• Keine Ergebnisse gefunden

Mediennutzung als Teil der Freizeitaktivität der Jugendlichen

Im Dokument Gibt es eine »Net Generation«? (Seite 80-85)

Es sollte nicht überraschen, dass das Ergebnis einer einigermaßen sorgfältigen Untersu-chung der Freizeitaktivitäten Jugendlicher nicht mit der Idee der Net Generation verein-bar ist. Erstens gibt es andere Freizeitaktivitäten als nur die Medien, und zweitens, selbst wenn ein Anstieg der Nutzungsdauer für Medien zu verzeichnen ist, müssen die Medien sich in den Bereich der gesamten Freizeitaktivitäten einordnen.

Wer sich in seiner Analyse ausschließlich auf Mediennutzungsdaten verlässt, bekommt das gesamte Freizeitverhalten der Jugendlichen nicht in den Blick, denn alle Medien zusammen machen nur einen Teil der Freizeitaktivitäten aus (erste Verzerrung). Wer Au-dio, Musik und RaAu-dio, Video (Film und TV), Printprodukte (Bücher und Zeitungen) so-wie Kommunikationsgeräte so-wie Telefon und Mobiltelefon nicht in die Analyse der Me-diennutzung aufnimmt, wer also die Computernutzung nicht an anderen Medien relati-viert, erhält Daten, in denen dem Computer und dem Internet unrealistische Nutzungs-frequenzen zugewiesen werden (zweite Verzerrung). Wer die Computerbenutzung nicht nach Funktionen aufschlüsselt, kann die Mediennutzungsarten nicht richtig zuordnen und erhält so eine dritte Verzerrung. Und wer schließlich die Nutzung nicht mit den Nutzermotiven erklärt, bringt sich um einen wichtigen Korrekturparameter.

Die Freizeitaktivitäten jenseits der Medien haben für Kinder und Jugendliche immer noch die größere Bedeutung. Immerhin sind 51,6% der Jugendlichen Mitglied in einem Verein, davon 65,3% in einem Sportverein (Wahler 2004, S. 116) und die Zeit, die die Jugendlichen pro Woche für den Sport aufbringen, ist beträchtlich (S. 122). Die Sachla-ge ist recht klar: Bei den meisten UntersuchunSachla-gen steht die Freizeitaktivität »Mit Freun-den zusammen sein« oder »Freunde treffen« mit Abstand ganz oben in der Liste der Lieblingsaktivitäten, wie im nachfolgenden Beispiel aus der KIM (2006) Studie des Me-dienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest:

Abb. 6: Freizeitaktivitäten (nach KIM 2006)

Danach kommen Fernsehen und Sport noch vor der Beschäftigung mit dem Computer.

Die Studie hatte mp3 noch nicht erfasst. Musik rangiert daher relativ weit hinten im

Vergleich zu anderen Studien (siehe das Beispiel gleich im nächsten Absatz). Zum Teil scheinen die Kategorien nicht überschneidungsfrei zu sein, z.B. Drinnen spielen mit Malen, Zeichnen, Basteln und Musik. Dennoch die Aussage ist diejenige, die von allen Studien geteilt wird, die Freizeitaktivitäten mit erhoben haben: Freunde treffen ist die dominante Beschäftigung der Jugendlichen. Diese Rangfolge der Themeninteressen gilt auch noch in der KIM-Studie 2008. Starke Unterschiede gibt es zwischen Jungen und Mädchen bei Sport, Computerspielen, Internet, Computerzubehör, Autos und Technik.

Bei den Freizeitaktivitäten sind die Hausaufgaben gezwungenermaßen an die Spitze gerückt, es folgt Fernsehen und danach kommt wie bekannt, Freunde treffen, Draußen Spielen udn Drinnen spielen.

Auch in der ethnographischen Studie von Barthelmes & Sander (2001) »rangiert das Computern hinter den Tätigkeiten ›Freunde treffen‹, ›Musikhören‹, ›Fernsehen‹ und

›Sport-Treiben‹.« (S. 120). In der neuesten KidsVerbraucherAnalyse des Ehapa-Verlags (2008), eine Untersuchung, die seit 1993 in Abständen durchgeführt wird, ist die Vertei-lung der Freizeitaktivitäten ganz ähnlich und bis auf wenige Prozentpunkte seit Jahren unverändert:

Abb. 7: Freizeitaktivitäten Jungen (nach KidsVerbraucherAnalyse 2008) mit Freunden verbringen

Rad fahren Fußball spielen Musik hören Computer nutzen mit Handspielgeräten spielen Computerspiele spielen Schwimmen Spielkästen spielen mit Konsolen spielen

0 22,5 45,0 67,5 90,0

23 23 24

25 32

33

50 58

68

82

Abb. 8: Freizeitaktivitäten Mädchen (nach KidsVerbraucherAnalyse 2008)

Diese Rangfolge der KIM-Studie bleibt in der JIM-Studie (2007 und 2009) erhalten, die das Alter von 12 bis 19 abdeckt, leider wurden in dieser Grafik nur die nicht-medialen Freizeitaktivitäten dargestellt, während die Medienaktivitäten in einem gesonderten Di-agramm dargestellt wurden:

