noch Sportwissenschaften studiert, war das WARUM nicht schwer zu klären. Die kurze Antwort: Die Hantel liegt kompakter in der Hand und dadurch ist der Griff besser.

Die Frage nach den Auswirkungen auf den Körper ist jedoch etwas schwieriger zu beantworten. Um ganz genau zu sein, ist diese Frage auf wissenschaftlicher Ebene kaum bis gar nicht zu beantworten.

Daher war es mein Bestreben, eine wissenschaftliche Studie auf diesem Gebiet durchzuführen und somit einen sowohl wissenschaftlichen als auch praxisrelevanten Beitrag im Bereich des Kraftsports zu leisten.

Schließen möchte ich dieses Vorwort mit den Worten von Dr. Bret Contreras, welcher einmal sagte:

„If you think lifting weights is dangerous, try being weak.

Being weak is dangerous.“

PS: Ich bin zwar kein Freund von Anglizismen, jedoch werden in dieser Masterarbeit Begriffe wie „Deadlift“, „mixed grip, sticking point“ etc. nur in ihrer englischsprachigen Bezeichnung Platz finden. Dies ist damit zu begründen, dass diese Begriffe auch im Alltag zumeist in der englischen Variante benutzt werden.

Sorry dafür!

(6)

Seite | 6

Danksagung

Kurz und knapp möchte ich meinen Dank an folgende Personen/Institutionen richten:

• Meiner Betreuerin Fr. Dr. Sigrid Thaller, welche mich bei dieser Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen unterstützt hat. Auch war Sie es, welche mich als ihren Assistenten eingesetzt hat und mir somit den wissenschaftlichen Betrieb an der Universität Graz nähergebracht hat.

• Meiner kompletten Familie. Ich habe zwar in Sachen „Universität“ nichts Konkretes von Ihnen benötigt, aber ich weiß, dass wenn ich etwas benötigt hätte, sie mich unterstützt hätten.

• Dem Staate Österreich und der Stipendienstelle Graz, welche mich über meine gesamte Studienzeit finanziell mitgetragen haben und mir dadurch das Studieren überhaupt erst ermöglicht haben.

• Allen anderen, welche ich hier nicht erwähnt habe.

(7)

Seite | 7

“More people ask about the deadlift than any other exercise. That's good, because I think everyone should do it. “

_Arnold Schwarzenegger_

Abbildung 1: Arnold Schwarzenegger während bei der Ausführung des Deadlifts mit dem mixed grip. Zu diesem Zeitpunkt ruht das Gewicht noch am Boden, somit befindet er sich hier in der ersten konzentrischen Phase der Bewegung. (https://www.pinterest.com/pin/793548396827109315/)

(8)

Seite | 8

Inhaltsverzeichnis

ABSTRACT --- 2

VORWORT --- 4

DANKSAGUNG --- 6

Inhaltsverzeichnis --- 8

1. Einleitung --- 11

2. Der Deadlift --- 14

2.1. Biomechanik --- 15

2.1.1. Konzentrische Phase (Startphase) --- 15

2.1.2. Isometrische Phase (Haltephase) --- 21

2.1.3. Exzentrische Phase (Endphase) --- 22

2.2. Weitere Variationen des Deadlifts --- 23

2.2.1. Sumo Deadlift --- 23

2.2.2. Stiff-Leg Deadlift --- 24

2.2.3. Romanian Deadlift --- 25

2.2.4. Hex-Bar Deadlift --- 26

2.3. Grifftechniken --- 27

2.3.1. Double Overhand Grip --- 27

2.3.2. Hook Grip --- 28

2.3.3. Mixed Grip --- 28

2.4. Hilfsmittel --- 29

2.4.1. Zughilfen --- 29

2.4.2. Gewichthebergürtel--- 30

2.5. Verletzungen --- 31

2.6. Anatomie der untersuchten Muskeln --- 33

2.6.1. Musculus biceps brachii --- 33

2.6.2. Musculus trapezius --- 34

2.6.3. Musculus latissimus dorsi --- 35

2.6.4. Musculus erector spinae --- 35

2.6.5. Musculus vastus lateralis --- 36

(9)

Seite | 9

3. Messung von Kräften --- 37

3.1. Gängige Messsysteme --- 37

3.1.1. Dehnmessstreifen --- 38

3.1.2. Piezoelektrische Messsysteme --- 38

3.2. Bodenreaktionskräfte --- 39

3.3. Innere Kräfte --- 40

4. Elektromyographie (EMG) --- 42

4.1. Entstehung eines EMG-Signals --- 43

4.1.1. Depolarisation --- 43

4.1.2. Aktionspotential --- 44

4.1.3. Repolarisation --- 44

4.2. Oberflächenelektromyographie (sEMG) --- 44

4.2.1. Hautvorbereitung --- 45

4.2.2. Anbringung der Elektroden --- 46

4.3. Platzierung der Elektroden auf der Haut --- 47

4.4. Maximum Voluntary Contraction (MVC) --- 49

5. Motion Capture (MOCAP) --- 50

5.1. Optoelektrische Messsysteme --- 50

5.2. Qualisys --- 51

6. Methodik --- 54

6.1. Inklusionskriterien --- 54

6.2. Probandenbeschreibung --- 55

6.3. Studiendesign --- 55

6.3.1. Messung der maximalen elektrischen Aktivierung (MVC) --- 56

6.3.2. Spezifisches Aufwärmen (Aufwärmsätze) --- 57

6.3.3. Anbringung der reflektierenden Marker (MOCAP) --- 58

6.3.4. Hauptmessung --- 58

7. Datenanalyse --- 60

7.1. Statistik --- 60

7.2. Einteilung der 5-Phasen der Bewegung --- 60

7.3. Verarbeitung des sEMG-Signals --- 61

(10)

Seite | 10

8. Ergebnisse --- 62

8.1. Bodenreaktionskräfte --- 62

8.2. sEMG --- 65

8.3. Bewegungsausführung --- 67

9. Diskussion --- 68

10. Conclusio --- 72

11. Literaturverzeichnis --- 73

12. Abbildungsverzeichnis --- 80

13. Tabellenverzeichnis --- 83

14. Online-Quellen --- 84

Appendix --- 85

a.) Probandeninformation --- 85

b.) Einverständniserklärung --- 88

c.) Protokollblatt --- 89

(11)

Seite | 11

1. EINLEITUNG

„Regelmäßige Bewegung ist eine der wirksamsten und wichtigsten Maßnahmen, die Menschen ergreifen können, um ihre Gesundheit auf vielen Ebenen zu verbessern”

So lautet einer der ersten Sätze der neuesten Auflage der österreichischen Bewegungsempfehlungen (2020) (https://fgoe.org/sites/fgoe.org/files/2020-06/WB17_

bewegungsempfehlungen_bfrei.pdf). Mittlerweile ist es hinlänglich anerkannt, dass Sport und Bewegung einen wichtigen Beitrag für ein langes und vor allem ein gesundes Leben leisten können. Lange Jahre galt das klassische Ausdauertraining als das Mittel der Wahl, um sich fit und gesund zu halten. Im Gegensatz dazu hatte das Krafttraining es relativ schwer, sich im Gesundheitsbereich zu etablieren.

Über die Jahre hat sich zum Glück einiges getan und der positive Effekt von Krafttraining wird kaum mehr in Frage gestellt. Diese Aussage lässt sich dadurch untermauern, dass es das Krafttraining mittlerweile auch in die offiziellen WHO- Bewegungsempfehlungen geschafft hat.

Viel Forschung wurde auf diesem Gebiet in den letzten Jahren betrieben, um die positiven Effekte von Krafttraining auf alle möglichen Teilbereiche des Lebens bzw.

auf Bevölkerungsgruppen nachzuweisen. So konnte z.B. gezeigt werden, dass sich Krafttraining positiv auf die Psyche bzw. die mentale Gesundheit auswirkt (O'Connor et al. 2010), chronischen Erkrankungen vorbeugen kann (Mcleod et al. 2019) oder die generelle Lebensqualität von älteren Personen verbessern kann (Seguin und Nelson 2003), um nur ein paar zu nennen.

Und auch im Breitensport ist für viele ein gezieltes Krafttraining nicht mehr wegzudenken, auch wenn das Ziel oftmals nicht primär gesundheitsorientiert ist.

