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5. Ergebnisse

5.2 Messung der IL-10 Konzentration im Serum

IL-10 spielt als Immunmediator eine wichtige Rolle bei der Regulation inflammatorischer Prozesse. IL-10 ist unter anderem in der Lage, die Produktion unterschiedlicher Zytokine und Immunmediatoren immunkompetenter Zellen zu inhibieren und die zytotoxische Aktivität von Makrophagen herabzusetzen. Als antiinflammatorisches Zytokin nimmt es bei der Entstehung des SIRS und MODS eine wichtige Funktion ein. Die Messung des IL-10 erfolgte wie unter Sektion 4.6.2 beschrieben, mittels eines ELISA.

Ergebnisse 40

Abb. 5.2: Mittelwerte ± SEM der IL-10 Konzentration in murinem Serum der verschiedenen Versuchsgruppen.

Lap.=Laparotomie, I/R=Ischämie/Reperfusion, F=Fucoidin, CLP=caecale Ligatur und Punktion x h=x Stunden nach OP *p < 0,05

Abbildung 5.2 zeigt die mittlere IL-10 Konzentration gemessen in pg/ml in murinem Serum.

Sowohl in der Kontrollgruppe (20,5 ± 2,4 pg/ml) als auch in den Guppen mit durchgeführter Laparotomie, Ischämie/Reperfusion, caecaler Ligatur und Punktion waren weder nach 8 Stunden noch nach 48 Stunden signifikant erhöhte mittlere IL-10 Konzentrationen im Serum nachweisbar (in diesen Gruppen von minimal 18,9 ± 0,4 pg/ml bis maximal 37,3 ± 6,7 pg/ml).

In der „two-hit“ Gruppe war nach Gabe von Fucoidin ein signifikanter Anstieg der IL-10 Konzentration auf 106,1 ± 25,5 pg/ml im Vergleich zur „two-hit“ Gruppe ohne Fucoidingabe (37,3 ± 6,7 pg/ml) zu beobachten (p < 0,05).

Kontrolle Lap. 8h Lap. 48h I/R 8h I/R 48h I/R 48h+F CLP 40h CLP 40h+F I/R+CLP 48h I/R+CLP 48h+F

0 50 100

150 *

Versuchsgruppen

[IL-10] (pg/ml)

Ergebnisse 41 5.3 Messung der MPO-Aktivität in der Lunge und in der Leber

Da ein direkter Zusammenhang zwischen dem MPO Gehalt im Gewebe und der Anzahl der dort vorhandenen neutrophilen Granulozyten besteht, wurde zur Messung der Akkumulation der neutrophilen Granulozyten im Lungen- und Lebergewebe die Aktivität der MPO bestimmt. Die Messungen wurden, wie in Sektion 4.4 der Methoden beschrieben, durchgeführt.

Abb. 5.3.1: Mittelwerte ± SEM der Myeloperoxidaseaktivität in murinem Lungengewebe

Lap.=Laparotomie, I/R=Ischämie/Reperfusion, F=Fucoidin, CLP=caecale Ligatur und Punktion x h=x Stunden nach OP *p < 0,05

Abbildung 5.3.1 zeigt die Myeloperoxidaseaktivität gemessen in U/min der einzelnen Gruppen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (0,026 ± 0,005 U/min) kam es 8 Stunden nach Laparotomie (0,035 ± 0,002 U/min) und Ischämie/Reperfusion (0,04 ± 0,004 U/min) zu einem Anstieg der MPO-Aktivität im pulmonalen Gewebe.

Wie in Abbildung 5.3.2 dargestellt, konnte eine derartige Aktivitätszunahme der Myeloperoxidase in der Leber in ähnlicher Weise gezeigt werden (Kontrolle 0,022 ± 0,003 U/min), Laparotomie (0,034 ± 0,003 U/min) und Ischämie/Reperfusion (0,05 ± 0,006 U/min).