»Je älter die Jugendlichen sind, desto mehr gewinnt der Freundeskreis an Bedeutung und nimmt die Häufigkeit von Party- und Discobesuchen zu. Auch treiben die Jugendlichen dann weniger Sport und Sportveranstaltungen verlieren etwas an Reiz. Unternehmungen mit der Familie und kreative Tätigkeiten, wie Malen, Basteln und Briefeschreiben, werden von älteren Jugendlichen weniger häufig ausgeübt.« (JIM 2007, S. 7)

Abb. 9: Non-mediale Freizeitaktivitäten (nach JIM 2007) mit Freunden verbringen

Musik hören Rad fahren Malen, Zeichnen mit Tieren beschäftigen Gymnastik, Turnen, Tanzen Bücher lesen Puppen spielen Hörbücher anhören Schwimmen

0 20 40 60 80

26 26 29

36 36 36

47 48

63

79

Diese Erkenntnis bestätigt auch die Studie »Leisure time: clean living youth shun new technology« von synovate (2007) an 18-24jährigen: »The research shows that for to-day‹s youth, friends are THE most important thing – more than family, career or educa-tion: 58% of respondents agreed with the statement ›my friends are the most important thing in my life.‹« [http://www.synovate.com/current/news/article/2007/02/leisure-time- clean-living-youth-shun-new-technology.html]

Wie sehr Nutzung, Nutzungszeit und Rangfolge der Freizeitinteressen auseinander bre-chen, demonstriert am besten die Studie des Deutschen Jugendinstituts. Während die Nutzungszeiten die Rangfolge TV, Handy, Computer, Bücher, Zeitschriften ergeben, nimmt sich die Rangfolge der Freizeitinteressen anders aus (Tully 2004, S. 171):

1. Musik hören

2. Mit Freunden zusammen sein 3. Computer, Internet, Handy

4. Fernsehen, Video, Computerspiele 5. usw.

In der Rangfolge der Interessen erscheint »Musik hören« an erster Stelle, noch vor »Mit Freunden zusammen sein« (S. 171), das bei den KIM- und JIM-Studien stets den ersten Rang der Freizeitaktivitäten einnimmt. Erst nach dem Sozialleben kommt bei Tully die Mischkategorie »Computer, Internet, Handy, Fernsehen, Video, Computerspiele«, die in dieser Form ungeeignet für eine differenzierte Auswertung der Intentionen ist. Die Kombination wurde nicht separat ausgewertet, was, wie später noch zu zeigen sein wird, die Reihenfolge verändert hätte. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass der sozia-le Bezug zu den Peers die Hauptrolsozia-le spielt und Kommunikation der dafür notwendige Mediator ist, denn es »zeigt sich auch, dass die allerwichtigsten Aktivitäten, die junge Menschen heute ausüben, nur vermittelt mit Techniken in Verbindung stehen: Mit Freunden treffen, Sport treiben oder Musik hören besitzt insofern eine technische Kom-ponente, als eine Verabredung getroffen, zur Sportanlage gefahren oder ein CD-Player besessen werden muss – in früheren Zeiten war dies aber auch ohne aufwändige Tech-nik möglich; d.h. es deutet alles darauf hin, dass moderne TechTech-niken ein integraler Bestandteil des jugendlichen Lebens sind, ihr Besitz fraglos vorausgesetzt wird und da-mit die Basis für die Inklusion in verschiedene jugendrelevante Bezüge darstellt.« (Tully 2004, S. 175) Diese Aussagen, man kann sie anscheinend in verschiedene Richtungen lesen und ich werde im letzten Kapitel ausführlicher darauf zurückkommen, ist ganz wichtig: Die Medien sind Teil des Alltags, sie werden als gegeben hingenommen und ganz selbstverständlich genutzt und in die ganz normalen Sozialisationsprozesse einbe-zogen (s.a. Treumann, Meister, Sander u.a. 2007, S. 29, S. 103). Das bedeutet nach meinem Verständnis gerade nicht, dass die Medien die Einstellungen der Jugendlichen

»prägen«, Nerds oder Net Kids aus ihnen machen.

In der Kaiser Family Foundation Studie (2004) kommt Fernsehen sogar noch vor dem Zusammensein mit Freunden. Auch hier rangieren Musik, Sport und Video vor dem Computer:

Activity Time

Watching TV 3:04

Hanging out with parents 2:17

Hanging out with friends1 2:16

Listening to music 1:44

Exercising, sports, etc. 1:25

Watching movies/videos 1:11

Using a computer 1:02

Pursuing hobbies, clubs, etc. 1:00 Talking on the telephone1 0:53

Doing homework1 0:50

Playing video games 0:40

Reading 0:43

Working at a job1 0:35

Doing chores 0:32

Tab. 9: Freizeitaktivitäten (nach Kaiser Family Foundation 2004)

1 einige Fragen wurden nur Schülern der 7.-12. Klasse gestellt.

Danach macht die Computernutzung der Jugendlichen im Jahr 2004 in den USA nur einen Bruchteil der Freizeitaktivitäten an einem vollen Tag aus. Fernsehen und Video machen den größten Teil der Medienaktivitäten aus, die von der Studie der Kaiser Fa-mily Foundation auf 6½ Stunden pro Tag geschätzt werden, Audio und Musik stellen den zweitgrößten Anteil noch vor dem Computer. Während sich seit der älteren Kaiser Family Foundation Studie (1999) der Anteil der medienbezogenen Aktivität bis 2004 nicht verändert hat, ist der Anteil der Multitasking-Mediennutzung gestiegen (Kaiser Family Foundation 2006).

Im Dokument Gibt es eine »Net Generation«? (Seite 80-85)