Denn so setzten viele das Krafttraining ein, um ihre sportliche Leistungsfähigkeit zu verbessern bzw. verfolgen damit ästhetische Ziele. Eine besondere Übung, welche man so gut wie in jedem Fitnessstudio sehen (und auch hören) kann, ist der Deadlift.

Dabei handelt es sich um eine simple Langhantelübung, bei welcher ein ruhendes Gewicht durch das Strecken des Hüft- und Kniegelenks auf etwas Hüfthöhe gehoben wird (Lee et al., 2018, S. 87). Es ist auch jene Übung, mit welcher in der Regel die höchsten Lasten gehoben werden können. So wird in der Praxis der Deadlift gerne mit Gewichten durchgeführt, welche nahe am individuellen Maximum liegen.

(12)

Seite | 12 Dies kann bei Ausführung mit einer

schlechten Technik zu Verletzungen führen. Auch kann das Trainieren mit schweren Lasten das Herz-Kreislauf-System kurz- zeitig extrem belasten. So ist ein systolischer Blutdruck von +300mmHg bei schwerem Krafttraining keine Seltenheit (Hackett und Chow 2013, S. 2341) was unter Umständen zu einem Schwindelgefühl oder zur kurzzeitigen Bewusstlosigkeit führen kann.

Um während des Trainings das Verletzungsrisiko möglichst gering zu halten, ist es von äußerster Wichtigkeit, die geforderte Bewegung korrekt durchzuführen und die Belastung möglichst gleichmäßig auf alle beteiligten Strukturen zu verteilen.

Bereits eine Vielzahl an Forscherinnen und Forschern haben sich dem Deadlift in all seinen Varianten gewidmet. So haben sich diverse Studien u.a. mit den Auswirkungen von unterschiedlichen Hebetechniken (Bezerra 2013; Cholewa et al. 2019; Escamilla et al. 2000; Escamilla et al. 2002; Lee et al. 2018) beschäftigt. Andere untersuchten die Auswirkungen unterschiedlicher Hantelstangen (Andersen et al. 2017; Camara et al. 2016; Lake et al. 2017; Swinton et al. 2011a) oder den Einfluss von elastischen Bändern bzw. Ketten (Andersen et al. 2019; Nijem et al. 2016; Swinton et al. 2011b) auf unterschiedliche Aspekte des Deadlifts. Jedoch ist aus wissenschaftlicher Sicht nur wenig bis kaum Forschung zum Thema „Griffhaltung/Grifftechnik“ im Zusammenhang mit dem Deadlift und seine Auswirkung auf den Körper durchgeführt worden.

Dabei handelt es sich hierbei um ein Thema, welches gerade bei dieser Übung von Relevanz ist. Denn in der Praxis wird der Deadlift nur allzu oft mit einem sogenannten

„mixed grip (MIX)“, also einer asymmetrischen Griffhaltung durchgeführt.

In der Vergangenheit haben Studien wie jene von Pratt et al. (2020) oder Lehman (2005) gezeigt, dass unterschiedliche Griffhaltungen auch unterschiedliche muskuläre Aktivitäten in der umliegenden Muskulatur hervorrufen können.

Abbildung 2: Eddie Hall während eines Deadlifts bei einem Strongman-Bewerb. Bei genauerem Hinsehen kann man erkennen, dass aufgrund der hohen Belastung Blut aus seiner Nase rinnt.

(https://www.thebeardmag.com/lifestyle/health/eddie-halls- deadlift-part-1/)

(13)

Seite | 13 Somit ist das Verwenden einer symmetrischen Griffhaltung die günstigere Wahl, wenn eine gleichmäßige Aktivierung bzw. Belastung der Muskulatur das primäre Ziel ist.

Speziell beim Deadlift hat die Verwendung des symmetrischen „double overhand grip (DOH)“ noch weitere Vorteile. So trainiert diese Grifftechnik verstärkt die Griffkraft, belastet die Schulterpartie gleichmäßiger und reduziert den Stress auf die Bizepssehne (Rippetoe 2015, S. 115).

Diese Masterarbeit untersucht die Auswirkungen zweier verschiedener Grifftechniken bei Lasten nahe dem individuellen Maximum und deren Auswirkung auf die Parameter Kraftverteilung/Bodenreaktionskraft, Muskelaktivierung und Bewegungsausführung.

Hierbei wird die Hypothese aufgestellt, dass eine asymmetrische Griffhaltung, wie sie beim mixed grip (MIX) der Fall ist, sich negativ im Sinne einer möglichst symmetrischen Bewegungsausführung auswirkt. Weiters soll mittels sEMG überprüft werden, ob (und wenn ja wie stark) sich die Ansteuerung ausgewählter Muskeln durch die Verwendung von MIX im Vergleich DOH verändert.

Diese Arbeit gliedert sich in mehrere Bereiche. So bietet der Abschnitt 2 einen breiten Überblick über das Thema „Deadlift“ per se. Das inkludiert die Biomechanik der Bewegung, verschiedene Techniken/Ausführungen, gängige Verletzungen etc.

Die Abschnitte 3, 4 und 5 beschäftigen sich mit einzelnen Messmethoden, welche bei dieser Studie zum Einsatz kamen.

In Abschnitte 6, 7 und 8 werden die genauen Abläufe und Durchführungsmodalitäten dieser Studie aufgezeigt, sowie die Ergebnisse präsentiert.

Die Diskussion in Abschnitt 9 betrachtet das Thema und die Studie bzw. das Studiendesign kritisch. Auch wird hier versucht, Erklärungen für die gefundenen Ergebnisse zu liefern.

Abschließend werden mit der Conclusio in Abschnitt 10 die Schlüsse aus dieser Arbeit gezogen und ein Ausblick für mögliche weitere Forschung gegeben.

Kurz soll noch darauf hingewiesen werden, dass diese Studie unter erschwerten Bedingungen durchgeführt wurde. Denn aufgrund der zu dem Zeitpunkt anhalten globalen SARS-CoV-2 Pandemie wurde die Rekrutierung von Probanden deutlich erschwert. Weiters wurde die Durchführung selbst dahingehend beeinflusst, dass die Labormessungen unter verschärften Sicherheitsmaßnahmen (ständige Desinfektion, tragen von FFP-2 Masken etc.) durchgeführt werden mussten.

(14)

Seite | 14

2. DER DEADLIFT

Der Deadlift, welcher gerne als das Maß für Ganzkörper-Kraft herangezogen wird, ist die letzte der drei Wettkampfübungen bei Kraft-Dreikampf-Bewerben. Er ist auch jene Übung, mit welcher in der Regel die größten Lasten bewegt werden können (Camara et al., 2016, S.1183).

In der Ausgangs- bzw. Startposition für den Deadlift (Abb. 3), befindet sich der Athlet bzw. die Athletin in einer schulterbreiten Hocke, welche der unteren Position der Kniebeuge ähnlich ist. Dabei zeigen die Arme gestreckt nach unten und die Hände umschließen die Stange knapp außerhalb der Beine. Die Stange wird so positioniert, dass sich diese auf der Höhe des Mittelfußes vor dem Athleten/der Athletin befindet. Danach wird die Stange durch eine Streckung des Hüft-, Knie- und Sprunggelenks nach oben geführt, bis ein aufrechter Stand erreicht ist (Escamilla et al. 2000, S. 1266).

Prinzipiell kann der Deadlift in unterschiedlichen Variationen durchgeführt werden, wobei sich aber zwei hervorheben, welche in der Praxis die gängigste Anwendung finden. Zum einen der klassische Deadlift, welcher durch die oben genannten Bewegungsabläufe definiert ist. Zum anderen der sogenannte „Sumo Deadlift“. Im Folgenden wird ausschließlich auf die klassische Variante des Deadlifts eingegangen.

Eine detaillierte Beschreibung der anderen Varianten (Sumo, Stiff-Leg, Romanian &

Hex-Bar) ist dem Abschnitt 2.2. zu entnehmen.

Diese Masterarbeit bezieht sich in ihrer Empirie auf die klassische Variante des Deadlifts. Sollte im Zuge dieser Arbeit eine Aussage getätigt werden, welche sich auf eine andere Variante bezieht, so wird explizit darauf hingewiesen.