Nach 48 Stunden war diese bereits wieder auf normale Werte in beiden Organen abgesunken

Kontrolle Lap. 8h Lap. 48h I/R 8h I/R 48h I/R 48h+F CLP 40h CLP 40h+F I/R+CLP 48h I/R+CLP 48h+F

0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06

*

*

Versuchsgruppen

MPO-Aktivität [U/min]

Ergebnisse 42 (im Mittel 0,024 ± 0,003 U/min). Die Aktivitätsabfälle bei den Gruppen Lunge und Leber Laparotomie 8h und 48h und Lunge Ischämie/Reperfusion 8h und 48h waren signifikant (p<0,05).

Abb. 5.3.2: Mittelwerte ± SEM der Myeloperoxidaseaktivität in murinem Lebergewebe

Lap.=Laparotomie, I/R=Ischämie/Reperfusion, F=Fucoidin, CLP=caecale Ligatur und Punktion x h=x Stunden nach OP *p < 0,05

Pulmonale MPO-Aktivität [U/min]

Hepatische MPO-Aktivität [U/min]

Ischämie/Reperfusion 48h 0,025 ± 0,004 0,020 ± 0,004

Ischämie/Reperfusion 48h + Fucoidin 0,029 ± 0,003 0,021 ± 0,002

CLP 40h 0,033 ± 0,003 0,024 ± 0,002

CLP 40h + Fucoidin 0,040 ± 0,003 0,028 ± 0,002

IR + CLP 48h 0,029 ± 0,002 0,032 ± 0,004

IR + CLP 48h + Fucoidin 0,034 ± 0,003 0,035 ± 0,002

Tab. 5.3.3: Mittelwerte ± SEM der Myeloperoxidaseaktivität in murinem Leber- und Lungengewebe bestimmter Untersuchungsgruppen

Lap.=Laparotomie, I/R=Ischämie/Reperfusion, F=Fucoidin, CLP=caecale Ligatur und Punktion x h=x Stunden nach OP

Kontrolle Lap. 8h Lap. 48h I/R 8h I/R 48h I/R 48h+F CLP 40h CLP 40h+F I/R+CLP 48h I/R+CLP 48h+F

0.000 0.025 0.050

*

*

Versuchsgruppen

MPO-Aktivität [U/min]

Ergebnisse 43 Wie in Tabelle 5.3.3 dargestellt, zeigten sich jedoch innerhalb der einzelnen Gruppen Unterschiede bei den Tieren, die mit Fucoidin behandelt wurden. Sowohl in den „one-hit“

Modellen (Ischämie/Reperfusion und caecale Ligatur und Punktion) als auch in dem „two-hit“ Modell war hier im Vergleich zu den nicht mit Fucoidin behandelten Tieren die pulmonale und hepatische MPO-Aktivität höher. Diese Unterschiede waren allerdings statistisch nicht signifikant.

5.4 Pulmonalkapillare Permeabilität

Die pulmonalkapillare Permeabilität kann anhand der Proteinkonzentration im Alveolarraum ermittelt werden. Hierzu wurde am Ende des jeweiligen Versuches eine BAL durchgeführt (siehe Sektion 4.14 in Methoden). Nach einer Korrektur der Proteinkonzentration in der zurückgewonnenen BAL-Flüssigkeit über die Harnstoffkonzentration des Plasmas und der BAL konnte die Proteinratio des Epithelial linig fluid (ELF)/Plasma bestimmt werden (siehe Sektion 4.1.5 und 4.1.6 in Methoden).

Abb. 5.4: ELF/Plasma Protein Ratio als Ausdruck der pulmonalkapillären Permeabilitätsstörung Die Werte sind dargestellt als Mittelwerte ± SEM.

