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3.7 Negativkontrollen und Standardreferenzintervalle

4.1.3 Messabweichungen

„Man misst eigentlich immer falsch, man muss nur wissen wieviel.“

Dave Packard1 Begriffsbestimmung

Die Messabweichung ist definiert als die Differenz aus dem wahren Wert und dem Mess-ergebnis (Adunka 2007). Das zugehörige messtechnische Konzept ist in der DIN 1319 (1995-2005) normiert.2 Es ergibt sich ein Zusammenhang mit der Genauigkeit: Je geringer die Differenz zwischen wahrem Wert und Messergebnis, je geringer also die Messabweichung ist, desto höher wird auch die Genauigkeit. Allerdings sind bei der Messabweichung zwei unterschiedliche Arten zu beachten: diesystematische und diezufälligeMessabweichung.

Im vorherigen Kapitel war die Längenmessung eines Stabes als Beispiel genannt wor-den. Diese Messung sei sowohl mit einem normaltemperierten als auch mit einem auf 100C erhitzten metallischen Längenmaß durchgeführt worden. Aufgrund der tempera-turabhängigen Längenausdehnung des Messwerkzeugs ergeben sich zwei unterschiedliche Messergebnisse – bei dem erwärmten liegt eine Messabweichung vor. Diese ist aber nicht weiter problematisch: Die temperaturabhängige Längenausdehnung ist sehr wohl bekannt, sie tritt immer in der gleichen Weise auf und ist berechenbar. Das Messergebnis kann rechnerisch berichtigt werden. Aus einem unberichtigten Messergebnis wird durch diese Berichtigung ein berichtigtes Messergebnis. Eine solche immer gleichförmig auftretende und damit korrigierbare Messabweichung wirdsystematische Messabweichung genannt.

Abbildung4.2verdeutlicht dies noch einmal am Beispiel der Zielscheibe.

Neben den systematischen gibt es noch diezufälligen Messabweichungen. Diese sind nicht vorhersehbar und damit nicht durch eine Berichtigung beherrschbar. Zufällige Messabwei-chungen machen die Messergebnisse unsicher, was mit dem Begriff der Messunsicherheit zu fassen ist.

1 Zitiert nachAdunka(2007, S. 39).

2 Alle der hier vorgestellten Konzepte und Begriffe sind auch international gebräuchlich, siehe hierzu ISO/IEC Guide 98-3:2008(2008) undISO/IEC Guide 99:2007(2007).

4.1 Vorbemerkungen 82

a b c

Abbildung 4.2: Unrichtiges Ergebnis durch systematische Messabweichung (a), deren Korrektur (b) und das berichtigte Ergebnis (c).

Quellen für Messabweichung bei der CGH

Unter dem Aspekt der Optimierung und Qualitätssicherung sind viele Schritte der CGH betrachtet worden: die DNA-Isolierung aus Paraffin (Isola et al. 1994; Speicher et al. 1993), Markierung und Hybridisierung (Kallioniemi OP et al. 1994), der Einfluss der Metapha-senpräparate (Karhu et al. 1997), die Bildgewinnung, deren quantitative Auswertung und die Interpretation der Daten (du Manoir et al. 1995a;Lundsteen et al. 1995;Piper et al.

1995). All diese Schritte bergen Quellen für zufällige und systematische Messabweichungen in sich.

Noch einmal soll die Längenmessung als Beispiel betrachtet werden: Wollte man von zwei Stäben ermitteln, welcher der längere und welcher der kürzere ist, so spielte es keine Rolle, ob man mit einem normaltemperierten oder mit einem erhitzten Messwerkzeug mäße. Einzig bedeutsam für den Vergleich wäre, dass man beide Messungen mitdemselben Messwerkzeug durchführte. Auch die vorliegende Studie beruht auf einem Vergleich. Folglich muss speziell nach solchen Messabweichungen gefahndet werden, bei denen man zweierlei Maß anlegen könnte.

Insbesondere der Weg vom Ratioprofil zum abschließenden CGH-Befund in rev-ish-Schreibweise scheint für derlei anfällig zu sein. Es muss entschieden werden, wann genau ein Ausschlag des Ratioprofils als Verlust, Zugewinn oder Amplifikation zu werten ist.