Abbildung 3: Ausgangsposition beim Deadlift aus der Sagittal- eben (Rippetoe, 2015, S. 139).

(15)

Seite | 15 2.1. Biomechanik

Der Deadlift ist eine Übung, welche mit so genannten freien Gewichten durchgeführt wird. Dabei wird die Hantelstange vom Boden auf ca. Hüfthöhe gehoben (Abb. 4). Dies geschieht durch die Streckung aller Gelenke der unteren Extremitäten (Lee et al. 2018, S. 87).Chronologisch betrachtet beginnt der Deadlift mit einer konzentrischen Phase, hat an seinem höchsten Punkt eine kurze isometrische Haltephase und endet mit einer exzentrischen Bewegung. Anders als bei vielen anderen Übungen, wie z.B. der Kniebeuge oder dem Bankdrücken, muss man hier die Kraft gegen ein Objekt (Hantelstange) aufbringen, welches sich in völliger Ruhe befindet. Somit beginnt der Deadlift an seinem (mechanisch gesehen) schwersten Teil der Bewegung, weil u.a. durch das Wegfallen der exzentrischen Bewegung kaum elastische Energie in der Muskulatur im Vorfeld aufgebaut werden kann (Rippetoe 2015, S. 114).

Da der Bewegungsablauf des Deadlifts alle drei Phasen (konzentrisch, isometrisch und exzentrisch) durchläuft, macht es durchaus Sinn, die biomechanische Analyse der Bewegung in ihre einzelnen Phasen zu unterteilen.

2.1.1. Konzentrische Phase (Startphase)

Wie der Name schon verrät, müssen in dieser Phase die für die Bewegungsausführung hauptverantwortlichen Muskeln konzentrische Arbeit verrichten. Diese ist dadurch definiert, dass die betroffenen Skelettmuskeln kontrahieren und sich dabei verkürzen.

Hierbei muss die durch die Kontraktion verursachte Kraft größer sein, als jene des wirkenden Widerstandes, um eine Bewegung des betroffenen Gelenks einzuleiten (Haff und Triplett 2016, S. 32).

Abbildung 4: Sequenz a, b & c beschreiben den konzentrischen Verlauf der Bewegung, wohingegen Sequenz d die

isometrische Haltephase darstellt. In der exzentrischen Phase wird dieser Bewegungsablauf rückwärts durchlaufen

(Rippetoe, 2015, S. 130).

(16)

Seite | 16 Im Falle des Deadlifts wird die konzentrische Phase damit beendet, indem sowohl Knie-, als auch Hüftgelenk vollständig gestreckt sind. Das bedeutet, dass die Extensoren des Hüft- und Kniegelenks als die primär arbeitenden Muskeln angesehen werden können. Eine Studie von Andersen et al. (2018) (Abb. 5), in welcher der Deadlift mit anderen Übungen (Hex-Bar Deadlift & Hip Thrust) verglichen wurde hat beispielsweise gezeigt, dass sowohl die großen Hüftextensoren (M. gluteus maximus

& M. biceps femoris) als auch der M. erector spinae über die gesamte Amplitude der konzentrischen Phase eine hohe elektrische Aktivität aufweisen (Andersen et al. 2018, S. 590).

Der konzentrischen Phase, ausgeführt mit freien Gewichten, wohnt eine besondere Eigenheit inne, welche bei allen drei Übungen des Kraftdreikampfes (Bench Press, Squat & Deadlift) zu beobachten ist.

Abbildung 5: Durchschnittliche elektrische Muskelaktivierung (normiert auf die MVC) bei unterschiedlichen Übungen und Muskeln während der jeweiligen konzentrischen Phase.

□ =klassischer Deadlift; ● = Hex-Bar Deadlift; ○ = Hip Thrust (Anderson et al. 2018, S. 589)

(17)

Seite | 17 Betrachtet man die vertikale Geschwindigkeit, mit welcher sich die Hantelstange in der konzentrischen Phase bewegt, so ist (ausgeführt mit Lasten nahe der individuellen Leistungsgrenze [1 RM]) an einem bestimmten Punkt der Bewegung oftmals ein Abfallen der Geschwindigkeit zu beobachten. Diese Verlangsamung der Bewegung definiert den so genannten „sticking point/region“.

Dieser sticking point ist sehr oft der Punkt, an welchem eine vollständige Bewegungsausführung scheitert. Die Gründe hierfür sind komplex und sowohl von physiologischer als auch biomechanischer Natur. Zum einen spielen individuelle Muskeleigenschaften wie Kraft-Längen-Relation, Kraft-Geschwindigkeits-Relation, muskuläre Ermüdung, Muskelfaser-Rekrutierung und Muskelfaserzusammensetzung eine Rolle, zum anderen die auftretenden Drehmomente, welche während der Bewegungsausführung auf die einzelnen Gelenke wirken und sich im Laufe der Bewegung ändern (Kompf und Arandjelović 2017, S. 632–633).

Eine genauere Erklärung dieses Phänomens beschäftigt Forscherinnen und Forscher schon seit längerer Zeit und stellt sich als durchaus schwierig heraus. Frühere Untersuchungen haben sich beim Versuch einer Erklärung primär auf die Biomechanik konzentriert. So haben bereits mehrere Studien wie z.B jene von Elliott et al. (1989) argumentiert, dass der sticking point vorwiegend durch mechanisch ungünstige Positionen der beteiligten Teilkörper beeinflusst wird. Jedoch ist eine solche Generalisierung vor allem für mehrgelenkige Übungen kaum zulässig, da sich die reelle Kraftkurve einer solchen Bewegung aus mehreren Kraftkurven der beteiligten Muskeln zusammensetzt, welche in einem nicht-linearen Verhältnis zueinanderstehen.

Für konkrete Aussagen über die „schwächste Position“ während einer Bewegung sind empirische Daten wie z.B. die Charakteristika der isometrischen Maximalkraft jedes beteiligten Muskels von Nöten (Kompf und Arandjelović 2016, S. 755).

(18)

Seite | 18 Auch wenn die genauen Ursachen des sticking points noch nicht zu 100% geklärt werden konnten, so macht es trotzdem Sinn, diese Eigenheit in Bewegungsanalysen miteinzubeziehen. So hat z.B. Escamilla et al. (2000) die konzentrische Phase des Deadlifts, basierend auf der Geschwindigkeit der Hantelstange, in drei Abschnitte unterteilt (Abb. 6):

a.) Erste maximale Geschwindigkeit (1st Peak Velocity) b.) Minimale Geschwindigkeit (Min Bar Velocity)

c.) Zweite maximale Geschwindigkeit (2nd Peak Velocity)

In der oben erwähnten Studie befand sich der Bereich der minimalen Geschwindigkeit (sticking point) an jenem Punkt, an welchem die Hantelstange die Knie in vertikaler Richtung passiert bzw. nach durchschnittlich 43% der Gesamtzeit für die konzentrische Bewegungsausführung (Abb. 6). Dies deckt sich auch mit dem praxisbezogenen Wissen des Autors dieser Arbeit.

Das Phänomen des sticking points wurde des Weiteren von Hales et al. (2009) für die Kniebeuge als auch den Deadlift und von Lander et al. (1985) für das Bankdrücken untersucht.

Abbildung 6: Repräsentative Darstellung der Geschwindigkeiten (m/s) der Hantelstange während der

konzentrischen Phase des Deadlifts. Liftoff = Hantelstange verlässt den Boden; AP = Beschleunigungs-Phase; 1st Peak Velocity = erste maximale Geschwindigkeit; SR = sticking region; Min Bar Velocity = minimale

Geschwindigkeit; MSR = maximale Kraftentwicklung; 2nd Peak Velocity = zweite maximale Geschwindigkeit;

DP = Abbrems-Phase; Lift Completion = Ender der konzentrischen Phase (Escamilla et al., 2000, S. 1272)

(19)

Seite | 19 Auf muskulärer Ebene ist der Deadlift dafür bekannt, dass er eine Vielzahl an Muskeln innerviert. Zwar sind während der konzentrischen Phase die Extensoren der Bein- und Hüftmuskulatur als primäre Agonisten der Bewegung gefordert, jedoch sind auch Muskeln, welche sonst als Antagonisten (Flexoren) fungierenden, von extremer Wichtigkeit. So agieren zum Beispiel die Beinbeuger (M. biceps femoris, M.

semimembranosus & M. semitendinosus) als dynamische Stabilisatoren und können somit in diesem Fall eher als Synergisten und weniger als Antagonisten angesehen werden (https://exrx.net/-Kinesiology/Deadlift).