Lap.=Laparotomie, I/R=Ischämie/Reperfusion, F=Fucoidin, CLP=caecale Ligatur und Punktion x h=x Stunden nach OP *p < 0,05

Kontolle Lap. 8h Lap. 48h I/R 8h I/R 48h I/R 48h+F CLP 40h CLP 40h+F I/R+CLP48h I/R+CLP48h+F

0.00 0.25 0.50 0.75

*

Versuchsgruppen

ELF/Plasma Protein Ratio

Ergebnisse 44 Abbildung 5.4 zeigt die mittlere Proteinratio aller Versuchsgruppen. Auffällig war hier, daß in der Gruppe Ischämie/Reperfusion mit einer Ratio von 0,52 ± 0,24 nach 48 Stunden eine erhöhte Permeabilität im Vergleich zur Kontrollgruppe (Ratio 0,28 ± 0,08) vorlag. Bei der Gruppe Ischämie/Reperfusion nach 48 Stunden, die mit Fucoidin behandelt wurde, war eine deutliche Verringerung der Permeabilität im Vergleich zur Gruppe Ischämie/Reperfusion nach 48 Stunden ohne Fucoidin festzustellen (Ratio 0,27 ± 0,04). Dieser Wert entsprach dem Normalwert.

In den beiden „two-hit“ Gruppen war diese Verringerung der Permeabilität auf Normalwerte nicht vorhanden (Ratios I/R+CLP 48h 0,66 ± 0,18 und I/R+CLP 48h +F 0,58 ± 0,24).

Insgesamt zeigten sich innerhalb der einzelnen Gruppen Unterschiede bei den Tieren, die mit Fucoidin behandelt wurden. Sowohl in den „one-hit“ Gruppen (Ischämie/Reperfusion 48h und caecale Ligatur und Punktion 40h) als auch in der „two-hit“ Gruppe war hier im Vergleich zu den nicht behandelten Tieren die pulmonalkapilläre Permeabilität geringer.

Statistisch ausgewertet waren diese Werte allerdings nicht signifikant.

5.5 Letalität der Versuchstiere

Insgesamt gingen 133 Mäuse in die Tierversuche ein. Davon überlebten 91 Tiere den Versuch bis zur planmäßigen Tötung. 42 Tiere verstarben vor Versuchsende und konnten nicht mit in die Auswertung (keine Zytokinbestimmung, MPO-Aktivität, Ratio und Histologie) genommen werden.

In der Gruppe Ischämie/Reperfusion nach 48 Stunden verstarben 25 Tiere von insgesamt 33 Tieren (75,8 % Letalität), in der mit Fucoidin behandelten Gruppe verstarb 1 Tier von insgesamt 9 Tieren (11,1 % Letalität). Dieses Ergebnis war signifikant (s. Abb. 5.5.1).

3 von insgesamt 11 Tieren verstarben in der Gruppe nach caecaler Ligatur und Punktion (27,3 % Letalität), in der mit Fucoidin behandelten Gruppe starb 1 Tier von insgesamt 10 Tieren (10 % Letalität).

In der „two-hit“ Gruppe verstarben ohne Fucoidin 7 von 18 Mäusen (38,9 % Letalität), in der mit Fucoidin behandelten Gruppe verstarben 5 von 15 Mäusen (33,3 % Letalität).

Ergebnisse 45

Abb.5.5.1: Überlebensrate (Survival) der Versuchsgruppen Ischämie/Reperfusion 48h ohne Fucoidin = ---- und Ischämie/Reperfusion 48h mit Fucoidin = , *p < 0,05

Abb. 5.5.2: Überlebensrate (Survival) der Versuchsgruppen caecale Ligatur und Punktion 40h ohne Fucoidin = ---- und caecale Ligatur und Punktion 40h mit Fucoidin = 

0 6 12 18 24 30 36 42 48

0 20 40 60 80 100

Zeitpunkt (h)

Überlebensrate (%)

*

0 6 12 18 24 30 36 42 48

0 60 60 70 80 90 100

Zeitpunkt (h)

Überlebensrate (%)

Ergebnisse 46

Abb. 5.5.3: Überlebensrate (Survival) der Versuchsgruppen Ischämie/Reperfusion und caecale Ligatur und Punktion 48h ohne Fucoidin = ---- und Ischämie/Reperfusion und caecale Ligatur und Punktion 48h mit Fucoidin = 

0 6 12 18 24 30 36 42 48

0 50 50 60 70 80 90 100

Zeitpunkt (h)

Überlebensrate (%)

Ergebnisse 47 5.6 Histologie

5.6.1 Lunge

Die Lungen wurden lichtmikroskopisch auf die Merkmale interstitielle Verdickungen, granulo-histiozytäre Infiltrationen und vergrößerte Pneumozyten Typ II im Sinne einer Parenchymschädigung untersucht und zeigten zahlreiche pathologische Befunde. Diese Befunde wurden qualitativ in die drei Kategorien ohne besonderen Befund (-), geringgradig (+) und mittelgradig (++) unterteilt.