Dabei unterscheidet man Verfahren mit festen Schwellenwerten (fixed treshhold procedures) von solchen, die ein statistisches Verfahren auf die Messwerte anwenden (data-driven procedures) (Barth et al. 2000). Als feste Schwellenwerte werden weit auseinanderliegende Werte von 1±0,25 bis hin zu 1±0,1 verwendet (Jeuken et al. 2002), so auch in der vorliegenden Studie: 1±0,25 im Vergleichskollektiv bei Ried et al. (1994), 1±0,12 in einem eigenen Fall (SQC-26). Statistische Verfahren nutzen oft eine t-Teststatistik, um signifikante Abweichungen vom neutralen Fluoreszenzverhältnis von 1,0 zu ermitteln (Petersen S et al. 2000;Walch et al. 1998).

4.1 Vorbemerkungen 83

Alle diese Wege, eine bedeutsame Abweichung vom neutralen Fluoreszenzverhältnis im Sinne eines Zugewinnes oder eines Verlustes zu ermitteln, bewegen sich innerhalb eines starren Paradigmas: dem vom neutralen Fluoreszenzverhältnis von 1,0. Der Neutralwert von 1,0 ist theoretisch genau dann zu erwarten, wenn die zu vergleichenden DNAs im Tumor- und Referenz-Gemisch in gleichen Anteilen vorliegen, normalerweise also bei Diploidie (2n) beider Proben.

Negativkontrollen

Hybridisiert man Referenzgewebe vergleichend mit Referenzgewebe im Sinne einer Nega-tivkontrolle, so kommt es zu deutlichen Abweichungen vom theoretischen Neutralwert von 1,0. Dies war bereits in der Anfangszeit der CGH aufgefallen, insbesondere im Bereich der Zentromere und Telomere, in gewissen heterochromatinreichen Regionen sowie den Chromosomenabschnitten 1p32pter, 16p, 19 und 22; solch problematische Regionen seien daher mit Vorsicht zu interpretieren oder aus der Bewertung auszuschließen (Kallioniemi OP et al. 1994).

Weitergehende Untersuchungen zeigten, dass es sich um ein generelles Phänomen handelt und ein Fluoreszenzverhältnis von 1,0 in etlichen chromosomalen Regionen nicht zu finden ist (Cher et al. 1996; Lundsteen et al. 1995; Moore et al. 1997). Abbildung 4.3 zeigt die Mittellinienabweichungen des neutralen Ratioprofils am Beispiel eines unveränderten Chromosoms 1. Obwohl es sich um ein Beispiel mit recht milder Abweichung handelt, ist nicht nur mit bloßem Auge die Farbverschiebung am Metaphasechromosom deutlich zu erkennen, sondern es ergibt sich darüber hinaus bereits ein falsch-positiver Befund durch Überschreitung der Schwelle für Zugewinne.

Dass die im Beispiel abweichende Chromosomenregion am terminalen p-Arm als

pro-Abbildung 4.3: CGH-Beispiel eines unverändertenChromosoms 1 aus der vorliegenden Studie: Abweichungen sind sowohl im Ratioprofil als auch in der Färbung des Metapha-sechromosoms deutlich erkennbar.

4.1 Vorbemerkungen 84

blematisch bekannt ist, war bereits erwähnt worden. Die wichtige Frage für den in der vorliegenden Studie unternommenen Vergleich ist nun, wie mit solchen problematischen Befunden in den einzelnen Arbeitsgruppen umgegangen wurde. Wie genau wurde ein vorsichtiges Interpretieren oder Ausschließen aus der Bewertung durchgeführt? Welche Kriterien wurden dabei angelegt? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass von den verschie-denen Arbeitsgruppen auch noch verschieden hohe Schwellenwerte zugrunde gelegt worden sind (s.o.), sollte man hier äußerste Vorsicht walten lassen. Bei allzu großen Diskrepanzen sähe man sonst als Resultat womöglich mehr Unterschiede zwischen den Arbeitsgruppen als Unterschiede zwischen Primärtumoren und Metastasen.

Das folgende Unterkapitel beschäftigt sich mit der Art und Weise, mit der solchen systematischen Messabweichungen der CGH begegnet wird.