Hierbei sei ganz grundsätzlich zu erwähnen, dass sich eine klare Einteilung in Agonisten, Antagonisten und Synergisten bei mehrgelenkigen Muskeln generell als schwierig erweist, da sie (wie z.B. der M. biceps femoris oder der M. rectus femoris) über zwei Gelenke ziehen und daher gleichzeitig als Hüftstrecker und Kniebeuger (M.

biceps femoris) beziehungsweis als Hüftbeuger und Kniestrecker (M. rectus femoris) fungieren. Genaueres zu dieser Thematik ist dem Abschnitt 2.6. (Anatomie der untersuchten Muskeln) zu entnehmen.

Aus dem Blickwinkel der Biomechanik betrachtet beeinflussen auch individuelle, anthropometrische Eigenheiten wie Körpergröße oder die Längenverhältnisse von Armen und Beinen (Tab. 1) einer Person die Bewegungsausführung während der konzentrischen Phase.

Tabelle 1: Einteilung der Segmentlänge (%) von Oberkörper, Beinen und Armen in Relation zur Gesamt- körpergröße (Hales 2010, S. 47).

Diese Faktoren werden vor allem dann wichtiger, wenn die zu überwindende Last nahe an der persönlichen Leistungsgrenze liegt. Dementsprechend sollte hier die Hebetechnik bzw. der Hebestil (sumo oder klassisch, siehe Abschnitt 2.2.) angepasst werden. Zwar lassen sich keine eindeutigen Aussagen darüber treffen, welche Technik für welchen Körperbau die ideale ist, jedoch kann man grobe Zuweisungen wagen, welche körperlichen Eigenschaften welchem Stil besser entgegenkommen (Tab. 2) (Hales 2010, S. 45).

Durchschnitt (%) Überdurchschn. (%) Unterdurchschn. (%)

Torso 32 > 32 < 32

Beine 49 > 49 < 49

Arme 38 > 38 < 38

(20)

Seite | 20 Tabelle 2:Anthropometrische Merkmale einer Person, welche unterschiedliche Hebetechniken (klassisch oder sumo) begünstigen (Hales 2010, S. 47).

Diese Schlussfolgerung ergibt sich laut Hales et al. (2009) daher, dass man die muskuläre Beanspruchung der jeweiligen Technik auf die Hauptmuskelgruppen miteinbeziehen muss. So ist z.B. der klassische Deadlift von sich aus hüftdominanter als der Sumo Deadlift. Diese Hüftdominanz würde sich noch weiter ausprägen, wenn die jeweilige Person einen langen Oberkörper mit (relativ gesprochen) kurzen Armen hätte, da sich diese Person noch weiter in eine Vorlage begeben müsste, um die Stange zu greifen. Diese Körperposition würde somit das Drehmoment auf das Hüftgelenk und den unteren Rücken noch weiter vergrößern (Hales et al. 2009, S. 47). Auch sollte noch erwähnt sein, dass der konzentrische Teil der Bewegungsausführung (unabhängig von der Anthropometrie), ausgeführt mit Lasten nahe am Maximum, anders als z.B. beim Squat, dessen konzentrischen Phase durch eine gleichmäßige Streckung aller beteiligten Gelenke gekennzeichnet ist, als eine sequenzielle Bewegung angesehen werden muss. Denn im Regelfall startet der Deadlift mit einer Knie-Extension (noch bevor die Hantelstange den Boden verlässt) und geht sobald der ideale Kniewinkel erreicht wurde in die Hüft-Extension über. Letztendlich wird der Abschluss der konzentrischen Phase, der sogenannte „Lock-Out“ (Abb. 7) mit einer synchronen Streckung und Verriegelung von Knie- und Hüftgelenk erreicht (Hales 2010, S. 45).

anthropometrische Merkmale klassisch sumo

langer Torso / kurze Arme X

langer Torso / lange Arme X

kurzer Torso / kurze Arme X

kurzer Torso / lange Arme X

durchschnittl. Torso / kurze Arme X

durchschnittl. Torso / lange Arme X

kurzer Torso / durchschnittl. Arme X X

langer Torso / durchschnittl. Arme X X

(21)

Seite | 21 2.1.2. Isometrische Phase (Standphase)

So komplex und umfangreich die konzentrische Phase des Deadlifts auch sein mag, so simpel scheint die isometrische Haltephase zu sein.

Der Begriff „isometrisch“ leitet sich von dem griechischen Wort „isometria“ ab und bedeutet übersetzt so viel wie „gleiches Maß“ oder „gleiche Länge“.

Diese Begrifflichkeit kommt daher, dass aus muskelphysiologischer Sicht bei einer iso- metrischen Kontraktion keine Änderung der Muskellänge zu beobachten ist. Eine isometrische Kontraktion kann zwar eine enorme Kraft produzieren, aus physikalischer Sicht ist die verrichtete Arbeit jedoch gleich Null (W=F*s) (McArdle et al. 2015, S. 509–511).

Bei Kraftdreikampf-Wettkämpfen gilt die Übung dann als erfolgreich durchgeführt, wenn der Athlet bzw. die Athletin aufrecht und mit voll gestreckten Beinen ruhig steht und die Schultern nach hinten zieht (Lock-Out) und danach das Gewicht

kontrolliert wieder zu Boden lässt (Escamilla et al. 2000, S. 1266).

Abbildung 7: Der Lock-Out: Sowohl Knie- als auch Hüftgelenk sind zur Gänze gestreckt und die Schultern werden aktiv nach hinten gezogen.

(22)

Seite | 22 2.1.3. Exzentrische Phase (Endphase)

In dem letzten Teilstück der Bewegung geht es darum, die Hantelstange wieder (mehr oder weniger) kontrolliert zu Boden zu führen.

Dies geschieht gegengleich dem Bewegungsablauf der konzentrischen Phase durch eine Knie- und Hüftflexion.

Prinzipiell wird eine exzentrische Phase bei jeder Übung durchlaufen, bei der ein Gewicht gesenkt wird und man sich somit in die gleiche Richtung wie die wirkende Gravitationskraft bewegt.

Bei einem klassischen Krafttraining sorgt die exzentrische Kraft eines Muskels dafür, dass ein Gewicht kontrolliert und gebremst nach unten geführt wird und nicht mit der vollen Beschleunigung der Gravitation (~9,81m/s²) zu Boden fällt. Auf muskulärer Ebene ist eine exzentrische Bewegung dadurch gekennzeichnet, dass ein aktivierter Muskel gedehnt, also verlängert wird.

Dies ist der Fall, wenn die auf ihn wirkenden äußeren Kräfte größer sind als die vom Muskel selbst produzierten Kräfte (Herzog 2014, S. 2825).

Das Ablegen der Hantelstange ist beim Deadlift zumeist nur reine Formsache.

Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich, auch diese Phase der Bewegung ordnungsgemäß durchzuführen, um stets die Kontrolle über die Bewegungsausführung zu behalten.

Bei offiziellen Wettkämpfen ist es wichtig, die Hantel wieder kontrolliert zu Boden zu führen und nicht einfach fallen zu lassen. Denn dies würde einen Regelverstoß bedeuten und die Ausführung würde als ungültig gewertet werden (https://www.powerlifting-ipf.com/rulescodesinfo/approved-list.html).

(23)

Seite | 23 2.2. Variationen des Deadlifts

Zwar gelten der klassische Deadlift und der Sumo Deadlift als die beiden gängigsten Arten der Übungsausführung, jedoch gibt es noch ein paar weitere Variationen, wie der Deadlifts ausgeführt werden kann. Diese unterscheiden sich entweder in der Bewegungsausführung oder in der Art/Form der verwendeten Hantelstange.

Der Vollständigkeit zuliebe soll in diesem Abschnitt der Masterarbeit auch auf diese Variationen kurz eingegangen werden.

2.2.1. Sumo Deadlift

Der Sumo Deadlift unterscheidet sich vom klassischen Deadlift dadurch, dass die Beine weiter außen platziert werden und die Stange innerhalb dieser gegriffen wird (Abb. 8) (Cholewa et al. 2019, S. 448).