Tab. 5.6.1.1: Lichtmikroskopische Befunde im Lungengewebe der Versuchsgruppen

Lap.=Laparotomie, I/R=Ischämie/Reperfusion, F=Fucoidin, CLP=caecale Ligatur und Punktion x h=x Stunden nach OP

- = ohne besonderen Befund, + = geringgradig, ++ = mittelgradig

Ergebnisse 48 Die lichtmikroskopischen Untersuchungen der Lunge zeigen, daß in den Gruppen Ischämie/Reperfusion nach 8h und 48h, caecale Ligatur und Punktion nach 40h und Ischämie/Reperfusion und caecale Ligatur und Punktion nach 48h eine gering bis mittelgradige Verdickung des Interstitiums, geringgradig granulo-histiozytäre Infiltrationen und geringgradig vergrößerte Pneumozyten Typ II auftraten. In den mit Fucoidin behandelten Gruppen war dies in geringerem Maß der Fall.

Abb.5.6.1.1: Normales murines Lungengewebe (Kontrollgruppe), Färbung: Hämatoxylin-Eosin, Vergrößerung: 20-fach.

Ergebnisse 49

Abb.5.6.1.2: Pathologische verändertes murines Lungengewebe nach Ischämie/Reperfusion nach 48 Stunden, Infiltration von Leukozyten, Färbung: Hämatoxylin-Eosin, Vergrößerung: 20-fach

Abb.5.6.1.3: Geringgradig verändertes murines Lungengewebe nach Ischämie/Reperfusion nach 48 Stunden und Fucoidinapplikation, Färbung: Hämatoxylin-Eosin, Vergrößerung: 20-fach

Ergebnisse 50 5.6.2 Leber

Ebenso wie bei dem untersuchten Lungengewebe zeigten die lichtmikroskopischen Untersuchungen der Leberschnitte pathologische Befunde. In den Präparaten wurden hydropische Degeneration, multifokale Herdnekrosen, granulo-histiozytäre Infiltrationen und vergrößerte Kupffersche Sternzellen beobachtet. Die Befunde wurden qualitativ in die Kategorien ohne besonderen Befund (-), geringgradig (+) und mittelgradig (++) unterteilt.

Hydropische

Tab. 5.6.2.2: Lichtmikroskopische Befunde im Lebergewebe der Versuchsgruppen

Lap.=Laparotomie, I/R=Ischämie/Reperfusion, F=Fucoidin, CLP=caecale Ligatur und Punktion x h=x Stunden nach OP

- = ohne besonderen Befund, + = geringgradig, ++ = mittelgradig

Bei allen Tieren war eine Aktivierung der Kupfferschen Sternzellen sichtbar.

Bei lichtmikroskopischer Untersuchung der Leber zeigte sich in allen mit Fucoidin behandelten Gruppen eine Verringerung der hydropischen Degeneration und der granulo-histiozytären Infiltrationen. Multifokale Herdnekrosen waren nicht mehr vorhanden.

Ergebnisse 51

Abb.5.6.2.1: Normales murines Lebergewebe (Kontrollgruppe), Färbung: Hämatoxylin-Eosin, Vergrößerung: 20-fach.