Die Änderung der Fuß- und Griffposition zugunsten des Sumo Deadlifts hat u.a. zur Folge, dass der Oberkörper zu Beginn der Bewegung eine aufrechtere Position einnimmt und dadurch der untere Rücken stärker entlastet wird. Des Weiteren ist die mechanische Arbeit, welche geleistet werden muss, um die Endposition zu erreichen, aufgrund der breiteren Standposition eine geringere, da das Gewicht nicht so hoch gehoben werden muss (McGuigan & Wilson 1996, S. 252–254).

Dieses Ausmaß kann bis zu 30% betragen und ist auf den 2-3 mal breiteren Stand und dem dadurch niedrigeren Körperschwerpunkt zurückzuführen (Escamilla et al. 2000, S.

1272).

Abbildung 8:Links: Ausgangsposition beim Sumo Deadlift; Rechts: Endposition beim Sumo Deadlift (https://www.shutterstock.com/de/search/sumo+deadlift)

(24)

Seite | 24 2.2.2. Stiff-Leg Deadlift

Beim Stiff-Leg Deadlift handelt es sich um eine Variation, welche primär die Rückenstrecker und die hintere Oberschenkelmuskulatur fordert. Die Kniestrecker spielen hier kaum eine Rolle, da die Hantel mit beinahe gestreckten Beinen vom Boden gehoben wird.

Ausgangsposition hierfür ist ein in etwa schulterbreiter Stand, wobei sich die Hantelstange auf Höhe des Mittelfußes befindet. Die Stange wird wie beim klassischen Deadlift, etwas außerhalb der Beine gegriffen. Nun wird die Hantel nur durch das Aufrichten des Oberkörpers auf Hüfthöhe gehoben. Die Endposition ist dieselbe wie beim klassischen Deadlift. Wichtig für die Übungsausführung ist, dass der Rücken während der ganzen Zeit gerade bzw. nur minimal gekrümmt ist, um Kompressionen in den Bandscheiben zu vermeiden.

Das Herablassen der Hantelstange geschieht auf umgekehrtem Wege. Auch hier werden die Knie nur (falls überhaupt) minimal gebeugt, während sich der Oberkörper durch eine Flexion des Hüftgelenks nach vorne beugt, bis die Hantelstange wieder am Boden angekommen ist (Graham 2001, S. 70–71).

(25)

Seite | 25 2.2.3. Romanian Deadlift

Der sogenannte „Romanian Deadlift" (Abb. 9) ist dem Stiff-Leg Deadlift sehr ähnlich.

Auch er innerviert primär die Muskeln der Rückenstrecker und des hinteren Oberschenkels. Die Bewegung an sich ist gleich der des Stiff-Leg Deadlifts. Der einzige nennenswerte Unterschied ist, dass während der exzentrischen Phase die Hantel aktiv an die Beine herangezogen wird. Dies verringert den Lastarm auf den Oberkörper und positioniert die Last näher zur Drehachse (Piper und Waller 2001, S. 68)

Abbildung 9: Die konzentrische Phase des Romanian Deadlift. Die Beine sind während der gesamten

Bewegungsamplitude so gut wie gestreckt, wobei die Hüfte etwas nach hinten geschoben und die Stange aktiv zu den Beinen gezogen wird.

(http://www.thefitworldblog.com/common-romanian-deadlift-mistakes/)

(26)

Seite | 26 2.2.4. Hex-Bar Deadlift

Die Übungsausführung mit einer anders geformten Hantelstange (Hex-Bar [Abb.10]) ist eine beliebte Variation zum gewöhnlichen Deadlift. Hier bildet die Stange einen hexagonalen Rahmen und der/die AthletIn steht innerhalb dieses Rahmens. Dies wirkt sich entscheidend auf die Bewegungsausführung aus. Denn durch die spezielle Form der Hantelstange wandert der Schwerpunkt des Gewichts näher an den eigenen Körperschwerpunkt. Untersuchungen von u.a. Camara et al. (2016) und Swinton et al (2011a) haben gezeigt, dass eine signifikante Änderung der Muskelaktivierung durch das Verwenden einer Hex-Bar in der Beinmuskulatur festzustellen ist. Diese Ergebnisse beruhen auf einer Reduktion des mechanischen Stresses der Lendenwirbelsäule, der Hüfte und der ischiocruralen Muskulatur. Jedoch wird auf der anderen Seite die Muskulatur der Oberschenkel-Vorderseite stärker belastet.

Der Studie von Camara et al. (2016) zufolge hat das Verwenden einer Hex- Bar auch signifikante Aus-wirkungen auf die maximale Bodenreaktionskraft, die maximale Geschwindigkeit und die maximale Leistung. So konnten in seiner Studie bei diesen drei Parametern höhere Maximalwerte (+1,73%, +11,0%, +14.1%) im Vergleich zum konventionellen Deadlift

festgestellt werden (Camara et al. 2016, S. 1183–1184).

Die Erhöhung der maximalen Geschwindigkeit lässt sich dadurch erklären, dass eine Hex-Bar im Vergleich zu einer gewöhnlichen Stange nur einen sehr geringen Weg in der horizontalen Ebene durchlaufen muss (Swinton et al., 2011a, S. 2003). Dadurch, dass der Körper innerhalb der Stange positioniert wird, nähert sich der Schwerpunkt des Gewichts dem Körperschwerpunkt an, was eine längeren Beschleunigungsphase erlaubt (Lake et al. 2017, S. 6).

Abbildung 10: Hexagonale Deadlift-Hantelstange:

Durch das Stehen innerhalb des Rahmens wandert der Schwerpunkt näher zum eigenen Körperschwerpunkt.

Das sorgt für eine andere Muskelaktivierung im Vergleich mit dem klassischen Deadlift

(https://www.builtlean.com/weight-lifting-bars/)

(27)

Seite | 27 2.3. Grifftechniken

Jede Variante des Deadlifts kann mit verschiedenen Grifftechniken durchgeführt werden. Hier unterscheidet man den doppelten Oberhandgriff (engl. double overhand grip [Abb. 11]) und den Kreuzgriff (engl. mixed grip [Abb. 12]).

double overhand vs.

mixed grip

In den folgenden Abschnitten soll auf die einzelnen Vor- und Nachteile der beiden Grifftechniken, sowie kurz auf die Verwendung von speziellen Zughilfen eingegangen werden.

2.3.1. Double Overhand Grip

Bei dieser Technik wird die Langhantelstange mit beiden Händen im Obergriff, also mit pronierten Händen gefasst. Dieser Griff ist als der wohl intuitivste anzusehen und hat den Vorteil, dass die Belastung symmetrisch verteilt wird. Jedoch birgt er auch den Nachteil, dass sich die Hantelstange leichter aus der Hand „dreht“, wodurch der Griff bzw. die Griffkraft zum limitierenden Faktor der Bewegung werden kann (Pratt et al.

2020, S. 1). Neben der Symmetrie der Bewegung spricht aber auch der Umstand für diesen Griff, dass durch eben diesen die Unterarmmuskulatur besser trainiert wird, da man die Stange regelrecht „zusammendrücken“ muss (Rippetoe 2015, S. 115). Pratt et al. (2020) konnten z.B. zeigen, dass eine höhere Aktivierung der Unterarmmuskulatur durch das Verwenden des double overhand grips im Vergleich zum mixed grip erreicht wird (Pratt et al. 2020, S. 6).

Abbildung 11: Double overhand grip:

Beide Arme sind proniert und die Hände umgreifen die Stange symmetrisch im Obergriff.

Abbildung 12: Mixed grip: Ein Arm wird supiniert. Dadurch wird ein festerer Griff erreicht, jedoch der Körper asymmetrisch belastet.

(28)

Seite | 28 2.3.2. Hook Grip

Im Zuge des double overhand grips sei noch eine weitere Variation dieser Grifftechnik zu erwähnen, nämlich der sogenannte „hook grip“. Dabei wird anders als beim klassischen DOH, wo der Daumen über die bereits geschlossenen Finger geschlossen wird, zuerst der Daumen um die Hantelstange geschlossen und dann dieser mit mindestens zwei Fingern (Zeige- und Mittelfinger) überdeckt (Abb.13) (Tsuruda 1989, S. 40).

Der hook grip wird als eine sehr effektive Art angesehen, um einen festen und sicheren Griff an die Stange zu bringen, da die natürliche Rollbewegung der Hantelstange in der Hand minimiert wird (Oranchuk et al. 2019, S. 379). Jedoch hat er den Nachteil, dass viele AthletInnen und Athleten über starke Schmerzen im Bereich des Daumens klagen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass fast das ganze Gewicht der Hantelstange auf diesen flächenmäßig kleinen Punkt drückt (Pratt et al. 2020, S. 1). Auch sind bei dieser Technik aus anatomischer Sicht lange Finger, bzw. ein langer Daumen für die Durchführung essenziell, weil damit die Stange samt eigenen Finger besser umschlossen werden kann.

2.3.3. Mixed Grip

Dem double overhand grip bzw. hook grip steht der mixed grip gegenüber. Diese Griffhaltung erlaubt es in der Regel, einen festeren Griff an die Hantelstange zu bekommen. Bei dieser Griffhaltung wird eine Hand (zumeist die nicht dominante Hand) supiniert und die Stange somit im Untergriff gefasst, während die andere Hand in der Obergriff-Position bleibt (Rippetoe 2015, S. 114–115).

Abbildung 13: links = overhand grip: Der Daumen wird auf die bereits geschlossenen Finger gelegt. rechts = hook grip: Der Zeige- und Mittelfinger umschließen den Daumen (Pratt et al., 2020, S.3)

(29)

Seite | 29 Diese gegengleiche Griffhaltung resultiert in zwei Drehmomente, welche einander entgegengesetzte wirken und dadurch ein herausrollen der Stange aus der Hand verhindern (Pratt et al. 2020, S. 1). Jedoch wird hier der feste Griff auf Kosten anderer Strukturen erreicht. Denn der mixed grip geht mit einer sehr hohen Zugspannung auf die Bizepssehne des supinierten Armes einher. Auch kann es zu übermäßigen Verdrehungen im Bereich der Hüfte kommen, was die gesamte Bewegung aus der Balance bringen könnte (Jukic et al. 2021, S. 2).

2.4. Hilfsmittel

Je nachdem, worauf der Fokus im Training gerichtet wird, bzw. bei welchem Wettkampf man aktiv teilnimmt, können auch unterschiedliche Hilfsmittel in Anspruch genommen werden. Zu den gängigen Utensilien, welche auch regelmäßig in Fitnessstudios zu finden sind, gehören spezielle Zughilfen und der Gewichthebergürtel.

2.4.1. Zughilfen

Will man große Lasten mit einer symmetrischen Armposition bewegen, so empfiehlt es sich auf sogenannte Zughilfen zurückzugreifen. Diese stellen vor allem eine Erleichterung für all jene

Athletinnen und Athleten dar, welche kleine Hände oder kurze Finger haben und somit aus anatomischer Sicht nicht in der Lage sind, den hook grip zu verwenden. Bei solchen Zughilfen handelt es sich um spezielle Bänder, welche zuerst an den Handgelenken befestigt, und dann um die Hantelstange geschlungen

werden (Abb. 14). Durch die dadurch bessere Fixierung der Langhantel in der Hand, spielt die Griffkraft eine kleinere Rolle und es können größere Lasten gehoben werden (Coswig et al. 2015, S. 3399).

Abbildung 14: Gängige Variante einer Zughilfe,

(https://www.workoutuni.com/best-weight-lifting-straps/)

(30)

Seite | 30 Die logische Konsequenz, welche sich daraus ergibt, ist die Tatsache, dass ein gewisser Anteil der Haltearbeit von den Fingern bzw. dem Unterarmen an die Zughilfen übergeben wird und somit der Trainingseffekt für die Muskulatur des Unterarmes geringer ausfällt (Valério et al. 2019, S. 2).

Die Verwendung solcher Zughilfen ist bei offiziellen Kraft-Dreikampf Wettkämpfen nicht erlaubt. Daher eignen sie sich vorwiegend für Athletinnen und Athleten, welche nicht vorhaben, an offiziellen Wettkämpfen teilzunehmen, aber trotzdem mit sehr schweren Lasten trainieren wollen (Rippetoe 2015, S. 114–115).

2.4.2. Gewichthebergürtel

Bei einem Gewichthebergürtel (Abb. 15) handelt es sich um einen breiten, sehr steifen Gürtel, welcher einen großen Teil des Abdomens und des unteren Rückens umschließt. Obwohl es zwar keine klare Evidenz dafür gibt, dass ein solcher Gürtel die Verletzungsgefahr minimiert, wird er trotzdem sehr häufig verwendet. Ein Gewichthebergürtel bewirkt, dass die Muskelsteifigkeit der Rückenstrecker zunimmt.

Daher wird er vorwiegend bei Übungen wie dem Deadlift und der Kniebeuge verwendet, da hier die Wirbelsäule gegen eine starke Flexion arbeiten muss (Durall und Manske 2005, S. 70)

Weiters scheint ein solcher Gürtel, sofern richtig angelegt, den intraabdominalen Druck zu erhöhen, was wiederum die Lendenwirbelsäule stabilisiert und somit Kompressionskräfte auf den einzelnen Wirbelkörpern minimiert (Harman et al.

1989, S. 186).

Auch wenn das genaue Ausmaß der zusätzlichen Stabilisation nur schwer abzuschätzen ist, so sorgt ein solcher Gürtel für ein permanentes taktiles Feedback. Dieses Feedback kann auch dazu führen, dass während der Bewegung Fehlhaltungen besser bemerkt werden und dadurch eine rasche Korrektur der Haltung eingeleitet werden kann (Durall und Manske 2005, S. 70).

Abbildung 15: Eng angelegt bewirkt ein Gewichthebergürtel einen höheren intra- abdominalen Druck und stabilisiert die Lendenwirbelsäule.

(31)

Seite | 31 2.5. Verletzungen

Das Wissen über die gängigsten Verletzungen in einer bestimmten Sportart ist besonders wichtig, wenn es darum geht, solche Verletzungen zu vermeiden. Nur wer die speziellen Merkmale einer Bewegung kennt und weiß, welche Strukturen welchen Belastungen (und vor allem wie hohen) ausgesetzt sind, der kann sein Training dementsprechend steuern und sicher gestalten.

Bei einem Blick in die einschlägige Fachliteratur fällt auf, dass der Deadlift im Zusammenhang mit Verletzungen oftmals in einer Kombination mit dem Squat (Kniebeuge) und der Bench Press (Bankdrücken) betrachtet wird. Das hat den Grund, dass diese drei Übungen in Kombination die drei Übungen des Kraft-Dreikampfs bilden.

Als Beispiel hierfür dient u.a. eine Studie von Strömbäck et al. (2018), welche herausfand, dass von 104 untersuchten, semiprofessionellen Kraft-Dreikämpfern, 87%

in den vergangenen 12 Monaten Verletzungen ausgesetzt waren. Die am häufigsten betroffenen Regionen waren hier die Schultern (36%), der unterer Rücken (35%) und die Knie (23%) (Strömbäck et al. 2018, S. 5). Diese hohe Zahl an Verletzungen, besonders im Bereich des unteren Rückens, lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass während des Deadlifts extreme Kompressionskräfte auf den unteren Rücken (besonders im Bereich des 4 und 5 Lendenwirbels) wirken (Cholewicki et al. 1991, S.

1182). Auch in anderen, artverwandten Sportarten sind ähnliche Verletzungsmuster keine Seltenheit. Denn auch im Bodybuilding, aber vorwiegend bei Strongman*

AthletInnen ist eine auffällig hohe Verletzungsrate im Bereich des unteren Rückens, der Schulter, des Knies und des Biceps brachii zu beobachten. Dies scheint den Grund zu haben, dass auch bei diesen Sportarten die drei Basisübungen (Bankdrücken, Kniebeuge & Kreuzheben) regelmäßig mit hohen Lasten durchgeführt werden. Dazu kommen noch spezifische Übungen, welche zwar in ihrem Bewegungsablauf unterschiedlich sind, aber dieselben Muskelgruppen beanspruchen (Winwood et al.

2014, S. 28–33).