Abb.5.6.2.2: Pathologische verändertes murines Lebergewebe nach caecaler Ligatur und Punktion nach 40 Stunden, Färbung: Hämatoxylin-Eosin, Vergrößerung: 20-fach

Ergebnisse 52

Abb.5.6.2.3: Geringgradig verändertes murines Lebergewebe nach caecaler Ligatur und Punktion nach 40 Stunden und Fucoidinapplikation, Färbung: Hämatoxylin-Eosin, Vergrößerung: 20-fach

53

6. Diskussion

Seit zwei Jahrzehnten sind SIRS und MODS als eigenständige Syndrome beschrieben. Auch nach intensiven Bemühungen, den pathogenetischen Mechanismus der Entstehung des SIRS und MODS aufzuklären, blieben diese Syndrome die führende Todesursache auf chirurgischen Intensivstationen (DEITCH 1992). Unterschiedlichen Therapieversuchen zum Trotz, steht eine suffiziente Kausaltherapie nicht zur Verfügung. Mittel der Wahl ist weiterhin die oftmals vergebliche symptomatische Behandlung in Kombination mit bestmöglichem intensiv-medizinischem Management.

Traumata mit konsekutiver Hypoxie im Rahmen einer Ganzkörper Ischämie-Reperfusion, Hypovolämie und Schocksymptomatik resultieren in der Aktivierung sämtlicher Abwehrsysteme. In der Folge werden in hohem Maße über humorale Komponenten des Immunsystems neutrophile Granulozyten aktiviert (DWENGER et al. 1993), was zu einer vermehrten Adhäsivität im Kapillarbett führt und einen Respiratory Burst veranlaßt (BABIOR 1984; FAZELI u. RICHARDS 1984). Die neutrophilen Granulozyten spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung der sekundären Folgen des Traumas.

Die sekundären Organschäden zum Beispiel nach Ischämie/Reperfusion finden ihren Ursprung in einem komplexen Zusammenspiel von immunmodulatorisch wirksamen Zytokinen, Endothelzellen und neutrophilen Granulozyten, wobei die Migration der zirkulierenden neutrophilen Granulozyten in das Gewebe von spezifischen granulozytär-endothelialen Interaktionen reguliert wird (VAN GRIENSVEN 1999). Eine wichtige Rolle hierbei spielt das L-Selektin, welches das Rolling der neutrophilen Granulozyten über das aktivierte Endothel mediiert (NICHOLSON et al. 1998; SPERTINI et al. 1991b). Nach erfolgter Extravasation werden interstitiell inflammatorische Komponenten wie Sauerstoffradikale, Zytokine und Proteasen freigesetzt, welche schwere sekundäre Organschäden induzieren und in einem SIRS oder MODS resultieren können. Die lokale Freisetzung proinflammatorischer Zytokine wie TNF-α, IL-1β und IL-6 ist grundsätzlich wichtig, damit nach einem Trauma neutrophile Granulozyten an den Ort der Inflammation gelangen. Werden aber nach Ischämie/Reperfusion systemisch zu große Mengen sezerniert, überwiegen nachteilige Effekte. Oftmals ist auch eine regulierende antiinflammatorische Immunantwort mit vermehrter IL-10 Sekretion nicht mehr in der Lage, die ablaufende

Diskussion 54 Inflammation zu stoppen, so daß eine pathophysiologische Immundysregulation resultiert. Im Vordergrund steht hier die gestörte pulmonale Endothelpermeabilität mit Gewebeschaden und daraus resultierender Dysfunktion. Diese Gewebsläsion führt wiederum zu vermehrter Aktivierung neutrophiler Granulozyten und mündet über diesen circulus vitiosus in der Entwicklung eines SIRS oder MODS. Das L-Selektin spielt bei der Pathogenese eine zentrale Rolle, daher ist über eine selektive Inhibition eine Eindämmung der oben beschriebenen Immunreaktion durch Unterdrückung des Rollings und daraus resultierender verminderter Neutrophilenmigration in das Gewebe denkbar. Substanzen, welche L-Selektin inhibieren, wären hier geeignet. Eine Möglichkeit ist der Einsatz eines Antikörpers gegen L-Selektin, hierbei muß allerdings bei wiederholter Gabe an eine Erkennung des Antikörpers als Antigen gedacht werden (VAN GRIENSVEN 1999). In Betracht kommen weiterhin niedermolekulare Substanzen auf Basis der sialyl LewisX ähnlichen Oligosaccharide, die zu keiner Anti-Antikörperreaktion führen und eine geringe allergene Wirkung entfalten. Hier ist als Beispiel Fucoidin zu nennen.

Vor diesem Hintergrund wurden in der vorliegenden Arbeit die Interaktionen zwischen neutrophilen Granulozyten, Endothelzellen und Zytokinen und die daraus entstehenden Organschäden untersucht und der mögliche Einfluß von Fucoidin auf Immunmodulation und Organprotektion bei der Entstehung von SIRS und MODS nach Trauma dargestellt.

In einem In-vivo-two-hit Modell wurden Mäuse einer Ischämie und Reperfusion (Trauma) mit konsekutiver Sepsis (caecale Ligatur und Punktion) ausgesetzt, welche zu einem SIRS oder MODS führen kann. Im Modell wurde eine Gruppe Tiere mit Fucoidin zur Inhibition der Granulozytenmigration behandelt und die andere wurde nicht mit Fucoidin behandelt. In den Gruppen der „one-hit" Modelle, zum einen Ischämie/Reperfusion und zum anderen caecale Ligatur und Punktion, wurde ebenfalls eine Gruppe mit Fucoidin behandelt und die andere nicht. Die Inhibition des Rollings der Granulozyten wurde mittels Histologie und Messung der Myeloperoxidaseaktivität verifiziert. Anhand der IL-6 und IL-10 Zytokinkonzentration im Serum konnte die pro- bzw. antiinflammatorischen Immunantwort nach einem definierten Zeitraum quantifiziert und der Einfluß von Fucoidin hierauf untersucht werden.

Semiquantitativ konnten die entstandenen Organschäden analysiert werden. Dies geschah über die Permeabilität und über die histologischen Veränderungen in Lunge und Leber. Es wurden wie bei den Zytokinbestimmungen wieder die einzelnen Gruppen mit und ohne

Diskussion 55 Fucoidinapplikation verglichen, um einen möglichen Einfluß des Polysaccharids auf einen protektiven Effekt zu untersuchen.

6.1 Der Einfluß von Fucoidin auf die IL-6 Konzentration im Serum

Der Effekt von Fucoidin auf die Zytokinspiegel im Serum wurde untersucht, da die Zytokine wichtige Vermittler in der Interaktion zwischen neutrophilen Granulozyten und Endothelzellen darstellen. Die pathophysiologische Rolle des IL-6 ist in einer Reihe verschiedener Publikationen belegt worden (CALANDRA et al. 1991; HACK et al. 1989;

HELFGOTT et al. 1989; JESMOK u. GUNTHER 1989; THIJS u. HACK 1995; TILMAN STEINMETZ et al. 1995; TRACEY et al. 1986; WAAGE et al. 1989; ZABEL et al. 1989).

Im Vergleich zur Kontrollgruppe, welche lediglich einer Anästhesie unterzogen wurde, war bei den Tieren, welche laparotomiert wurden, nach 8 Stunden ein durch die Laparotomie bedingter signifikanter Anstieg der IL-6 Konzentration im Serum zu beobachten. 48 Stunden nach Laparotomie war die Serumkonzentration von IL-6 bereits wieder auf Normalwerte wie bei der Kontrollgruppe abgesunken, was einem normalen IL-6 Verlauf entspricht, welcher 6 Stunden nach Trauma Maximalkonzentrationen erzielt (SEEKAMP 1997). Ähnliche Ergebnisse zeigte das Ischämie/Reperfusionsmodell, bei dem es nach 8 Stunden zu einem starken signifikanten Anstieg der IL-6 Konzentration als Ausdruck der ablaufenden systemischen Inflammationsreaktion kam. Dieser Konzentrationsanstieg war deutlich höher als bei der Laparotomiegruppe. Auch nach Ischämie/Reperfusion war nach 48 Stunden ein Rückgang der IL-6 Konzentration auf hochnormale Werte zu beobachten. Dieser Rückgang ist durch die zunehmende Migration der IL-6 produzierenden neutrophilen Granulozyten und Monozyten aus der Blutzirkulation in die entsprechenden reperfundierten Entzündungsgebiete zu erklären. Hinzu kommt, daß die ebenfalls IL-6 produzierenden Endothelzellen nicht mehr durch neutrophile Granulozyten und Monozyten aktiviert werden, da diese, wie oben beschrieben, aus der Blutbahn in das Gewebe migrieren. Gleiche Ergebnisse zeigen auch die Untersuchungen der anderen Gruppen, bei denen es nach 40 bzw. 48 Stunden im Vergleich zur Kontrollgruppe zu keiner signifikanten Erhöhung der IL-6 Serumkonzentration kam.

Auch nach Gabe von Fucoidin kam es in den beiden „one-hit“ Gruppen Ischämie/

Reperfusionsgruppe und caecale Ligatur und Punktion nach 48 Stunden zu keiner IL-6 Konzentrationserhöhung. In der mit Fucoidin behandelten „two-hit“ Gruppe zeigte sich eine im Vergleich zu der Gruppe ohne Fucoidin stark signifikant erhöhte IL-6 Konzentration nach

Diskussion 56 48 Stunden. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, daß Fucoidin die Migration der neutrophilen Granulozyten inhibiert, so daß diese nicht das von ihnen exprimierte IL-6 in das umliegende inflammatorische Gewebe abgeben, sondern in der Zirkulation aktiviert persistieren, was zu einer messbar gesteigerten IL-6 Serumkonzentration führt. Das fehlende Ansteigen der IL-6 Konzentration in den mit Fucoidin behandelten „one-hit“ Gruppen ist mit einem nicht ausreichenden Einzelstimulus zu erklären.

6.2 Der Einfluß von Fucoidin auf die IL-10 Konzentration im Serum

Viele Studien in der Vergangenheit, die sich mit der Immunantwort nach Trauma und Sepsis auseinandersetzten, beschränkten sich auf die proinflammatorischen Effekte von TNF, IL-1 und IL-6 sowie die antiinflammatorischen Eigenschaften von IL-1ra (IL-1 receptor antagonist) und IFN-γ. Es gibt jedoch zunehemend Anzeichen dafür, daß IL-10, ein potenter Regulator dieser Mediatoren, eine Schlüsselrolle in diesem Zytokinnetzwerk spielen könnte.

Eine Vielzahl von aktivierten Immunzellen sind in der Lage IL-10 zu produzieren, dennoch scheinen aktivierte Makrophagen die Hauptquelle dieses Zytokins darzustellen (MOORE et al. 1993). In vitro Experimente haben gezeigt, daß Lipopolysaccharid-aktivierte Makrophagen TNF-α, IL-1 und IL-10 produzieren. In diesen Studien wurde eine frühe Freisetzung der Zytokine TNF-α und IL-1 nach 4-8 Stunden beobachtet, während IL-10 erstmals nach 7 Stunden in geringen Konzentrationen nachgewiesen wurde und die höchste Freisetzung zwischen 24-48 Stunden erfolgte (DE WAAL et al. 1991).

Sowohl in der Kontrollgruppe als auch in den Gruppen mit durchgeführter Laparotomie, Ischämie/Reperfusion, caecaler Ligatur und Punktion und in der „two-hit“ Gruppe waren weder nach 8 Stunden noch nach 48 Stunden signifikant erhöhte mittlere IL-10 Konzentrationen im Serum nachweisbar. In der „two-hit“ Gruppe war nach Gabe von Fucoidin ein starker, signifikanter Anstieg der IL-10 Konzentration zu beobachten.

Dieser Konzentrationsanstieg ist mit einer Inhibition der Granulozytenmigration durch Fucoidin zu erklären. Der starke Stimulus des „two-hit“ führt konsekutiv neben einer inflammatorischen auch zu einer zeitlich versetzten antiinflammatorischen Immunantwort, welche anhand der IL-10 Konzentration messbar wird. Da es durch die Fucoidin vermittelte Inhibition der Neutrophilenmigration zu einer Persistenz dieser Zellen in der Zirkulation

Diskussion 57 kommt, wird IL-10 vermehrt in die Blutbahn sezerniert und nicht in das Interstitium abgegeben. Dies bleibt in den anderen Gruppen der mit Fucoidin behandelten Tiere aus, da hier im „one-hit“ Modell der Stimulus nicht hoch genug ist, um eine meßbare IL-10 Konzentrationserhöhung zu bewirken.

6.3 Der Einfluß von Fucoidin auf die pulmonalkapillare Permeabilität

Das Modell der infrarenalen Ischämie und nachfolgender Reperfusion ist geeignet, einen reproduzierbaren sekundären Lungenschaden hervorzurufen (PUNCH et al. 1991; SEEKAMP et al. 1993; SEEKAMP et al. 1993b; SEEKAMP et al. 1994). Um diesen Lungenschaden quantifizieren zu können, gibt es mehrere Methoden. Hierbei traten vor allem die ELF/Plasma Proteinratio und die Quantifizierung der neutrophilen Granulozyten mittels Histologie oder MPO-Bestimmung in den Vordergrund. PETERSON (1992) legte fest, daß die Verwendung zweier unterschiedlicher Methoden ausreicht, um eine pathophysiologisch signifikante Veränderung der endothelialen Permeabilität in vivo nachzuweisen. Mittlererweile ist die Kombination aus ELF/Plasma Proteinratio und Quantifizierung der neutrophilen Granulozyten als Nachweis endothelialer Permeabilität in vivo akzeptiert. Diese Methode wurde demnach standardgemäß in einem Modell der Extremitätenischämie und Reperfusion in der Maus angewandt, um die sekundären Lungenschäden nachzuweisen (GOLDMAN et al.

1990; PATERSON et al. 1989; WELBOURN et al. 1992). Die pulmonale Proteinextravasation und deren Quantifizierung durch eine BAL mit Berechnung der ELF/Plasma Proteinratio sind in Klein- und Großtiermodellen hinreichend validiert (KLAUSNER et al. 1989; SEEKAMP et al. 1991). Als Normwerte wurde eine Ratio von 0,1 bis 0,2 angegeben. Pathologisch erhöht sind Werte über 0,7, wobei dies als Nachweis einer defekten Kapillarpermeabilität in vivo gilt.

Es zeigte sich, daß in der Gruppe Ischämie/Reperfusion und in dem „two-hit“ Modell nach 48 Stunden eine erhöhte kapillare Permeabilität im Vergleich zur Kontrollgruppe vorlag, wobei die Organschädigung in der „two-hit“ Gruppe deutlich stärker war. In der Gruppe mit caecaler Ligatur und Punktion konnte dieser Anstieg der kapillaren Permeabilität nicht beobachtet werden, was auf einen nicht ausreichenden traumatischen Stimulus hindeutet. Eine Erklärung für die stark erhöhte kapillare Permeabilität in der „two-hit“ Gruppe könnte die erhöhte Anwesenheit von Bakterien durch die caecale Ligatur und Punktion darstellen, da die

Diskussion 58 Bakterien durch Sauerstoffradikale, die sich durch die Ischämie und Reperfusion in der Blutzirkulation befinden, abgetötet werden. Diese erhöhte Permeabilität tritt nicht in der „one-hit“ Gruppe nach caecaler Ligatur und Punktion auf, es bedarf anscheinend einer zusätzlichen Schädigung mit Anwesenheit von Sauerstoffradikalen durch die Ischämie/Reperfusion.

Wichtig ist hierbei, daß zuerst die Ischämie/Reperfusion stattfindet, die die Sauerstoffradikale liefert und danach die caecale Ligatur und Punktion erfolgt, durch die vermehrt Bakterien in der Blutzirkulation vorhanden sind.

Insgesamt zeigten sich innerhalb aller Gruppen Unterschiede bei den Tieren, die mit Fucoidin behandelt wurden. Sowohl in den „one-hit“ Modellen (Ischämie/Reperfusion und caecale Ligatur und Punktion) als auch in dem „two-hit“ Modell war hier im Vergleich zu den nicht

Insgesamt zeigten sich innerhalb aller Gruppen Unterschiede bei den Tieren, die mit Fucoidin behandelt wurden. Sowohl in den „one-hit“ Modellen (Ischämie/Reperfusion und caecale Ligatur und Punktion) als auch in dem „two-hit“ Modell war hier im Vergleich zu den nicht