*“Strongman als Wettkampfsport ist eine Disziplin der Schwerathletik, die im Gegensatz zum Kraftdreikampf oder dem Gewichtheben sowohl statische als auch dynamische, daneben aber auch kraftausdauerbetonte und maximalkraftbetonte Wettbewerbe vorhält.“ (https://www.strongman- austria.at/austrian-strongman-federation/)

(32)

Seite | 32 Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Verletzungen im Bereich des Kraftsports zwei unterschiedlichen Schemata unterliegen. Entweder können sie einen akuten Charakter haben, oder auch durch chronische Überbeanspruchung hervorgerufen werden, wobei Letztgenanntes der gängigere Grund für Verletzungen zu sein scheint (Bengtsson et al. 2018, S. 1).

So hoch die physische Belastung während des Deadlifts (vor allem auf den Bereich der Lendenwirbelsäule) auch sein mag, so spricht trotzdem nichts gegen die regelmäßige Ausübung dieser. Selbst, wenn es Probleme oder Einschränkungen im Bereich der unteren Wirbelsäule geben sollte, kann durch das Treffen der entsprechenden Maßnahmen und Adaption der Übung diese bedenkenlos ausgeführt werden.

Als Beispiel hierfür kann auf die Durchführung mit der Sumo Technik oder die Verwendung einer Hex-Bar (Abschnitt 2.2.) verwiesen werden. Diese beiden Maßnahmen gelten generell als schonender und können die Wirbelsäule deutlich entlasten. In beiden Fällen reduziert sich der Lastarm zu Beginn der Bewegung, was zu einer Reduktion der auftretenden Scherkräfte in der Lendenwirbelsäule führt und diese somit entlastet wird (Swinton et al. 2011a, S. 2006).

Rein grundsätzlich ist Gewichtheben ein sehr sicherer und verletzungsarmer Sport, was auch von der Tatsache untermalt wird, dass die Verletzungsrate viermal geringer ist als bei anderen weitverbreiteten Sportarten wie Fußball oder dem American Football (Radenković & Nešić 2018, S. 2–3).

Um eine grobe Vorstellung davon zu bekommen, welche Kräfte während des Deadlifts auf unterschiedliche Strukturen des Körpers wirken, ist der Abschnitt 3.3. diesem Thema gewidmet. Er gibt einen Überblick über die wirkenden Kompressions- und Scherkräfte, sowie über auftretende Drehmomente, welche in der LWS wirken können.

(33)

Seite | 33 2.6. Anatomie der untersuchten Muskeln

Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei dem Deadlift um eine Übung, welche so gut wie den gesamten Körper fordert und somit eine Vielzahl an Muskeln innerviert. So ist es auch der Fall, dass während der Bewegung einige der muskulären Agonisten und Antagonisten zur gleichen Zeit aktiviert sind. Besonders zeigt sich diese Aktivität rund um das Knie- und Hüftgelenk. In diesen Bereichen sind sowohl die Flexoren als auch die Extensoren während des gesamten Bewegungsablaufs aktiviert und angespannt.

Als Beispiel hierfür sei z.B. die ischiocrurale Muskulatur (M. biceps femoris, M.

semitendinosus & M. semimenbranosus) genannt, welche das Knie während der konzentrischen Phase stabilisieren und für eine Extension der Hüfte sorgen, während der M quadriceps femoris das Kniegelenk streckt (Lee et al. 2018, S. 87).

Beim Deadlift sind neben den offensichtlich beteiligten Muskeln der unteren Extremitäten noch viele weitere Muskeln von großer Wichtigkeit. Besonders hervorzuheben ist hier die gesamte Lenden- und Rumpfmuskulatur, welche die Wirbelsäule gerade und stabil in Position hält und somit die wirkende Kraft durch den Rumpf überträgt. Diese Muskeln werden isometrisch kontrahiert, was bedeutet, dass sie zwar angespannt sind, sich aber nicht in ihrer Länge ändern und somit keine Bewegung hervorrufen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die umliegenden Knochen zu fixieren (Rippetoe 2015, S. 111).

Im nachfolgenden Abschnitt wird auf die anatomischen Eigenschaften einzelner Muskeln näher eingegangen. Konkret werden jene Muskeln hervorgehoben, welche für die elektromyographischen Untersuchung in dieser Studie herangezogen wurden.

2.6.1. Musculus biceps brachii (Zweiköpfiger Oberarmmuskel)

Der sehr prominente M. biceps brachii gehört, betrachtet man die Art seiner Fiederung, zu der Gruppe der spindelförmigen Muskeln. Er entspringt mit seinem Caput longum (langer Kopf) vom Tuberculum supraglenoidale und mit seinem Caput breve (kurzer Kopf) vom Processus coracoideus (Rabenschnabelfortsatz) des Schulterblattes. Die beiden Muskelköpfe vereinigen sich nach distal zu einem Muskel, welcher sich gegen Ansatz hin wieder in zwei Endsehnen aufteilt.

(34)

Seite | 34 Der M. biceps brachii ist ein zweigelenkiger Muskel, da er zum einen über das Schultergelenk und zum anderen über das Ellenbogengelenk zieht. Mit seinem Caput longum abduziert er den Oberarm und rotiert diesen nach innen. Mit dem Caput breve adduziert er. Die aber wahrscheinlich wichtigste Aufgabe des M. biceps brachii ist die Beugung, sowie die supination des Ellenbogengelenks (Platzer et al. 1999, S. 154).

2.6.2. Musculus trapezius (Trapezmuskel)

Der M. trapezius wird den Muskeln des Kopfes zugeordnet und hat seinen Ansatz am Schultergürtel. Er gliedert sich in drei Segmente, welche aus anatomischer Sicht alle an unterschiedlichen Punkten ihren Ursprung und Ansatz haben.

Auch sind die Faserverläufe unterschiedlich. So hat der obere Teil Fasern, welche nach unten verlaufen, der mittlere Teil seitlich verlaufende und der untere Teil nach oben verlaufenden Muskelfasern. Diese Eigenheiten lassen sich sinngemäß der lateinischen Bezeichnung des Muskels entnehmen.

a.) Der M. trapezius Pars descendens entspringt an der Linea nuchae superior (Nackenlinie) und setzt am lateralen Drittel der Clavicula (Schlüsselbein) an. Die Muskelfasern verlaufen absteigend zu ihrer Ansatzstelle.

b.) Der M. trapezius Pars transversa entspringt dem 7. Halswirbel (C7) und erreicht die Dornfortsätze des 3. Brustwirbels, das akromiale Ende der Clavicula, das Akromion (Schulterdach) und einen Teil der Spina scapulae (Schultergräte). Hier verlaufen die Fasern von medial nach lateral beinahe horizontal.

c.) Der M. trapezius Pars ascendens hat seinen Ursprung an den Dornfortsätzen des 2. bzw. 3. Brustwirbels und findet seinen Ansatz am Trigonum spinae des Schulterblattes, bzw. am angrenzenden Teil der Spina scapulae. Dieser am tiefsten liegende Teil des M. trapezius ist durch einen aufsteigenden Faserverlauf geprägt (Platzer et al. 1999, S. 146).

(35)

Seite | 35 2.6.3. Musculus latissimus dorsi (Breite Rückenmuskel)

Der M. latissimus dorsi ist ein breiter, flächiger Muskel, welcher ähnlich wie der M.

trapezius mehrere Ursprungs- und Ansatzorte hat. Zum einen entspringt er den Dornfortsätzen des 7. - 12. Brustwirbels als Pars vertrebralis, zum anderen von der Fascia thoracolumbalis und dem hinteren Drittel der Crista iliaca (Beckenkamm) als Pars iliaca, außerdem von der 10. - 12. Rippe als Pars costalis. Die Fasern der einzelnen Ursprünge vereinigen sich nach oben hin und haben ihren gebündelten Ansatz am proximalen Ende des Humerus (Oberarmknochen) an der Crista tuberculi minoris.

Zu den Aufgaben des M. latissimus dorsi gehören die Senkung bzw. das Heranführen des erhobenen Armes zum Körper. Des Weiteren bildet er die muskulöse Grundlage der hinteren Achselfalte (Platzer et al. 1999, S. 140).

2.6.4. M. erector spinae (Rückenstrecker)

Unter dem Namen “M. erector spinae“ werden alle Muskeln bezeichnet, welche unmittelbar an der Wirbelsäule aufliegen und für die Wirbelsäulenbeweglichkeit verantwortlich sind. Sie bilden die Gruppe der autochthonen Rückenmuskeln und liegen in einem Kanal, welcher knöchern von den Wirbelbögen der Lendenwirbelsäule (LWS), den Processus costalis (Rippenfortsätzen) und den Processus spinosi (Dornfortsätzen) gebildet wird. Vereinfacht dargestellt, kann man den M. erector spinae in drei große Muskeln unterscheiden:

1. Der M. iliocostalis, welcher anatomisch auch wiederum in drei Teile unterschieden werden kann (M. iliocostalis lumborum/thoracalis/cervicis), hat die Aufgabe die Wirbelsäule zu strecken und ist auch bei Seitneigungen und Rotationen beteiligt.

2. Der M. longissimus (M. longissimus thoracis/cervicis/capitis) ist genau wie der M.

iliocostalis an der Streckung der Wirbelsäule beteiligt. Zusätzlich unterstützt er bei der Rotation und Seitneigung der Halswirbelsäule.

3. Der M. spinalis (M. spinalis thoracis/cervicis/capitis) liegt dicht an der Wirbelsäule an und hat wie die vorher genannten Muskeln die Aufgabe, die Wirbelsäule zu strecken und zur Seite zu neigen (Platzer et al. 1999, S. 72–74; Gehrke und Lichte 2009).

(36)

Seite | 36 2.6.5. M. vastus lateralis (Äußerer Oberschenkelmuskel)

Der M. vastus lateralis ist einer von vier Teilen des M. quadriceps, welche in seiner Gesamtheit primär die Aufgabe der Kniestreckung und sekundär die der Hüftbeugung erfüllt. Der M. vastus lateralis entspringt der lateralen Fläche des Trochanter major (großer Rollhügel) des Femurs (Oberschenkelkonchen) und vereinigt sich mit den restlichen drei Teilen des M. quadriceps (M. rectus femoris, M. vastus intermedius &

M. vastus medialis) zu einer gemeinsamen Sehne, welche an der Patella ansetzt.

Unterhalb der Patella setzt sich die Sehne als Ligamentum patellae fort und findet ihren Ansatz an der Tuberositas tibiae (Schienbeinrauigkeit) des Schienbeins (Platzer et al.

1999, S. 248).

(37)

Seite | 37

3. MESSUNG VON KRÄFTEN

Das Erfassen von auftretenden Kräften ist eine in der Sportwissenschaft nicht mehr wegzudenkende Maßnahme, um Aussagen über spezifische Kraft-Zeit-Funktionen treffen zu können, und leistet somit einen Beitrag zur Objektivierung von Bewegungen (Wick 2013, 147). Die „Kraft“ ist in der Physik eine vektorielle Größe und wirkt immer dort, wo zwei Körper miteinander interagieren (Hunt 1998, S. 5). Diese Interaktion wird durch das dritte Newton´sche Axiom/Wechselwirkungsgesetz (𝑭 ⃗⃗⃗ 𝟏 = −𝑭 ⃗⃗⃗ 𝟐) beschrieben und bildet somit die Grundlage für Kraftmessungen (Caldwell et al. 2014, S. 74). Das Wechselwirkungsgesetzt besagt, dass zu jeder Kraft (F) eine gleich große Gegenkraft (-F) herrscht.

3.1. Gängige Messinstrumente

Geht es in der Praxis darum, auftretende Kräfte zu messen, so gibt es auch hier mehrere Möglichkeiten. Diese unterscheiden sich in ihrer Funktionsweise sowie Komplexität. Im Fachbereich der Sport- und Bewegungswissenschaften werden gegenwärtig primär vier Varianten von Kraftmesssystemen verwendet.

Die simpelste Variante stellen sogenannte Ringkraftmesser dar, welche auf dem mechanischen Federprinzip beruhen. Weiters kommen Druckkraftmesser zum Einsatz, welche auf den Grundlagen der Hydraulik aufbauen. Zuletzt gibt es noch Dehnmessstreifen, sowie piezoelektrische Messsysteme, welche beide elektrische Spannungsänderungen bei Verformungen detektieren und in die adäquaten Kräfte umrechnen (Wick 2013, S. 149). Die beiden zuletzt genannten Messsysteme werden (im Zuge von wissenschaftlichen Studien) tendenziell am häufigsten verwendet, da sie eine sehr hohe Genauigkeit aufweisen und somit eine hohe Reliabilität gewährleistet werden kann.

(38)

Seite | 38 3.1.1. Dehnmessstreifen

Die Messung mittels Dehnmessstreifen beruht auf der Umwandlung von mechanischer Bewegung in ein elektrisches Signal. In einem Dehnmessstreifen ist eine kalibrierte Metallplatte verbaut, welche minimale Dehnungen bzw. Spannungen in eine Richtung detektiert. Selbst kleinste Verformungen von wenigen Bruchteilen eines Prozentes können erfasst werden und somit auch kleinste Änderung des elektrischen Widerstandes. Diese Änderung steht in einem linearen Verhältnis zur jeweiligen Verformung. Wird ein solcher Messstreifen gedehnt, so nimmt der Widerstand zu. In umgekehrter Weise nimmt der Widerstand bei Stauchungen ab. Diese Änderung des elektrischen Widerstandes erzeugt eine elektrische Spannung, welche von einem Signalverstärker verstärkt wird und so gemessen werden kann (Wick 2013, S. 149).

3.1.2. Piezoelektrische Messsysteme

Die genauesten Messsysteme basieren auf dem Prinzip der „Piezoelektrizität“.

Piezoelektrische Kraftaufnehmer detektieren mikroskopische Deformationen spezieller, kristalliner Materialien, wie z.B. Quarz, welche auf atomarer Ebene entstehen. Durch diese Deformation der Struktur entsteht eine Änderung der elektrischen Eigenschaften des Materials, welche zu Ladungsverschiebungen führt.

Diese Verschiebungen können mittels der entsprechenden Elektronik gemessen und in Spannungssignale umgewandelt werden. Diese Signale wiederum können proportional zur einwirkenden Kraft umgerechnet werden (Winter 2009).

Messsysteme, welche sich das piezoelektrische Prinzip zu Nutzen machen, finden vor allem in Sportarten wie Weit- /Hochsprung, Geräteturnen und im Schwimmsport (Startsprung) in Form von Kraftmessplatten ihren Einsatz (Abb. 16).

Abbildung 16: Beispielabbildung einer Kraftmessplatte (Hunt 1998, S. 48)

(39)

Seite | 39 Jedoch erstreckt sich ihr Einsatzgebiet auch in die Medizin bzw. Orthopädie, da mit ihnen auch Ganganalysen durchgeführt werden können. Dieses breite Einsatzgebiet lässt sich damit erklären, dass sich mittels solcher Kraftmesssysteme durch Anwendung einfacher physikalischer Zusammenhänge auch Größen wie Flugdauer, Sprunghöhe oder Bodenreaktionszeit bestimmen lassen (Wick 2013, S. 151).

Neben ihrer hohen Genauigkeit besteht der große Vorteil bei solchen Systemen darin, dass sie die auftretenden Kräfte in 3-Dimensionen abbilden können. Diese bestehen aus der vertikalen Kraft (z) und den beiden Horizontalkräften (x & y), welche im Regelfall von anterior – posterior bzw. medial – lateral verlaufen (Winter 2009, 117).

3.2. Bodenreaktionskräfte

Jene Kraft, welche neben der Gravitationskraft am häufigsten auf den Körper wirkt, ist die Bodenreaktionskraft (Abb. 17). Sie wirkt immer dann auf einen Körper, wenn dieser in Kontakt mit der Erde bzw. dem Boden steht. Dies gilt sowohl für den ruhenden als auch für den bewegten Körper. Diese auftretende Kraft kann als ein dreidimensionaler Vektor dargestellt werden, welcher sich aus einer vertikalen Komponente (Fz) und zwei Scherkräften (Fx & Fy) nach lateral-medial und anterior-posterior zusammensetzt (Winter 2009, S. 117).

Abbildung 17: Auftretende Bodenreaktionskraft (z-Komponente) während des Ganges über eine Kraft- messplatte (Caldwell et al. 2014, S. 95)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE